Handels- und Gesellschaftsrecht

Fertigstellung der Netzanbindung einer Windenergieanlage auf See

Aktenzeichen  1 HK O 47/18

Datum:
14.11.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40931
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EnWG § 17e Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Netzanbindung ist dann fertiggestellt, wenn die Anlage (im konkreten Ausbauzustand) einspeisen kann und der Anlagenbetreiber nicht mehr damit rechnen muss, dass die Leitung jederzeit für Restarbeiten oder Einstellungen ohne oder mit nur kurzfristiger Ankündigung unterbrochen wird. (Rn. 38)
2. Die Fertigstellung ist indiziert durch die erfolgreiche Durchführung von Phase 2 des Probebetriebs und die Mitteilung des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers an den Anlagenbetreiber, der Probebetrieb sei nun beendet. (Rn. 40)
3. Drei kurzfristige Störungen innerhalb von zwei Wochen nach diesem Zeitpunkt stehen der Fertigstellung nicht entgegen. (Rn. 43)
4. Auch nicht die Durchführung weiterer Ausbaumaßnahmen, die die Ausfallsicherheit erhöhen oder die Standzeit verlängern sollen (hier: zweiter Transformator). (Rn. 44 – 45)
5. Es kommt für die Fertigstellung der Netzanbindung nicht darauf an, wieviele Anlagen des Windparks tatsächlich betriebsbereit waren. Anderes kann gelten, wenn sich erst beim Ausbau des Windparks zur vollen vorgesehenen Leistung die Anbindung als unzureichend erweist. (Rn. 46 – 47)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 71.210.586,73 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Klägerin für Zeiträume ab 29. Dezember 2014 keine Ansprüche aus § 17 e Abs. 2 EnWG geltend machen kann. Die Netzanbindung ist zum 28. Dezember 2014 fertiggestellt worden.
1. Tatbestand:smerkmal des § 17 e Abs. 2 EnWG ist die Fertigstellung der Netzanbindung. Der Gesetzgeber hat dieses Tatbestandsmerkmal nicht weiter erläutert, als zentralen Gesichtspunkt aber die Möglichkeit der Stromeinspeisung aus dem betroffenen Windpark herausgestellt (Bundestagsdrucksache 17/10754, Seite 26 ff.).
Die Bundesnetzagentur führt hierzu in ihrem Leitfaden Stand 25.09.2013 unter 2.3.2 aus:
„Der Netzanschluss ist erst mit Abschluss des Probebetriebs der Netzanbindung fertiggestellt, spätestens jedoch 4 Monate nach dem für die Offshore-Anlage die physikalische Einspeisemöglichkeit gegeben ist. Der Probebetrieb ist damit in der Regel noch Bestandteil der Errichtungs- bzw. Fertigstellungsphase des Netzabschlusses. Für den Abschluss des Probebetriebs ist auf den Probebetrieb im Zusammenhang mit dem einzelnen Offshore-Windpark abzustellen, nicht auf den Probebetrieb für die gesamte Anbindungsleitung. Der hier relevante Probebetrieb ist somit von dem Probebetrieb, den der Anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber und der Lieferant des Anbindungssystems für die gesamte Anbindungsleitung vereinbart haben, zu unterscheiden. Auch ist er von dem Probebetrieb, der mit dem Netzanschluss eines anderen Offshore-Windparks auf der gleichen Anbindungsleitung im Zusammenhang steht, zu unterscheiden.“
Allerdings kommt dem Leitfaden der Bundesnetzagentur keine rechtssetzende Verbindlichkeit zu.
Ab wann Fertigstellung der Netzanbindung vorliegen soll, variiert je nach Standpunkt, vertreten wird insbesondere, dies sei bereits beim physikalischen (galvanischen oder induktiven) Anschluss zwischen Parkumspannwerk und Netzbetreiberumspannwerk der Fall (vertreten im vorliegenden Verfahren von der Beklagten); andererseits wird vertreten, die Netzanbindung sei erst dann fertiggestellt, wenn der betreffende Windpark in seiner vollen vorgesehenen Kapazität einspeisen könne (also auch auch tatsächlich, nicht nur fiktiv betriebsbereit sei) und alle vorgesehenen Tests, auch unter Volllast, erfolgreich absolviert worden seien (vertreten im vorliegenden Rechtsstreit von der Klägerin).
Gegen die klägerische Ansicht spricht, dass dann auch erhebliche Rückstände bei der Errichtung des Windparks zu einer Verlängerung des Anspruchszeitraums führen würden, während es Absicht des Gesetzgebers war, Rückstände bei der Errichtung der Netzanbindung in ihrer Auswirkung abzufedern.
Gegen die Ansicht der Beklagten spricht, dass nach Herstellung der physikalischen Anbindung noch mehrwöchige Zeiträume zu Einstell- und Restarbeiten notwendig sind, wovon auch die fachkundig beratene Bundesnetzagentur ausgeht.
Das Gericht hält dafür, dass die Netzanbindung dann fertiggestellt ist, wenn die Anlage (im konkreten Ausbauzustand) einspeisen kann und der Anlagenbetreiber nicht mehr damit rechnen muss, dass die Leitung jederzeit für Restarbeiten oder Einstellungen ohne oder mit nur kurzfristiger Ankündigung unterbrochen wird.
Dieser Zustand ist für die streitgegenständliche Anlage am 28. Dezember 2014 erreicht worden.
Dies ist indiziert durch die erfolgreiche Durchführung der Phase 2 des Probebetriebs und die Mitteilung der Beklagten an die Klägerin, der Probebetrieb sei beendet. Denn in dieser Mitteilung liegt auch die Erklärung des Übertragungsnetzbetreibers, dass aus seiner Sicht dem kontinuierlichen Betrieb der Netzanbindung nichts entgegensteht.
Diese Indizien sind im vorliegenden Fall auch durch den Vortrag der Klägerin nicht entkräftet worden:
a) Allerdings könnte ein Indiz gegen die Fertigstellung der Netzanbindung darin gesehen werden, dass häufige Unterbrechungen während eines Zeitraums der „heißen Inbetriebnahme“ diese Inbetriebnahme einer nennenswerten Anzahl von Windenergieanlagen des klägerischen Parks verhindert haben, das Netz also entgegen der Mitteilung der Beklagten noch nicht ausreichend stabil gewesen ist. Dies war indessen nicht der Fall.
Soweit die Klägerin auf drei Überspannungsereignisse in der ersten Januarhälfte abstellt, steht dies der Fertigstellung nicht entgegen. Unabhängig von der Genese der Störungen sind diese Störungen unstreitig relativ kurzfristig wieder abgestellt worden; es findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass 3 kurzfristige Störungen innerhalb eines Zeitraums von etwas mehr als 2 Wochen zu wesentlichen Umbauten an der Netzanbindung geführt hätten. Die Klägerin hat auch nicht vortragen können, dass die „heiße Inbetriebnahme“ einer relevanten Anzahl ihrer Windkraftanlagen durch diese Störung behindert worden ist, sie hat nur vorgetragen, dass die Vorbereitungsarbeiten für eine solche „heiße Inbetriebnahme“ dadurch (und das schlechte Wetter im Januar 2015) beeinträchtigt worden sind. Das kann nicht genügen.
b) Auch die Durchführung der unstreitig Ende Januar/Anfang Februar erfolgten Integration des zweiten Transformators in das Umspannwerk der Beklagten steht der Fertigstellung zu einem früheren Zeitpunkt nicht entgegen.
Dabei ist als Besonderheit zu berücksichtigen, dass für die Netzanbindung von Offshore-Windparks das Onshore geltende N-1-Kriterium nicht Geltung beansprucht, die Leitung als solche also nicht redundant sein muss, um fertiggestellt zu sein. Baut der Übertragungsnetzbetreiber – wie hier mit dem zweiten Transformator – dennoch redundante Glieder ein, betrifft das nicht die Fertigstellung, sondern einen Ausbau der Netzanbindung. Unterbrechungen der Netzanbindung aus diesem Grund sind allenfalls von § 17 e Abs. 3 EnWG (Wartung) erfasst.
c) Der Fertigstellung der Netzanbindung steht auch nicht entgegen, dass zu dem oben festgehaltenen Zeitpunkt (28.12.2014) nur ganze zwei Windanlagen des klägerischen Parks bereits in tatsächlichem Betrieb waren.
Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass zur Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Fertigstellung der Netzanbindung deshalb nicht vorliegt, weil beim Ausbau des Windparks bis hin zur vorgesehenen Kapazität die von der Beklagten als fertiggestellt bezeichnete Netzanbindung sich zu einem späteren Zeitpunkt als unzureichend erwiesen hätte, um die gesamte Kapazität des Windparks aufzunehmen. Vorliegend aber ist nicht vorgetragen, dass längere Umbauten oder Nachrüstungen der Netzanbindung bedingende Störungen anlässlich des weiteren Kapazitätsausbaus des klägerischen Windparks sich ereignet hätten.
2. Auch soweit die Klägerin geltend macht, sie habe wegen der verspätet erstellten Netzanbindung fiktiv betriebsbereit erstellte Windenergieanlagen erst nach dem 28.12.2014 in tatsächliche Betriebsbereitschaft versetzen können, besteht kein Anspruch.
Dies ergibt sich allerdings nicht aus dem Tatbestandsmerkmal „betriebsbereit“ in § 17 e Abs. 2 S. 1 EnWG, sondern daraus, dass die Netzeinbindung nicht mehr fehlt und ab dem Zeitpunkt der Herstellung der Netzeinbindung deren Fehlen für die fehlende Einspeisemöglichkeit nicht mehr kausal sein kann:
§ 17 e Abs. 2 S. 1 hat insgesamt 4 Tatbestandsmerkmale:
1. Anlage betriebsbereit (ggf. fiktiv nach Satz 4)
2. Einspeisung nicht möglich.
3. Netzanbindung nicht fertiggestellt.
4. „weil“ d.h. ein kausales Verhältnis insoweit, als Merkmal 2 aus Merkmal 3 folgt.
Ist die Anbindung indessen fertiggestellt, fehlt es an dem Tatbestandsmerkmalen Ziffer 3. und Ziffer 4.
Möglicherweise (zwischen den Parteien streitig) ist die Verzögerung der Herstellung kausal gewesen (s.o.) für die verzögerte Herstellung der tatsächlichen Betriebsbereitschaft der Anlage und damit für die fehlende Produktionsmöglichkeit von Strom, dies aber ist nicht Tatbestandsmerkmal der Entschädigungsnorm.
Die Fertigstellung der Netzeinbindung ist als solche nicht abhängig davon, ob und wie viele Mitenergieanlagen tatsächlich betriebsbereit hergestellt und in Betrieb genommen wurden (s.o.).
Die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, die Inbetriebnahme im zeitlichen Zusammenhang mit der Fertigstellung der Netzanbindung alsbald herzustellen, liegt voll im Risikobereich des Anlagenbetreibers. Es war niemals Absicht des Gesetzgebers, dem Anlagenbetreiber dieses Risiko abzunehmen. Es ist auch nirgends ersichtlich, dass der Anlagenbetreiber für die notwendigen Zeiträume einer „heißen Betriebnahme“ nach Herstellung der Netzanbindung (d.h. den Zeitraum der Inbetriebnahme, in dem Strom vorhanden sein muss) entschädigt werden soll.
Zweck der gesetzlichen Vorschrift ist es vielmehr, den „Deadlock“ aufzubrechen, der nach Entflechtung von Stromerzeuger und Übertragungsnetzbetreiber dadurch entsteht, dass jeder der Beiden ganz erhebliche Investitionen quasi in den leeren Raum setzen muss, ohne sich darauf verlassen zu können, dass der Andere seinen notwendigen Teil dazu erbringen wird. Die normalen logistischen und technischen Reibungsverluste beim Aufbau eines Windparks Offshore und seiner Netzanbindung vollständig abzufangen, war nicht Ziel des Gesetzgebers, denn diese sind für einen Investor grundsätzlich kalkulierbar.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709, 3 ZPO.
Verkündet am 14.11.2019


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