Familienrecht

Genehmigung für den selbstständigen Betrieb eines zweiten Erwerbsgeschäfts

Aktenzeichen  7 WF 64/21

Datum:
12.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RPfleger – 2022, 126
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 112 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung ist, dass der Minderjährige über seine Jahre hinaus gereift ist und sich im Rechts- und Erwerbsleben schon im Wesentlichen wie ein Volljähriger benehmen kann und dies seiner Veranlagung nach auch tun wird. (Rn. 17)
2. Ein Minderjähriger kann im Rechts- und Erwerbsleben schon im Wesentlichen einem Volljährigen gleichgestellt werden, wenn er aufgrund seiner Erfahrungen als Selbstständiger erheblich das Wissen und auch die Organisationfähigkeit Gleichaltriger übertrifft. (Rn. 18)
3. Aus einem schon bestehenden Betrieb kann gefolgert werden, dass der Betroffene auch gegenüber der Allgemeinheit gewillt ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, wenn der Betrieb beanstandungsfrei geführt wird und bereits Gewinne abwirft. (Rn. 22)

Verfahrensgang

50 F 498/20 2021-02-19 Bes AGKITZINGEN AG Kitzingen

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Betroffenen A. vom 04.03.2020 hin, wird der Beschluss des Amtsgerichts Kitzingen, Az: 50 F 498/20, vom 19.02.2021 aufgehoben.
Die von den gesetzlichen Vertretern des Betroffenen beabsichtigte Ermächtigung ihres Sohnes zum Betrieb eines selbständigen Erwerbsgeschäfts, nämlich Gründung eines Versandhandels für Imkereibedarf, wird familienrichterlich genehmigt.
2. Der Verfahrenswert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
3. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Verfahren wird abgesehen, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Kitzingen vom 19.02.2021 versagte das Amtsgericht die familienrichterliche Genehmigung für den Antrag des Betroffenen A. vom 27.12.2020 auf Betrieb eines selbständigen Erwerbsgeschäftes.
Gegen den ihm am 23.02.2021 zugestellten Beschluss legte der 16 -jährige Betroffene mit Schreiben vom 04.03.2020 „Einspruch“ ein. Er begehrt die familiengerichtliche Genehmigung eines Imkereifachhandels.
Der Betroffene legte einen Businessplan samt Kapitalbedarfs-, Liquiditäts-, Materialbedarfs- und Finanzierungsplan vor. Zudem wies dieser die Teilnahme am IHK-Gründertag „Wie mache ich mich selbständig?“ bei der IKH … vom 27.11.2019 nach und legte eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Lehrgang „Imkern auf Probe 2017“ in … vor. Des Weiteren hat der Betroffene am 15.10.2017 am Honiglehrgang des deutschen Imkerbundes teilgenommen.
Aus dem vorgelegten Jahreszeugnis des Schuljahrs 2019/2020 ergibt sich, dass der Betroffene die Klasse 9 c des … Gymnasiums in … besucht. In Deutsch, Englisch, Latein und Chemie weist das Jahreszeugnis die Note … aus. Alle anderen Leistungen sind mit … bis … bewertet.
Aus der aktuelleren Information über das Notenbild vom 04.12.2020, ergibt sich, dass sich der Betroffene schulisch verbessert hat. Lediglich in Latein wird die Note … ausgewiesen. In Englisch steht der Betroffene nun auf … und in Deutsch auf … In Physik steht der Betroffene nun auf der Note … Die Klassenleiterin Frau B. bestätigt mit Schreiben vom 26.01.2021, dass aus ihrer Sicht der Betroffene die notwendige Reife zum Betrieb eines Onlinehandels hat.
Die erziehungsberechtigten Eltern erteilten, mit Schreiben vom 27.12.2020, als gesetzliche Vertreter (§ 1629 Abs. 1 BGB), dem minderjährigen Beteiligten die Erlaubnis zur Führung des selbständigen Betriebs.
Sie führten aus:
„Hiermit erlaube ich meinem Sohn A. die Gründung eines Versandhandels für Imkereibedarf“.
Der Betroffene führt bereits ein Unternehmen zur Wachstuchherstellung, welches ihm durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Kitzingen vom 13.01.2020, Az: 50 F 415/19, bewilligt worden war. In der damaligen Entscheidung des Amtsgerichts Kitzingen vom 13.01.2020, Az: 50 F 415/19, wird auszugsweise folgendes ausgeführt:
In einem persönlichen Gespräch mit dem Betroffenen konnte sich das Gericht von der notwendigen Reife überzeugen. Er verfügt über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten, um ein Unternehmen zu führen. Der Minderjährige ist sich seiner Verantwortung und Pflichten bewusst.
Für das bereits bestehende Gewerbe legt der Betroffene die Gewerbeanmeldung und die Umsatzsteuervoranmeldungen vor.
Im Beschluss vom 19.02.2021 führt das Amtsgericht Kitzingen im Wesentlichen aus, dass die Verweigerung der gerichtlichen Genehmigung erfolge, da das Unternehmen nicht wirtschaftlich betrieben werden könne, da zu wenige potenzielle Kunden vorhanden seien. Zudem sei ein erhebliches Fremdkapital von … Euro erforderlich und Mitarbeiter müssten eingestellt werden, denn neben dem bestehenden Gewerbe für die Wachstuchherstellung und der Schule sei ein weiteres Gewerbe für den Betroffenen zu zeitaufwändig.
In der Beschwerde vom 04.03.2020 stellt der Betroffene den Wert seines geplanten Geschäftsbetriebs heraus. Innerhalb der nächsten Jahre gehe er von … bis … potenziellen Kunden aus. Würden diese bei einer Erstbeschaffung beispielsweise … Euro ausgeben, so ließe sich ein Umsatz von … Euro brutto erwirtschaften. Zudem habe er sich mit den finanziellen Belastungen erneut auseinandergesetzt. Er gehe nunmehr von einem Kapitalbedarf von … Euro aus. Auch Arbeitskräfte könnten als Minijobber oder Teilzeitkräfte angestellt werden, so dass sich das finanzielle Risiko reduzieren ließe. Der Kapitalbedarf könne aus Privatkrediten über die Familie gedeckt werden. Zudem könne er – gerade auch unter Mithilfe der Minijobber – seinen Zeitaufwand neben der Schule und dem bestehenden Business bewerkstelligen, zumal das bestehende Business auch in das neue Geschäft integriert werden könnte. Der Betroffene legt diesbezüglich einen Zeitaufwandsplan vor. Insoweit wird auf Blatt 46 ff. d. A. Bezug genommen. Zudem wird ein aktualisierter Liquiditätsplan vorgelegt.
Mit Schreiben vom 26.03.2021 nimmt das Landratsamt … dahingehend Stellung, dass ein Gespräch mit dem Betroffenen und seiner Mutter im Landratsamt stattgefunden habe. Die Eltern wollen das Startkapital vollumfänglich finanzieren. Verpflichtungen gegenüber Dritten würden so nicht entstehen. Die Mutter des Betroffenen beschrieb ihn als einen eigenverantwortlichen und strukturiert denkenden Menschen. Die Eltern seien von der Idee ebenfalls überzeugt. Das Landratsamt … erklärt, dass aus Sicht des Landratsamtes keine Gesichtspunkte gegen die Genehmigung des Gewerbebetriebs sprechen würden.
II.
Die zulässige Beschwerde des betroffenen Kindes (§§ 58 ff. FamFG) ist im Ergebnis begründet.
Der Betroffene ist beschwerdeberechtigt (§ 60 FamFG).
Dem Betroffenen ist der selbständige Betrieb eines Erwerbsgeschäftes nach § 112 Abs. 1 BGB zu genehmigen, da dieser in Anbetracht seines Alters weit überdurchschnittlich geschäftserfahren ist, bereits erfolgreich einen Betrieb führt und seine schulischen Leistungen sich seitdem verbessert haben.
Nach § 112 Abs. 1 BGB ist die Frage, ob die notwendige Genehmigung zu erteilen ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, namentlich der Interessen des Minderjährigen zu entscheiden. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung ist, dass der Minderjährige über seine Jahre hinaus gereift ist und sich im Rechtsund Erwerbsleben schon im Wesentlichen wie ein Volljähriger benehmen kann und dies seiner Veranlagung nach auch tun wird. Auf dieser Grundlage ist dann zu erwägen, ob er die zum selbständigen Betrieb des beabsichtigten Erwerbsgeschäfts erforderlichen Eigenschaften, Kenntnisse und Fähigkeiten hat und ob er gewillt und in der Lage ist, die mit dem Geschäft verbundene Verantwortung und Verpflichtung dritten Personen und der Allgemeinheit gegenüber zu erfüllen, und ob ihn etwa sonstige tatsächliche Gründe daran hindern, sich in der gebotenen Weise um das Geschäft zu kümmern (vgl. Staudinger-Klumpp, BGB, 2017, § 112 Rn. 12).
1) Der 16 -jährige Betroffene ist im Rechts- und Erwerbsleben schon im Wesentlichen einem Volljährigen gleichzustellen. Aufgrund seiner Erfahrungen als Selbstständiger übertrifft dieser erheblich das Wissen und auch die Organisationfähigkeit Gleichaltriger und steht einem Volljährigen gleich.
Er betreibt bereits den unter dem Aktenzeichen des Amtsgerichts Kitzingen, 50 F 415/19, genehmigten Gewerbebetrieb. Dieser ist auch inhaltlich bereits mit dem nun zur Entscheidung stehenden Gewerbe verknüpft, da dort die Wachstuchherstellung u. a. aus Bienenwachs betrieben wird. Mit diesem Geschäft konnte im Zeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 ein Gewinn von … Euro bei einem Umsatz von … Euro erzielt werden. Im Zeitraum vom 01.01.20 bis 31.03.21 konnte ein Umsatz von … Euro und somit ein Gewinn von … Euro erzielt werden.
Auch hinsichtlich der Vorbildung des Betroffenen, welcher an einem Seminar zur Existenzgründung der IHK … und Weiterbildungen im Bereich der Imkerei teilgenommen hat, ergibt sich dass dieser im Rechts- und Erwerbsleben schon im Wesentlichen einem Volljährigen, im Hinblick auf das geplante Gewerbe, gleichstellt ist.
2) Der Betroffene hat auch die erforderlichen Eigenschaften zum Betrieb des Gewerbes.
Aus dem bestehenden Betrieb folgt, dass der Betroffene auch gegenüber der Allgemeinheit gewillt ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, denn dieser läuft – soweit ersichtlich – beanstandungsfrei und wirft bereits Gewinne ab.
Aus der Vorplanung, dem Business- und Liquiditätsplan ergibt sich zudem, dass sich der Betroffene dem Betrieb des zu genehmigenden Gewerbes gründlich überlegt hat, umdenken kann und sich zielgerichtet und lösungsorientiert Problemen widmet. Bei dem Umfang der Vorbereitungen wird der Betroffene auch zukünftigen Schwierigkeiten durch seine Persönlichkeit begegnen können. 7 WF 64/21 – Seite 5 – 3) Auch tatsächliche Gründe hindern den Jugendlichen nicht, sich um das Geschäft in gebotener Weise zu kümmern.
Die schulischen Leistungen haben sich verbessert. Auch die Klassenlehrerin bestätigt dem Minderjährigen, dass nichts gegen eine Gewerbeanmeldung einzuwenden sei. Der Arbeitsaufwand ist für den Betroffenen – neben der Schule und dem weiteren Gewerbe – leistbar, zumal dieser durch seine Eltern unterstützt wird und plant (geringfügig beschäftigte) Mitarbeiter einzustellen. Zudem können sich aus der geplanten Zusammenlegung der Geschäfte Synergieeffekte ergeben.
Im Nachgang zur gerichtlichen Entscheidung des Amtsgerichts vom 19.02.2021 hat der Betroffene seinen Businessplan aktualisiert und seinen Kapitalbedarf überdacht. Die Eltern des Betroffenen sind nunmehr bereit ihm das Kapital zur Verfügung zu stellen. Auch dadurch reduziert sich das finanzielle Risiko für den Betroffenen, da dieser kein Fremdkapital aufnehmen muss.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
Der Beschwerdewert folgt aus § 36 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 FamGKG.


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