Handels- und Gesellschaftsrecht

Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter

Aktenzeichen  11 O 4254/16

Datum:
13.12.2018
Fundstelle:
ZInsO – 2019, 402
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 138 Abs. 3
HGB § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Ein Kommanditist kann gegenüber einer Beanspruchung durch einen Insolvenzverwalter nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB geltend machen, dass der geltend gemachte Betrag zur Befriedigung der Gläubiger nicht erforderlich sei (Anschluss an BGH BeckRS 2018, 3570).  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der beklagte Kommanditist trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Erforderlichkeit seiner Inanspruchnahme, den klagenden Insolvenzverwalter trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft, sofern er dazu im Stande ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird in Bezug auf den Antrag des Klägers vom 11.07.2018 abgewiesen.
2. Das Urteil ist für die Parteien jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
3. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 13,8%, der Beklagte 86,2%.
4. Der Streitwert wird auf 348.146,51 € festgesetzt.

Gründe

A. Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Das Landgericht München II ist nach §§ 12, 13 ZPO örtlich und nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig.
2. Die Antragstellung vom 11.07.2018 bedeutet nach § 264 Nr. 3 ZPO keine Klageänderung, weil sich lediglich die zivilprozessuale Einstufung der Forderung als Hauptforderung statt als Nebenforderung ergibt, und weil der anfangs lediglich unbezifferte Zinsantrag nunmehr wegen der Gewissheit über den Zeitpunkt der Zahlung der ursprünglichen Hauptforderung beziffert wurde.
3. Sonstige Zulässigkeitshindernisse sind nicht ersichtlich.
II. Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte wurde durch den Kläger nicht wirksam in Verzug gesetzt, so dass der Beklagte dem Kläger auch keine Zahlung von Verzugszinsen schuldet.
Denn dem Beklagten stand im Zeitraum vom 12.08.2014 bis zum 22.06.2018 gegenüber dem klägerischen Anspruch aus §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB eine Einwendung zu, durch welche nach allgemeinen Grundsätzen der Verzugseintritt nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB ausgeschlossen war.
1. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung im Schrifttum kann ein Kommanditist gegenüber einer Beanspruchung durch einen Insolvenzverwalter nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB im Wege einer rechtshindernden Einwendung geltend machen, dass der geltend gemachte Betrag zur Befriedigung der Gläubiger nicht erforderlich sei (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2018 – Az.: II ZR 272/16 = NZG 2018, 497, 500 Tz. 39; BGH, Urteil vom 11.12.1989 – Az.: II ZR 78/89 = NJW 1990, 1109, 1111 m. w. N.; siehe auch OLG München, Endurteil vom 26.04.2018 – Az.: 23 U 1542/17 = BeckRS 2018, 7127 Tz. 38; OLG Stuttgart, Urteil vom 02.12.1998 – Az.: 20 U 29/98 = NZG 1999, 113, 115 a. E. sowie LG Coburg, Endurteil vom 11.01.2018 – Az.: 1 HKO 24/17 = BeckRS 2018, 598 Tz. 24 ff.; aus der Literatur: MüKo-Karsten Schmidt, HGB, 3. Aufl. 2012, § 172 Rn. 110; BeckOK-Häublein, HGB, 22. Edition, Stand 15.07.2018, § 171 Rn. 36; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 171 Rn. 96).
2. Aufgrund des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien steht fest, dass der Beklagte vom 12.08.2014 bis zum 22.06.2018 gegenüber dem klägerischen Begehren die begründete Einwendung entgegenhalten konnte, dass genügend Aktivvermögen der Schuldnerin vorhanden ist, um die Gläubigerforderungen auch ohne Inanspruchnahme des Kommanditisten nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB zu befriedigen.
a) Insofern trägt zwar der beklagte Kommanditist nach der vorbezeichneten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Erforderlichkeit seiner Inanspruchnahme (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.1989 – Az.: II ZR 78/89 = NJW 1990, 1109, 1111 m. w. N.; dem folgend: OLG München, Endurteil vom 26.04.2018 – Az.: 23 U 1542/17 = BeckRS 2018, 7127 Tz. 38), doch trifft den klagenden Insolvenzverwalter nach der vorbezeichneten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gleichzeitig eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft, sofern er dazu im Stande ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.1989 – Az.: II ZR 78/89 = NJW 1990, 1109, 1111 m. w. N.; dem folgend: OLG München, Endurteil vom 26.04.2018 – Az.: 23 U 1542/17 = BeckRS 2018, 7127 Tz. 38; OLG Stuttgart, Urteil vom 02.12.1998 – Az.: 20 U 29/98 = NZG 1999, 113, 115; BeckOK-Häublein, HGB, 22. Edition, Stand 15.07.2018, § 171 Rn. 36), bzw. zu den von ihm bereits vereinnahmten Beträgen (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2018 – Az.: II ZR 272/16 = NZG 2018, 497, 500 Tz. 39 a. E.).
b) Nach Maßgabe der vorbezeichneten Grundsätze ist die Behauptung der Beklagtenpartei, dass genügend Aktivvermögen der Schuldnerin vorhanden ist, um die Gläubigerforderungen auch ohne Inanspruchnahme des Kommanditisten nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB zu befriedigen, nach § 138 Abs. 3 ZPO als durch die Klagepartei zugestanden anzusehen ist.
Die Beklagtenpartei hat entsprechend ihrer primären Darlegungslast zu dem Bestehen der Einwendung substantiiert vorgetragen, dass aus ihrer Sicht wegen des Wertes der verfahrensgegenständlichen ehemaligen Immobilie der Insolvenzschuldnerin in Höhe von 96 Mio. € bzw. wegen des jährlichen Rohmietertrags von 6,9 Mio. € eine Beanspruchung des Beklagten nicht erforderlich sei.
Demgegenüber hat der Kläger unter Missachtung seiner sekundären Darlegungslast und unter selektiver und tendenziöser Auswertung der auch durch ihn zitierten BGH-Rechtsprechung keinen substantiierten Tatsachenvortrag im Hinblick auf den Verkaufserlös hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Immobilie geliefert und sich darauf beschränkt, ohne jeden tragfähigen Nachweis wie etwa die Vorlage eines notariellen Kaufvertrags einen Betrag von € 52.310.000 zu behaupten, und dies erst am 08.05.2017 (Bl. 203 d. A.). Auch aus der Entscheidung OLG München, Endurteil vom 26.04.2018 – Az.: 23 U 1542/17 = BeckRS 2018, 7127 Tz. 39 geht hervor, dass ein klagender Insolvenzverwalter seiner sekundären Darlegungslast nur nachkommt, wenn er über die bloße Nennung von Zahlen hinaus auch entsprechende Urkunden als Anlagen vorlegt.
Der schlichte Verweis des klagenden Insolvenzverwalters auf die Vorlage des Berichts zum Berichts- und Prüfungstermin vom 07.07.2014 gemäß der Anlage K 34 genügt den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung schon aus dem Grunde nicht, dass es nicht die Aufgabe des Gerichts ist, sich aus einem über 60-seitigen Bericht die interessierenden Stellen selbst herauszusuchen. Im Übrigen hilft die Anlage K 34 dem Kläger auch aus dem Grunde nicht weiter, dass es sich um reinen Parteivortrag, nämlich einen Bericht des Insolvenzverwalters selbst, handelt, und dass in Bezug auf die auf der S. 26 der Anlage K 34 erfolgenden Verweise auf Verkehrswertermittlungen der betreffenden Immobilie in Höhe von angeblich rund € 54,9 Mio. € zum Stand April 2012 durch Privatsachverständige eben diese Gutachten durch den Kläger auch nicht vorgelegt worden sind.
Ähnliches gilt für die durch den Kläger in Bezug genommene Vorlage einer Vermögensübersicht vom 01.05.2014. Diese soll zwar nach Ausweis des Forderungsschreibens vom 28.07.2014 (Bl. 206 d. A. mit Anlage K 36) diesem Schreiben beigefügt gewesen sein, allein fehlt diese Anlage der als Anlage K 36 vorgelegten Anlage. Überdies genügt ohnehin eine Bezugnahme auf etwaige Anlagen schon ganz allgemein nicht den Anforderungen an einen substantiierten Parteivortrag.
Ungeachtet der Tatsache, dass es der Kläger im Zusammenhang mit dem Tatsachenvortrag zum Verzugseintritt explizit nicht für erforderlich hält, einen Nachweis für den Kaufpreis zu führen, und daher nicht einmal auf die Anlage K 44 zu dem Schriftsatz vom 08.05.2017 Bezug nimmt, ergäbe sich auch aus diesem Schriftstück kein substantiierter Tatsachenvortrag des Klägers im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast. Denn diese Anlage K 44 ist nur als Kopie vorlegt, lässt keinerlei notarielle Herkunft erkennen und ist überdies nur durch den Kläger unterschrieben, so dass ihr allenfalls ein Charakter als einfacher Parteivortrag zukommt.
Aus diesem Grund ist die betreffende Behauptung der Klagepartei als zu unsubstantiiert unbeachtlich und der entsprechende Beklagtenvortrag nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu betrachten. Es wäre doch ein Leichtes für den Kläger gewesen, den für den 22.12.2016 behaupteten notariellen Kaufvertrag einschließlich dessen § 3.1 vorzulegen; dass dies der Kläger unterließ, spricht zur richterlichen Überzeugung ungeachtet des § 138 Abs. 3 ZPO überdies nicht gerade für die Richtigkeit des entsprechenden klägerischen Vortrags.
3. Auf die weiteren Streitfragen wie etwa in Bezug auf einen etwaigen Annahmeverzug des Klägers kommt es daher nicht mehr an.
B. Die Kostenentscheidung beruht nach Maßgabe des Streitwertes auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
C. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt jeweils auf § 709 S. 2 ZPO.
D. Der Streitwertbeschluss beruht auf §§ 3, 4 Abs. 1 HS. 2 ZPO.
Die Zinsforderung wurde wegen des zwischenzeitlichen Anerkenntnisses der ursprünglichen Hauptforderung nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einer selbständigen Hauptforderung und erhöht daher den Streitwert (vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.2014 – Az.: VI ZB 49/12 = NJW 2014, 3100 Tz. 5; MüKo-Wöstmann, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 4 Rn. 31; Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 4 Rn. 9 m. w. N.).


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