Europarecht

Zwangsgeldandrohung, Betriebsgrundstück, Verwaltungsgerichte, Behördenakten, Klagepartei, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtsmittelbelehrung, Bescheid, Prozeßbevollmächtigter, Prozeßkostenhilfeverfahren, Parallelverfahren, Entsorgungskonzept, Zeitweilige Lagerung, Aufschiebende Bedingung, Kostenentscheidung, Landratsamt, Schriftsätze, Befähigung zum Richteramt, Zuwiderhandlung, Duldungsanordnung

Aktenzeichen  M 28 K 19.2411

Datum:
21.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37431
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG Art. 37 Abs. 1 S. 1
BayVwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3
BayVwZVG Art. 19 Abs. 2
BayVwZVG Art. 38 Abs. 1 S. 3
KrWG § 3 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das in Ziffer 6. des Bescheids vom 4. Februar 2019 bezüglich der Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen angedrohte und mit Schreiben vom 17. April 2019 für fällig erklärte Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 € nicht fällig wurde.     
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Beklagte 4/5 und die Klagepartei 1/5 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig (insbesondere hinsichtlich der Frage der Fälligkeit des Zwangsgelds nach stRspr. auch als Feststellungsklage statthaft, vgl. z.B. VG Augsburg, U.v. 29.4.2020 – Au 4 K 19.1148 – juris Rn. 17 m.w.N.), aber nur zum Teil begründet.
Das mit Schreiben des Landratsamts vom 17. April 2019 für fällig erklärte Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 € wurde nicht fällig (nachfolgend I.). Der Bescheid des Landratsamts vom 17. April 2019 – in der Fassung der Erklärung des Beklagten vom 21. Oktober 2020 – ist rechtmäßig (nachfolgend II.).
I.
Das mit Schreiben des Landratsamts vom 17. April 2019 für fällig erklärte Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 € wurde nicht fällig, denn der Beklagte kann den hierfür erforderlichen Verstoß der Klagepartei gegen die zwangsgeldbewehrte Anordnung im Bescheid vom 4. Februar 2019 nicht ausreichend belegen (Art. 37 Abs. 1 Satz 1, Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG).
In Ziffer 1. des Bescheids des Landratsamts vom 4. Februar 2019 wird (unter gleichzeitiger Anordnung des Sofortvollzugs, Ziffer 4.) angeordnet, dass die Klagepartei die Anlagen zur zeitweiligen Lagerung und Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen auf dem im Bescheid genannten Grundstück unmittelbar mit Zustellung dieses Bescheids einzustellen hat. Nach Ziffer 6. des Bescheids wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die jeweilige Pflicht unter Ziffer 1. „jeweils gesondert“ ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 € zur Zahlung fällig.
Zwar hat die Klagepartei in der Woche vom 4. Februar 2019 mit dem vom Beklagten festgestellten und dokumentierten (Bl. 189 ff. der Behördenakte) Betrieb eines Backenbrechers gegen das Verbot der Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen verstoßen. Hierdurch wurde ein Zwangsgeld indes – auch aus Sicht des Beklagten – nicht fällig, weil sich die Feststellungen auf einen Zeitraum noch vor der Zustellung des Bescheids am 11. Februar 2019 beziehen.
Der Beklagte stützt die Fälligkeitsmitteilung vom 17. April 2019 vielmehr (zuletzt) auf Verstöße gegen das Verbot der Lagerung nicht gefährlicher Abfälle, wobei insoweit (auch aus Sicht des Beklagten, vgl. Schriftsatz des Landratsamts vom 12. Oktober 2020 im Verfahren M 28 K 19.930) lediglich Abfälle im Rechtssinne erfasst werden. Tatsächliche Feststellungen hierzu können nur den Dokumentationen der beiden Ortseinsichten am 26. März 2019 und 4. April 2019 entnommen werden. Die Ortseinsicht am 26. März 2019 erfolgte durch eine Polizeibeamtin der PI Neufahrn bei F. Ausweislich ihres Aktenvermerks (Bl. 252, 267 der Behördenakte) lud ein Lkw Material ab, es habe sich hierbei „augenscheinlich um Humus“ gehandelt. Vom Fahrer sei ein Lieferschein vorgezeigt worden, auf dem als Ladung „Boden“ vermerkt gewesen sei. Ein weiterer anliefernder Lkw habe „Kies“ auf dem Betriebsgrundstück abgeladen. Bei einer weiteren Ortseinsicht auch mit Vertretern des Landratsamts am 4. April 2019 dokumentierte die Polizeibeamtin (Bl. 254, 269 der Behördenakte), dass ein anliefernder Lkw „augenscheinlich Kies“ auf dem Betriebsgrundstück abgeladen habe.
Auch unter Berücksichtigung der typischen Geschäftsfelder der Klagepartei (die Firmenhomepage benennt insoweit: Schüttguttransporte, Erdbewegungen, Abbrucharbeiten, Containerdienst, Baumaschinenvermietung, Lieferung von Kies, Sand, Erde) sowie weiter unter Berücksichtigung der Tatsache, dass – dies ist zwischen den Beteiligten im Parallelverfahren M 28 K 19.930 unstreitig – jedenfalls im Frühjahr 2019 auf dem Betriebsgrundstück noch ein Bestand von Haufwerken mit (nicht gefährlichem) Abfall lagerte, kann allein aus den konkret vorliegenden Feststellungen zu diesen Anliefervorgängen nicht hinreichend auf die Anlieferung von Abfall im Rechtssinne geschlossen werden, sondern erscheint genauso der – aus welchem Grund auch immer – schlichte Transport und die nachfolgende Ablagerung von „reinem“ Kies oder „reinem“ Humus, die als Stoffe weder tatsächlich noch rechtlich zwangsläufig Abfall im Rechtssinne darstellen oder die Vermutung des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG begründen, möglich. Auch die Tatsache, dass nach den Feststellungen der Polizeibeamtin an einem der anliefernden Lkws am 4. April 2019 eine weiße Warntafel („A-Schild“ gemäß § 55 KrwG) angebracht gewesen sei, überwindet dieses Defizit nicht; so ist das Führen eines die erleichterte Kontrolle illegaler Abfallverbringung ermöglichenden „A-Schildes“ bei Leerfahrten oder mit Ladungen, die keinen Abfall darstellen, nicht bußgeldbewehrt (vgl. Schomerus in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 55 Rn. 7) und kann in der Praxis bei unterschiedlichen Ladungen im Laufe eines Arbeitstages auch nur der Bequemlichkeit des Fahrers entspringen.
Soweit der Beklagte auf den diesbezüglichen gerichtlichen Hinweis (mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2020 im Verfahren M 28 K 19.930) und in der mündlichen Verhandlung geltend machte, das angelieferte Material sei bei Bauarbeiten (Baufeldfreimachung, Aushub-, Abriss- oder ähnlichen Arbeiten) angefallen, weshalb ein Wille zur Entledigung i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KrWG gegeben sei, erscheint dies zwar in tatsächlicher Hinsicht möglich, bleibt aber eine nicht weiter belegte Vermutung. Insoweit ist auch anzumerken, dass zwar – nur – anlässlich der Ortseinsicht am 4. April 2019 zahlreiche Fotoaufnahmen gefertigt wurden, die konkreten Ladungen der anliefernden Lkws darauf jedoch nicht dokumentiert wurden, so dass das angelieferte Material auch nicht auf diese Weise ergänzend bewertet werden kann (etwa dahingehend, dass es mit Bauschutt, Ziegelresten o.ä., „reinem“ Kies oder „reinem“ Humus entgegenstehenden Materialien durchsetzt gewesen wäre).
Die vom Beklagten weiter angeführte Tatsache, dass die Unbedenklichkeit des Materials und dessen Herkunft von der Klagepartei nicht nachgewiesen worden seien, vermag möglicherweise Relevanz bei der immissionsschutz-, abfall-, wasserrechtlichen o.ä. Bewertung des Zustands des Betriebsgeländes Relevanz erlangen, entbindet den Beklagten aber nicht von der ihn treffenden Verpflichtung, die Voraussetzungen für die Fälligkeit des angedrohten Zwangsgelds zu belegen (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2006 – 22 ZB 06.2682, 22 ZB 06.2683 – juris Rn. 20: „…dass gerade in einem eingriffsintensiven und rechtsstaatlich sensiblen Bereich wie dem Verwaltungsvollstreckungsrecht die vollstreckende Behörde die materielle Beweislast dafür trägt, dass die in dem Leistungsbescheid nach Art. 36 Abs. 1, Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BayVwZVG enthaltene aufschiebende Bedingung eingetreten und das angedrohte Zwangsgeld daher fällig geworden ist…“; ebenso: BayVGH, B.v. 27.9.2010 – 1 CS 10.1389 – juris Rn. 17; VG Augsburg, U.v. 29.9.2011 – Au 5 K 10.1874, Au 5 K 11.105 – juris Rn. 44 – 46). Deshalb helfen dem Beklagten schließlich auch seine Erkenntnisse (Bl. 256 f. der Behördenakte), dass von einem der anliefernden Lkw-Fahrer am 26. März 2019 – aus welchem Grund auch immer – der Polizeibeamtin ein unzutreffender Lieferschein vorgezeigt wurde, nicht weiter.
II.
Der Bescheid des Landratsamts vom 17. April 2019 in der Fassung der Erklärung des Beklagten vom 21. Oktober 2020, insbesondere also die (erneute) isolierte Zwangsgeldandrohung bezüglich der Anordnung in Ziffer 2.b. des Bescheids vom 4. Februar 2019, ist rechtmäßig.
Die Klagepartei hat bezüglich der Rechtmäßigkeit der Ziffern 2. und 3. des Bescheids vom 17. April 2019 schon keine substantiierten Einwände erhoben. Gemessen an dem durch Art. 38 Abs. 1 Satz 3 BayVwZVG für eine isolierte, nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbundene (erneute) Zwangsgeldandrohung vorgegebenen Prüfungsmaßstabs einer Rechtsverletzung durch die Androhung selbst sind rechtliche Bedenken auch nicht veranlasst. Die Voraussetzungen einer rechtmäßigen (erneuten) Zwangsgeldandrohung nach Art. 18, Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 29, Art. 31, Art. 36 Abs. 1, 3, 5 und 7 BayVwZVG sind erfüllt. Insbesondere blieb auch die vorausgegangene Androhung eines Zwangsmittels erfolglos (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG), da die Klagepartei ihre Verpflichtung zur Vorlage eines Entsorgungskonzepts i.S.d. Ziffer 2.b. des Bescheids vom 4. Februar 2019 unstreitig nicht bis 15. April 2019 erfüllte und damit das in Ziffer 8. dieses Bescheids in Höhe von 5.000,00 € angedrohte (erste) Zwangsgeld bereits fällig wurde. Beim Landratsamt ging diesbezüglich erst am 29. Mai 2019 ein Dokument ein (vgl. Bl. 481 f. der Behördenakte), das im Übrigen auch dann inhaltlich zweifelsfrei nicht ausreichend war, die Anordnung zu erfüllen.
Der Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO überwiegend stattzugeben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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