Insolvenzrecht

Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen den Schuldner aus der vollstreckbaren Ausfertigung einer Insolvenztabelle sowie dem Vollstreckungsbescheid

Aktenzeichen  22 M 967/19

Datum:
28.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54625
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Gemünden
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 724, § 725, § 850f Abs. 2
VV RVG Nrn. 3309, 7002

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag des Gläubigers F. vom 17.06.2019, gerichtet auf den Erlass eines Pfändungsund Überweisungsbeschlusses, wird hinsichtlich der aus der Insolvenztabelle des Amtsgerichts Schweinfurt vom 05.10.2015, Az.: IK 425/10, geltend gemachten Beträge zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Gläubigers F. vom 17.06.2019, gerichtet auf Festsetzung des unpfändbaren Betrags des Schuldners auf 874,00 € wird vollumfänglich zurückgewiesen.
3. Wegen Anwaltskosten für diesen Beschluss in Höhe von 18,00 € werden die angeblichen Forderungen des Schuldners gegenüber den Drittschuldnern gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Der darüberhinausgehende Antrag wird hinsichtlich der Anwaltskosten zurückgewiesen.
4. Im Übrigen wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im beantragten Umfang erlassen
5. Der Beschluss wird mit Rechtskraft wirksam.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Gläubiger.

Gründe

I.
Mit Antrag vom 17.06.2019 (Eingang: 18.06.2019) beantragt der Gläubiger den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen den Schuldner S. aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Insolvenztabelle des Amtsgerichts Schweinfurt vom 05.10.2015, Aktenzeichen: IK 425/10 und dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 04.05.2018, Aktenzeichen: 18-7299546-0-5, wegen einer Forderung i.H.v. 862,70 € (Forderungsstand: 17.06.2019). Gegenstand des beantragten Verfahrens ist die Pfändung und Überweisung der angeblichen Forderungen des Schuldners gegen P., Inhaber der Metzgerei P. nach Anspruch A und gegen die Eheleute K. nach Anspruch G.
Die Zwangsvollstreckung aus der Insolvenztabelle findet wegen dem titulierten Betrag in Höhe von 419,58 € statt. Aus dem Vollstreckungsbescheid werden lediglich die laufenden Zinsen ab dem 01.03.2011, die nicht in der Insolvenztabelle tituliert wurden, geltend gemacht. Ferner werden bisherige Vollstreckungskosten in Höhe von insgesamt 362,76 € geltend gemacht.
Ferner beantragt der Gläubiger den monatlichen pfändungsfreien Betrag des Schuldners gemäß § 850f Abs. 2 ZPO wegen der Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung auf 874,00 € festzusetzen.
Die gestellten Anträge sind teilweise unbegründet.
II.
A. Zwangsvollstreckung aus dem Insolvenztabellenauszug Die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Insolvenztabelle des Amtsgerichts Schweinfurt vom 05.10.2015, Az.: IK 425/10 liegen nicht vor. Es liegt keine den Formerfordernissen des § 725 ZPO entsprechende Vollstreckungsklausel vor.
Aufgrund der BGH-Entscheidung vom 14.12.2016, Az.: V ZB 88/16, genügt ein drucktechnisch erzeugtes Behördensiegel für die vollstreckbare Ausfertigung einer Entscheidung nicht den Formanforderungen des § 725 ZPO.
Nach dieser Bestimmung ist die Vollstreckungsklausel der Ausfertigung einer Entscheidung am Schluss beizufügen, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Die Verwendung eines Formulars mit einem bereits vorgedruckten bzw. nur eingedruckten Dienstsiegel genügt diesen Formanforderungen nach der oben genannten BGH-Entscheidung nicht.
In der genannten BGH-Entscheidung wird auch festgestellt, dass ohne eine gemäß §§ 724, 725 ZPO erteilte vollstreckbare Ausfertigung ein Vollstreckungsorgan grundsätzlich keine Vollstreckungsmaßnahme durchführen darf.
Hinsichtlich der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 04.05.2018, Az.: 18-7299546-0-5 liegen die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme vor.
Jedoch hat der Vollstreckungsbescheid lediglich hinsichtlich der laufenden Zinsen in Höhe von 5,00 Prozentpunkten über den jeweils gültigen Basiszinssatz aus 148,75 € ab dem 01.03.2011 und der laufenden Zinsen in Höhe von 5,00 Prozentpunkten über den jeweils gültigen Basiszinssatz aus 68,00 € ab dem 01.03.2011 Bestand. Hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 148,75, der Kosten in Höhe von 68,00 € und der bereits fälligen Zinsen in Höhe von 22,23 € wurde der Vollstreckungsbescheid nach herrschender Meinung durch den vollstreckbaren Insolvenztabellenauszug des Amtsgerichts Schweinfurt vom 05.10.2015, Az.: IK 425/10, sofern Deckungsgleichheit bestand, ersetzt bzw. aufgezehrt (vgl. Uhlenbruck/Wegener InsO § 201 Rn. 22, 23).
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss kann daher, laut dem Forderungskonto des Gläubigers vom 17.06.2019, lediglich wegen einer Forderung bis zum Stichtag 17.06.2019 in Höhe von 80,36 € zzgl. bisherige Vollstreckungskosten in Höhe von 362,76 € erlassen werden. Insgesamt beträgt die zu pfändende Forderung des Gläubigers zum 17.06.2019 443,12 €.
B. Festsetzung unpfändbarer Betrag
An die Festsetzung eines abweichenden unpfändbaren Betrages gem. § 850f Abs. 2 ZPO wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sind bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
Um den Nachweis für die Vollstreckungsprivilegierung zu erbringen, hat der Gläubiger dem Vollstreckungsgericht einen Titel vorzulegen, aus dem sich der deliktische Schuldgrund und der von § 850f Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Grad des Verschuldens ergeben.
Aus den eingereichten Vollstreckungstiteln ergeben sich lediglich aus dem Insolvenztabellenauszug der deliktische Schuldgrund und der geforderte Grad des Verschuldens.
Jedoch kann nach der Rechtsprechung sowohl aus dem Vollstreckungsbescheid, als auch aus dem vollstreckbaren Insolvenztabellenauszug der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung für das Vollstreckungsprivileg der bevorrechtigten Pfändung nach § 850f Abs. 2 ZPO durch den Gläubiger nicht geführt werden (vgl. BeckOK ZPO/Riedel ZPO § 850f Rn. 37; Musielak/Voit/Becker ZPO § 850f Rn. 10).
C. Anwaltskosten für diesen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss Durch die Herabsetzung der zu vollstreckenden Geldforderung des Gläubigers ist auch der Gegenstandswert, der für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren für den Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses maßgeblich ist, geringer. Dadurch verringern sich die Anwaltskosten auf 15,00 € (Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG) zzgl. 3,00 € (Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG).
III.
Im Übrigen war der Antrag zulässig und begründet und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im beantragten Umfang zu erlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 788 ZPO.


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