Handels- und Gesellschaftsrecht

Unzulässige Berufung bei Klageänderung

Aktenzeichen  23 U 1407/17

Datum:
7.12.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 134378
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 263, § 522 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Berufung ist unzulässig, wenn der Kläger in zweiter Instanz nicht mehr ein fremdes Recht in Prozessstandschaft, sondern – erstmals – ausschließlich ein ihm aufgrund Abtretung zustehendes eigenes Recht macht (ebenso BGH NJW-RR 2006, 442).  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 O 6100/15 2017-03-23 Urt LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23.03.2017, Az. 3 O 6100/15, wird verworfen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger kann die Vollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche geltend wegen des Abschlusses von Geschäftsbesorgungsverträgen zwischen der T. H. AG und der T. H. Management UG.
Die T. H. AG wurde am 27.10.2006 gegründet. Seit der Gründung hält der Kläger 88,79% des Grundkapitals, der Beklagte derzeit gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Frau Karin G., 11,21%. Am 27.10.2006 wurde der Beklagte zum Vorstand der T. H. AG bestellt.
Am 08.08.2010 und am 01.07.2012 schloss die T. H. AG vertreten durch den damaligen Vorstand, den Beklagten, mit der T. H. Management UG, vertreten durch Herrn Dr. K. T., einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag ab.
Am 25.04.2012 stellte der Beklagte als Vorstand der T. H. AG Insolvenzantrag in Eigenverwaltung. Am 01.06.2012 wurde Frau Rechtsanwältin B. B. zur Sachwalterin, am 12.02.2015 zur Insolvenzverwalterin über das Vermögen der T. H. AG bestellt. Derzeit ist nur der Kläger Vorstand der T. H. AG.
Der Kläger und Frau B. B. als Insolvenzverwalterin schlossen am 20.11.2015 die als Anlagen K 30 und B 1 vorgelegten „Abtretungsvereinbarungen“. Die Insolvenzverwalterin vereinbarte darin mit dem Kläger u.a., ihm sämtliche Ansprüche der Gesellschaft gegen das ehemalige Vorstandsmitglied Ernst D. (den Beklagten) auf Schadensersatz nach Aktiengesetz, Dienstvertrag, Geschäftsordnung für den Vorstand der Gesellschaft, Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Delikt „abzutreten“. Nach Ziff. II Satz 1 der „Abtretungsvereinbarung“ (Anlage B 1) verpflichtet sich der Beklagte, die Ansprüche auf eigene Kosten und eigenes Risiko geltend zu machen, „im Falle des Bestreitens der Anspruchsinhaberschaft und vorbehaltlich der Zulässigkeit auch gerichtlich im Wege der Prozessstandschaft“. Gemäß Ziff. II der „Abtretungsvereinbarung“ (Anlage K 30) können Zahlungen „schuldbefreiend ungeachtet der Abtretung nur an die Insolvenzverwalterin geleistet werden“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K 30 und B 1 Bezug genommen.
Der Kläger behauptet, der Abschluss der Geschäftsbesorgungsverträge habe nur dazu gedient, der T. H. AG Vermögensmasse zu entziehen. Der T. H. AG sei dadurch ein Schaden mindestens in Höhe der geflossenen Zahlungen von 66.517,60 Euro brutto entstanden.
Der Kläger hat in erster Instanz außer den Beklagten auch Frau Karin G. (als Beklagte zu 2) und Herrn Dr. K. T. (als Beklagten zu 3) verklagt und zuletzt beantragt,
1.die Beklagten zu verurteilen, an die Insolvenzverwalterin über das Vermögen der T. H. AG, Frau B. B., …, einen Betrag in Höhe von 66.517,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit bis Zustellung des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 17.10.2016 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 17.10.2016 zu zahlen.
2.festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, an die Insolvenzverwalterin über das Vermögen der T. H. AG, Frau B. B., …, den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass mit der T. H. Management UG (haftungsbeschränkt) unter dem 08.08.2010 und unter dem 01.07.2012 ein Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen wurde und diese den Geschäftsbetrieb der T. H. AG übernommen hat.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, die Abtretungsvereinbarung verstoße gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und sei daher unwirksam. Der Abschluss der Geschäftsbesorgungsverträge sei nicht pflichtwidrig gewesen. Im Übrigen sei der T. H. AG kein Schaden entstanden und etwaige Schadensersatzansprüche seien verjährt.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Kläger klage im Wege der offenenen Prozessstandschaft behauptete Schadensersatzansprüche der in Insolvenz befindlichen T. H. AG zur Zahlung an die Insolvenzverwalterin ein. Mangels wirksamer Ermächtigung zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche sei der Kläger nicht prozessführungsbefugt. Die Vereinbarungen (B 1 und K 30) seien wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG gemäß § 134 BGB nichtig.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen wurde. Der Kläger stützt sich insbesondere auf das Senatsurteil vom 30.03.2017, Az. 23 U 3159/16, wonach die Abtretungsvereinbarung nicht gegen das RDG verstoße, wobei offengelassen worden sei, ob es sich bei der Vereinbarung um eine Einziehungsermächtigung oder eine Abtretung handle. Höchstvorsorglich werde Beweis dafür angetreten, dass die Parteien beim Abschluss der Abtretungsvereinbarung vom 20.11.2015 keine Einziehungsermächtigung, sondern eine Abtretung vereinbaren wollten. Es werde klargestellt, dass der Kläger aus eigenem, abgetretenem Recht klage, die zwischenzeitliche Bezeichnung als Prozessstandschaft sei ein Versehen gewesen. Die Berufung sei zulässig, da der Kläger auch in erster Instanz nie ausgeschlossen habe, seinen Vortrag auf Abtretung zu stützen, die Ausführungen zur Prozessstandschaft seien nur vorsorglich und hilfsweise erfolgt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts München II vom 23.03.2017, Az. 3 O 6100/15 abzuändern und Folgendes für Recht zu erkennen:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 66.517,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit bis Zustellung des Schriftsatzes des Klägers vom 17.10.2016 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schriftsatzes des Klägers vom 17.10.2016 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass mit der T. H. Management UG (haftungsbeschränkt) unter dem 18.08.2010 und unter dem 01.07.2012 ein Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen wurde und diese den Geschäftsbetrieb der T. H. AG übernommen hat.
3. Des Weiteren beantragt der Kläger Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Berufung für unzulässig, weil der Kläger ein anderes Klageziel als in erster Instanz verfolge. Im Übrigen hält der Beklagte die Berufung auch für unbegründet und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2017 (Bl. 209 ff d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen.
1. Der Kläger hat Berufung gegen das landgerichtliche Urteil nur insoweit eingelegt, als die Klage gegen den – damaligen – Beklagten zu 1), Herrn Ernst D., abgewiesen wurde. Die Berufungsschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen, wie etwa des ihr beigefügten erstinstanzlichen Urteils, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Berufungsbeklagter sein soll (BGH, Beschluss vom 08.08.2017, X ZB 9/15, juris Tz. 14). Vorliegend ist in der Berufungseinlegung (Schriftsatz vom 25.04.2017, Bl. 141 f d.A.) als Beklagter nur „Ernst D.“ aufgeführt. Im weiteren Text ist die Rede vom Wohnsitz „des Beklagten und Berufungsbeklagten“. Auch im Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (Schriftsatz vom 17.05.2017, S. 1, Bl. 145 d.A.) ist nur Herr Ernst D. als Beklagter aufgeführt. Zwar werden in der Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 19.06.2017, Bl. 148 ff d.A.) im Rubrum wieder sämtliche erstinstanzlichen Beklagten aufgeführt und Zahlung durch „Die Beklagten“ „als Gesamtschuldner“ beantragt. Jedoch ist eine Auslegung dieses Schriftsatzes als Berufungseinlegung nicht möglich, da bei Eingang des Schriftsatzes vom 19.06.2017 die Berufungsfrist nach § 517 ZPO, die bis 02.05.2017 lief, bereits abgelaufen war. Der Senat hat hierauf mit Verfügung vom 27.07.2017 (Bl. 161 d.A.) hingewiesen, woraufhin der Kläger Verurteilung nur noch des Beklagten Ernst D. begehrt.
2. Die Berufung ist unzulässig, da der Berufungskläger nicht die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer beseitigen will.
Eine Berufung der Klagepartei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, sondern lediglich im Wege der Klageerweiterung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die bloße Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein (BGH, Urteil vom 30.11.2005, XII ZR 112/03, juris Tz. 15; BGH NJW 1999, S. 1407, 1408, je m.w.N).
2.1. Der Kläger macht in zweiter Instanz nicht mehr ein fremdes Recht in Prozessstandschaft gelten, sondern ausschließlich ein ihm aufgrund Abtretung zustehendes eigenes Recht. In der Berufungsbegründung (S. 8, Bl. 155 d.A.) bietet der Kläger Beweis dafür an, dass die Parteien bei Abschluss der „Abtretungsvereinbarung“ vom 20.11.2015 keine Einziehungsermächtigung, sondern eine Abtretung i.S. der §§ 398 ff BGB vereinbaren wollten. Im Schriftsatz vom 16.08.2017 (S. 2, Bl. 163 d.A.) stellt der Kläger ausdrücklich klar, er klage aus eigenem, abgetretenem Recht, bei der zwischenzeitlichen Bezeichnung als Prozessstandschaft habe es sich um ein Versehen gehandelt, und beantragt Zahlung an sich.
2.2. In erster Instanz hat der Kläger dagegen – jedenfalls zuletzt – ausschließlich in gewillkürter Prozessstandschaft ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend gemacht.
Dabei berücksichtigt der Senat, dass bei Prozesserklärungen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille der Partei zu erforschen ist. Im Zweifel ist dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 01.08.2013, VII ZR 268/11, juris Tz. 30; BGH, Urteil vom 02.02.2017, VII ZR 261/14, juris Tz. 17; BVerfG, Beschluss vom 08.08.2013, 1 BvR 1314/13, NJW 2014, S. 291). Dabei bestimmen allerdings nicht allein die tatsächlichen Interessen der erklärenden Partei das Verständnis der abgegebenen Erklärung. Vielmehr müssen sich diese aus den im Zeitpunkt der Erklärung äußerlich in Erscheinung tretenden Umstände ersehen lassen. Maßgebend ist unter Beachtung der durch die gewählte Formulierung gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv zum Ausdruck kommende Wille des Erklärenden (BVerfG, Beschluss vom 08.08.2013, 1 BvR 1314/13, NJW 2014, S. 291; BGH, Beschluss vom 30.05.2017, VIII ZB 15/17, juris Tz. 14).
In der Klageschrift (S. 15, Bl. 15 d.A.) hat der Kläger zunächst ausgeführt, er klage aus abgetretenem Recht, und hat sich auf die Abtretungsvereinbarung vom 20.11.2015 berufen. Im Schriftsatz vom 30.12.2015 (Bl. 20 d.A.) hat der Kläger dann ohne nähere Begründung hilfsweise beantragt, dass Zahlungen aus dem Urteil an die Insolvenzverwalterin zu leisten seien. Die Beklagten haben darauf in erster Instanz erwidert, die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt. Der Kläger dürfe ausweislich der „Abtretungsvereinbarung“ Anlage B 1 nur im Wege der offenen Prozessstandschaft Ansprüche geltend machen und nur eine Klage des Berechtigten könne den Eintritt der Verjährung hemmen. Eine gewillkürte Prozessstandschaft sei bei Klageerhebung offenzulegen, was der Kläger nicht beachtet habe, denn er habe Zahlung an sich, nicht an die Insolvenzverwalterin beantragt (Klageerwiderung S. 9, Bl. 43 d.A.). Daraufhin hat der Kläger im Schriftsatz vom 18.07.2016, S. 7 f (Bl. 68 f d.A.) ausgeführt, es liege tatsächlich ein Fall der offenen Prozessstandschaft vor. Diese ergebe sich eindeutig und unzweifelhaft aus dem gesamten Sachvortrag, dass der Kläger „aufgrund der Abtretungsvereinbarung (Ermächtigung)“ mit der Insolvenzverwalterin den Prozess führe. „Um weitere Unklarheiten“ zu vermeiden, werde „hiermit ausdrücklich die Geltendmachung der Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft angezeigt“. Eine Einschränkung dahingehend, es werde primär aus eigenem, an den Kläger abgetretenem Recht geklagt und nur hilfsweise im Wege der Prozessstandschaft ein fremdes Recht geltend gemacht, findet sich hier explizit nicht.
Der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 17.10.2016 (S. 3 f, Bl. 80 f. d.A) ist widersprüchlich. Der Kläger führt aus, er habe von Anfang an unmissverständlich klargemacht, dass er aus abgetretenem Recht klagt, die Prozessstandschaft sei damit offengelegt. Er sei durch die Abtretung alleiniger Forderungsinhaber. Im Übrigen sei die Prozessstandschaft auch durch den hilfsweise gestellten Klageantrag – auf Zahlung an die Insolvenzverwalterin – offengelegt.
Dass der Kläger aber jedenfalls zuletzt in erster Instanz nur im Wege der offenen Prozessstandschaft klagen wollte, zeigt der Ablauf der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2016 und der nachgelassene Schriftsatz des Klägers: In der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2016 (Protokoll S. 2, Bl. 101 d.A.) erklärt das Landgericht, nach der Vereinbarung mit der Insolvenzverwalterin könnten Zahlungen schuldbefreiend nur an diese erfolgen. Wie der Kläger selbst ausführe, liege eine offene Prozessstandschaft vor. Soweit der Kläger derzeit lediglich hilfsweise Zahlung an die Insolvenzverwalterin verlange, würde dies diesem Umstand Rechnung tragen. Daraufhin hat der Kläger ausschließlich einen Antrag auf Zahlung an die Insolvenzverwalterin gestellt.
Im nachgelassenen Schriftsatz vom 11.01.2017 (S. 3 ff, Bl. 108 ff d.A.) schließlich führt der Kläger aus, dass auch bei Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung jedenfalls die Ermächtigung des Klägers zur Prozessstandschaft wirksam und die Klage zulässig sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger primär aus eigenem, an ihn abgetretenem Recht klage und nur hilfsweise ein fremdes Recht im Wege der Prozessstandschaft geltend machen möchte, finden sich in diesem Schriftsatz nicht. Allein die Verwendung des Begriffs „Abtretungsvereinbarung“ lässt keinen anderen Schluss zu. Dies resultiert allein daraus, dass die Vereinbarungen (Anlage B 1 und K 30) jeweils mit „Abtretungsvereinbarung“ überschrieben sind.
Dementsprechend ist auch das Landgericht davon ausgegangen, der Kläger mache nur fremde Ansprüche in offener, gewillkürter Prozessstandschaft geltend (siehe erstinstanzliches Urteil S. 2 und S. 7).
Der Senat verkennt nicht, dass allein ein Antrag auf Zahlung an einen Dritten (die Insolvenzverwalterin) grundsätzlich keine zwingenden Rückschlüsse zulässt, ob ein eigenes oder ein fremdes Recht geltend gemacht wird. Indessen haben vorliegend sowohl der Kläger im Schriftsatz vom 17.10.2016 als auch das Landgericht in der mündlichen Verhandlung gerade zu verstehen gegeben, dass mit dem Antrag auf Zahlung an die Insolvenzverwalterin der Prozessstandschaft Rechnung getragen bzw. diese offengelegt werde. Wenn der Kläger daraufhin in der mündlichen Verhandlung nur diesen Antrag stellt, gibt er zu verstehen, dass er nur im Wege der Prozessstandschaft klagen will und einen etwaigen Anspruch aus eigenem Recht nicht geltend macht.
Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 18.10.2017 (S. 3 f, Bl. 194 f d.A.) ausführt, die Schriftsätze in erster Instanz hätten sich stets an der Gliederung und Überschrift der Schriftsätze der Gegenseite orientiert, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere lässt sich dem klägerischen Schriftsatz vom 18.07.2016 nicht entnehmen, dass der Kläger sich nur hilfsweise im Hinblick auf den Vortrag der Gegenseite mit der Prozessstandschaft befasse und nur hilfsweise ein fremdes Recht einklagen möchte.
Der Vernehmung von Herrn Rechtsanwalt L. B. dazu, was er tatsächlich beabsichtigt habe und dass die Antragstellung nichts mit der Abgrenzung von offener Prozessstandschaft und Abtretung zu tun gehabt habe (Schriftsatz vom 18.10.2017, S. 5, Bl. 196 d.A. und Schriftsatz vom 21.11.2017, S. 5 f), bedarf es nicht. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BGH der tatsächliche Wille der Parteien auch bei der Auslegung prozessualer Erklärungen zu erforschen. Indessen muss sich dieser Wille aus den im Zeitpunkt der Erklärung äußerlich in Erscheinung tretenden Umständen ersehen lassen, maßgeblich ist nur der objektiv zum Ausdruck kommende Wille des Erklärenden (BVerfG, Beschluss vom 08.08.2013, 1 BvR 1314/13, NJW 2014, S. 291; BGH, Beschluss vom 30.05.2017, VIII ZB 15/17, juris Tz. 14). Daher kann ein Wille, für den sich keine Anhaltspunkte im prozessualen Vortrag finden und der daher weder für das Gericht noch für den Gegner erkennbar war, nicht berücksichtigt werden.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21.11.2017 nicht aus dem Urteil des BGH vom 09.05.1990, VIII ZR 237/89 (NJW 1990, S. 2683). Im dortigen Fall hat der Kläger in erster Instanz Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs beantragt. Der BGH geht davon aus, dass von diesem erstinstanzlichen Klagebegehren nicht nur ein Wandlungsanspruch, sondern zumindest hilfsweise auch ein Schadensersatzanspruch umfasst gewesen sei. Eine Einschränkung, dass der Kläger nur Wandlung begehre, enthalte sein Vortrag nicht, zumal er den Ausdruck Wandlung in seinen Schriftsätzen nicht gebrauche. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, in dem der Kläger gerade ausdrücklich erklärt, er lege die Prozessstandschaft offen und auf Hinweis des Landgerichts nur denjenigen Antrag stellt, der – nach dem Hinweis des Landgerichts – sich auf die Prozessstandschaft bezieht.
Ob und welche Hinweise andere Gerichte in Parallelverfahren erteilt haben, kann dahingestellt bleiben. Einer Vernehmung von Herrn Rechtsanwalt S.-G. (Schriftsatz vom 18.10.2017, S. 5 f, Bl. 208 f d.A.) bedarf es daher nicht.
2.3. Gegenstand des Rechtsstreits ist der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsverfolgungsbehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch, der durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt wird (BGH, Urteil vom 25.02.1999, III ZR 53/98, juris Tz. 9). Dies war daher in erster Instanz ein einem Dritten zustehendes Recht, nämlich Schadensersatzansprüche der T. H. AG nach § 93 AktG oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB, die der Kläger in eigenem Namen geltend gemacht hat. Das Landgericht hat auch nicht über Ansprüche des Klägers aus abgetretenem Recht entschieden, sondern die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft verneint.
Da der Kläger in der Berufungsinstanz die Schadensersatzansprüche nur aus eigenem, an ihn abgetretenem Recht einklagt, handelt es sich ausschließlich um einen anderen, am Schluss der ersten Instanz nicht geltend gemachten Streitgegenstand. Bei einem Anspruch aus eigenem und einem Anspruch aus fremden Recht handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände, auch wenn ein einheitliches Klageziel vorliegt (BGH, Urteil vom 12.01.2017, I ZR 253/14, juris Tz. 27).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.


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