Familienrecht

Mindestanforderungen an Beweisantrag auf Einholung eines anthropologisches SV-Gutachtens

Aktenzeichen  3 Ss OWi 264/17

Datum:
17.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
SVR – 2018, 66
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 3 III Nr. 1
StPO §§ 244 III
267 I
III 3
OWiG
§ 71 I

 

Leitsatz

Wird mit dem Antrag auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens nur unter Beweis gestellt, dass der Betroffene zur Tatzeit nicht der Führer des Tatfahrzeugs gewesen sei, genügt dies als Negativtatsache in Gestalt des erhofften Beweisziels regelmäßig nicht den für einen förmlichen Beweisantrag notwendigen Anforderungen an eine bestimmte Beweisbehauptung, weshalb allenfalls von einem Beweisermittlungsantrag auszugehen ist (u.a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 24.01.2017 – 2 StR 509/16; OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2009 – 3 Ss OWi 689/09 und 17.02.2009 – 4 Ss OWi 86/09 [jew. bei juris])

Tenor

Das AG verurteilte den seine Fahrereigenschaft zur Tatzeit abstreitenden Betr. wegen einer als Führer eines Pkw innerorts begangenen fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 100 Euro.
Die hiergegen in zulässiger Weise erhobene Zulassungsrechtsbeschwerde des Betr. blieb erfolglos.

Gründe

I.
Nach § 80 I und 2 Nr. 1 OWiG darf die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird daher nach § 80 IV S. 1 und 3 OWiG verworfen. Damit gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen (§ 80 III 2 i.V.m. IV 4 OWiG).
II.
Außerhalb der durch das Rechtsmittel veranlassten Sachprüfung bemerkt der Senat ergänzend:
1. Soweit die Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. insoweit die Versagung rechtlichen Gehörs beanstandet wird, ist die Rüge unbeschadet ihrer am Maßstab der §§ 79 III 1 OWiG i.V.m. 344 II 2 StPO zu messenden zulässigen Erhebung unbegründet. Denn mit dem Beweisbegehren auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens „zum Nachweis der Tatsache, dass der Betroffene nicht der verantwortliche Fahrzeugführer zur Tatzeit war“, wird auch unter Berücksichtigung der Erläuterungen im Rahmen der Antragsbegründung lediglich eine sog. Negativtatsache in Gestalt des von der Verteidigung erhofften Beweisziels ‚unter Beweis‘ gestellt. Dies genügt regelmäßig nicht den für einen förmlichen Beweisantrag notwendigen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Beweisbehauptung (BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – 2 StR 509/16 [bei juris]), so dass allenfalls von einem sog. Beweisermittlungsantrag auszugehen ist.
a) Ein nach den Regeln des Strengbeweisverfahrens zu behandelnder Beweisantrag ist nach st.Rspr. und h.M. im Schrifttum das unbedingte oder an eine zulässige Bedingung geknüpfte ernsthafte Verlangen eines Verfahrensbeteiligten, zum Nachweis einer von ihm bestimmt zu behauptenden Tatsache durch den Gebrauch eines bestimmt zu bezeichnenden Beweismittels Beweis zu erheben, soweit die Beweisbehauptung die Tatsachengrundlage, nämlich den zur Schuld- oder Rechtsfolgenfrage gehörenden Sachverhalt eines in der Sache entscheidenden Urteils betrifft (vgl. u.a. BGHSt 1, 29/31; 6, 128/129; 30, 131/142; 37, 162/164 ff.; 39, 251/253 f.; 43, 321/325 ff.; BGH StV 2012, 73; BayObLGSt 1995, 72 = NJW 1996, 331; BGH StV 2014, 257 = NStZ 2014, 282 = wistra 2014, 280; BGH StV 2015, 82 = BGHR StPO § 244 III Konnexität 2; OLG Bamberg, Beschluss vom 23.02.2015 – 3 OLG 8 Ss 126/14 = StraFo 2015, 155 = OLGSt StPO § 244 Nr. 22; LR/Becker StPO 26. Aufl. § 244 Rn. 95, 96 ff.; KK/Krehl StPO § 244 Rn. 67; KK-Senge OWiG § 77 Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 244 Rn. 18; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 9. Aufl., Rn. 138; Burhoff, Handbuch für die strafverfahrensrechtliche Hauptverhandlung, 7. Aufl., Rn. 769 und Burhoff [Hrsg.]/Stephan, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 568, 597 ff., jeweils m.w.N.).
b) Zwar ergibt sich aus dem Beweisbegehren die Minimalbehauptung, dass mit der Beweiserhebung unter Beweis gestellt werden soll, dass der Betr. zur Tatzeit nicht der verantwortliche Führer des Tatfahrzeug gewesen ist. Diesen Schluss hat indes nicht der Sachverständige, sondern allein das Gericht auf der Grundlage der erhobenen Beweise zu ziehen. Es fehlen jegliche Angaben entweder dazu, welche bestimmte (‚verwechselungsgeeignete‘) Person anstelle des Betr. das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat bzw. auf dem Beweisfoto abgebildet ist oder aber wenigstens dazu, welche bestimmten morphologischen oder sonstigen Merkmale des Erscheinungsbilds, die eine Identität des Betr. mit der auf dem Messfoto abgebildeten Person ausschließen, durch das beantragte Gutachten ermittelt werden sollen (BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – 2 StR 509/16 [bei juris]; OLG Hamm, Beschluss vom 15.09.2009 – 3 Ss OWi 689/09 und 17.02.2009 – 4 Ss OWi 86/09 [jew. bei juris]; vgl. ferner u.a. KK-Senge OWiG 4. Aufl. § 77 Rn. 14a und Burhoff/Stephan Rn. 605 f.; 608, 610, 620, jew. m.w.N.).
2. Im Hinblick auf die Lichtbildidentifizierung des Betr. als des verantwortlichen Fahrzeugführers hat das AG in der gebotenen Eindeutigkeit auf das bei den Akten befindliche Messfoto Bezug genommen und dieses damit nach § 71 I OWiG i.V.m. § 267 I 3 StPO wirksam zum Bestandteil seiner Urteilsgründe gemacht (vgl. neben BGH StraFo 2016, 155 zuletzt insbesondere OLG Bamberg, Beschluss vom 14.11.2016 – 3 Ss OWi 1164/16 = DAR 2017, 89 und 06.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17 [bei juris], jeweils m.w.N.).
3. Auch soweit die Überzeugungsbildung des AG von der ordnungsgemäßen Durchführung der standardisierten (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277) Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensensormessgerät ‚ES3.0‘ auf dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten des bestellten messtechnischen Sachverständigen beruht, genügen die Urteilsgründe den aus § 71 I OWiG i.V.m. 267 I StPO resultierenden sachlich-rechtlichen Anforderungen. Denn das AG hat sich nicht damit begnügt, lediglich das Ergebnis der sachverständigen Begutachtung mitzuteilen. Vielmehr werden die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen ausführlich und derart wiedergegeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist, um dem Senat eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st.Rspr.; vgl. neben BGHSt 39, 291/297, u.a. BGH, Beschluss vom 02.04.2015 – 3 StR 103/15 [bei juris]; 06.05.2014 – 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244 und 17.06.2014 – 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305 und zuletzt OLG Bamberg, Beschluss vom 14.11.2016 – 3 Ss OWi 1164/16 = DAR 2017, 89 m.w.N. aus der Rspr.; Göhler/Seitz OWiG § 71, Rn. 43d.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 119; Meyer-Goßner/Schmitt § 267 Rn. 13 f.; KK/Kuckein § 267 Rn. 16 und LR/Stuckenberg § 267 Rn. 66). […]


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