Familienrecht

Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug für minderjährigen Serben

Aktenzeichen  B 4 K 14.109

Datum:
3.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45165
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG §§ 2 XII, 5 II S. 1u. 2, 17, 18 II, 32 III, IV, 38a, 39, 42
FamFG FamFG § 107 IX
BGB BGB § 1678 I
BSO § 44 IV, 45 III
BSO § 44 Abs. 4, § 45 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Die vom Amtsgericht getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung nicht vorliegen, ist für das Verwaltungsgericht nach § 108 Abs. 2 S. 2 iVm § 107 Abs. 9 FamFG bindend. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Angesichts der Regelung in § 32 Abs. 3 AufenthG, wonach bei Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1, 2 AufenthG auch zum Nachzug zu nur einem sorgeberechtigten Elternteil erteilt werden kann, kann dahingestellt bleiben, ob die familiengerichtliche Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge der Kindsmutter dem alleinigen Sorgerecht des Kindsvaters gleichzusetzen ist, wenn unstreitig feststeht, dass die Kindsmutter ihr Einverständnis mit dem Aufenthalt des Minderjährigen im Bundesgebiet erklärt hat. (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Die Vorlage des Zertifikats einer akkreditierten Stelle ist keine notwendige, sondern nur eine hinreichende Voraussetzung für den Nachweis der im Zuge des Kindernachzugs erforderlichen Sprachkompetenz. Maßgeblich ist, dass die deutschen Sprachkenntnisse zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahrs tatsächlich vorliegen (wie BVerwG BeckRS 2013, 46292).  (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Da die Integration eines Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse letztlich stets ausreichende Sprachkenntnisse erfordert, muss bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 2 S. 1 AufenthG bei über Sechzehnjährigen, die die deutsche Sprache nicht iSv § 32 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 AufenthG beherrschen, regelmäßig erwartet werden, dass wenigstens sprachliche Grundkenntnisse vorhanden sind und zusätzlich ein ausgeprägtes Integrationsinteresse besteht. (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Das Vorliegen einer besonderen Härte für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 4 AufenthG setzt voraus, dass deren Verweigerung den minderjährigen Ausländer ungleich schwerer trifft als andere Ausländer in vergleichbarer Lage. Dies hängt davon ab, ob nach den Gegebenheiten des Einzelfalls das Interesse des minderjährigen Kindes und der im Bundesgebiet lebenden Eltern an einem Zusammenleben deswegen Vorrang genießt, weil sich die Lebensumstände für den Verbleib des Kindes im Heimatland wesentlich geändert haben; es müssen Umstände vorliegen, die die Eltern bei ihrer früheren Entscheidung, das Kind im Heimatland zu lassen, nicht berücksichtigen konnten (wie BayVGH BeckRS 2014, 58903). (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1.1 Gemäß § 113 Abs. 5 VwGO ist weder die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, noch die Verpflichtung, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, auszusprechen, weil die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist.
1.1.1 Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für einen Kindernachzug gemäß § 32 AufenthG waren seit der Antragstellung am 21.03.2012 bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Klägers am …2015 zu keinem Zeitpunkt erfüllt.
1.1.1.1 Im Zeitpunkt der Antragstellung am 21.03.2012 galt § 32 AufenthG in der vom 28.08.2007 bis 31.07.2012 geltenden Fassung.
Gemäß Absatz 1 Nr. 1 war dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder 2 oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 besitzt – dies war und ist beim Vater des Klägers nicht der Fall.
Gemäß Absatz 3 (Absatz 1 Nr. 2 sowie Absätze 2 und 2a waren offensichtlich nicht einschlägig, weil der Kläger bis zum 31.07.2012 das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und sein Vater keine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG besaß und besitzt) war dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. Auch dieser Tatbestand war nicht erfüllt, weil bis zum 31.07.2012 unstreitig nicht der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis befindliche Vater des Klägers, sondern die Mutter der allein personensorgeberechtigte Elternteil war (die zweite serbische Sorgerechtsentscheidung erging erst am 22.08.2012).
1.1.1.2 Unter der vom 01.08.2012 bis 05.09.2013 geltenden Fassung des § 32 AufenthG änderte sich die Sach- und Rechtslage nicht zugunsten des Klägers, weder für die Zeit vor noch für die Zeit nach Vollendung seines 16. Lebensjahres am …2013.
Sowohl der Nachzug eines minderjährigen ledigen Kindes eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach Absatz 3 als auch der Nachzug eines minderjährigen ledigen Kindes, welches das 16. Lebensjahr vollendet hat, nach Absatz 2 setzte unverändert voraus, dass beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. (Die Tatbestände der Absätze 1 und 2a bedürfen keiner Erörterung, weil sie offensichtlich nicht erfüllt waren.)
Auch im Zeitraum 01.08.2012 bis 05.09.2013 war noch nicht der im Besitz der Niederlassungserlaubnis befindliche Vater des Klägers, sondern seine Mutter der allein personensorgeberechtigte Elternteil.
Zwar sprach das Amtsgericht in …, Außenstelle in …, Republik Serbien, mit Urteil vom 22.08.2012 (und damit noch vor Vollendung des 16. Lebensjahres des Klägers am …2013, so dass es auf die zusätzlichen Voraussetzungen des Absatzes 2 nicht angekommen wäre) das Sorgerecht mit Einverständnis der Mutter dem Vater zu. Jedoch hat das Amtsgericht Bayreuth mit Endbeschluss vom 19.06.2014 den Antrag des Vaters des Klägers auf Feststellung der Anerkennung dieser Entscheidung gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 FamFG als unbegründet zurückgewiesen, weil ein Anerkennungshindernis gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG besteht (unterbliebene Anhörung der Kinder). Die vom Amtsgericht Bayreuth getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht vorliegen, ist für das Verwaltungsgericht bindend, § 108 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 107 Abs. 9 FamFG.
1.1.1.3 Zuletzt – bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Klägers am 10.01.2015 – galt § 32 AufenthG in der vom 06.09.2013 bis 31.07.2015 geltenden Fassung.
Nach Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 war dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, welches – wie (nunmehr) der Kläger – bereits das 16. Lebensjahr vollendet hat und seinen Lebensmittelpunkt nicht zusammen mit seinen Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in das Bundesgebiet verlegt, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Blaue Karte EU, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzen sowie das Kind die deutsche Sprache beherrscht oder gewährleistet erscheint, dass es sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. (Die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2, unter denen die Einschränkungen des Absatzes 2 Satz 1 nicht gelten, liegen offensichtlich und unstreitig nicht vor.) Neu war, dass gemäß Absatz 3 bei gemeinsamem Sorgerecht eine Aufenthaltserlaubnis nach den Absätzen 1 und 2 auch zum Nachzug zu nur einem sorgeberechtigten Elternteil erteilt werden soll, wenn der andere Elternteil sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Kindes im Bundesgebiet erklärt hat oder eine entsprechende rechtsverbindliche Entscheidung einer zuständigen Stelle vorliegt.
Der im Besitz der Niederlassungserlaubnis befindliche Vater des Klägers hat die elterliche Sorge möglicherweise schon seit der Feststellung des Amtsgerichts Bayreuth mit Beschluss vom 18.06.2014, dass die elterliche Sorge der Mutter ruht, gemäß § 1678 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB faktisch allein ausgeübt; jedenfalls seit der Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Elternteile mit Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 27.08.2014 war er personensorgeberechtigt, wobei angesichts des § 32 Abs. 3 AufenthG dahingestellt bleiben kann, ob die Maßgabe, dass die elterliche Sorge der Kindsmutter ruht, einem alleinigen Sorgerecht des Vaters im Sinne der Kindernachzugsvorschriften gleichzusetzen ist, nachdem unstreitig feststeht, dass die Mutter ihr Einverständnis mit dem Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet erklärt hatte. Damit waren die sorgerechtlichen Voraussetzungen für den Nachzug des Klägers zum Vater erst nach Vollendung seines 16., aber noch vor Vollendung seines 18. Lebensjahres erfüllt.
Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis scheiterte aber an der besonderen Erteilungsvoraussetzung des § 32 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, weil zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung seines 18. Lebensjahres am …2015 der Kläger weder die deutsche Sprache beherrschte noch gewährleistet erschien, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.
1.1.1.3.1 Gemäß § 2 Abs. 12 AufenthG beherrscht ein Ausländer die deutsche Sprache, wenn seine Sprachkenntnisse dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) für Sprachen entsprechen. Der GER unterscheidet die drei grundlegenden Level A: Elementare Sprachverwendung, B: Selbstständige Sprachverwendung und C: Kompetente Sprachverwendung, die nochmals in insgesamt 6 Stufen des Sprachniveaus unterteilt sind. Die Stufe C 1 – Fachkundige Sprachkenntnisse ist wie folgt umschrieben:
„Kann ein breites Spektrum anspruchsvoller, längerer Texte verstehen und auch implizite Bedeutungen erfassen. Kann sich spontan und fließend ausdrücken, ohne öfter deutlich erkennbar nach Worten suchen zu müssen. Kann die Sprache im gesellschaftlichen und beruflichen Leben oder in Ausbildung und Studium wirksam und flexibel gebrauchen. Kann sich klar, strukturiert und ausführlich zu komplexen Sachverhalten äußern und dabei verschiedene Mittel zur Textverknüpfung angemessen verwenden.“
Zwar ist die Vorlage eines entsprechenden Zertifikats einer akkreditierten Stelle, das der Kläger nicht vorweisen kann, keine notwendige, sondern nur eine hinreichende Voraussetzung für den Nachweis der entsprechenden Sprachkompetenz; entscheidend ist, dass die entsprechenden Sprachkenntnisse zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung seines 18. Lebensjahres am …2015 tatsächlich vorlagen (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 – 10 C 11/12 Rn. 27). Die dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen belegen aber das Gegenteil.
Bezüglich der eigenen Wahrnehmung des Gerichts kann nur auf den Erörterungstermin am 16.04.2014 zurückgegriffen werden, weil der Kläger schon im Zeitpunkt der ersten mündlichen Verhandlung am 01.07.2015 sein 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Im Erörterungstermin hat der Kläger konkrete Fragen des Gerichts zwar verstanden und mit einfachen Sätzen beantwortet, aber nicht den Eindruck erweckt, sich zu den thematisierten Umständen seines Lebens in Serbien und seiner Reise nach Deutschland, die nicht einmal komplexe Sachverhalte darstellen, klar, strukturiert und ausführlich äußern zu können.
Als weitere Erkenntnisquellen können die Schulzeugnisse des Klägers herangezogen werden.
Allerdings spielt der Vermerk im Jahreszeugnis vom 31.07.2015, dass die nachgewiesene Schulbildung den erfolgreichen Mittelschulabschluss einschließt (§ 44 Abs. 4 und § 45 Abs. 3 BSO) und dass dieser Abschluss im Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmen dem Niveau 2 zugeordnet ist, auch unabhängig davon, dass der Kläger den Mittelschulabschluss erst nach Vollendung seines 18. Lebensjahres erworben hat, für die Beurteilung seiner Sprachkompetenz keine Rolle. Allein die Tatsache eines erfolgreichen Mittelschulabschlusses belegt noch keine fachkundigen Sprachkenntnisse der Stufe C 1, weil gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 BSO der Vermerk nach § 44 Abs. 4 Satz 1 BSO in das Jahreszeugnis aufzunehmen ist, wenn in allen Fächern mindestens die Note 4 erzielt wurde, also auch dann, wenn die Leistungen im Fach Deutsch nur mit ausreichend bewertet wurden. Beim Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR und DQR) geht es um die Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa, indem bestimmte Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen acht definierten Bildungsniveaus zugeordnet werden. Über konkrete sprachliche Fähigkeiten sagt die entsprechende Zuordnung eines Schulabschlusses nichts aus.
Erkenntnisse zur Sprachkompetenz des Klägers lassen sich aber aus den schulischen Bewertungen seiner Leistungen im Fach Deutsch gewinnen:
Sprechen
Schreiben
Hören und Hörverstehen
Lesen und Leseverstehen
Note
Bescheinigung vom 29.07.2014;
Schuljahr 2013/2014;
Vorklasse zum Berufsintegrationsjahr
äußerte seine Gedanken spontan, frei und gut verständlich, meist jedoch noch mit einfacher Satzstruktur
konnte Texte auf einfache Weise verfassen
verstand einfache Anweisungen problemlos, bei zunehmender Komplexität nicht immer
konnte fließend und gut verständlich vorlesen und die Information in Auszügen wiedergeben
befriedigend
Zwischenzeugnis vom 23.02.2015; Schuljahr 2014/2015; Berufsintegrationsjahr
sprach nahezu fließend und dabei schon ziemlich schnell überwiegend mit korrektem Satzbau
schrieb gut lesbar und zusammenhängend
hörte bei Interesse gut zu und verstand Anweisungen problemlos, fragte im Zweifelsfall nach
las relativ fließend und richtig artikuliert
gut
Jahreszeugnis vom 31.07.2015;
Schuljahr 2014/2015; Berufsintegrationsjahr
sprach nahezu fließend mit gut verständlicher Artikulation, überwiegend korrektem Satzbau
schrieb mit gut lesbarer Schrift; überwiegend korrekter Satzbau und sehr gute Rechtschreibung
hörte bei Interesse gut zu und verstand Anweisungen problemlos, fragte im Zweifelsfall nach
las relativ fließend mit guter Satzmelodie und Rhythmik; verstand den Inhalt nahezu vollständig
befriedigend
Die verbalen Beschreibungen der sprachlichen Fähigkeiten des Klägers, die bis zuletzt – auch noch für den Zeitraum nach Eintritt seiner Volljährigkeit – Einschränkungen enthalten („sprach nahezu fließend“; „überwiegend korrekter Satzbau“; „las relativ fließend“; „verstand den Inhalt nahezu vollständig“), rechtfertigen nicht die Annahme, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Vollendung seines 18. Lebensjahres am …2015 „ein breites Spektrum anspruchsvoller, längerer Texte verstehen und auch implizite Bedeutungen erfassen“ und „sich klar, strukturiert und ausführlich zu komplexen Sachverhalten äußern und dabei verschiedene Mittel zur Textverknüpfung angemessen verwenden“ konnte.
Die vom Kläger vorgelegten Praktikumsbeurteilungen liefern keine verwertbaren Erkenntnisse zu seinen Sprachkenntnissen. Dem Schreiben und der Praktikumsbeurteilung des Malermeisters … vom 13.07.2015 für die Zeiträume 14.10. bis 22.10. und 04.11. bis 12.11.2014 lässt sich zur Sprachkompetenz des Klägers nichts entnehmen. Allein die Tatsache, dass er ihm zum September 2014 eine Ausbildungsstelle als Maler angeboten hatte, rechtfertigt nicht die Annahme fachkundiger Sprachkenntnisse der Stufe C 1. Die Praktikumsbeurteilung der Firma …GmbH vom 13.07.2015 für den Zeitraum 09.06.2015 bis 01.07.2015 enthält die Bemerkung „manchmal gab es Kommunikationsschwierigkeiten“. Ob und gegebenenfalls welche Schlüsse aus dieser Bemerkung gezogen werden können, kann dahinstehen, weil sie sich ohnehin nicht auf den maßgeblichen Zeitraum vor Eintritt der Volljährigkeit des Klägers bezieht.
Nach alledem beherrschte der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung seines 18. Lebensjahres am …2015 die deutsche Sprache nicht im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 12 AufenthG.
1.1.1.3.2 Zu diesem Zeitpunkt erschien auch nicht gewährleistet, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.
Da die Integration eines Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse letztlich nicht ohne ausreichende Sprachkenntnisse funktionieren kann, muss bei über Sechzehnjährigen, die die erste Alternative (Beherrschung der deutschen Sprache) nicht erfüllen, regelmäßig erwartet werden, dass wenigstens sprachliche Grundkenntnisse vorhanden sind und zusätzlich ein ausgeprägtes Integrationsinteresse besteht (Sennekamp, HTK-AuslR /§ 32 AufenthG /zu Abs. 2 06/2014 Ziffer 2.3 b).
Das Vorhandensein sprachlicher Grundkenntnisse steht beim Kläger außer Frage. Ebenso eindeutig sprechen aber die schulischen Bewertungen seines Sozial- sowie seines Lern- und Arbeitsverhaltens gegen ein ausgeprägtes Integrationsinteresse:
Sozialverhalten
Lern- und Arbeitsverhalten
Bescheinigung vom 29.07.2014;
Schuljahr 2013/14;
Vorklasse zum Berufsintegrationsjahr
… nahm im zweiten Halbjahr regelmäßiger am Unterricht teil und achtete auch mehr auf Pünktlichkeit. Sein Verhalten blieb jedoch noch ziemlich kindlich. Er konnte eigene Bedürfnisse und Interessen nicht zurückstellen, dementsprechend war er auch oft in Konflikte verwickelt. Auf Kritik reagierte er meist mit Unverständnis und wenig Einsicht. … fiel es schwer, zuzuhören und Gesprächsregeln einzuhalten. Das Sozialverhalten war insgesamt ausreichend.
… zeigte teilweise Interesse, konnte dieses aber nicht lange aufrechterhalten. Seine Hausaufgaben fertigte er unzuverlässig und sehr lückenhaft an. In den praktischen Fächern zeigte er wenig Bereitschaft, mit seinen Aufträgen zu beginnen und arbeitete oft ungenau. Er ließ sich durch Störungen sehr leicht von seiner Arbeit ablenken. Sehr oft gingen die Störungen auch von ihm selbst aus. Das Lern- und Arbeitsverhalten war insgesamt mangelhaft.
Zwischenzeugnis vom 23.02.2015;
Schuljahr 2014/2015;
Berufsintegrationsjahr
… übernahm keine Verantwortung für sein Verhalten, er stört sehr häufig den Unterricht. Seine Noten beruhen mehr auf seinen Vorkenntnissen als auf seinem Arbeitseinsatz. Er konnte eigene Bedürfnisse und Interessen nicht zurückstellen. Er ließ sich häufig provozieren und in Konflikte verwickeln. … störte häufig durch unangebrachte Äußerungen und kommentierte Äußerungen anderer mit unpassenden Bemerkungen. Das Sozialverhalten war insgesamt nicht befriedigend.
… war meist abgelenkt und unaufmerksam. Er arbeitete nicht konzentriert mit und lenkte andere von der Arbeit ab. Bei Themen, bei denen er Vorkenntnisse besaß, arbeitete er selbstständig und zügig. Bei Themen ohne Vorkenntnisse arbeitete er nur unvollständig und langsam. … ließ sich durch Störungen leicht von seiner Arbeit ablenken, wäre bei entsprechender Konzentration aber durchaus in der Lage, brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Das Lern- und Arbeitsverhalten war insgesamt nicht befriedigend.
Jahreszeugnis vom 31.07.2015;
Schuljahr 2014/2015; Berufsintegrationsjahr
… übernahm erst gegen Ende des Schuljahres Verantwortung für sein Verhalten. Er störte oft den Unterricht und schaffte es kaum, mit anderen gewinnbringend zusammenzuarbeiten. … konnte eigene Bedürfnisse und Interessen erst allmählich zurückstellen, ließ sich häufig provozieren und in Konflikte verwickeln. Er störte oft durch unangebrachte Äußerungen und kommentierte Beiträge anderer mit unpassenden Bemerkungen. Das Sozialverhalten war insgesamt nicht befriedigend.
… war meist abgelenkt und unaufmerksam. Er arbeitete nicht konzentriert mit und lenkte andere von der Arbeit ab. Bei Themen, bei denen er Vorkenntnisse besaß, arbeitete er selbstständig und zügig. Bei Themen ohne Vorkenntnisse arbeitete er nur unvollständig und langsam. … ließ sich durch Störungen leicht von seiner Arbeit ablenken, wäre bei entsprechender Konzentration aber durchaus in der Lage, brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Das Lern- und Arbeitsverhalten war insgesamt nicht befriedigend.
Das geschilderte Verhalten des Klägers rechtfertigte selbst für den letzten – wegen Vollendung seines 18. Lebensjahres nicht mehr maßgeblichen – Zeitraum noch keine positive Integrationsprognose im Sinne einer Gewährleistung, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.
Zwar vermittelt die nachträgliche Praktikumsbeurteilung des Malermeisters … vom 13.07.2015 für die Zeiträume 14.10. bis 22.10. und 04.11. bis 12.11.2014, in denen der Kläger an jeweils zwei Tagen pro Woche das Praktikum absolviert hat, ein günstigeres Bild:
Kriterien
Bewertung
Führung, Betragen, Befolgen von Anordnungen, Zusammenarbeit
ordnet sich gut ein, sehr verträglich
Fleiß, Arbeitsbereitschaft
Interesse und Fleiß überdurchschnittlich
Lernfähigkeit, Auffassungsgabe, Merk- und Denkfähigkeit, Regsamkeit
Auffassungsgabe befriedigend, guter Durchschnitt
Ordnung
ordentlich, auch ohne häufige Ermahnung
Arbeitsgüte, Sauberkeit, Sorgfalt
macht sehr selten Fehler, arbeitet sauber
Arbeitstempo
seine Zeit liegt schon über dem Durchschnitt
Praktische Eignung für den Ausbildungsberuf als Maler
geeignet
Das geschilderte positive Verhalten des Klägers an insgesamt vier Praktikumstagen vermag jedoch, auch unter Berücksichtigung des Angebotes einer Ausbildungsstelle als Maler zum September 2014, den insgesamt negativen Gesamteindruck nicht zu widerlegen oder hinreichend zu entkräften.
1.1.1.4 Schließlich kommt auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 4 AufenthG nicht in Betracht. Danach kann im Übrigen dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es aufgrund der Umstände des Einzelfalls zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, wobei das Kindeswohl und die familiäre Situation zu berücksichtigen sind.
Vorliegend fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der besonderen Härte. Bei der besonderen Härte handelt es sich um einen der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff. Das Vorliegen einer Härte setzt voraus, dass die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis den minderjährigen Ausländer ungleich schwerer trifft als andere Ausländer in vergleichbarer Lage. Zu prüfen ist, ob nach den Gegebenheiten des Einzelfalls das Interesse des minderjährigen Kindes und der im Bundesgebiet lebenden Eltern an einem Zusammenleben im Bundesgebiet deswegen vorrangig ist, weil sich die Lebensumstände wesentlich geändert haben, die das Verbleiben des Kindes im Heimatland bisher ermöglichten. Grundvoraussetzung für die Annahme einer besonderen Härte ist demzufolge der Eintritt eines Umstands, den die Eltern bei ihrer früheren Entscheidung, das Kind im Heimatland zu belassen, nicht in Rechnung stellen konnten (BayVGH, Beschluss vom 28.10.2014 – 10 C 14.2002 Rn. 22).
Bei Zugrundelegung dieser Kriterien reicht das Vorbringen des Vaters des Klägers im Erörterungstermin, die Mutter habe ihn aufgefordert, die Kinder nach Deutschland zu holen, weil sie in Serbien keine Bleibe mehr gehabt hätten, nicht aus, um eine besondere Härte im Sinne des § 32 Abs. 4 AufenthG zu begründen. Es sind keine Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich, warum es dem Vater nicht möglich gewesen sein sollte, den Kindern, die damals noch mit der Mutter zusammenlebten, wenigstens bis zur gebotenen Klärung der sorgerechtlichen Situation ein Verbleiben im Heimatland durch entsprechende finanzielle Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Sicherung des Lebensunterhalts zu ermöglichen. Dies gilt umso mehr, als die in Serbien lebenden Großeltern des Klägers sowie sein Onkel wenn auch keine finanzielle, so doch tatsächliche Hilfe hätten leisten können. Die Erteilung einer vom Sorgerecht des Vaters unabhängigen Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 4 AufenthG war daher auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls und der familiären Situation nicht zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich. Nach einer Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater noch während des Aufenthaltes der Kinder in Serbien, was deren Anhörung erleichtert hätte, hätte es, wie die obigen Ausführungen zeigen, eines Rückgriffs auf § 32 Abs. 4 AufenthG im Falle des Klägers, der damals das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, nicht bedurft.
1.1.2 Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung erteilt werden kann, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Aus- und Weiterbildung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist, scheitert zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon daran, dass laut Bestätigung des Malerbetriebes … vom 03.12.2015 der Kläger erst ab dem 01.09.2016 als Auszubildender eine Lehre beginnen könnte. Davon abgesehen fehlt bislang die erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit.
Auch die vom Malerbetrieb … bestätigte entgeltliche Beschäftigung des Klägers als Praktikant ab dem Frühjahr 2016 ermöglicht nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Setzt die Beschäftigung – wie vorliegend die Beschäftigung als Praktikant – keine qualifizierte Berufsausbildung voraus, darf die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder wenn aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG die Erteilung der Zustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis für diese Beschäftigung zulässig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
1.1.3 Unabhängig von der Nichterfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen scheitert die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch daran, dass der Kläger nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit dem für einen Daueraufenthalt erforderlichen Visum eingereist ist. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vom Visumerfordernis abgesehen werden kann, liegen nicht vor, weil – wie dargelegt – weder die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind noch es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Im Hinblick darauf, dass die vom Kläger beabsichtigte Berufsausbildung erst am 01.09.2016 beginnt, ist es zumutbar, nach Serbien zurückzukehren und von dort aus ein entsprechendes Visum zu beantragen. Im Visumverfahren könnte dann auch die erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eingeholt werden.
1.2 Wurde somit die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Recht abgelehnt, sind auch die Ziffern 2 und 3 des Bescheides vom 14.01.2014 nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, weil die Abschiebungsandrohung nach Serbien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat unter Bestimmung einer Frist von 30 Tagen für die freiwillige Ausreise ebenfalls rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist, § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AufenthG.
2. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

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