Insolvenzrecht

Abfallrechtliche Deponienachsorge, Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters

Aktenzeichen  12 ZB 18.2385

Datum:
26.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2021, 2139
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 40 Abs. 1, Abs. 2
KrW-/AbfG § 36 Abs. 2 (idF bis zum 31.5.2012)
InsO § 55

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 8 K 18.633 2018-10-02 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Oktober 2018 – Az. Au 8 K 18.633 – wird wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Memmingen vom 31. März 2017 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma L. G. GmbH & Co. KG Transporte (Gemeinschuldnerin) bestellt. Diese hatte in den Jahren 1971 – 1992 auf ihr nicht gehörenden Grundstücken Ablagerungen vorgenommen. Mit Bescheid vom 17. November 2014 setzte das Landratsamt … gegenüber der Gemeinschuldnerin Nachsorgepflichten unter Androhung von Zwangsgeldern fest.
Mit Bescheid vom 20. März 2018 stellte das Landratsamt … fest, dass die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschuldnerin zur Durchführung aller im Rahmen der abfallrechtlichen Deponienachsorge erforderlichen Maßnahmen als Masseverbindlichkeiten eingestuft werden; gleichzeitig setzte es weitere Zwangsgelder für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 17. November 2014 fest.
Die hiergegen gerichtete Klage (Au 8 K 18.633) wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 2. Oktober 2018 als unbegründet ab. Die Nachsorgepflichten seien vom Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu erfüllen, da er selbst in der hier unstreitig vorliegenden Nachsorgephase Deponiebetreiber geworden sei, indem er die dem Deponiebetreiber obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten nicht erfüllt habe. Auch die (erneute) Zwangsgeldandrohung sei nicht zu beanstanden, insbesondere sei auch deren Höhe ermessensgerecht und verhältnismäßig.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg richtet sich nunmehr der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) geltend machen lässt.
Ernstliche Zweifel bestünden deshalb, weil der Insolvenzverwalter nicht Betreiber der Deponie und damit nicht zur Durchführung der Nachsorgemaßnahmen und zur Zahlung der Zwangsgelder bei deren Nichterfüllung verpflichtet sei, sodass es sich nicht um Masseverbindlichkeiten handele. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die DepV in der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Fassung vom 27.04.2009 (n.F.), zuletzt geändert mit Verordnung vom 27.09.2017, gegenüber der DepV vom 24.07.2002 (a.F.) keine „zeitliche Ausdehnung“ erfahren. Weder der Wortlaut der DepV n.F. noch die vom Verwaltungsgericht zitierte Verordnungsbegründung ließen den Schluss auf eine „zeitliche Ausdehnung“ zu. Der Verordnungsgeber habe eine solche nicht ausdrücklich formuliert; ebenso wenig lasse sich eine zeitliche Ausdehnung der Begriffe gegenüber der alten Rechtslage durch Auslegung der Verordnungsbegründung, wonach dem Deponiebetreiber öffentlich-rechtliche Pflichten nach den Vorgaben der DepV für die jeweiligen Phasen zuzurechnen seien, ableiten. Dem Deponiebetreiber hätten auch schon nach der DepV a.F. (vgl. § 13 DepV vom 24.07.2002) die Pflichten in der Nachsorgephase oblegen und dennoch sei diese nach § 2 Nr. 5 Satz 2 DepV a.F. ausdrücklich nicht Teil der Betriebsphase gewesen. Auch im Vorläufer des KrWG sei in § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG die grundsätzliche Nachsorgepflicht des Deponiebetreibers geregelt gewesen. Es habe sich daher an dem Verständnis der Begriffe Deponiebetreiber bzw. Deponiebetrieb ersichtlich nichts geändert. Auch gebe es keine Anhaltspunkte für das Begriffsverständnis des Verwaltungsgerichts, dass der Terminus der Betriebsphase ausweislich der Verordnungsbegründung aus „rechtssystematischen Gründen“ nicht mehr erforderlich sei. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher (Neu) Regelung einer „zeitlichen Ausdehnung“ sei vielmehr davon auszugehen, dass die Rechtslage gerade nicht geändert werden sollte. Unabhängig davon unterfiele die gegenständliche Deponie „Nördlich der H. Straße“ gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3a DepV in zeitlicher Hinsicht nicht dem Anwendungsbereich der DepV, da diese nicht für Deponien gelte, auf denen die Stilllegungsphase vor dem 01.01.1997 begonnen habe. Auf der streitgegenständlichen Deponie hätten seit 1992 keine Ablagerungen mehr stattgefunden. Sie habe sich daher seitdem in der Stilllegungsphase, die vor dem maßgeblichen Zeitpunkt begonnen habe, befunden.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vermöge die Nichterfüllung von Pflichten eine Pflichtigkeit zur Durchführung solcher Pflichten auch nicht selbst zu begründen. Es müsse denknotwendig zunächst eine Handlungspflicht begründet worden sein, bevor die Nichterfüllung einer solchen Pflicht überhaupt möglich sei. Etwas Anderes lasse sich auch aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des VG Bayreuth (Urteil vom 16.11.2006 – B 2 K 06.209) und des VGH München (Beschluss vom 30.03.2007 – 23 ZB 07.80) nicht entnehmen. In dem Beschluss des VGH werde auf die Begründung der Betreiberstellung durch Nichterfüllung der dem Betreiber obliegenden Pflichten gar nicht eingegangen. Nach Auffassung des VG Bayreuth sei die Pflichtigkeit des Insolvenzverwalters dadurch entstanden, dass der Insolvenzverwalter in der Stilllegungsphase – mithin einem Teil der Betriebsphase – bestellt worden sei.
Ferner habe die Rechtssache auch grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil in der Rechtsprechung unterschiedliche Ansätze zur Beurteilung der im vorliegenden Fall zu klärenden Frage bestünden. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass auch in der Nachsorgephase eine Deponie betrieben werde, sodass die Bestellung zum Insolvenzverwalter in der Nachsorgephase und die Nichtdurchführung der einem Deponiebetreiber obliegenden Maßnahmen zur Erlangung der Betreiberstellung ausreichend sei, stehe die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 31.8.2006 – 7 C 3.06 – entgegen, wonach der Insolvenzbetreiber die Deponie tatsächlich betrieben haben müsse. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erlange der Insolvenzverwalter mit seiner Bestellung zwar die Sachherrschaft über die Deponie und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis; er werde dadurch aber nicht zum Betreiber. Diese Grundsätze würden trotz der Streichung des Merkmals der Betriebsführung aus der Definition des Deponiebetreibers nach § 2 Nr. 12 DepV im Rahmen der Änderung vom 20.7.2011 auch weiterhin für den vorliegenden Fall gelten. Dabei stütze das Bundesverwaltungsgericht seine Argumentation nicht auf den Wortlaut der DepV a.F., sodass die Änderung der DepV unabhängig von der Frage ihrer Anwendbarkeit keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe. Dessen Argumentation beruhe vielmehr auf § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG a.F., der inhaltlich dem nunmehr geltenden § 40 Abs. 2 KrWG entspreche, sodass auch heute nach dem KrWG für die Begründung der Betreibereigenschaft ein „Betreiben“ durch den Insolvenzverwalter erforderlich sei. Es gelte daher weiterhin die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Bezug zur Betriebsführung vorausgesetzt werde, den die bloße Sachherrschaft des Insolvenzverwalters gerade nicht aufweise. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Betreibereigenschaft und Pflichtigkeit des Insolvenzverwalters abgelehnt, weil in das Unterlassen entsprechender Maßnahmen kein „Betreiben“ hineingelesen werden könne. Eine Betreiberstellung des Insolvenzverwalters, der keine Ablagerungen vornehme, komme nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 22.7.2010 – 7 B 12.10 -) nicht in Betracht. Das Bundesverwaltungsgericht habe klarstellend festgelegt, dass unter „Betriebsführung“ ein „Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung“ zu verstehen sei. Ob die Voraussetzungen der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.8.2006 – 7 C 3/06 – für das Bestehen einer Ordnungspflicht genannten Anknüpfungspunkte – hier: die Betreiberstellung – erfüllt seien, prüfe das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung nicht. Es habe sich lediglich auf die Feststellung beschränkt, dass der Insolvenzverwalter durch Nichterfüllung der Pflichten, die einem Betreiber obliegen, die Betreiberstellung erlangt habe. Diese Annahme sei jedoch ein Zirkelschluss. Da das Verwaltungsgericht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BVerwG abgewichen sei und das Urteil auf der Abweichung beruhe, sei die Berufung auch nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
Der Beklagte tritt dem entgegen. Das Verwaltungsgericht sei mit der Darlegung zur Rechtsentwicklung im Bereich der Deponieverordnung und den dort definierten Begriffen, insbesondere zum Entfallen der Definition einer „Betriebsphase“ nach § 2 Nr. 5 DepV a.F., überzeugend von einer „zeitlichen Ausdehnung“ der Begriffe des Deponiebetreibers und des Deponiebetriebs ausgegangen. Vor dem Hintergrund der ausgeführten Vorgeschichte könnten die „rechtssystematischen Gründe“, die zum Entfallen einer Definition der „Betriebsphase“ führten, nur in deren Überflüssigkeit gesehen werden. Bei der Neufassung der Deponieverordnung sei der Normgeber bemüht gewesen, an der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert zu arbeiten. Eine weitere Befassung mit dem Begriff des Inhabers oder Zulassungsinhabers sei deshalb unterlassen worden (BT-Drs. 16/10330, S. 54). Daran zeige sich, dass auch in der Nachsorgephase ein Betreiben einer Deponie in einem weiteren Sinne stattfinde, das es ermögliche, den erst in dieser Phase „übernehmenden“ Insolvenzverwalter als Deponiebetreiber im Rechtssinne wahrzunehmen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 22.7.2010 – 7 B 12.10 – juris). Die fehlende unmittelbare Geltung der Deponieverordnung n.F. hindere nicht daran, aus ihr bzw. aus ihrer Entstehungsgeschichte Schlüsse für die Eigenschaft eines Deponiebetreibers im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu ziehen. Ein Wechsel des Rechtsregimes vom Abfallrecht zum Bodenschutzrecht habe nicht stattgefunden. Weder sei ein Antrag auf Entlassung aus der abfallrechtlichen Nachsorge nach § 36 Abs. 5 KrW-/AbfG oder § 40 Abs. 5 KrWG gestellt noch sei seitens der Abfallbehörde die Beendigung der Nachsorgephase konkludent festgestellt worden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergäben sich schließlich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht einem Zirkelschluss unterlegen sein könnte, indem es die Pflichtigkeit einer Person als Betreiber der Deponie mit der Nichterfüllung der Betreiberpflichten begründete. Im vorliegenden Fall sei die Stellung als Betreiber einschlägig, unabhängig davon, ob sie zusätzlich durch ein positives Tun realisiert worden sei.
Die Rechtssache habe auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.8.2006 (Az. 7 C 3.06) könne zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht herangezogen werden, da es auf einer früheren, zwischenzeitlich veränderten Rechtslage, insbesondere auf der außer Kraft getretenen Vorschrift des § 2 Nr. 5 DepV a.F. und § 36 KrW-/AbfG, der noch den Begriff des Inhabers der Deponie enthalten habe, basiere. Ebenso wenig sei eine Abweichung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 von diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts feststellbar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Oktober 2018 durchgreifenden Zweifeln im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begegnet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass den Kläger als Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO zu erfüllende Nachsorgepflichten treffen, weil er selbst Deponiebetreiber geworden sei. Damit entfallen zugleich die Voraussetzungen für die ebenfalls streitgegenständliche (erneute) Zwangsgeldandrohung.
1. Als Rechtsgrundlage einer Nachsorgepflicht des Klägers kommt allein § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG in seiner hier maßgeblichen Fassung vom 27.9.1994 (BGBl I, 2705) in Betracht, der inhaltlich dem heute geltenden § 40 Abs. 2 KrWG entspricht. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde den Inhaber der Deponie zu verpflichten, auf seine Kosten das Gelände zu rekultivieren sowie alle sonstigen Vorkehrungen, einschließlich Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen, zu treffen, um auch über die Stilllegung der Deponie hinaus nachteilige Auswirkungen der stillgelegten Deponie auf das Wohl der Allgemeinheit, namentlich die Umwelt, und auf Rechte Dritter zu verhüten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 31.8.2006 – 7 C 3/06 -, juris; Urteil vom 29.11.1991 – 7 C 6/91 – BVerwGE 89, 215; Beschluss vom 25.1.2000 – 3 B 1/00 – Buchholz 451.221 § 36 KrW-/AbfG Nr. 2) sind die Begriffe „Inhaber“ und „Betreiber“ der Deponie, die auch in anderen Bestimmungen des Gesetzes gebraucht werden, synonym zu verwenden.
1.1 Inhaber einer Deponie im Sinne des § 40 KrWG (bzw. § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG) ist danach nur, wer sie betreibt oder zuletzt betrieben hat. Deshalb kommt es auf die Anwendbarkeit der Deponieverordnung im vorliegenden Fall oder, wie das Verwaltungsgericht meint, deren „zeitlicher Ausdehnung“, bzw. der Begrifflichkeiten im Hinblick auf einen Deponiebetrieb, entscheidungserheblich nicht an. Nach dem Gesetzeszweck des hier allein maßgeblichen § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG (§ 40 KrWG) ist Inhaber einer Deponie derjenige, der für die Deponie rechtlich und tatsächlich verantwortlich ist; denn an ihn richten sich die zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebs bestimmten gesetzlichen Pflichten. Verantwortlich für die Deponie ist deren Betreiber, weil nur er tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, den Betrieb der Deponie entsprechend den gesetzlichen Anforderungen zu führen. Dem Inhaber obliegen auch die in § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG bzw. § 40 Abs. 2 KrWG genannten Nachsorgepflichten. Der verwendete Begriff des Inhabers zielt dabei auf den Deponieinhaber in seiner Eigenschaft als (letzten) Betreiber ab. Die Verantwortlichkeit des letzten Betreibers für die Erfüllung der Nachsorgepflichten beruht darauf, dass der Gesetzgeber die Pflicht des Betreibers nicht mit der Einstellung des Betriebs enden lassen will, sondern erst dann, wenn durch Maßnahmen der Langzeitsicherung und Kontrollen des Deponieverhaltens sichergestellt ist, dass eine von der Deponie ausgehende Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit praktisch ausgeschlossen ist. Die zu diesem Zweck zu erlassenden Nachsorgeanordnungen richten sich an den letzten Betreiber der Deponie, weil er durch die Bekundung der Stilllegungsabsicht oder die faktische Stilllegung der Deponie die Ursache dafür gesetzt hat, dass die Pflicht zur Nachsorge entsteht. Die Nachsorgepflicht des Deponieinhabers knüpft damit an seine Betriebsführung an und stellt sich infolgedessen aus ordnungsrechtlicher Sicht als Verhaltenshaftung des Betreibers dar (BVerwG, Urteil vom 31.8.2006 – 7C3/06 -, juris).
1.2 Allein das Ordnungsrecht regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Störung der öffentlichen Sicherheit vorliegt, wie dieser Störung zu begegnen ist und wer dafür in Anspruch genommen werden kann. Knüpft die Ordnungspflicht allein an die Sachherrschaft an, ist es für die persönliche Verantwortlichkeit des Besitzers ohne Belang, ob eine von der Sache ausgehende Gefahr bereits vor seiner Inbesitznahme bestanden hat. Soweit sich die Ordnungspflicht nicht aus der Verantwortlichkeit für den aktuellen Zustand von Massegegenständen ergibt, sondern an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des Gemeinschuldners anknüpft, hat die Sachherrschaft des Insolvenzverwalters keinen Bezug zu den ordnungsrechtlichen Voraussetzungen der Störereigenschaft, sodass eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters und damit eine als Masseverbindlichkeit zu erfüllende Pflicht (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) von vornherein nicht in Betracht kommt (BVerwG, Beschluss vom 5.6.2007 – 7 B 25/07 -, juris).
1.3 Daraus folgt, dass als Betreiber zwar grundsätzlich auch der Insolvenzverwalter in Betracht kommen kann, aber eben nur dann, wenn er das Unternehmen, zu dem die Anlage gehört, nicht nur lediglich faktisch „übernommen“, sondern dieses auch tatsächlich fortgeführt und sich damit zugleich entschieden hat, die Anlage für die Masse zu nutzen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.7.2004 – 7 C 17.03, NVwZ 2004, 1360; BVerwG, Urteil vom 23.9.2004 – 7 C 22.03, BVerwGE 122, 75 ff. = NVwZ 2004, 1505). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner zwar die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO); gleichzeitig wird ab diesem Zeitpunkt das Verwaltungs- und Verfügungsrecht einschließlich der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Der Insolvenzverwalter kann allerdings nur dann Betreiber der Deponie im Sinne von § 40 Abs. 1 und 2 KrWG (bzw. § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG) sein, wenn er sie auch tatsächlich betreibt. Dies ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht (automatisch) der Fall (Attendorn in: Jarass, KrWG 2014, § 40 Rn. 80). Denn die Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis allein macht den Insolvenzverwalter nicht zum Deponiebetreiber (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2009 – OVG 11 N 30.07 -, juris). Vielmehr ist eine tatsächliche Betriebsführung erforderlich (Attendorn in: Jarass, a.a.O. unter Hinweis auf OVG Bautzen, Urteil vom 18.10.2005 – 4 B 271/02 -). Dabei ist unter „Betriebsführung“ auch im abfallrechtlichen Kontext regelmäßig ein Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung zu verstehen (BVerwG vom 22.10.1998, UPR 1999, 110; BayVGH, Urteil vom 4. Mai 2005 – 22 B 99.2208 -, juris).
1.4 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Insolvenzverwalter vorliegend die Deponie nicht in diesem Sinne „betrieben“. Zu Recht beanstandet die Klägerbevollmächtigte die Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass die Pflichtigkeit des Insolvenzverwalters als Betreiber bereits durch die Nichterfüllung der Pflichten, die einem Betreiber obliegen, begründet werde. Sie weist zutreffend darauf hin, dass hierfür weder die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth (Urteil vom 16.11.2006 – B 2 K 06.209) noch die hierzu ergangene Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30.3.2007 – 23 ZB 07.80 – eine Begründung liefern. Für ein „Betreiben“ im oben genannten Sinne genügt nicht, wie das Verwaltungsgericht irrtümlich meint, die Nichterfüllung dem Gemeinschuldner obliegender Pflichten; vielmehr ist ein aktives Weiterführen des Betriebes durch den Insolvenzverwalter – und sei es auch nur für eine kurze Zeit – erforderlich (vgl. BayVGH, Urteil vom 4.5.2005 – 22 B 99.2208 -, juris). Nur so kann den Insolvenzverwalter auch eine Verhaltensverantwortlichkeit treffen (Pape/Schaltke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 86. Lieferung 12.2020, § 55 InsO Rn. 125). Die Stellung als Betreiber der Anlage wird nur durch ein aktives betriebsgestaltendes Verhalten begründet, das darauf abzielt, die Anlage wirtschaftlich zu nutzen. Der Insolvenzverwalter rückt nicht in die Betreiberstellung ein, wenn er die Anlage nach der bloßen Besitzergreifung infolge des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sofort stilllegt. Gleiches gilt erst recht, wenn der Betrieb, wie hier, bereits vor Insolvenzeröffnung durch den Schuldner eingestellt worden war (Pape/Schaltke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, a.a.O., Rn. 125 m.w.N.).
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2018 kann deshalb keinen Bestand haben. Im Hinblick hierauf wird angeregt, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben. Auf die im Übrigen geltend gemachten Zulassungsgründe kommt es nicht mehr an.
3. Das Verfahren wird nunmehr als Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen 12 B 21.2051 fortgeführt. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.


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