Familienrecht

Einspruchsgegenstand; Grenzen der Überprüfungsmöglichkeit im Einspruchsverfahren; einheitliche Erstausbildung

Aktenzeichen  III R 50/20

Datum:
14.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.140421.IIIR50.20.0
Normen:
§ 118 AO
§ 218 Abs 2 AO
§ 367 Abs 2 S 1 AO
§ 367 Abs 2 S 2 AO
§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009
§ 32 Abs 4 S 2 EStG 2009
EStG VZ 2014
EStG VZ 2015
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

1. Die vorbehaltlose Festsetzung von Kindergeld und die Verfügung über die Nichtauszahlung sind eigenständige Verwaltungsakte. Richtet sich der Einspruch nur gegen die verweigerte Auszahlung, liegt hierin nicht zugleich ein Einspruch gegen die Festsetzung.
2. Die der Familienkasse eingeräumte Überprüfungsmöglichkeit im Einspruchsverfahren findet ihre Grenze in dem angefochtenen Verwaltungsakt als formellem Gegenstand des Einspruchs.
3. Der “Gesamtplan” des Kindes, sein Berufsziel erst durch eine weitere Ausbildung zu erreichen, ist nicht das allein maßgebliche Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 18. Dezember 2019, Az: 2 K 2059/18, Urteil

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.12.2019 – 2 K 2059/18 wird mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass die Einspruchsentscheidung vom 28.09.2018 aufgehoben wird, soweit der Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015 betroffen ist.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015.
2
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater des im Februar 1990 geborenen Sohnes M. M beendete im Juni 2013 seine Ausbildung zum Bankkaufmann. Am darauffolgenden Tag trat er eine Vollerwerbsstelle in seinem Ausbildungsbetrieb an. Im Februar 2014 begann M –nach seiner Zulassung im Dezember 2013– einen berufsbegleitenden Studiengang zum Bankfachwirt/Bankkolleg, der bis Juni 2016 andauerte.
3
Mit Antrag vom Dezember 2017 beantragte der Kläger rückwirkend Kindergeld ab Juli 2013 bis Februar 2015. Er machte geltend, dass zum einen M sein Berufsziel mit Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann noch nicht erreicht habe. Zum anderen sei der enge zeitliche Zusammenhang trotz des Studienbeginns im Februar 2014 gegeben, da der Studiengang nur einmal im Jahr angeboten werde.
4
Mit Bescheid vom 22.02.2018 setzte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) Kindergeld für den Zeitraum April 2013 bis einschließlich Februar 2015 fest, jedoch mit dem Hinweis, dass eine Nachzahlung wegen des nach dem 31.12.2017 eingegangenen Antrags gemäß § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. ausgeschlossen sei. Während des sich anschließenden Einspruchsverfahrens teilte die Familienkasse dem Kläger mit, dass nunmehr zwar von einem Zugang des Kindergeldantrags im Dezember 2017 ausgegangen werde, ein Kindergeldanspruch aber für den Streitzeitraum nicht bestehe, da die Ausbildung zum Bankkaufmann und das Studium nicht Teile einer einheitlich zu betrachtenden Erstausbildung seien. Mit dieser Begründung wies die Familienkasse den Einspruch mit Entscheidung vom 28.09.2018 als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung führte die Familienkasse weiterhin aus:”Mit der angefochtenen Entscheidung wurde das Kindergeld … abgelehnt. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht vorliegen. Hiergegen richtet sich der Einspruch.”
5
Mit der anschließenden Klage begehrte der Kläger, den angefochtenen Bescheid vom 22.02.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung abzuändern und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für den Zeitraum April 2013 bis Februar 2015 festzusetzen und zu leisten. Die Klage hatte teilweise (für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015) Erfolg. Für den übrigen Zeitraum wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Das FG vertrat die Ansicht –soweit die Klage erfolgreich war–, dass auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– (Senatsurteile vom 11.12.2018 – III R 26/18, BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765, und vom 10.04.2019 – III R 36/18, BFH/NV 2019, 1100) der vorliegende Gesamtplan des Kindes, das Ende der Berufsausbildung erst durch den Abschluss “Bankfachwirt” zu erreichen, die quantitative Komponente (Vollzeiterwerbstätigkeit) überlagere und dementsprechend nicht entscheidungserheblich sein könne.
6
Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.
7
Die Familienkasse beantragt,das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2019 – 2 K 2059/18 aufzuheben, soweit Kindergeld für M für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015 festgesetzt wurde, und die Klage insgesamt abzuweisen.
8
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.


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