Familienrecht

Kostenentscheidung, Lehrer, Verfahren, Verschulden, Eltern, Ermessen, Gerichtsverfassung, Frist, Eilverfahren, Ermessensentscheidung, Kind, Download, Notwendigkeit, Kosten des Verfahrens, grobes Verschulden, einstweiliges Anordnungsverfahren

Aktenzeichen  01 F 128/21 und 1 F 125/21

Datum:
3.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10234
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Garmisch-Partenkirchen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Kosten einschließlich gerichtlicher Auslagen des Hauptsacheverfahrens 1 F 128/21 und des Eilverfahrens 1 F 125/21 trägt als nicht beteiligter Dritter Herr X.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 16. März 2021 regte der Vater des Kindes ein „Kinderschutzverfahren nach § 1666 Abs. 1 und 4 BGB“ an beim Familiengericht unter wortgetreuer Verwendung eines aus dem Internet heruntergeladenen Downloads, das der Kostenverpflichtete als word-Dokument vorbereitet, zur Verfügung gestellt und beworben hat.
Ergänzungen durch den Vater wurden nur in geringfügigem Maße vorgenommen, insbesondere hinsichtlich die Personalien des Kindes, der Eltern und die Bezeichnung der Schule, der gegenüber Maßnahmen angeregt wurden.
Da die Anregung zunächst an das Familiengericht des Amtsgerichts München versendet wurde, wurden das Hauptsache- und Eilverfahren von dort mit Beschluss vom 18. März 2021 an das örtlich zuständige Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen von Amts wegen abgegeben.
Mit Beschluss vom 27. März 2021 hat das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen die Verfahren als einstweiliges Anordnungsverfahren 1F 125/21 sowie als Hauptsacheverfahren 1 F 128/21 zur Prüfung einer Kindeswohlgefährdung übernommen.
Im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit, die in der Anregung zum Ausdruck gebracht wurde, wurde mit Beschluss vom selben Tage in beiden Verfahren ein berufsmäßiger Verfahrensbeistand bestellt und ein Anhörungstermin für die Kindesanhörung sowie ein Anhörungstermin für die Anhörung der Eltern zeitnah festgesetzt, um den Sachverhalt einer vorgetragenen Kindeswohlgefährdung in Bezug auf das konkrete Kind von Amts wegen zu ermitteln und mögliche Vorgehensweisen, die sich daraus ergeben könnten, mit den Eltern zu erörtern.
Dem weiteren Auftrag gegenüber dem Verfahrensbeistand nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG entsprechend nahm der Verfahrensbeistand Gespräche mit den Eltern terminsvorbereitend auf und erläuterte die Notwendigkeit der richterlichen Anhörung des Kindes sowie der Eltern. Dabei ergab sich, dass beide Eltern einerseits unterschiedliche Grundeinstellungen zur Thematik hatten, andererseits beide Eltern keine konkret gesundheitsgefährdende Situation für ihr Kind annahmen.
Der anregende Vater betonte, dass es seinem Sohn gut gehe und dass er gesund sei und keine gesundheitlichen Einschränkungen durch das Tragen von Masken, kein Asthma, keine Lungenfunktionstörung, keine Sauerstoffarmut, keine Übelkeit oder Schwindelgefühle habe. Er sei im Internet auf die Vorlage, wie beantragt, gestoßen und mache sich Sorgen was das Tragen von Masken langfristig insbesondere psychisch mache.
Mit Schreiben vom 31.3.2021 teilte der Vater dem Gericht dann auch mit, dass er in der Sache falsch beraten worden sei und seinen Antrag vom 16.3.2021 zurücknehme.
Vor diesem Hintergrund wurden die Anhörungstermine aufgehoben und Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kostenentscheidung über die entstandenen Verfahrenskosten im Eilverfahren und Hauptsacheverfahren gegeben.
Dem nunmehr Kostenverpflichteten wurde mit Schreiben vom 21. April 2021 ebenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kostenentscheidung gegeben und auf § 81 Abs. 4 FamFG ausdrücklich Bezug genommen. Eine Stellungnahme ging in der gesetzten Frist und danach nicht ein.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Das Familiengericht hat nach § 81 Abs. 4 FamFG die Kosten des Verfahrens dem Kostenverpflichteten auferlegt. Nach § 81 Abs. 4 FamFG kann das Gericht auch dem am Verfahren nicht beteiligten Dritten die Kosten im Rahmen der getroffenen Ermessensentscheidung auferlegen, weil die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
1. Die Kosten des Verfahrens sind regelmäßig, soweit nicht von der Auferlegung von Gerichtskosten abgesehen wird, von den Beteiligten zu tragen. Nach § 81 Abs. 1 FamFG auferlegt das Familiengericht die Kosten des Verfahrens regelmäßig nach billigem Ermessen Beteiligten.
1.1. Weil Kindeswohlgefährdungsprüfungen nach § 1666 BGB im Anwendungsbereich des FamFG nicht als Antragsverfahren ausgestaltet sind, handelt es sich um Amtsverfahren (Haußleiter/Gomille, § 24 Rz. 2; Bumiller/Harders/Schwamb, § 24 Rz. 1; Keidel/Sternal, § 23 Rz. 4 und 6 zu Verfahren, die alternativ auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet werden können; Prütting/Helms/Hammer, § 151 Rz. 40 und § 166 Rz. 11; Keidel/Engelhardt, § 151 Rz. 23; Keidel/Sternal, § 23 Rz. 5; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn, vor § 151 Rz. 2). Deswegen war der gestellte „Antrag“ als Anregung i. S. von § 24 Abs. 1 FamFG an das Gericht zum Tätigwerden zu werten. Sternal, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 7 § 24 Rz. 5).
1.2 Beteiligter i.S.v. § 81 FamFG, zu dessen Gunsten oder Lasten eine Kostenentscheidung ergehen kann, ist nur, wer formell am Verfahren beteiligt ist (BGH v. 28.9.2016 – XII ZB 251/16, FamRZ 2017, 50 = FamRB 2017, 17; OLG Stuttgart v. 1.3.2011 – 11 UF 286/10, FamRZ 2011, 1321 = FamRB 2011, 213). Bei Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung sind Kinder als Betroffene und deren Eltern – auch wenn sie das Verfahren durch eine Anregung in Gang gebracht haben – als Beteiligte einbezogen.
2. § 81 Abs. 4 FamFG erweitert den Anwendungsbereich des § 81 FamFG, indem er die Möglichkeit eröffnet, auch einem nicht am Verfahren beteiligten Dritten Kosten aufzuerlegen.
Voraussetzung ist, dass die gerichtliche Tätigkeit durch den Dritten veranlasst worden ist und diesen ein grobes Verschulden trifft. „Veranlassung“ meint nicht nur die Anregung an das Gericht, ein Verfahren einzuleiten, sondern auch das Schaffen dessen Voraussetzungen (Bahrenfuss/Wittenstein, FamFG § 81 Rdn. 28). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
2.1 Dritte sind alle Personen, die nicht formell am Verfahren im Sinne des § 7 beteiligt sind (BeckOK/Nickel, FamFG § 81 Rdn. 30). Der hier durch diese Entscheidung Kostenverpflichtete ist als formell sowie materiell nicht Beteiligter „Dritter“ i. S. des § 81 Abs. 4 FamFG und kommt als Kostenschuldner nach dieser Vorschrift in Betracht, weil er in dem Minderjährigenschutzverfahren nicht unmittelbar Verfahrensbeteiligter ist.
2.2 Die Tätigkeit des Gerichts wurde durch den Kostenverpflichteten veranlasst (Keidel, FamFG, § 81 Rz. 71). Der Kostenpflichtige hat den entscheidenden Anstoß für die Einleitung des Verfahrens nach § 1666 BGB im Hauptsache- und Eilverfahren gesetzt, so dass er es veranlasst hat im Sinne des § 81 Abs. 4 FamFG.
Der zu den Kosten verpflichtete Herr X ist Familienrichter im Ruhestand seit zehn Jahren. Der Kostenverpflichtete hat ein bis ins Detail ausgearbeitetetes Muster im Internet zum Download angeboten, das nur durch wenige personalisierende Ergänzungen ausgestaltet werden muss. Ohne seinen Beitrag wäre es nicht zu dem hier zu entscheidenden konkreten Verfahren gekommen (Keidel, FamFG, FamFG § 81 Rn. 50, beck-online).
Er hat auf seiner Website „ABC-Kindesvertretung“ ein Muster für eine Anregung nach §§ 1666 Absatz 1,4 BGB wegen Kindeswohlgefährdung ins Netz gestellt und ruft dazu auf, Meldung an das jeweils zuständige Familiengericht zu machen wegen einer derzeit „bestehenden nachhaltigen Gefährdung des körperlichen, seelischen und geistigen Wohls von Kindern“ und hat diese Anregung als Download auf seine Seite gestellt:
Webseite von Herrn X. und seiner Frau:
https://abc-kindesvertretung.de
Link zur downloadbaren Anregung an das Familiengericht und zu einem parallelen Anschreiben an die Leitung von Schule oder anderer Betreuungseinrichtung als word-Dokument:
https://abc-kindesvertretung.de/?page_id=142
Der Download, der kostenfrei ist steht dabei in unmittelbarer räumlicher Nähe zu kommerziellen Seminarangeboten des Dritten.
Interessierte sollen sich nach seinem Aufruf an die örtlichen Familiengerichte wenden unter Bezugnahme auf nach seiner Rechtsauffassung rechtswidrige Anordnungen für Kinder zur Einhaltung von Maskenpflicht, Distanzwahrung und anderer einschränkender Maßnahmen.
Eltern sollen mit diesem Muster deutschlandweit aktiv werden und das für sie örtlich zuständige Familiengericht angeblich kostenfrei veranlassen, rechtswidrige Anordnungen wie z. B. zur Einhaltung einer Maskenpflicht, räumlichen Distanzwahrung zu anderen Personen, Gestaltung gesundheitlicher Testung im Schulbereich ohne ausdrücklich schriftliche Erlaubnis der Sorgeberechtigten und anderen einschränkenden Maßnahmen für ihre Kinder zu unterbinden.
Herr X bewirbt und erläutert das Vorgehen in einem Interview, in dem er sein „Kinderschutzverfahren“ vorstellt, und das im Internet über 80.000 mal bereits abgerufen wurde:
https://www.youtube.com/watch?v=SJCwQoqWne0 [3]
Es wird beworben als einfaches Muster, das von jedermann ohne großen Aufwand verwendet werden kann. Es müssten nur ein paar Namen und Daten eingesetzt werden, ohne dass inhaltliche Veränderungen notwendig wären. Das Interview endet mit der Äußerung, dass „gehofft“ werde, dass „möglichst viele Eltern von der genialen Idee Gebrauch machen“(Minute 28:16).
2.3 Der Kostenverpflichtete hat das Tätigwerden des Gerichts auch grob schuldhaft veranlasst, weil er den Adressaten den Eindruck vermittelt, Familiengerichte seien befugt, die in der Anregung konkret beantragten Maßnahmen im Eilverfahren und Hauptsacheverfahren gegenüber Schulen und Lehrern bzw. Schulbehörden anzuordnen. Grobes Verschulden schließt Vorsatz (doloses Verhalten) ein (Bahrenfuss/Wittenstein, FamFG § 81 Rdn. 29). Die vorbereiteten Muster sind zielgerichtet darauf ausgerichtet, eine möglichst große Anzahl von Eltern und Angehörigen bzw. andere nahestehenden Personen von Kindern zu motivieren, derartige Verfahren nach § 1666 BGB in Gang zu setzen.
Dabei ist, um es ausdrücklich zu sagen, nicht die Grundeinstellung, dass im Rahmen der Pandemiebekämpfung Kindern und Jugendlichen Maßnahmen zugemutet werden, die in den Augen der Anregenden oder des Kostenverpflichteten als gefährdend angesehen werden, Anlass für den Verschuldensvorwurf. Nicht die kritische Grundeinstellung zu den auf Kinder bezogene Maßnahmen der Pandemiebekämpfung, nicht die kritische Grundhaltung gegenüber der schulischen Umsetzung und der darin liegenden Belastung für minderjährige ist Grundlage dieser Entscheidung.
Der Vorwurf grob schuldhafter Verursachung liegt darin, Laien gegenüber zu suggerieren, dass Familiengerichte die Kompetenz hätten, unter dem Stichwort der Kindeswohlgefährdung infektionsschutzrechtlich relevante Anordnungen gegenüber Schulen und Lehrern zu treffen.
Der Schuldvorwurf bezieht sich darauf, dass der Kostenverpflichtete in Kenntnis oder vorwerfbarer grober Unkenntnis mit fehlerhaften verfahrensrechtlichen Informationen ein Vorgehen bewirbt in der Hoffnung, dass „möglichst viele Eltern von der genialen Idee Gebrauch machen“(Minute 28:16) .
Bei der Zurverfügungstellung und Bewerbung dieses Musters hat der nunmehr Kostenverpflichtete die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt unter Nichtbeachtung dessen voraus, was jedem einleuchten muss (Keidel, FamFG, FamFG § 81 Rn. 54, beck-online).
Es liegt hier ein grobes Verschulden des Kostenverpflichteten selbst vor, da er den Adressaten seines Entwurfs suggeriert, dass das als Antrag formulierte Ziel über eine familiengerichtliche Entscheidung erreichbar sei und eine Befugnis des Familiengerichts bestehe, derartige Anordnungen zu erlassen.
Das Muster suggeriert fehlerhaft, dass familiengerichtliche Anordnungen alle Schüler einer Klasse oder Schule oder Jahrgangsstufe betreffen könnten.
Das Muster treibt die konkret Anregenden im wohlverstandenen elterlichen Interesse gutgläubig in ein Prüfungsverfahren, bei dem in erster Linie elterliches Versagen mit der Folge einer konkreten Kindeswohlgefährdung im Vordergrund steht, ohne dass die entsprechende Zielsetzung (Einflussnahme auf die Schule) rechtstheoretisch als Ziel überhaupt erreichbar ist.
Anordnungen der Schulverwaltung zu Hygienekonzepten an einer Schule unterliegen allein der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Es sind Maßnahmen, die im Verhältnis des Staates (hier der Schulverwaltung) zu seinen Bürgern (hier Eltern und Schüler) getroffen werden. Das sind sogenannte öffentlich-rechtliche Maßnahmen, für deren Überprüfung in unserer Rechtsordnung allein die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Derartiges ist Basiswissen jedes ausgebildeten Juristen.
Eine familiengerichtliche Beschlussfassung mit infektionsrechtlicher Anordnung gegen Schulen oder Lehrer, wie vom Muster als Anträge im Hauptsache- und Eilverfahren vorbereitet, wäre als ausbrechender Rechtsakt (VGH München, Beschluss vom 16.04.2021, 10 CS 21.1113) offensichtlich rechtswidrig. Die im Beschluss des Amtsgerichts Weimar vertretene Auffassung, es sei aufgrund des Gleichheitssatzes verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, solche Fragen den Verwaltungsgerichten zu überlassen, verkennt die grundlegende Gerichtsverfassung der Bundesrepublik.
Insbesondere fehlt dem Familiengericht eine Rechtsgrundlage für einzelne Gebote gegenüber Leitungen und Lehrern sowie den Vorgesetzten der Schulleitungen“. Dem Familiengericht steht eine Befugnis, Anordnungen gegenüber Schulbehörden zu treffen, nicht zu. Für eine solche Anordnungskompetenz fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage (Lugani in Münchner Kommentar BGB, 8. Auflage 2020, Rdnr. 181 zu § 1666). § 1666 BGB scheidet als Grundlage aus, denn bei den in § 1666 Abs. 4 BGB genannten Dritten handelt es sich um private Personen, nicht um Träger öffentlicher Gewalt. Dies ist für das Verhältnis zwischen Familiengerichten und den Behörden der Kinder- und Jugendhilfe anerkannt (z. B. OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.11.2007, 4 WF 240/07, Juris-Rdnr. 2; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 29.07.2015, 1 BvR 1468/15, Juris-Rdnr. 5; Lugani, a.a.O., Rdnr. 180 ff zu § 1666; Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Auflage 2019, Rdnr. 16 vor §§ 50-52). Gegenüber den Schulbehörden gilt nichts anderes. Im Rahmen des schulrechtlichen Sonderstatusverhältnisses sind die zuständigen Behörden an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns auch hinsichtlich von Gesundheitsschutzmaßnahmen in den Schulen ob_liegt allein den Verwaltungsgerichten. so auch die familiengerichtliche Rechtsprechung (z.B. zuletzt – unter ausdrücklicher Ablehnung der Auffassung des AG Weimar – AG Waldshut-Tiengen, Beschluss vom 13.04.2021, 306 Ar 6/21, Juris-Rdnr. 8).
Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Kostenentscheidung zu Lasten des Kostenverpflichteten vor.
3. Es handelt sich – bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 Abs. 4 FamFG – um eine Ermessensentscheidung. Das Ermessen ist nicht frei, sondern gebunden, jedoch nicht an die Billigkeitserwägungen des § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG, sondern an den Sinn und Zweck, den Dritten für die grob schuldhafte Veranlassung des Verfahrens in die finanzielle Verantwortung für entstandene Kosten zu nehmen (MüKoFamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, FamFG § 81 Rn. 74). Dem Gericht steht ein Ermessen zu, ob es bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Kosten oder einen Teil von diesen dem Dritten auferlegt.
3.1. Es besteht auch vorliegend kein Hindernis dem Dritten im vorliegenden Fall die gesamten Kosten aufzuerlegen, weil es im vorliegenden Fall keine Kosten gibt, die auch ohne das Verhalten des Dritten „sowieso“ angefallen wären (BeckOK/Nickel, FamFG § 81 Rdn. 33; Keidel/Zimmermann, FamFG § 81 Rdn. 77).
3.2 Vorliegend war auch nicht gerechtfertigt, die Kosten teilweise den Eltern aufzuerlegen.
3.2.1 Die getrennt lebende Mutter hatte in dem sitzungsvorbereitenden Kontakt betont, dass sie sich mit der Position des Vaters nicht identifizieren könne. Sie war quasi als Beteiligte in ein von ihr nicht gewolltes Verfahren hineingezogen. Ihre auch nur teilweise Kostenbelastung wäre nicht gerechtfertigt gewesen.
3.2.2 Der Vater machte im sitzungsvorbereitenden Kontakt deutlich, dass er sich falsch informiert fühle durch die Informationen im Muster und die begleitende Werbung dafür.
3.3. So fällt auch tatsächlich auf, dass in den begleitenden Aussagen des Kostenverpflichteten grob rechtsfehlerhafte Einschätzungen geäußert wurden, die scheinbar dem Ziel dienen, die Hemmschwelle für derartige Anregungen niedrig anzusetzen, mit der geltenden Rechtslage aber kaum in Einklang zu bringen sind.
3.3.1 Herr X. suggeriert, dass Verfahren als Eilverfahren und Hauptsacheverfahren im wesentlichen ohne Anhörung des Kindes und der Eltern ablaufen könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Eltern „beteiligt würden und zu einem Gerichtstermin geladen würden, schätzt er dabei in dem begleiteten Werbeinterview als „gering“ ein (Minute 17:43).
Dabei unterschlägt der Kostenverpflichtete, dass die persönliche Anhörung der Eltern gem. § 160 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Kinderschutzverfahren zwingend vorgesehen ist, also in Verfahren, in denen gem. § 1666 BGB eine Maßnahme im Bereich der elterliche Sorge in Betracht kommt. In diesen Fällen soll das Gericht über die Anhörung der Beteiligten hinaus gem. § 157 FamFG mit den Eltern erörtern, wie einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls entgegengewirkt werden kann und welche Folgen die Nichtannahme notwendiger Hilfen haben kann.
Auch nichtsorgeberechtige Elternteile sind anzuhören, es sei denn, von der Anhörung kann eine Aufklärung nicht erwartet werden (§ 160 Abs. 2 Satz 2 FamFG).
Wissen darüber gehört zum Basiswissen eines Familienrichters und es entsteht der Eindruck einer zweckgerichteten Desinformation und Täuschung der Adressaten der Anregung mit der ausdrücklich geäußerten Zielsetzung, möglichst viele Personen zu motivieren, derartige (vom Ergebnisse aussichtslose) Verfahren an bundesdeutschen Familiengerichten in Gang zu setzen..
3.3.2 Zu einer sachgerechten Information hätte auch gehört, dass nicht der Eindruck erweckt wird, dass auf eine Anhörung des Richters mit dem Kind grundsätzlich verzichtet werden kann.
Durch die Anhörung soll das Gericht in die Lage versetzt werden, sich einen unmittelbaren Eindruck vom Kind, dessen Wohl das Verfahren sichern soll, zu verschaffen (BVerfG, Beschluss vom 05.11.1980 – 1 BvR 349/80, BVerfGE 55, 171, 180).
Eine Entscheidung, die den Belangen des Kindes gerecht wird, kann nur ergehen, wenn das Kind in dem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhalten hat, seine Gefährdungslage und seine Einschätzungen erkennbar werden zu lassen.
3.3.3 Zudem täuscht der Kostenverpflichtete über die Kosten eines derartigen Verfahrens im selben Interview.
Ausdrücklich wird behauptet, dass auf die Anregenden und insbesondere auch auf Eltern keine Kosten zukommen würden. Der Anregende „hätte mit den Kosten des Verfahrens nichts zu tun, auch die Eltern nicht“ (Minute 17.10 des Interviews).
Als Beteiligte des Verfahrens sind Eltern richtigerweise im Regelfall zur Tragung der Kosten verpflichtet, es sei denn, das Gericht weicht aus anderen Gründen davon ab.
Die Bewerbung des Downloads erwähnt auch in keiner Weise, das Sachverständigengutachten, wie sie angeregt werden, häufig mit Kosten von mehreren tausend Euro pro Einzelfall ein erhebliches Kostenrisiko bedeuten.
Vor diesem Hintergrund war im Rahmen der Ermessensentscheidung aufgrund der juristischen Fehlinformationen und der fehlerhaften Bewerbung des Downloads auch nicht gerechtfertigt, den Elternteil, der die konkrete Anregung bezüglich des Kindes ausgesprochen hat, in eine Mitverpflichtung der Kosten zu nehmen.
4. Dem Kostenverpflichteten ist vorab rechtliches Gehör gewährt worden. Das Gericht hatte ihm Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben, bevor es zu dessen Lasten eine Kostengrundentscheidung getroffen hat (Bahrenfuss/Wittenstein, FamFG § 81 Rdn. 30; BeckOK/Nickel, FamFG § 81 Rdn. 33; Keidel/Zimmermann, FamFG § 81 Rdn. 76). Er hat sich nicht in der gesetzten Frist geäußert.
5. Mit der Kostengrundentscheidung wird der Verfahrenskostenverpflichtete zum Verfahrensbeteiligten im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 1. Im Fall von § 81 Abs. 4 FamFG muss auch ein nicht formell beteiligter Dritter, dem Verfahrenskosten überbürdet werden, in das Rubrum aufgenommen werden (Bork/Jacoby/Schwab/Bartels/Elzer, § 38 Rz. 14).


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