Familienrecht

Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren

Aktenzeichen  33 T 34/16

Datum:
24.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 125778
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 114

 

Leitsatz

1 Die Prozesskostenhilfe kann auf das Mahnverfahren beschränkt werden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren kommt es nur auf die Erfolgsaussicht des Mahnverfahrens und nicht auf die etwaigen Erfolgsaussichten eines streitigen Hauptsacheverfahrens an. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

16-0460118-08-N 2016-09-15 AGCOBURG AG Coburg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Coburg vom 15.09.2016, Az. 16-0460118-08-N, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Beschwerdeführer beantragte am 10.05.2016, eingegangen beim Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg am 11.05.2016 den Erlass eines Mahnbescheides gegen das Landesamt für Finanzen Augsburg über eine Hauptforderung von 40.000.000,- € als Schadensersatz aus Unfall/Vorfall vom 3.11.2009 bis 1.5.2016. Gleichzeitig beantragte er für die Kosten des 33 t 34/16 – Seite 2 Mahnverfahrens in Höhe von 54.868,- € die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Aus der von ihm eingereichten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen geht hervor, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Er bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Das Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg leitete den Antrag zur Stellungnahme an den Antragsgegner zu, der mit Schreiben vom 10.08.2016 beantragte, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg biete. Forderungen des Antragstellers bestünden nicht. Bei Erlass eines Mahnbescheides würde umgehend Widerspruch eingelegt werden.
Mit Beschluss vom 15.09.2016, dem Beschwerdeführer zugestellt am 22.09.2016, wies das Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten des beabsichtigten Mahnverfahrens zurück. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24.10.2016, eingegangen beim Amtsgericht Coburg am selben Tag, sofortige Beschwerde. Er rügte die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil ihm das Schreiben des Antragsgegners erst verspätet mitgeteilt wurde. Darüber hinaus erklärte er, dass es nicht um 40.000.000,- € gehe, sondern um 400.000.000,- €, man könne aber im Online-Formular keine 3-stelligen Millionenbeträge eingeben. Aus dem im übrigen unverständlichen Vorbringen ist lediglich erkennbar, dass der Beschwerdeführer offenbar eine Entschädigung wegen rechtswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen begehrt.
Das Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 25.10.2016 nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht Coburg zur Beschwerdeentscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 21.11.2016 bestellte sich Rechtsanwalt Zipp zum anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers und begründete die Beschwerde damit, dass Erfolgsaussichten im Mahnverfahren nicht zu prüfen seien. Es komme ausschließlich auf die Einhaltung der Formalien an. Könne ein Mahnbescheid hiernach erlassen werden, müsse auch Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Insbesondere könne einer bedürftigen Partei nicht die Möglichkeit verjährungshemmender Maßnahmen abgeschnitten werden.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache hat die Einzelrichterin nach vorheriger Anhörung des Beschwerdeführers das Verfahren auf die Kammer übertragen, § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO.
II.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst form- und fristgerecht (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht geht das Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg davon aus, dass eine hinreichende Aussicht auf Erfolg des Mahnverfahrens nicht besteht. Eine solche Prüfung der Erfolgsaussichten ist auch im Rahmen eines Mahnverfahrens, für das Prozesskostenhilfe beantragt wird, vorzunehmen.
Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 114 ZPO, dass die antragstellende Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Grundsätzlich kann die Prozesskostenhilfe auf das Mahnverfahren beschränkt werden, vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 119, Rdnr. 16; OLG München, MDR 1997, 891; OLG Oldenburg, MDR 1999, 384; LG Berlin, NJW 1972, 2312. Sie erstreckt sich dann nicht auf den anschließenden Zivilprozess, zu dem es nach dem Übergang ins streitige Verfahren kommt.
Ob bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Mahnverfahren die Erfolgsaussicht zu prüfen ist, ist umstritten. Nach einer Rechtsauffassung findet grundsätzlich eine Schlüssigkeitsprüfung nicht statt, vgl. Motzer im Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 114, Rdnr. 32; Geimer in Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 119, Rdnr. 16. Jedoch finden die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO im Mahnverfahren uneingeschränkte Anwendung, somit auch die Vorschrift des § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der grundsätzlich eine Anhörung des Gegners vorsieht. Eine solche Anhörung wäre jedoch überflüssig, wenn das Vorbringen des Antragsgegners überhaupt keine Berücksichtigung finden würde. Aus diesem Grunde ist daher auch bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Mahnverfahren die Erfolgsaussicht zu prüfen, so auch Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 09.09.2004, Az.: 10 T 304/04 (RPfl 2005, 32); Landgericht Berlin, Beschluss vom 05.07.2007, Az.: 57 T 27/07, Landgericht Hagen, Beschluss vom 26.6.2014, Az. 3 T 42/14, Landgericht Fulda, Beschluss vom 24.2.2014, Az. 1 T 7/14 und Landgericht Hamburg, Beschluss vom 26.8.2014, Az. 331 T 6/14 (letztgenannte alle unveröffentlicht).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Prozesskostenhilfe nur für das Mahnverfahren und nicht für ein sich anschließendes streitiges Verfahren beantragt wird. Es kommt damit nur auf die Erfolgsaussicht des Mahnverfahrens und nicht auf die etwaigen Erfolgsaussichten eines streitigen Hauptsacheverfahrens an. Sinn und Zweck des Mahnverfahrens ist der Erwerb eines schnellen und kostengünstigen Vollstreckungstitels in Form eines Vollstreckungsbescheides. Gerade dieser Erfolg ist aber äußerst unwahrscheinlich. Der Antragsgegner hat im Rahmen der Anhörung das Bestehen eines Anspruchs bestritten und Widerspruch gegen einen zu erlassenden Mahnbescheid angekündigt. Es besteht damit eine ganz erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschwerdeführer im Mahnverfahren keinen Vollstreckungstitels erlangen wird. Deshalb hat das Amtsgericht zu Recht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren zurückgewiesen. Für ein von vorneherein aussichtsloses Mahnverfahren, bei dem bereits von Anfang an nicht damit zu rechnen ist, dass ein Vollstreckungsbescheid ergehen wird, kann ein Antragsteller nicht erwarten, dieses auf Kosten der Staatskasse durchführen zu können. Dem Antragsteller bleibt unbenommen, Klage beim zuständigen Gericht einzureichen und für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu beantragen.
Soweit der Beschwerdeführer ins Feld führt, der mittellosen Partei würden verjährungshemmende Maßnahmen abgeschnitten, wenn Erfolgsaussichten verneint und ein Mahnbescheid nicht erlassen würde, ist die Kammer anderer Auffassung. Eine verjährungshemmende Wirkung dürfte nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB auch ohne Erlass eines Mahnbescheides eintreten, nämlich mit Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe; bei demnächstiger Veranlassung der Bekanntgabe bereits mit Einreichung. Die Hemmung endet erst 6 Monate nach Beendigung des Verfahrens oder der letzten Verfahrenshandlung, § 204 Abs. 2 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 22 GKG i.V.m. KV-Nr. 1812 zum GKG.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. In Instanzrechtsprechung und Literatur werden zur Frage der Zulässigkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten im Mahnverfahren sowie zum Umfang dieser Prüfung unterschiedliche Auffassungen vertreten.

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