Familienrecht

Verfahrenswertbemessung, wenn Gegenstand des Verfahrens vom gesetzlichen Unterhaltsrecht völlig losgelöste, allein auf vertraglicher Grundlage basierende Leibrentenansprüche sind

Aktenzeichen  16 WF 307/17

Datum:
14.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2017, 1766
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamGKG FamGKG § 33, § 35, § 39, § 41, § 42, § 51, § 59 Abs. 3
ZPO ZPO § 9

 

Leitsatz

1. Ist Gegenstand des Verfahrens ein Unterhaltsanspruch, der durch Vertrag geregelt ist, richtet sich der Verfahrenswert nur dann nach § 51 FamGKG, wenn in dem Vertrag die gesetzlichen Unterhaltsansprüche modifiziert oder abgeändert worden sind. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Demgegenüber richtet sich der Verfahrenswert nach §§ 42, 35, 33 FamGKG, § 9 ZPO, wenn Gegenstand des Verfahrens ein vertraglich völlig eigenständiger Unterhaltsanspruch ist. Entsprechendes gilt auch, wenn anstelle eines Unterhaltsanspruchs durch Vertrag eine Leibrentenverpflichtung eingegangen wird. Dann bemisst sich der Wert nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 F 188/16 2016-10-27 Bes AGLANDAUADISAR AG Landau

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Landau a.d. Isar vom 27.10.2016, Az.: 2 F 188/16, wird dahingehend abgeändert, dass der Verfahrenswert auf 23.000,- € festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Landau a.d. Isar vom 27.10.2016 zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Die Beteiligten sind verheiratet.
Am 10.09.2012 schlossen sie zur Urkunde des Notars G. unter der Urkundenrollen-Nr. …12 G/2012 einen Ehe- und Erbvertrag zur Regelung des Getrenntlebens.
Unter der Überschrift „Unterhalt“ enthält dieser folgende Regelungen:
„1. „Leibrente
a) Der Ehemann verpflichtet sich hiermit, ab dem 01.10.2012 an die Ehefrau auf deren Lebensdauer einen Betrag in Höhe von monatlich 500,- € zu zahlen. Dieser Betrag soll ausdrücklich nicht den Vorschriften über den gesetzlichen Ehegattenunterhalt unterliegen.

c) Zwangsvollstreckungsunterwerfung“
Wegen der vorstehenden Zahlungsverpflichtung unterwirft sich der Ehemann der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. …
e) Auflösende Bedingung
Die Vereinbarung zur Zahlung der Leibrente gemäß a) in Verbindung mit d) entfällt ab dem Zeitpunkt, ab dem die Ehefrau erneut die Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingeht oder in einer verfestigten nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt mit Wirkung für die Zukunft. …“
Es folgen weiterhin Bestimmungen über den Trennungsunterhalt. Dahingehend haben die Beteiligten in der Urkunde niedergelegt, dass sie für die Vergangenheit auf wechselseitige Trennungsunterhaltsansprüche verzichten und für die Zukunft der Trennungsunterhalt unberührt bleiben soll, wobei die Beteiligten davon ausgehen, dass aufgrund der Leibrentenverpflichtung kein ungedeckter Unterhaltsbedarf der Ehefrau bestand.
Unter Ziffer 3 der Urkunde vereinbarten die Beteiligten einen wechselseitigen Verzicht auf den gesetzlichen nachehelichen Unterhalt.
Mit Schriftsatz vom 07.04.2016 beantragte der Antragsteller (Ehemann) die Zwangsvollstreckung aus der vorgenannten Urkunde für unzulässig zu erklären.
Weiterhin beantragte er im Wege der einstweiligen Anordnung, die Vollstreckung aus dieser Urkunde einstweilen einzustellen.
Dies begründete der Antragsteller damit, dass die Antragsgegnerin zwischenzeitlich in einer verfestigten eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen im Antrag vom 07.04.2016 verwiesen.
Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten.
Des Weiteren hat sie im Wege des Wiederantrages beantragt, festzustellen, dass sie mit dem Antragsteller nicht in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebe. Sie hat weiterhin beantragt, den Antragsteller zu verpflichten, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 650,34 € zu bezahlen. Schließlich hat sie beantragt, den Antragsteller zu verpflichten, die Einkommenssteuerbescheide für die Kalenderjahre 2012, 2013 und 2014 an die Antragsgegnerin herauszugeben.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Landau a.d. Isar hat durch Beschluss vom 06.10.2016, Az.: 2 F 188/16, den Antrag des Antragstellers, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären, abgewiesen. Auf die Wideranträge der Antragsgegnerin hat es festgestellt, dass diese nicht in einer verfestigten nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebe, den Antragsteller verpflichtet, 650,34 € vorgerichtliche Kosten zuzüglich Prozesszinsen zu bezahlen, sowie die Einkommenssteuerbescheide für die Kalenderjahre 2012, 2013 und 2014 herauszugeben.
Durch Beschluss vom 27.10.2016 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Landau a.d. Isar den Verfahrenswert auf 6.000,- € festgesetzt. Es hat hierbei die monatliche Zahlungspflicht in Höhe von 500,- € aus der notariellen Urkunde zugrunde gelegt und den Verfahrenswert gemäß § 51 FamGKG in Höhe des Jahresbetrages angenommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 27.10.2016, Az.: 2 F 188/16, verwiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnervertreterin. Diese beantragt, den Verfahrenswert für den Vollstreckungsgegenantrag in Höhe von 21.000,- € festzusetzen. Weiterhin beantragt sie, den Verfahrenswert für den Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung in Höhe von der Hälfte, d.h. 12.500,- €, festzusetzen. Der Beschwerde hat das Amtsgericht – Familiengericht – Landau a.d. Isar nicht abgeholfen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Der Verfahrenswert ist gemäß §§ 42, 35, 33 FamGKG in Höhe des 3 1/2-fachen Jahresbetrages der aus der notariellen Urkunde der Notare W. & G. vom 10.09.2012, Urkundenrollen-Nr. …12/G 2012 zu zahlenden monatlichen Leibrente in Höhe von 500,- € festzusetzen.
Die Bestimmung des § 51 FamGKG kann zur Bewertung dieses Anspruchs nicht herangezogen werden. Ist der Unterhalt durch Vertrag geregelt, richtet sich der Verfahrenswert nach § 51 FamGKG, wenn die gesetzlichen Unterhaltsansprüche modifiziert oder abgeändert werden. Demgegenüber richtet sich der Verfahrenswert nach §§ 42, 35, 33 FamGKG, 9 ZPO, wenn vertraglich ein völlig eigenständiger Unterhaltsanspruch geschaffen wird. Entsprechendes gilt auch, wenn anstelle eines Unterhaltsanspruchs durch Vertrag eine Leibrentenverpflichtung eingegangen wird (OLG Karlsruhe, JurBüro 2006, Seite 145; Göppinger/Börger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, 10. Aufl. 2013, Rn. 177).
Der aus der notariellen Urkunde vom 10.09.2012 zu zahlende monatliche Betrag liegt bei 500,- €. Hieraus errechnet sich ein Verfahrenswert in Höhe von 42 Monate x 500,- € pro Monat = 21.000,- €.
2. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.
Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne von § 41 FamGKG gerichtet. Verfahren wegen einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung gehören vielmehr gebührenrechtlich zum Rechtszug in der Hauptsache (BeckOK-FamGKG/Siede § 21 Rn. 50; Thomas/Putzo/Seiler, 37. Aufl. 2016, § 769 ZPO Rn. 21).
3. Von Amts wegen ist jedoch der Verfahrenswertbeschluss dahingehend zu berichtigen, dass auch der im Wege des Wiederantrages erhobene Feststellungsantrag, der Antrag auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie der Antrag auf Herausgabe der Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2012, 2013 und 2014 zu berücksichtigen sind.
Der Feststellungswiderantrag ist im Wesentlichen als Vorfrage im Rahmen des Vollstreckungsgegenantrages mitzuentscheiden. Er wirkt sich daher nur unwesentlich auf die Höhe des Verfahrenswertes aus.
Demgegenüber ist der eigenständige Kostenerstattungsanspruch sowie der Anspruch auf Herausgabe der Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2012, 2013 und 2014 bei der Bemessung des Verfahrenswertes gemäß § 39 FamGKG zu berücksichtigen.
Das Gericht bewertet diese Ansprüche insgesamt in Höhe von pauschal 2.000,- €. Gemäß § 39 FamGKG sind der Wert des Antrags in der Hauptsache und der Wert des Wiederantrags zu addieren. Gemäß § 33 FamGKG sind die einzelnen Gegenstände des Wiederantrages zu addieren. Insgesamt errechnet sich mithin ein Verfahrenswert in Höhe von 23.000,- €.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 24.03.2017.  

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