Aktenzeichen 27 U 688/17 Bau
BGB § 631 Abs. 1, § 642
Leitsatz
Zur Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs gemäß § 642 BGB im Falle einer bauablaufbezogenen Störung hat der Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung für das Leistungssoll anhand seiner Kalkulation darzulegen und substanziiert vorzutragen, in welcher Höhe Abzüge für Wagnis und Gewinn zugrundezulegen sind. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
27 U 688/17 Bau 2017-09-11 Endurteil OLGMUENCHEN LG Memmingen
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 08.02.2017, Az.: 1 HKO 1976/12, wird durch einstimmigen Beschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch aus anderen Gründen nicht geboten.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieser Beschluss und das unter Ziffer 1 genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 88.342,44 € festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche der Klägerin auf Restwerklohn für Bauleistungen sowie auf Entschädigung wegen bauablaufbezogener Störungen.
Mit Bauvertrag vom 02.02.2009 wurde die Klägerin von der Beklagten für das Bauvorhaben „Staatliche Realschule mit Dreifach-Sporthalle und angebauter Einfach-Sporthalle“ in M.“ mit dem Gewerk „Garten- und Landschaftsbau“ mit der Herstellung des Kleinspielfeldes 24×28, des Kleinspielfeldes 28×20, der Weitsprunganlage, der Laufbahn, des Kugelstoßplatzes, des Beach-Volleyball-Platzes, des Rasenspielfeldes und mit Pflanzarbeiten beauftragt.
Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Auf die Klage, mit der die Klägerin die Zahlung von 125.803,85 € zuzüglich Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 950,15 € zuzüglich Zinsen begehrt hatte, hat das Landgericht Memmingen die Beklagte mit Urteil vom 08.02.2017 verurteilt, an die Klägerin 88.342,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.10.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 950,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.01.2013 zu zahlen. Im Übrigen wurde, wie den Entscheidungsgründen zu entnehmen, die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt,
die Klage sei in Höhe von 88.342,44 € begründet, da der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 642 BGB in Höhe von 79.526,- € auf Entschädigung für unnütz bereitgehaltenes Kapital und unnütz bereitgehaltene Arbeitskraft, in Höhe von 4.500,- € auf Entschädigung für allgemeine Gemeinkosten und 1.621,- € für Baustellengemeinkosten zustehe. Des Weiteren habe die Klägerin einen restlichen Werklohnanspruch in Höhe von 2.695,44 € für vereinbarungsgemäß erbrachte Bauleistungen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz:
1. Das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 08.02.2017, Az.: 1 HKO 1976/12, wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Klägerin.
Zur Begründung ihrer Berufung vertritt die Beklagte die Auffassung, ein Entschädigungsanspruch der Klägerin sei bereits nach Ziffer 6.1 der besonderen Vertragsbedingungen ausgeschlossen. Selbst wenn von einem Entschädigungsanspruch der Klägerin auszugehen sei, sei dieser auf eine angemessene Verzinsung zur Entschädigung für verzögerte Fälligkeit der vertraglichen Vergütung beschränkt. Darüber hinaus habe die Klägerin nicht den Nachweis für tatsächlich entstandene Nachteile durch die Bauverzögerung geführt.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 02.05.2017 sowie die Stellungnahme der Beklagten vom 22.08.2017 Bezug genommen.
Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 11.09.2017 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug genommen wird.
Die Stellungnahme der Beklagten vom 05.10.2017 enthält keine neuen, entscheidungserheblichen Ausführungen, die zu einer anderen Wertung führen könnten.
Hierzu ist im Einzelnen noch folgendes anzumerken:
1. Soweit die Berufungsführerin auf den Tenor des Hinweisbeschlusses des Senats, der dem Gesetzestext entspricht, verweist, ist dies als Berufungsangriff unbehelflich.
2. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist nur dann auszugehen, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH NJW 2003, 65 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben und werden von der Berufungsführerin in ihrer Stellungnahme vom 05.10.2017 auch nicht dargetan.
Der pauschale Hinweis der Berufung, es würden jährlich Hunderttausende von Bauverträgen abgeschlossen, die Bauwirtschaft sei ein wesentlicher Wirtschaftszweig in Deutschland, die Vertragssummen bei Bauverträgen dürften im dreistelligen Milliardenbereich jährlich liegen, bei nahezu jedem Bauvorhaben würden Subunternehmer beauftragt und es gebe Bauverträge mit verschiedenen Gewerken, durch die Komplexität der Bauvorhaben komme es nahezu bei jedem Bauvorhaben zu Bauzeitverzögerungen und die Auffassung der Berufungsführerin, § 642 BGB sei bis vor einiger Zeit in der Rechtswirklichkeit weitgehend nicht beachtet worden, vermögen eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zu begründen. Vielmehr hat der streitgegenständliche Sachverhalt keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen zum Inhalt, die in einer Vielzahl von Fällen zu erwarten sind und zu denen in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Wie bereits unter Ziffer 2. a) des Hinweisbeschlusses ausgeführt, ist das Landgericht der höchstrichterlichen Rechtsprechung und überwiegenden Literatur im Hinblick auf die Voraussetzungen und den Umfang des Entschädigungsanspruches nach § 642 BGB gefolgt. Grundsätzlich nicht höchstrichterlich geklärte, für eine unbestimmte Anzahl von Fällen bedeutende Rechtsfragen sind in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.
3. Mangels Divergenz ist zu anderer obergerichtlicher Rechtsprechung auch eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich (s. dazu unten Ziff. 5).
4. Vergeblich rügt die Berufung, das Erstgericht habe seinen Entschädigungsanspruch nicht hinreichend dargelegt.
Entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin als Auftragnehmerin die Darlegungs- und Beweislast für die Grundlagen der Entschädigung trägt (vgl. Seite 20 des Ersturteils). Dieser Darlegungs- und Beweislast ist die Klägerin auch nachgekommen.
Unter Vorlage der kalkulatorischen Ausarbeitungen gemäß Anlage K 10 hat sie detailliert dargelegt, wie hoch die vertraglich vereinbarte Vergütung für ihre Soll-Leistungen war und in welcher Höhe hierbei Abzüge für Wagnis und Gewinn zugrundezulegen sind. Nach Beweisaufnahme ist das Landgericht – von der Berufung auch nicht angegriffen -zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anlage K 10 die tatsächlich von der Klägerin für den konkreten, streitgegenständlichen Auftrag kalkulierten Preise enthält.
Des Weiteren hat das Landgericht im Detail dargelegt, welche Beträge für Wagnis und Gewinn abzuziehen sind, wie die Kostenbestandteile für Lohn und Geräte zu werten sind und wie sodann der Entschädigungsanspruch der Klägerin zu bemessen ist. Vergeblich rügt die Berufung hierbei, das Landgericht habe nicht die „Differenzhypothese“ durch Gegenüberstellung der Vermögenssituation mit und ohne Bauverzögerung angewandt.
Das Landgericht sehr wohl detailliert dargelegt, dass die Klägerin während des Behinderungszeitraumes keine zusätzlichen Aufträge ausführen konnte. Weiter hat das Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme gerade nicht festgestellt, dass Aufträge vorgezogen wurden und eine Vollauslastung der Klägerin im fraglichen Zeitraum bestanden hatte. Zweifel gehen hierbei zu Lasten der Beklagten, die die Beweislast für anderweitigen Erwerb der Klägerin trägt. Somit hat das Landgericht die Vermögenslage ohne Behinderung der mit Behinderung gegenübergestellt.
Der Auffassung der Berufungsführerin, der Klägerin falle ein Zufallsgeschenk in den Schoß und ihr sei kein auszugleichender Schaden entstanden, ist aufgrund dieser äußerst sorgfältigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Landgerichts zur Höhe des Entschädigungsanspruches nicht zu folgen.
Der entschädigungsfähige Anspruch der Klägerin ist gerade darin begründet, dass ihr für den Zeitraum der Behinderung die Fixkosten verbleiben, ohne dass diesen ein durch Einsatz von Personal und Material im Rahmen der Durchführung eines Auftrages erwirtschafteter Erfolg gegenübersteht.
5. Das streitgegenständliche Urteil steht nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen des OLG Dresden (1 U 13/10), des OLG Köln (17 U 35/14) und des Kammergerichts Berlin (21 U 14/16).
Zu den Entscheidungen des OLG Köln und des OLG Dresden hat der Senat bereits auf Seite 6 des Hinweises Stellung genommen. Hierauf wird Bezug genommen. Bei dem dem Kammergericht Berlin zugrundeliegenden Fall wurde von Klageseite Entschädigung nur dafür begehrt, dass aufgrund von Verzögerungen im Bauablauf gestiegene Personal- und Materialkosten angefallen seien. Diese Entscheidung ist mit dem streitgegenständlichen Fall, dem zugrundeliegt, dass die Klägerin während des Verzögerungszeitraumes keine zusätzlichen Aufträge durchführen konnte und deshalb ohne zusätzliche Gewinnmöglichkeiten Material und Personal vorhalten musste, nicht vergleichbar.
Im Übrigen steht auch die Rechtsauffassung des Kammergerichts Berlin nicht in Widerspruch zu der des Landgerichts Memmingen und des Senats.
Nach alledem erweist sich das Ersturteil als zutreffend.
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.