Familienrecht

Eintragung in das Geburtenregister: Einzutragender Vorname des gebärenden Elternteils bei Geburt durch einen Frau-zu-Mann-Transsexuellen im Fall der bloßen Vornamensänderung

Aktenzeichen  XII ZB 127/19

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:260122BXIIZB127.19.0
Normen:
§ 5 Abs 3 TSG
§ 21 Abs 1 Nr 4 PStG
Art 1 Abs 1 GG
Art 2 Abs 1 GG
Spruchkörper:
12. Zivilsenat

Leitsatz

Zu den im Geburtenregister einzutragenden Vornamen des gebärenden Elternteils bei Geburt durch einen Frau-zu-Mann-Transsexuellen im Fall der bloßen Vornamensänderung des gebärenden Elternteils und zur Elternbezeichnung in der Geburtsurkunde in diesem Fall (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. September 2017 – XII ZB 660/14, BGHZ 215, 318 = FamRZ 2017, 1855).

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 14. Februar 2019, Az: 1 W 102/18, Beschlussvorgehend AG Schöneberg, 20. Februar 2018, Az: 71d III 473/16

Tenor

Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 14. Februar 2019 werden auf Kosten der Beteiligten zu 1 bis 3 zurückgewiesen.
Wert: 5.000 €

Gründe

I.
1
Die Beteiligte zu 2 wurde mit weiblichem Geschlecht geboren und erhielt die weiblichen Vornamen V. N.. Sie empfindet sich als „Transmännlichkeit“. Ihre Vornamen wurden durch Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 16. August 2007 gemäß § 1 TSG in die männlichen Vornamen N. L. J. geändert. Im August 2015 schlossen die Beteiligte zu 2 und der Beteiligte zu 3 die Ehe. Im Juli 2016 gebar die Beteiligte zu 2 das beteiligte Kind (Beteiligter zu 1). Die Geburt wurde vom Standesamt mit der Beteiligten zu 2 als Mutter und dem Beteiligten zu 3 als Vater beurkundet. Die Beteiligte zu 2 wurde mit ihren (früheren) weiblichen Vornamen eingetragen. Ihre Vornamen wurden durch Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 18. November 2016 gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 TSG erneut in N. L. J. geändert.
2
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beantragt, das Standesamt anzuweisen, die Vornamen der Beteiligten zu 2 durch ihre heutigen Vornamen zu ersetzen, hilfsweise die Eintragung um diese zu erweitern, und eine Geburtsurkunde auszustellen, in der die Beteiligten zu 2 und 3 nicht als Mutter und Vater, sondern als Eltern des Kindes bezeichnet sind.
3
Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die dagegen von den Beteiligten zu 1 bis 3 eingelegten Beschwerden zurückgewiesen. Dagegen richten sich die zugelassenen Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3, die ihre Anträge weiterverfolgen.
II.
4
Die Rechtsbeschwerden sind zulässig, insbesondere sind sie nach § 51 Abs. 1 PStG iVm § 70 Abs. 1 FamFG aufgrund Zulassung durch das Beschwerdegericht, an die der Senat gebunden ist, statthaft.
5
In der Sache haben die Rechtsbeschwerden keinen Erfolg.
6
1. Das Beschwerdegericht hat seine in FamRZ 2019, 1177 veröffentlichte Entscheidung damit begründet, die eingetragenen Vornamen seien nicht nach § 48 PStG zu ersetzen, weil der Geburtsregistereintrag nicht unrichtig sei. Das Standesamt habe die Beteiligte zu 2 gemäß §§ 5 Abs. 3, 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 TSG nur unter ihren bis 16. August 2007 geführten weiblichen Vornamen beurkundet. Zum Zeitpunkt der Geburt habe die Beteiligte zu 2 im Verhältnis zum Kind die weiblichen Vornamen getragen. Das ergebe sich ohne Rücksicht auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 1 TSG. Denn jedenfalls soweit § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 TSG und § 5 Abs. 3 TSG anordneten, dass die Vornamensänderung in Bezug auf den Geburtseintrag keine Wirkung entfalte, bestünden keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Normen. Das gelte erst recht, weil der Bundesgerichtshof dies bereits für § 11 TSG entschieden und das Bundesverfassungsgericht eine dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen habe. Zwar sei der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Beteiligten zu 2 berührt. Der Anspruch, die früheren Vornamen nicht offenbaren zu müssen, bestehe jedoch nicht schrankenlos und werde insbesondere durch entsprechende Rechte der Kinder auf Geheimhaltung der Transsexualität eines Elternteils begrenzt. Der Gesetzgeber habe die Kollision in verfassungsgemäßer Weise gelöst.
7
§ 5 Abs. 3 TSG stehe auch einer Erweiterung des Geburtseintrags um die männlichen Vornamen entgegen. Der Eintrag sei daher nicht unvollständig und einer Berichtigung nach § 48 PStG nicht zugänglich.
8
Für die Ausstellung der Geburtsurkunde in der beantragten Form fehle es an einer Rechtsgrundlage. Die Eltern seien gemäß § 48 Abs. 1 PStV als Mutter und Vater auszuweisen. Eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Fall der Adoption verstoße nicht gegen Art. 3 GG, weil die Sachverhalte nicht vergleichbar seien.
9
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
10
Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Grund für eine Berichtigung des Geburtenregisters nach § 48 PStG ebensowenig besteht wie der geltend gemachte Anspruch auf Ausstellung einer Geburtsurkunde mit geschlechtsneutraler Elternbezeichnung.
11
a) Sowohl eine Ersetzung der weiblichen durch die männlichen Vornamen als auch deren Hinzufügung entsprechen nicht den gesetzlichen Anforderungen an den Geburtseintrag gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG. Dies gilt unabhängig von der in § 7 TSG enthaltenen Regelung und der von dieser angeordneten zwischenzeitlichen Unwirksamkeit der Vornamensbestimmung.
12
Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Frau-zu-Mann-Transsexueller, der nach der Geschlechtsänderung ein Kind geboren hat, im Geburtseintrag des Kindes und in den aus dem Geburtenregister erstellten Geburtsurkunden – sofern dort Angaben zu den Eltern aufzunehmen sind – als „Mutter“ und nach § 5 Abs. 3 TSG mit seinen früher geführten weiblichen Vornamen einzutragen ist (Senatsbeschluss BGHZ 215, 318 = FamRZ 2017, 1855). Das gilt erst recht, wenn die Mutter – wie im vorliegenden Fall – einen rechtlichen Geschlechtswechsel nach §§ 8 ff. TSG nicht vollzogen hat, sondern nach § 1 TSG lediglich ihre Vornamen geändert wurden. § 5 Abs. 3 TSG ist in diesem Fall unmittelbar anwendbar.
13
Die von der Rechtsbeschwerde vertretene Ansicht, § 5 Abs. 3 TSG sei verfassungswidrig, teilt der Senat nicht. Er hat zu der Frage bereits dahingehend Stellung genommen, dass der transsexuelle Elternteil durch den Inhalt der vom Gesetz angeordneten Registereintragung nicht in seinen Grundrechten, insbesondere nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG), verletzt wird (Senatsbeschluss BGHZ 215, 318 = FamRZ 2017, 1855 Rn. 34 ff.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. November 2017 – XII ZB 459/16 – FamRZ 2018, 290 Rn. 14 ff. mwN). Denn es überwiegen insoweit die schützenswerten Interessen an der Vollständigkeit und Richtigkeit der mit besonderer Beweisfunktion versehenen Eintragungen in die Personenstandsregister das Interesse, sich der Gefahr einer Aufdeckung der Transsexualität auszusetzen (Senatsbeschluss BGHZ 215, 318 = FamRZ 2017, 1855 Rn. 38 ff. und nachfolgend BVerfG Beschluss vom 15. Mai 2018 – 1 BvR 2831/17 – juris; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 229, 374 = FamRZ 2021, 1387 Rn. 8 ff. zur Ausstellung einer Eheurkunde).
14
Auch einen Verstoß gegen den aus Art. 8 EMRK hergeleiteten Anspruch transsexueller Personen auf Verwirklichung der rechtlichen Anerkennung ihrer selbstempfundenen geschlechtlichen Identität hat der Senat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und das von diesem den Staaten grundsätzlich eingeräumte weite Ermessen verneint (vgl. auch EGMR FamRZ 2017, 936). Diesen Ermessensspielraum hat Deutschland nicht überschritten, indem die Zuordnung eines von einer transsexuellen Person nach der rechtlichen Geschlechtsänderung geborenen oder gezeugten Kindes entweder als „Vater“ oder als „Mutter“ an die Fortpflanzungsfunktion und nicht an das rechtlich zugewiesene geänderte Geschlecht des transsexuellen Elternteils angeknüpft wird (Senatsbeschluss BGHZ 215, 318 = FamRZ 2017, 1855 Rn. 45; vgl. auch Court of Appeal of England and Wales Entscheidung vom 29. April 2020 – [2020] EWCA Civ 559 Rn. 74 ff.). Die vom Gesetz angeordnete Beurkundung der Mutter mit ihrem (früheren) weiblichen Vornamen steht damit im engen Zusammenhang und begegnet dementsprechend ebenfalls keinen konventionsrechtlichen Bedenken.
15
b) Den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Geburtsurkunde nach § 59 PStG, welche vom Geburtenregister abweichend eine geschlechtsneutrale Elternbezeichnung ausweist, hat das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend verneint. Denn eine solche wäre gemessen an den Vorgaben für den Registereintrag unrichtig (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 215, 318 = FamRZ 2017, 1855 Rn. 21).
Dose     
      
Klinkhammer     
      
Nedden-Boeger
      
Botur     
      
Guhling     
      


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben