Insolvenzrecht

Richtlinie zur Gewährung eines Ausgleichs für die coronabedingten Mindereinnahmen bei der Umlage der gesondert berechenbaren Investitionsaufwendungen in der Tagespflege und in vollstationären Einrichtungen der Pflege (Richtlinie, Corona-Pflege-Investitionszulage, CoPflegeInvestR), Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, München (verneint), Verfahrensrechtliche Stellung und Bedeutung des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes (auch) für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit

Aktenzeichen  M 31 K 22.1191

Datum:
24.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11108
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 52
VwGO § 62
VwGO § 83 S. 1
GVG § 17a Abs. 2
InsO § 80 Abs. 1

 

Leitsatz

Die örtliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO, die auf den Sitz oder Wohnsitz des Beschwerten abstellt, bestimmt sich vor dem Hintergrund der Stellung des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes mit insoweit alleiniger Prozessführungsbefugnis ausschließlich nach der formellen Beteiligtenstellung und knüpft daher an den Sitz des insolvenzrechtlichen Prozessstandschafters, nicht hingegen an den Sitz oder Wohnsitz des materiellen Rechtsinhabers an.

Tenor

I. Das Bayerische Verwaltungsgericht München erklärt sich für örtlich unzuständig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen.

Gründe

Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 83 Satz 1 VwGO) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG von Amts wegen an das gemäß § 52 Nr. 3 Satz 2 und 5 VwGO örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zu verweisen. Mit Schreiben vom 17. März 2022 und 23. März 2022 haben die Beteiligten zudem ihr Einverständnis mit der Verweisung erklärt.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München ist für die Klage, mit der der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer im Rahmen des Insolvenzverfahrens fortgeführten Pflegeeinrichtungen die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Zahlungen nach der Richtlinie zur Gewährung eines Ausgleichs für die coronabedingten Mindereinnahmen bei der Umlage der gesondert berechenbaren Investitionsaufwendungen in der Tagespflege und in vollstationären Einrichtungen der Pflege des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 30. Juli 2021 (BayMBl. 2021, Nr. 555, Richtlinie Corona-Pflege-Investitionszulage – CoPflegeInvestR) begehrt, örtlich nicht zuständig.
Die örtliche Zuständigkeit für das Klagebegehren ergibt sich hier aus § 52 Nr. 3 Satz 2 und 5 VwGO. Danach ist bei Verpflichtungsklagen das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat, zuständig, wenn sein Begehren auf den Erlass eines Verwaltungsakts durch eine nicht dem Bund zuzuordnende Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, gerichtet ist. Nach Nr. 10 der CoPflegeInvestR ist das das Landesamt für Pflege bayernweit zuständige Bewilligungsstelle für die vom Kläger begehrte Zuwendung.
Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der SRM S. R2. GmbH als (allein) zur Prozessführung befugte Partei kraft Amtes i.S.d. § 62 VwGO (vgl. Czybulka/Siegel in: Sodan/Ziekow, NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, § 62 Rn. 14). Nach § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und hierüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Der Schuldner verliert also mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die materielle und verfahrensrechtliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögens (vgl. z.B. VG München, B.v. 26.7.2019 – M 31 K 18.5116 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Die örtliche Zuständigkeit nach § 52 VwGO bestimmt sich vor dem Hintergrund der Stellung des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes mit insoweit alleiniger Prozessführungsbefugnis ausschließlich nach der formellen Beteiligtenstellung und knüpft daher an den Sitz des insolvenzrechtlichen Prozessstandschafters an (vgl. Czybulka/Siegel aaO, § 62 Rn. 22, auch mit Hinweis auf die gegenteilige, jedenfalls hier im Lichte des § 80 InsO allerdings nicht überzeugende Auffassung von Ziekow in: Sodan/Ziekow aaO, § 52 Rn. 29), sodass es auf den Sitz der SRM S. R2. GmbH als materielle Rechtsinhaberin insoweit nicht ankommt. Infolge der vorstehend erörterten Rechtswirkung des § 80 Abs. 1 InsO ist der Insolvenzverwalter Beschwerter i.S.d. § 52 Nr. 3 Satz 2 und 5 VwGO.
Der Sitz des Klägers ist ausweislich der unbestrittenen Angaben in der Klageschrift zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. z.B. Kraft in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 52 Rn. 7) Nürnberg, sodass es auf den früheren Sitz zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. AG München, B.v. 1.11.2012 – 1542 IN 2583/12, vorgelegt als Anlage K1 zur Klageschrift vom 1.3.2022) nicht ankommt. Daraus folgt die örtliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach (Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 AGVwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 83 Satz 2 VwGO.


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