Familienrecht

deutsche Staatsangehörigkeit, Internationale Zuständigkeit, Ausländische Entscheidung, Ordre public, Elterliche Sorge, Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes, Anwendung ausländischen Rechts, Leihmutterschaft, ausländisches Gericht, Ausländische Urteile, Nachbeurkundung, Verfahrensrechtlicher ordre public, Wesentlichkeitsgrundsatz, Standesamt, Gerichtliche Entscheidung, Fehlende internationale Zuständigkeit, Ausländisches Recht, Gemeinsame elterliche Sorge, Geburtenregistereintragung, Ein Elternteil

Aktenzeichen  UR III 106/20

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StAZ – 2021, 343
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Das Standesamt wird angewiesen, die Geburt des betroffenen Kindes (Betroffener zu 1) mit der Maßgabe im Geburtenregister einzutragen, dass das Kind das gemeinschaftliche Kind der weiteren Beteiligten zu 2 und 3 ist.

Gründe

I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beim Standesamt die Nachbeurkundung der Geburt des Kindes beantragt. Der Betroffene zu 2) ist israelischer Staatsangehöriger, der Betroffene zu 3) ist deutscher Staatsangehöriger. Das Paar hat am beim Standesamt die eingetragene Lebenspartnerschaft begründet. Derzeit wohnen die Beteiligten gemeinsam in der Schweiz. Der letzte inländische Wohnsitz befand sich in Nürnberg. Das beteiligte Kind entstammt einer Leihmutterschaft. Die kanadische Leihmutter, Frau, hat das Kind geboren. Die Eizelle wurde anonym gespendet, leiblicher Vater des Kindes ist der Beteiligte zu 2. Die Leihmutter war zum Zeitpunkt der Geburt am verheiratet.
Am erging auf Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) nach Beteiligung der kanadischen Leihmutter ein Beschluss des Obersten Gerichtshof von Britisch-Kolumbien. Hiernach wurde der Beteiligte zu 2) zum leiblichen und rechtlichen Elternteil des Kindes und der Beteiligte zu 3) zum rechtlichen Elternteil des Kindes erklärt. Des Weiteren wurde unter anderem festgestellt, dass die Antragstellerin nicht die leibliche und rechtliche Mutter des Kindes ist und die anonyme Eizellenspenderin kein Elternteil des Kindes ist. Das Gericht beschloss sodann, dass die Beteiligten zu 2 und 3 die rechtlichen Eltern des Kindes sind, die jeweils das sofortige vollständige, gemeinsame ausschließliche und ständige Sorge- und Erziehungsrecht für das Kind erhalten und berechtigt sind, den Namen des Kindes festzulegen. Als Nachname wurde festgelegt. Am wurden die Beteiligten zu 2 und 3 als Elternteile des beteiligten Kindes im Geburtenregister in Victoria, Kanada registriert (). Für das beteiligte Kind stellte das deutsche Generalkonsulat in Vancouver am 23.01.2020 einen vorläufigen deutschen Reisepass aus.
Das Standesamt der Stadt legte den Vorgang im Wege einer Zweifelsvorlage gemäß § 49 Abs. 2 PStG wie folgt vor:
Kann die kanadische Gerichtsentscheidung vollumfänglich hinsichtlich der Elternstellung und des Sorgerechtserwerbs des gleichgeschlechtlichen Paares sowie der Namensführung des Kindes anerkannt werden oder muss eine Adoption durch die Lebenspartner erfolgen bzw. noch eine Namenserklärung für das Kind aufgenommen werden? Hat das Kind durch die Gerichtsentscheidung die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung von Herrn erhalten? Sofern eine Anerkennung der ausländischen Gerichtsentscheidung bejaht wird und die Voraussetzungen für die Nachbeurkundung der Geburt vorliegen, wer der beiden Lebenspartner ist als 1. Elternteil (familienrechtliche Beziehung „Vater“) einzutragen?
II.
Die Zweifelsvorlage ist gemäß § 49 Abs. 2 PstG zulässig.
Eine Nachbeurkundung der Geburt des Kindes ist gemäß § 36 Abs. 1 EStG möglich, da das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Das Kind ist seit seiner Geburt deutscher Staatsangehöriger. Es liegt bereits ein deutscher Pass in beglaubigter Abschrift vor, ausgestellt vom deutschen Generalkonsulat in Vancouver.
Das Gericht nimmt Bezug auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.12.2014 (XII ZB 463/13). Im Ergebnis ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Britisch-Kolumbien gemäß § 108 FamFG anzuerkennen.
Nach § 36 Absatz ein Satz 1 Hs. 1 PstG kann, wenn ein Deutscher im Ausland geboren ist, der Personenstandsfall auf Antrag im Geburtenregister beurkundet werden. Antragsberechtigt sind nach § 36 Abs. 1 Satz 4 Nummer 1 PstG bei der Geburt die Eltern des Kindes sowie das Kind selbst. Der Inhalt der Eintragung ergibt sich aus § 21 PstG. Nach § 21 Satz 1 Nr. 4 PstG sind auch die Namen der Eltern einzutragen.
Beide Lebenspartner nehmen zum betroffenen Kind die Elternstellung ein. Dies steht aufgrund der Entscheidung des Obersten Gerichtshof von Britisch-Kolumbien vom fest. Die Entscheidung ist in Deutschland nach § 108 FamFG in vollem Umfang anzuerkennen.
Im Gegensatz zu einer bloßen Registrierung oder Beurkundung des Verwandtschaftsverhältnisses beruht die Entscheidung auf einer Sachprüfung, die neben der Wirksamkeit der Leihmutterschaftsvereinbarung auch die damit verknüpfte Statusfolge zum Gegenstand hat (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 -, BGHZ 203, 350-372, Rn. 22).
Der Anerkennung steht kein Hindernis nach § 109 FamFG entgegen.
Die Anerkennung scheitert nicht nach § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG an einer fehlenden internationalen Zuständigkeit des kanadischen Obersten Gerichtshof.
Die Anerkennungszuständigkeit im Sinne von § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG beurteilt sich nach deutschem Recht, das auf die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts spiegelbildlich anzuwenden ist (sog. Spiegelbildprinzip). Demnach besteht die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts, wenn sie auch bei entsprechender Anwendung der deutschen Vorschriften begründet gewesen wäre (Senatsbeschluss BGHZ 189, 87 = FamRZ 2011, 788 Rn. 23; Prütting/Helms/Hau FamFG 3. Aufl. § 109 Rn. 20 mwN). Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach § 100 FamFG und ist in der vorliegenden Fallkonstellation an die Staatsangehörigkeit von Kind, Mutter oder Vater (§ 100 Nr. 1 FamFG) oder deren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 100 Nr. 2 FamFG) geknüpft. Die internationale Zuständigkeit der kanadischen Gerichte war im vorliegenden Fall unabhängig von der (effektiven) Staatsangehörigkeit und dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes jedenfalls aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der Leihmutter in Kanada gegeben (vgl. Benicke StAZ 2013, 101, 105).
Der Anerkennung steht auch kein Verstoß gegen den ordre public entgegen. Nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen, wenn diese zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist (ordre public-Verstoß).
Für die Frage der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist nicht auf den nationalen (kollisionsrechtlichen) ordre public nach Art. 6 EGBGB abzustellen, den die deutschen Gerichte bei Anwendung ausländischen Rechts zu beachten haben, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public international (BGHZ 138, 331, 334 = NJW 1998, 2358; BGHZ 118, 312, 328 f. = NJW 1992, 3096, 3101; BGHZ 98, 70, 73 f. = NJW 1986, 3027, 3028; Prütting/Helms/Hau FamFG 3. Aufl. § 109 Rn. 45; Wagner StAZ 2012, 294, 296). Mit diesem ist ein ausländisches Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter – hätte er den Prozess entschieden – aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (Verbot der révision au fond). Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint (BGHZ 138, 331, 334 = NJW 1998, 2358; BGHZ 123, 268, 270 = NJW 1993, 3269, 3270; BGHZ 118, 312, 330 = NJW 1992, 3096, 3101; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 182, 204 = FamRZ 2009, 2069 Rn. 22 ff. und Senatsbeschlüsse BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816 Rn. 24 ff. und BGHZ 189, 87 = FamRZ 2011, 788 Rn. 25 – jeweils zum verfahrensrechtlichen ordre public), (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 -, BGHZ 203, 350-372, Rn. 23 – 28).
Nach Auffassung des BGH folgt aus dem Umstand, dass eine ausländische Entscheidung im Fall der Leihmutterschaft die rechtliche Elternstellung den Wunsch- oder Bestelleltern zuweist, für sich genommen jedenfalls dann noch kein Verstoß gegen den deutschen ordre public, wenn ein Wunschelternteil – im Unterschied zur Leihmutter – mit dem Kind genetisch verwandt ist (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 -, BGHZ 203, 350-372, Rn. 34).
Der BGH meint in der zitierten Entscheidung, eine Gesamtschau aller Umstände führe dazu, dass die aufgrund ausländischen Rechts getroffene Feststellung eines Gerichts, dass zwischen dem Kind und den Wunscheltern ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis besteht, den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts jedenfalls nicht in einem solchen Maß widerspricht, dass eine Anerkennung der entsprechenden Entscheidung als im Ergebnis untragbar erscheinen ließe. Auch Grundrechte oder Menschenrechte der Leihmutter und des Kindes verböten nicht grundsätzlich die Anerkennung. Vielmehr spreche das Kindeswohl eher für als gegen eine Anerkennung, (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 -, BGHZ 203, 350-372, Rn. 44).
Im vorliegenden Fall geht das Gericht davon aus, dass, ebenso wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, die Leihmutter mit dem Kind nicht genetisch verwandt ist, jedoch der Beteiligte zu 2). Dies hat das kanadische Gericht festgestellt. Die Leihmutter war auch am gerichtlichen Verfahren beteiligt.
Nach dem Recht des Bundesstaates Britisch-Kolumbien werden im Falle einer Leihmutterschaft die Wunscheltern Eltern des Kindes ab Geburt unter den dort geregelten Voraussetzungen.
In Section 29 des Familly Law Act ist geregelt:
(3) Mit Geburt eines Kindes nach künstlicher Befruchtung entsprechend den in Abs. 2 beschriebenen Umständen wird eine Person, die ein beabsichtigter Elternteil nach einer Vereinbarung ist, Elternteil des Kindes unter folgenden Bedingungen:
(a) vor Geburt des Kindes hat keine Partei die Vereinbarung aufgekündigt;
(b) nach der Geburt des Kindes
(i) hat die Leihmutter das schriftliche Einverständnis erklärt, das Kind dem beabsichtigten Elternteil oder den beabsichtigten Eltern zu überlassen, und
(ii) ein beabsichtigter Elternteil oder die beabsichtigten Eltern nehmen das Kind in seine oder ihre Sorge.
Durch Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, §§ 3 Nr.1, 4 Abs. 1 Satz 1 StAG. Dementsprechend wurde dem Kind auch bereits ein vorläufiger deutscher Reisepass ausgestellt.
Die konkrete Form der Eintragung in das Geburtenregister (§§ 36, 21 PStG, 31 ff. PStV), insbesondere die Bezeichnung der Beteiligten zu 1 und 2, bleibt dem Standesamt vorbehalten und wird durch diese Entscheidung nur insoweit vorgegeben, als aus der Eintragung hervorgehen muss, dass das Kind das gemeinschaftliche Kind der Beteiligten zu 1 und 2 ist (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 -, BGHZ 203, 350-372, Rn. 65).
Es ist aber zusätzlich eine Namenserklärung gemäß § 1617 BGB abzugeben, wenn das Kind den Familiennamen erhalten soll.
Für die Anerkennung der kanadischen Gerichtsentscheidung hinsichtlich des Familiennamens fehlt es an der spiegelbildlichen Zuständigkeit des kanadischen Gerichts, § 109 Abs. 1 Nr.1 FamFG. Die Bestimmung des Geburtsnamens gemäß § 1616 BGB ist Ausdruck des Sorgerechts. Hierfür wären in spiegelbildlicher Anwendung des § 99 FamFG entweder deutsche oder schweizerische Gerichte zuständig, da das Kind deutscher Staatsangehöriger ist und seinen gewöhnlichen Aufenhalt in der Schweiz hat. Ein gewöhnlicher Aufenthalt dürfte in Kanada nicht begründet worden sein.
Daher wäre nach dem auf die Erteilung des Namens gemäß Art. 10 Abs. 2 Nr.1 EGBGB anwendbaren deutschem Recht eine Erklärung der Eltern gemäß § 1617 BGB abzugeben.
Die Beteiligten zu 3 und 4 übern gemeinsame die elterliche Sorge für das Kind aus. Für die elterliche Sorge ist gemäß Art. 21 EGBGB das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes maßgeblich, somit schweizerisches Recht, das die Verweisung annimmt, Art. 66 ff IPRG.
Hiernach üben die Eltern des Kindes die gemeinsame elterliche Sorge aus, Art. 296 ZGB. Das schweizerische Recht kennt die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz). Auch hier ist die Adoption eines Kindes eines Partners durch den anderen möglich mit der Folge der gemeinsamen elterlichen Sorge, Art. 267 ZGB. Daher muss auch hier von der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge der Beteiligten zu 2 und 3 ausgegangen werden.


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