Familienrecht

Rechtswidrige Verfahrenseinstellung nach Verzichtserklärung (nur) der Mutter

Aktenzeichen  Au 7 K 17.34047

Datum:
31.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 10, § 12 Abs. 3, § 14, § 14a Abs. 1, Abs. 3, § 32
BGB BGB § 1595 Abs. 1, § 1626a

 

Leitsatz

1 Eine Verzichtserklärung nach § 14a Abs. 3 AsylG, die nur ein Elternteil abgegeben hat, obwohl beide Eltern im Bundesgebiet leben und das gemeinsame Sorgerecht haben, ist unwirksam. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 12 Abs. 3 AsylG, wonach jeder Elternteil zur Vertretung eines minderjährigen Kindes befugt ist, gilt nur dann, wenn sich der andere Elternteil nicht im Bundesgebiet aufhält. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. November 2016 (Gesch.-Z.: …) wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Klagepartei mit Schriftsatz vom 9. August 2017 und die Beklagte mit ihrer allgemeinen Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
2. Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Bescheid vom 15. November 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids ergibt sich daraus, dass die Voraussetzungen des § 32 Asylgesetz (AsylG) nicht vorgelegen haben.
Die Verzichtserklärung vom 1. September 2016 ist nur von der Mutter des Klägers abgegeben worden. Denn die Verzichtserklärung wurde nur von einer Person unterschrieben, wobei sich die Unterschrift zweifelsfrei der Mutter des Klägers zuordnen lässt. Auch das Bundesamt ist davon ausgegangen, dass (nur) die Mutter des Klägers am 1. September 2016 auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind verzichtet hat. Demnach ist zwar im Falle des Verzichts gemäß § 14 a Abs. 3 AsylG wegen § 14 a Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 3 AsylG vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des Familiengerichts jeder Elternteil zur Vertretung eines minderjährigen Kindes befugt. Dies gilt jedoch ausweislich § 12 Abs. 3 AsylG letzter Halbsatz nur dann, wenn sich der andere Elternteil nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthaltsort im Bundesgebiet unbekannt ist. Hier hat die Familie aber während des ganzen Asylverfahrens zusammengelebt und der Vater des Klägers hält sich unter derselben Adresse wie dieser in Deutschland auf. Sowohl die Anerkennung seiner Vaterschaft bezüglich des Klägers als auch eine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Eltern des Klägers stammen bereits vom 2. März 2016. Damit ist die Verzichtserklärung vom 1. September 2016, die allein von der Mutter des Klägers abgegeben wurde, unwirksam. Denn eine solche Verzichtserklärung hätte zu diesem Zeitpunkt auch vom Vater des Klägers unterschrieben bzw. abgegeben werden müssen (vgl. VG Augsburg, B.v. 13.4.2017 – 4 S. 17.31715 – juris; VG Ansbach, U.v. 25.10.1996 – AN 12 K 96.35581 – juris).
Nachdem sich damit die von der Beklagten vorgenommene Verfahrenseinstellung als rechtsfehlerhaft erweist, war der Bescheid vom 15. November 2016 antragsgemäß aufzuheben. Die Klage erweist sich somit als begründet.
3. Die Kostenentscheidung erfolgt auf der Grundlage von § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83 b AsylG.
4. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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