Familienrecht

Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung – Vietnam

Aktenzeichen  7 UF 1313/17

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StAZ – 2019, 148
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 108, § 109
AdWirkG § 2, § 4, § 5

 

Leitsatz

1 Die Anerkennung einer formal ordnungsgemäßen ausländischen Adoptionsentscheidung nach den §§ 108, 109 FamFG ist nur dann ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das zu den Grundgedanken der entsprechenden deutschen Regelungen und darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass das Ergebnis nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Adoptionsentscheidung erfordert aus deutscher Sicht zwingend, dass sich die entscheidende Stelle mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die konkrete Adoption dem Kindeswohl entspricht. Eine Anerkennung ist demnach ausgeschlossen, wenn vor der Entscheidung eine Kindeswohlprüfung nicht oder nach deutschen Vorstellungen völlig unzureichend stattgefunden hat. (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

122 F 1138/14 2017-09-22 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten … gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 22.9.2017 wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte … trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,- € festgesetzt.

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist die Anerkennung einer in V… durchgeführten Adoption.
Die Beteiligte …, geboren am …, v… Staatsangehörige, Meeresbiologin, ist seit 29.12.2011 mit dem d… Staatsangehörigen … verheiratet. Seit Mai/Juni 2012 lebt sie in Deutschland.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 2.4.2014 hat sie bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg beantragt, die mit Beschluss des V… der sozialistischen Republik V…, Distrikt … Stadt, vom 22.4.2008 anerkannte Adoption des v… Staatsangehörigen Q… N…, geboren am …, in Y…, Y… Y…, N…, durch die Beteiligte … nach deutschem Recht anzuerkennen und die Wirksamkeit der Adoption nach deutschem Recht festzustellen.
Nach Eingang der von dem Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg bei dem Bundesamt der Justiz, Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen, angeforderten Stellungnahme vom 7.8.2014, auf welche wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 12.2.2015 ergänzend vorgetragen, bei dem Beteiligten … habe es sich um einen Sohn ihres Bruders …, geboren am …, und dessen Ehefrau …, geboren am …, gehandelt. Ihr Bruder habe noch eine Tochter. Die wirtschaftliche Situation des Bruders sei wegen dessen Arbeitslosigkeit schwierig gewesen. Die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin, studierte Meeresbiologin, sei dagegen gut gewesen. Deshalb habe sie sich zur Adoption des Sohnes ihres Bruders entschieden. Nach der Durchführung der Adoption habe sie mit dem Beteiligten … in einem Haushalt zusammen gelebt. Seit Mai/Juni 2012 lebe sie nun, ohne den Beteiligten …, in Deutschland. Ihr Ehemann sei kinderlos.
Mit weiterer Stellungnahme ihrer Bevollmächtigten vom 5.10.2016 hat die Antragstellerin vorgetragen, das Adoptionsverfahren sei nach damaligem v… Recht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Trotz der Adoption hätten soziale Kontakte des Angenommenen zu seiner Herkunftsfamilie aufrechterhalten werden können, weil sie zusammen mit dem Angenommenen in der Nähe der Wohnung ihres Bruders in … Stadt gewohnt habe. Auch nach deutschem Recht sei es für eine Adoption nicht erforderlich, dass ansonsten das Kindeswohl gefährdet gewesen wäre. Es bestehe keine Vermutung dafür, dass in dem v… Verfahren nicht geprüft worden sei, ob die Antragstellerin überhaupt über die notwendige Elterneignung verfügt habe.
Bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht Nürnberg am 22.9.2017 hat die Antragstellerin erklärt, sie habe keine weiteren Unterlagen besorgen können, weil sie nicht nach V… gereist sei. Grund für die Adoption sei gewesen, dass ihr Bruder damals finanzielle Schwierigkeiten gehabt habe, weil er „pleite“ gegangen sei. Deshalb habe sie ihm versprochen, eines seiner Kinder zu adoptieren. Sie sei damals gerade wieder nach V… zurückgekehrt. Bevor sie zur Durchführung ihres Studiums im Jahr 2005 nach J… gegangen sei, sei ihr damaliger Neffe oft bei ihr gewesen, auch über Nacht. Von 2008 bis 2010 habe der Beteiligten … mit ihr zusammen in ihrer Wohnung in „…“ gewohnt. Dann sei sie nach … umgezogen, der Angenommene sei in dieser Zeit „bei ihr geblieben“. Sie sei ungefähr am 29.3.2008 aus J… nach V… zurückgekehrt. Ihr Bruder und sie seien zur Gemeinde gegangen, wo ihr Bruder erklärt habe, dass er finanzielle Probleme habe. Die Behörde habe auch das Kind gefragt. Es sei auch darum gegangen, dass sie einen Kinderwunsch hatte und ihm auch emotional habe zur Seite stehen wollen. Ihr Bruder habe wegen der finanziellen Probleme keine Zeit für das Kind gehabt. Der Angenommene sei von seinen Eltern in ein Internat gegeben worden. Er sei nur am Sonntag nach Hause gekommen.
Der Beteiligte … hat bei seiner persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht am 22.9.2017 erklärt, er wünsche die Familienzusammenführung. Seine Familie habe finanzielle Probleme gehabt, weshalb es nicht mehr „komfortabel“ gewesen sei. Man habe jeden Tag um das „Überleben kämpfen“ müssen. Die Antragstellerin habe ihn ab und zu aus J… angerufen.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg hat mit Beschluss vom 22.9.2017, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, den Antrag auf Anerkennung der am 22.4.2008 in V… durchgeführten Adoption zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass das in V… durchgeführte Adoptionsverfahren grundlegenden Anforderungen eines Adoptionsverfahrens nach deutscher Rechtsauffassung nicht genügt habe. Nach den vorgelegten Unterlagen müsse davon ausgegangen werden, dass weder die Elterneignung noch das Adoptionsbedürfnis geprüft worden seien. Insbesondere habe eine Prüfung gefehlt, ob die begehrte Adoption dem Kindeswohl entspreche.
Gegen diese Entscheidung, welche den Bevollmächtigten der Antragstellerin am 28.9.2017 zugestellt worden ist, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 11.10.2017, eingegangen bei dem Amtsgericht Nürnberg per Fax an diesem Tag, Beschwerde eingelegt, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
Zur Begründung trägt sie vor, entgegen der Annahme des Amtsgerichts habe das Adoptionsverfahren in V… einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen und auch eine Kindeswohlprüfung beinhaltet. Wegen der prekären wirtschaftlichen Situation der leiblichen Eltern sei eine ordnungsgemäße Versorgung des Kindes nicht mehr gewährleistet gewesen, zudem habe häusliche Gewalt geherrscht, welche dazu geführt habe, dass zunehmend auch die Nachbarschaft habe eingreifen müssen. Letztlich habe die Situation dazu geführt, dass der Angenommene anderweitig untergebracht und vernachlässigt worden sei. Weitere Dokumente zum Adoptionsvorgang könnten nicht vorgelegt werden, weil sie bei einem Umzug des zuständigen Volkskomitees verloren gegangen seien. Nach dem damals geltenden v… Recht (Art. 27 Decree No. 158/2005) sei im Rahmen einer Adoption eine Kindeswohlprüfungen vorzunehmen gewesen. Die Annehmende habe Dokumente zu ihrer akademischen Ausbildung, ihren Lebenslauf, ihr Registrationsbuch und einen Grundbuchauszug vorgelegt. Außerdem sei sie vom Geheimdienst überprüft worden. Dass eine Kindeswohlprüfung erfolgt sei, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die Adoptionsvereinbarung von dem zuständigen Volkskomitee abgezeichnet worden sei. Es komme im Übrigen grundsätzlich nur darauf an, dass die Adoption im Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung dem Kindeswohl entspreche.
Im Beschwerdeverfahren hat die Annehmende eine Erklärung der leiblichen Eltern des Beteiligten … vom 27.11.2017, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, vorgelegt. Die leiblichen Eltern erklären nach dem Inhalt der von der Antragstellerin vorgelegten Übersetzung dieser Stellungnahme u.a. Folgendes: „… Nach dem Adoptionsbeschluss Nr. 224/QD-UBND… vom 22.04.2008 gab es zum Zeitpunkt der Annahme keine Form, in der wir die Familien- und Finanzsituationen erklären konnten, konnten wir deshalb nicht die damit verbundenen Informationen angeben. Aus diesem Grund erklären wir hiermit unsere damals Familien- und Finanzsituation wie folgt: ….“
Desweiteren wurde eine Kopie einer Bestätigung des für den Wohnsitz der Herkunftsfamilie zuständigen „Sicherheitsdienstes“ vom 05.12.2017 vorgelegt. Nach der von der Antragstellerin beigefügten Übersetzung dieser Bestätigung wird u.a. Folgendes erklärt:
„… Wir bestätigen, dass …
– wegen der Wirtschaftsprobleme, Verschuldung, Hausverkauf und Hausverpfändung, die Familie oft Streit hatte und deren Kind … von beiden häufig geschlagen wurde. Viele Male mussten wir als Sicherheitsdienst des Geländes eingreifen. Viele Male wurden das Kind den ganzen Tag oder die ganze Woche in Internate geschickt, um von den Eltern getrennt zu sein.“
Auf die von dem Bundesamt für Justiz, Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen, am 19.02.2018 im Beschwerdeverfahren abgegebene Stellungnahme und die von der Antragstellerin im Verfahren vorgelegten Unterlagen wird Bezug genommen.
II.
Auf das vorliegende Verfahren ist das Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz-AdWirkG) anzuwenden, da Gegenstand des Verfahrens die Anerkennung einer auf einer ausländischen Entscheidung beruhenden Annahme als Kind ist.
1. Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 AdWirkG, ist gegen eine erstinstanzliche Entscheidung über die Ablehnung der Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung das Rechtsmittel der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG gegeben. Das von der Antragstellerin gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 22.09.2017 eingelegte Rechtsmittel ist somit statthaft. Es ist auch im Übrigen zulässig, da die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist und die Antragstellerin beschwerdeberechtigt ist (§§ 5 Abs. 4 Satz 2 AdWirkG, §§ 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG, § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 AdWirkG, § 63 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 65 Abs. 1 FamFG).
Das Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg hat der Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 18.10.2017 aus den Gründen des angegriffenen Beschlusses nicht abgeholfen. Es kann dahinstehen, ob die formelhafte Begründung der Nichtabhilfeentscheidung den gesetzlichen Anforderungen an eine Nichtabhilfeentscheidung gerecht wird, weil es hierauf nicht ankommt. Es kann nämlich bereits dahinstehen, ob es sich bei der angegriffenen Entscheidung um eine grundsätzlich einer Abhilfe zugängliche Entscheidung handelt oder um eine Endentscheidung in einer Familiensache, bei welcher das Amtsgericht nicht zur Abhilfe befugt gewesen wäre (§ 5 Abs. 4 Satz 2 AdWirkG, § 68 Abs. 1 FamFG). Auch dann, wenn man davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall eine Abhilfe durch das Amtsgericht möglich gewesen wäre, ist es nicht erforderlich, eine Abhilfeentscheidung bzw. eine ordnungsgemäße Abhilfeentscheidung einzuholen, weil das Vorliegen einer Entscheidung über die Nichtabhilfe/Abhilfe nicht Voraussetzung für den Erlass einer Beschwerdeentscheidung ist. Das Abhilfeverfahren dient der Verfahrensbeschleunigung. Es wäre daher kontraproduktiv, zunächst das erstinstanzliche Gericht zu einer Entscheidung bzw. zu einer ordnungsgemäßen Entscheidung zu zwingen, obwohl das Beschwerdegericht bereits selbst entscheiden kann (Senat, Beschluss vom 28.11.2014, Az. 7 UF 1084/14; Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 4. Auflage, Rn. 13 zu § 68).
2. …, der Beteiligter des Anerkennungsverfahrens ist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 AdWirkG, § 7 Abs. 2 FamFG) ist sowohl nach deutschem als auch nach v… Recht volljährig. Er musste daher in dem vorliegenden Verfahren nicht gesetzlich vertreten werden. Auch der Bestellung eines Verfahrensbeistandes für das Verfahren bedurfte es daher nicht.
III.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg, weil die erstinstanzliche Entscheidung nicht zu beanstanden ist.
1. Die materielle Anerkennungsfähigkeit der in Vietnam durchgeführten Adoption in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nach §§ 108, 109 FamFG, weil vorgehende staatsvertragliche Regelungen nicht eingreifen.
Zum einen hat die sozialistische Republik V… das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (HAÜ) erst am 07. Dezember 2010 unterzeichnet und am 01.11.2011 ratifiziert. Das Abkommen ist in V… erst am 01. Februar 2012 in Kraft getreten, also lange nach der im April 2008 durchgeführten Adoption. Im Übrigen handelt es sich um eine reine Inlandsadoption.
Gemäß §§ 108, 109 FamFG findet eine ausländische Entscheidung zur Adoption in Deutschland Anerkennung, wenn die Entscheidung wirksam ist und keiner der in § 109 Abs. 1 Nrn. 1-4 FamFG aufgeführten Ausschlussgründe vorliegt. Dies bedeutet, dass die Anerkennung einer formal ordnungsgemäßen ausländischen Adoptionsentscheidung nur dann ausgeschlossen ist, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das zu den Grundgedanken der entsprechenden deutschen Regelungen und darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass das Ergebnis nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (OLG Karlsruhe StAZ 2004, 111; OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 699; KG FGPrax 2006, 255).
2. Zum Zeitpunkt der Durchführung der verfahrensgegenständlichen Adoption war das v… Adoptionsrecht in dem Gesetz über Ehe und Familie der sozialistischen Republik V… vom 19. Dezember 1986 bzw. in der Neufassung des Gesetzes vom 09. Juni 2000 (im Folgenden: GEF) und in der Verordnung vom 27. Dezember 2005 – Decree No. 158/2005/ND-CP geregelt. Adoptiert werden konnten Kinder und Jugendliche bis zum Alter von einschließlich 15 Jahren (Artikel 68 Abs. 1 GEF). Der Altersunterschied zwischen Kind und den Adoptiveltern musste mindestens zwanzig Jahre betragen (Artikel 69 Nr. 2 GEF). Adoptieren konnten Einzelpersonen oder Ehegatten unterschiedlichen Geschlechts gemeinsam. Die Annehmenden mussten geschäftsfähig sein und über die tatsächlichen Möglichkeiten verfügen, den Anzunehmenden zu unterstützen und seine Ausbildung und Erziehung zu garantieren (Artikel 69 Nr. 1, 4 GEF). Die Adoption bedurfte der Zustimmung der leiblichen Eltern oder des Vormunds des minderjährigen Anzunehmenden (Artikel 71 Abs. 1 GEF). Ab Vollendung des 9. Lebensjahres war zusätzlich die Einwilligung des Kindes erforderlich (Artikel 71 Abs. 2 GEF).
Nach Artikel 27 Decree No. 158/2005/ND-CP war eine Kindeswohlprüfung vorgeschrieben, welche im Vorfeld der Registrierung der Adoption bei einem Volkskomitee stattzufinden hatte.
3. Der Umstand, dass in V… die Adoption durch Beschluss des … der sozialistischen Republik …, Distrikt … Stadt, vom 22.4.2008, also eine Verwaltungsentscheidung und nicht durch gerichtlichen Beschluss ausgesprochen bzw. anerkannt wurde, führt nicht zu einer Verletzung des deutschen ordre public. Die Entscheidung des v… vom 22.04.2008 kann der eines deutschen Gerichts gleichgestellt werden, weil diese Entscheidung in ihrer Funktion einer inländischen vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung vergleichbar ist (LG Frankfurt am Main, Iprax 1995, 44; LG Frankfurt Beschlussbeschluss vom 28.03.2012, Az.: 2-09 T 490/10 – recherchiert nach juris).
4. Bei Anwendung der oben dargestellten Voraussetzungen für die Anerkennung einer im Ausland durchgeführten Adoption muss der Adoptionsentscheidung des … des Bezirks 17, Distrikt … Stadt, Nr. 224/QD-UBND, vom 22.04.2008 die Anerkennung versagt bleiben.
4.1. Einer Vorabüberprüfung der Echtheit der von der Antragstellerin überwiegend nur in Fotokopie vorgelegten Urkunden bedarf es nicht, weil die Anerkennung bereits aus anderen Gründen versagt werden muss.
4.2. Die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Adoptionsentscheidung erfordert aus deutscher Sicht zwingend, dass sich die entscheidende Stelle mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die konkrete Adoption dem Kindeswohl entspricht. Eine Anerkennung ist demnach ausgeschlossen, wenn vor der Entscheidung eine Kindeswohlprüfung nicht oder nach deutschen Vorstellungen völlig unzureichend stattgefunden hat (Prütting/Helms/Hau, FamFG, 4. Auflage, Rn. 64 ff. zu § 109; Helms in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, Rn. 10 zu § 2 AdWirkG; OLG Celle FamRZ 2012, 1226; OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1229; Landgericht Frankfurt, Beschluss vom 28. März 2012, Az. 2-09 T 490/10; Landgericht Dresden, Beschluss vom 11. Juli 2011, 2 T 1046/08; KG a.a.O.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Adoption ursprünglich als reine Inlandsadoption durchgeführt wurde, weil die Antragstellerin und der inzwischen volljährige Beteiligte … eine Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts des Beteiligten … von V… nach Deutschland anstreben.
4.2.1. Die Kindeswohlprüfung muss die Frage nach einem Adoptionsbedürfnis, nach der Elterneignung der Annehmenden und nach dem Bestehen oder dem erwarteten Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung umfassen (vergl. OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 714, FamRZ 2011, 1522; OLG Celle FamRZ 2012, 1226). Ein Verstoß gegen den ordre public liegt vor, wenn vor der ausländischen Entscheidung eine Kindeswohlprüfung gänzlich unterlassen oder nach deutschem Rechtsverständnis völlig unzureichend durchgeführt worden ist.
4.2.2. Weiter ist zu beachten, dass dann, wenn das zuständige ausländische Gericht oder die zuständige ausländische Behörde eine rechtswirksame Adoptionsentscheidung erlassen hat und das ausländische Recht vorsieht, dass vor Erlass einer entsprechenden Entscheidung das Kindeswohl zu prüfen ist, eine Vermutung dafür spricht, dass vor Erlass der Entscheidung das Kindeswohl auch tatsächlich geprüft und berücksichtigt worden ist (BayObLG FamRZ 2001, 1641). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn sich konkrete Hinweise darauf ergeben, dass eine entsprechende Kindeswohlprüfung tatsächlich nicht stattgefunden hat.
4.2.3. Für den konkreten Fall ergibt sich Folgendes:
Der Adoptionsbeschluss des zuständigen … Stadt vom 22.04.2008 verhält sich mit keinem einzigen Wort zu der Frage, ob eine Kindeswohlprüfung vorangegangen ist. Neben der Benennung der Beteiligten wird lediglich auf die von der Antragstellerin und den Eltern des Anzunehmenden am 21.04.2008 vor dem … des 17. Bezirks, … Stadt abgeschlossenen Adoptionsvereinbarung Bezug genommen. Diese Vereinbarung enthält als Grund der Adoption lediglich einen Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Situation der Herkunftsfamilie und auf Seiten der Antragstellerin deren „hohes Alter“ und den Umstand, dass sie keine Kinder habe. Des Weiteren ist die Zustimmung des anzunehmenden Kindes protokolliert. Hinweise darauf, ob neben den wirtschaftlichen Verhältnissen der Herkunftsfamilie und letztlich dem bloßen Adoptionswunsch der Antragstellerin weitere Überprüfungen erfolgten, insbesondere in Bezug auf die Bindungen des Kindes an seine Herkunftsfamilie bzw. die Frage, ob zwischen dem Kind und der Antragstellerin bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden war bzw. das Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung zu erwarten war, können auch aus der Adoptionsvereinbarung nicht abgeleitet werden.
Auch aus der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer … Stadt vom 12.08.2015 ergibt sich nichts anderes. Mit dieser werden lediglich reine Formalien in Bezug auf die Identitätsfeststellung der Beteiligten bescheinigt.
Ein Indiz dafür, dass eine den deutschen Rechtsüberzeugungen auch nur ansatzweise entsprechende Kindeswohlprüfung nicht stattgefunden haben kann, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Antragstellerin selbst vorträgt, nach ihrem langjährigen Studium in J… erst am 29.03.2008 nach V… zurückgekehrt zu sein. In der Zeit davor habe sie lediglich sporadisch telefonischen Kontakt mit dem Anzunehmenden gepflegt. Bei dieser Situation erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass bis zum Abschluss der Adoptionsvereinbarung bzw. der Bestätigung dieser Vereinbarung durch das … Stadt am 22.04.2008, also innerhalb eines Zeitraums von lediglich gut drei Wochen, durch eine fachlich geeignete Stelle eine Überprüfung hätte stattfinden können, ob die Adoption des im damaligen Zeitpunkt immerhin bereits 12 Jahre alten Kindes, welches bei seiner Herkunftsfamilie lebte, mit dem Kindeswohl in Einklang stehen konnte.
Eine entsprechende Überprüfung ist selbst von der Antragstellerin nicht schlüssig vorgetragen. In erster Instanz hat sie, obwohl das Verfahren über drei Jahre dauerte, als Grund der Adoption ausschließlich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihres Bruders und ihr Adoptionswunsch ins Feld geführt. Selbst wenn im Rahmen des v… Adoptionsverfahrens eine Kindeswohlprüfung tatsächlich durchgeführt worden wäre, müsste einer alleine auf diese Gründe gestützten Adoption nach deutschem ordre public die Anerkennung versagt werden, weil grundlegende Aspekte des Kindeswohls, insbesondere die Bindung des Kindes an seine Herkunftsfamilie, in diesem Fall keine Berücksichtigung gefunden hätten (LG Dortmund IPRspr 2009, Nr. 103; OLG Celle Beschluss vom 11.4.2008, Az.: 17 W 3/08 – recherchiert nach juris). Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass zwischen ihr und dem Beteiligten …, der am … bereits das 12. Lebensjahr vollendete und bei seiner Herkunftsfamilie lebte, bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden war. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin kann lediglich von einem – noch nicht einmal besonders engen – Verhältnis zwischen Tante und Neffe ausgegangen werden, welches sich in den 3 Jahren vor der Adoption auf gelegentliche telefonische Kontakte beschränkte. Konkrete Umstände, aus denen sich zum Zeitpunkt der Durchführung der Adoption die Erwartung hätte rechtfertigen lassen, zwischen dem bereits 12 Jahre alten Kind und der Antragstellerin werde sich in Zukunft ein Eltern-Kind-Verhältnis entwickeln, sind ebenfalls nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Alleine die angeblich bessere wirtschaftliche Situation der Antragstellerin war jedenfalls grundsätzlich nicht geeignet, diese Erwartung auch nur im Ansatz zu rechtfertigen. Auch aus dem Hinweis der Antragstellerin, vor Durchführung der Adoption habe eine Überprüfung durch den v… Geheimdienst stattgefunden, vermag den Senat nicht davon zu überzeugen, dass eine Prüfung des Kindeswohls durch eine dazu fachlich befähigte Stelle erfolgt ist.
Auch der Beteiligte … hat bei seiner persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht Nürnberg zu den Gründen der Adoption lediglich die finanziellen Schwierigkeiten seiner Familie angeführt und bekundet, dass es wegen dieser Probleme nicht mehr „so komfortabel“ gewesen sei. Dass eine Kindeswohlprüfung, die auch nur ansatzweise den deutschen Rechtsgrundsätzen entsprochen hätte, nicht stattgefunden hat, ergibt sich im Übrigen auch aus der von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Erklärung der leiblichen Eltern des Angenommenen vom 27.11.2017. Diese haben nämlich bekundet, dass sie zur Zeit der Adoption keine Möglichkeit hatten, sich zu ihrer Familie- und Finanzsituation zu äußern. Dies ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass eine Kindeswohlprüfung, die deutschen Rechtsgrundsätzen auch nur annähernd gerecht werden könnte, nicht stattgefunden hat. Eine Kindeswohlprüfung ohne Einbeziehung der leiblichen Eltern eines bereits 12 Jahre alten anzunehmenden Kindes, obwohl diese greifbar sind, wäre aus deutschem Rechtsverständnis absolut unzureichend.
4.2.4. Nach den konkreten Umständen kommt es für die Anerkennungsfähigkeit der v… Adoption nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Adoption tatsächlich die Voraussetzungen vorlagen, welche die Adoption aus dem Gesichtspunkt des Kindeswohls hätten rechtfertigen können oder zwischenzeitlich solche Umstände eingetreten sind. Es kommt daher nicht darauf an, ob es im Zeitraum vor der Adoption zu „häuslicher Gewalt“ in der Herkunftsfamilie des Kindes gekommen ist. Das Anerkennungsverfahren dient grundsätzlich nicht dem Zweck, das Adoptionsverfahren selbst durchzuführen oder nachzuholen. Leidet daher das ausländische Adoptionsverfahren an grundlegenden Verfahrensmängeln, weil z.B. eine Kindeswohlprüfung nicht oder völlig unzureichend durchgeführt wurde, ist im Anerkennungsverfahren eine Kindeswohlprüfung nicht nachzuholen, gegebenenfalls ist vielmehr eine Wiederholungsadoption anzustreben (OLG Dresden FamRZ 2014, 1129; OLG Hamm NJW-RR 2010, 1659; OLG Karlsruhe StAZ 2011, 210; OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 714; Weitzel Iprax 2007, 308;; OLG Celle FamRZ 2008, 1109; a.A.: OLG Brandenburg StAZ 17, 15; Kammergericht FGPrax 2006, 255; Palandt/Thorn, BGB, 77. Auflage, Rn. 10 zu Artikel 22 EGBGB; Helms in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, Rn. 42 zu Artikel 22 EGBGB m.w.N.).
Nur vorsorglich weist der Senat daher darauf hin, dass er nicht davon überzeugt ist, dass der Beteiligte … in der Zeit vor der Adoption von seinen leiblichen Eltern misshandelt wurde. Die ganz erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der entsprechenden Behauptung ergeben sich – abgesehen davon, dass das Vorbringen ausgesprochen vage ist – aus dem Umstand, dass sie erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben wurde, obwohl das Verfahren vor dem Amtsgericht über 3 Jahre dauerte und die Antragstellerin bereits mit Verfügungen des Amtsgerichts vom 11.04.2014 und 29.09.2014 aufgefordert wurde, die Gründe der Durchführung der Adoption umfassend und detailliert darzulegen. Selbst nachdem die Antragstellerin die Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz, Bundeszentralstelle für Auslandsadoption, vom 7.8.2014 mit Verfügung des Amtsgerichts vom 17.7.2015 zur Kenntnis erhalten hatte, wies sie mit der Stellungnahme ihrer Bevollmächtigten vom 5.10.2016 mit keinem Wort auf die angeblichen Misshandlungen des Beteiligten … hin, sondern machte geltend, die von dem Bundesamt vertreten Rechtsauffassung, eine Adoption setze eine Gefährdung des Kindes im elterlichen Umfeld voraus, sei unzutreffend. Im Übrigen sei nach der Adoption eine Herausnahme aus der vertrauten Umgebung nicht erforderlich gewesen, weshalb der Beteiligte … die sozialen Kontakte zu seiner Herkunftsfamilie habe aufrechterhalten können.
Schließlich ergibt sich weder aus den vorgelegten Unterlagen, noch aus dem Vorbringen der Antragstellerin selbst, dass im v… Adoptionsverfahren von einer fachkundigen Stelle oder Person ihre Elterneignung überprüft worden ist. Aus den vorgelegten Unterlagen und aus dem Vorbringen der Antragstellerin selbst ergibt sich vielmehr, dass lediglich ihre Identität und eine rudimentäre Überprüfung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse stattgefunden hat; offen ist, ob die Antragstellerin zur Zeit der Adoption in V… überhaupt eine Einnahmequelle hatte. Eine Nachholung dieser Überprüfung findet im Anerkennungsverfahren nicht statt (vergl. OLG Dresden FamRZ 2014, 1129; OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 714; 2009, 335; OLG Frankfurt StAZ 2012, 268; OLG Hamm NJW-RR 2010, 1659; OLG Frankfurt FamRZ 2009, 1605; OLG Karlsruhe StAZ 2011, 210).
Diese Bewertung steht nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der grundsätzlich darauf abstellt, dass für die Beurteilung der Frage, ob die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung oder einer gleichgestellten Verwaltungsmaßnahme gegen den deutschen ordre public verstößt, nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die ausländische Entscheidung getroffen worden ist, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Anerkennung (FamRZ 1989, 378). Denn dies wird hier beachtet. Nach dem derzeitigen deutschen ordre public ist eine Kindeswohlprüfung für eine Adoptionsentscheidung unerlässlich. Grund für die Versagung der Anerkennung ist der Umstand, dass davon ausgegangen werden muss, dass der v… Adoption ein auch nur im Ansatz mit deutschen Rechtsgrundsätzen vereinbares Verfahren zur Überprüfung des Kindeswohls nicht stattgefunden hat. Eine entsprechende Überprüfung ist auch inzwischen nicht nachgeholt worden, weshalb der Mangel des völlig unzureichenden Überprüfungsverfahrens weiterhin gegeben ist. Eine nahezu vollständige Nachholung der Kindeswohlprüfung im Anerkennungsverfahren wird auch von der Meinung, welche grundsätzlich verlangt, dass im Anerkennungsverfahren zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen zu berücksichtigen sind (OLG Brandenburg StAZ 2017, 15; KG FGPrax 2006, 255), nicht verlangt. Wie der konkrete Fall zeigt, würde dies auch zu unlösbaren Problemen führen, weil es praktisch ausgeschlossen erscheint, im deutschen Anerkennungsverfahren zu überprüfen, ob eine vor 10 Jahren in V… durchgeführte Adoption dem Kindeswohl entsprochen hat.
IV.
Von der erneuten persönlichen Anhörung der Antragstellerin und des Beteiligten … hat der Senat gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 AdWirkG i.V.m. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, weil die Beteiligten erst vor kurzer Zeit von dem Amtsgericht angehört worden sind und von einer erneuten Anhörung kein Erkenntniszuwachs zu erwarten ist.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 3 Satz 1 AdWirkG, § 84 FamFG. Die Entscheidung zum Verfahrenswert beruht auf § 5 Abs. 3 Satz 1 AdWirkG i.V.m. §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 Abs. 3 FamGKG.
Gegen diese Entscheidung findet ein Rechtsmittel nicht statt, weil die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nicht vorliegen.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 13.03.2018

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