Insolvenzrecht

Rückgewährklage eines Insolvenzverwalters nach Insolvenzanfechtung: Zahlungsunfähigkeit als Indiz für den Benachteiligungsvorsatz; Forderung eines GmbH-Gesellschafters auf Bezahlung von Lizenzgebühren als einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Forderung

Aktenzeichen  IX ZR 250/20

Datum:
24.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:240222UIXZR250.20.0
Normen:
§ 39 Abs 1 Nr 5 InsO
§ 133 Abs 1 S 1 InsO
§ 135 Abs 1 Nr 2 InsO
§ 286 ZPO
Spruchkörper:
9. Zivilsenat

Leitsatz

1. Die Zahlungsunfähigkeit stellt nur dann ein Indiz für den Benachteiligungsvorsatz dar, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat. Hält der Schuldner eine Forderung, welche die Zahlungsunfähigkeit begründet, aus Rechtsgründen für nicht durchsetzbar oder nicht fällig, steht dies einer Kenntnis entgegen, sofern bei einer Gesamtwürdigung der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend naheliegt.
2. Ob die aus einem Lizenzvertrag herrührende Forderung eines Gesellschafters auf Bezahlung von Lizenzgebühren wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entspricht, richtet sich im Rahmen einer Gesamtwürdigung nach Art, Inhalt und Umständen des tatsächlich gewährten Zahlungszeitraums und der marktüblichen Konditionen, bei der die Auswirkungen von Fälligkeitsvereinbarung und Stehenlassen zusammen zu betrachten sind.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Zweibrücken, 25. November 2020, Az: 7 U 90/18vorgehend LG Frankenthal, 17. Juli 2018, Az: 8 O 109/17

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 25. November 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über den Anfechtungsanspruch zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der K.       GmbH (fortan: Schuldnerin). Das Stammkapital der Schuldnerin betrug 25.000 €. Die Beklagte war Gesellschafterin der Schuldnerin und ursprünglich in Höhe von 24.250 € am Stammkapital der Schuldnerin beteiligt.
2
Am 23. Juli 2015 schlossen die Beklagte und die Schuldnerin einen Lizenzvertrag, wonach die Beklagte für bestimmte Patente, Marken und Know-How eine ausschließliche Lizenz erteilte. Die Schuldnerin versprach eine jährliche Lizenzgebühr von 180.000 €, von der zunächst 15.000 € zur Auszahlung kommen sollten. Zudem bestimmte der Vertrag, dass in 2015 “die anteilige Lizenzgebühr in Höhe von € 15.000 spätestens zum 31.12.2015 fällig” wird. Ebenfalls am 23. Juli 2015 schlossen Schuldnerin und Beklagte eine gesonderte Rangrücktrittsvereinbarung. Sie bestimmte, dass von der Forderung aus dem Lizenzvertrag 15.000 € von der Schuldnerin bezahlt werden und über die verbleibenden 165.000 € die Beklagte “mit allen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen aus und im Rang hinter sämtliche Ansprüche aller gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger” der Schuldnerin zurücktritt. Am 22. Februar 2016 überwies die Schuldnerin 15.000 € unter Bezugnahme auf den Lizenzvertrag an die Beklagte.
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Zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit nahm die Schuldnerin verschiedene Darlehen auf. Die S.    GmbH gewährte der Schuldnerin am 3. Juli 2015 ein Darlehen über 25.000 €, das bis zum 5. Juli 2020 zurückgezahlt werden sollte. Die Beklagte verbürgte sich für die Rückzahlung des Darlehens. Am 24. und 26. Juli 2015 schloss die Schuldnerin zwei Wandeldarlehensverträge über jeweils 100.000 € ab. Darlehensgeber waren I.             und die B.                AG. Beide Verträge berechtigten und verpflichteten die Darlehensgeber unter bestimmten Voraussetzungen, statt der Rückzahlung des Darlehens neue Geschäftsanteile an der Schuldnerin zu erwerben. Zudem enthielten die Verträge für alle Ansprüche aus dem Darlehen einen qualifizierten Rangrücktritt.
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Mit Schreiben vom 18. Januar 2016 teilten die Schuldnerin und die Beklagte I.          mit, dass die Wandeldarlehensverträge nach ihrer Ansicht unwirksam seien. Die Schuldnerin werde daher die Darlehen vereinbarungsgemäß nach drei Jahren zurückzahlen, jedoch der Wandelverpflichtung nicht nachkommen. Mit E-Mail ihres Anwalts vom 21. Januar 2016 wiesen I.          , die B.              AG und die S.    GmbH diese Auffassung zurück und boten im Rahmen einer gütlichen Einigung an, dass die Schuldnerin die Darlehen von I.            , der B.              AG und der S.    GmbH unverzüglich zurückzahle und I.            ihre zwischenzeitlich erhaltene Beteiligung an der Schuldnerin auf die Beklagte zum Kaufpreis von 1 € übertrage. Mit Anwaltsschreiben vom 26. Januar 2016 forderten sie die Schuldnerin dazu auf, die beiden Wandeldarlehen unverzüglich zurückzuzahlen, und kündigten zudem das Darlehen mit der S.    GmbH aus wichtigem Grund.
5
Am 10. Juni 2016 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 21. September 2016 und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger verlangt – soweit noch von Interesse – die Rückzahlung der am 22. Februar 2016 gezahlten 15.000 €.
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Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich des Anfechtungsanspruchs abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat Erfolg.
I.
8
Das Berufungsgericht hat – soweit noch von Interesse – ausgeführt, eine Anfechtung nach § 134 InsO scheide aus. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Zahlung vom 22. Februar 2016 Ansprüche aus der Rangrücktrittsvereinbarung vom 23. Juli 2015 betreffe. Eine Anfechtung nach § 135 InsO scheitere daran, dass es an einer gleichgestellten Forderung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO fehle. Die Fälligkeit der ersten anteiligen Lizenzgebühr für 2015 in Höhe von 15.000 € sei erst zum 31. Dezember 2015 eingetreten. Eine Fälligkeitsvereinbarung bedeute keine Stundung im Sinne einer Kreditgewährung. Die am 22. Februar 2016 erfolgte Zahlung liege nicht einmal zwei Monate nach Fälligkeit, so dass dies nicht als zeitlich ungebräuchliche Stundung angesehen werden könne.
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Ebenso wenig komme eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO in Betracht. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin am 22. Februar 2016 mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Die Schuldnerin sei am 22. Februar 2016 nicht zahlungsunfähig gewesen. Die Forderungen aus den beiden Wandeldarlehensverträgen über jeweils 100.000 € seien nicht fällig gewesen. Diese Verträge seien nicht nach § 55 Abs. 1 GmbHG formbedürftig gewesen, weil es sich hinsichtlich der Übernahme von Geschäftsanteilen um eine bloße Verpflichtungserklärung gehandelt habe. Die B.                  AG sei wirksam vertreten worden, weil eine Duldungsvollmacht vorgelegen habe. Zumindest ergebe sich aus der Auszahlung eine Genehmigung des Wandeldarlehensvertrags. Soweit die Darlehensgeber die Wandeldarlehensverträge gemäß § 314 BGB wirksam außerordentlich gekündigt hätten, unterliege der daher bestehende Anspruch aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenfalls dem in den Wandeldarlehensverträgen vereinbarten Rangrücktritt. Es handele sich um einen qualifizierten Rangrücktritt, der auch die Zahlungsunfähigkeit und die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigen solle. Es fehle daher an der Fälligkeit der Rückzahlungsansprüche im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO.
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Die Forderung der S.    GmbH über 25.000 € sei ebenfalls nicht fällig gewesen. Das Darlehen sei nach dem Vertrag erst am 5. Juli 2020 zurückzuzahlen gewesen. Die außerordentliche Kündigung der S.    GmbH vom 26. Januar 2016 sei unwirksam. Der Kläger habe einen Kündigungsgrund nicht ausreichend vorgetragen.
II.
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Dies hält rechtlicher Überprüfung in einem Punkt nicht stand.
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1. Die Revision ist entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Revisionsbeklagten hinsichtlich sämtlicher Anfechtungstatbestände zulässig. Eine Beschränkung der Zulassung auf Anspruchselemente oder einzelne von mehreren miteinander konkurrierenden Anspruchsgrundlagen ist nicht zulässig (BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 – II ZR 164/20, ZIP 2021, 1856 Rn. 15 mwN).
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2. Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO.
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a) Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO trifft den Insolvenzverwalter (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 – IX ZR 208/18, ZIP 2020, 2348 Rn. 11 mwN; vom 11. November 2021 – IX ZR 237/20, ZIP 2021, 2655 Rn. 51 mwN).
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b) Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis nicht geführt.
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aa) Eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO kommt im Streitfall in Betracht, wenn die Schuldnerin auf eine Forderung leistete, hinsichtlich derer die Beklagte eine wirksame Rangrücktrittserklärung abgegeben hat. Begleicht der Schuldner die mit einem Rangrücktritt versehene Forderung trotz Insolvenzreife, steht ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ein Rückforderungsanspruch gegen den Gläubiger zu (BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 33). Sofern die Schuldnerin in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes leistete, ist die Zahlung bei einer Rangrücktrittsvereinbarung gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar (BGH, Urteil vom 5. März 2015, aaO Rn. 46 ff; vom 20. April 2017 – IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rn. 22).
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bb) Der Kläger hat nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen nicht bewiesen, dass die am 22. Februar 2016 überwiesenen 15.000 € auf die mit einem Rangrücktritt versehenen Ansprüche aus dem Lizenzvertrag gezahlt worden sind. Soweit zwischen den Parteien streitig ist, ob der nicht vom Rangrücktritt erfasste Teil der Lizenzgebühr bereits durch eine frühere, am 7. Juli 2015 erfolgte Überweisung der Schuldnerin erfüllt worden ist, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass den Kläger hierfür die Beweislast trifft und er diesen Beweis unter den Umständen des Streitfalls nicht allein aufgrund des angegebenen Verwendungszwecks “Lizenzgebühren” geführt hat. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Mai 1995 (VIII ZR 193/94, NJW 1995, 3258), auf das sich die Revision beruft, ergibt sich nichts Anderes.
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3. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht weiter eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.
19
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt für den in § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bedingter Vorsatz (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 84; vom 22. Juni 2017 – IX ZR 111/14, WM 2017, 1424 Rn. 14; vom 12. Oktober 2017 – IX ZR 50/15, WM 2017, 2322 Rn. 9).
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aa) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 13. August 2009 – IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8 mwN; vom 14. Juli 2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 Rn. 12; vom 17. September 2020 – IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 Rn. 17 mwN).
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Der Tatrichter hat bei seiner Würdigung der für und gegen einen Benachteiligungsvorsatz sprechenden Umstände bei der Anfechtung kongruenter Deckungen zu berücksichtigen, dass finanzielle Schwierigkeiten des Schuldners und insbesondere die Zahlungsunfähigkeit nur Beweisanzeichen darstellen, aus denen nicht schematisch auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden kann. Nach der – erst nach der Verkündung des Berufungsurteils ergangenen – neueren Rechtsprechung des Senats kann der Benachteiligungsvorsatz nicht allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig ist (BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 30). Hat der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt, ist für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz von entscheidender Bedeutung, dass der Schuldner weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, dass er seine (übrigen) Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen können wird (BGH, Urteil vom 6. Mai 2021, aaO Rn. 36). Dies kann aus der im Moment der Rechtshandlung gegebenen Liquiditätslage nicht in jedem Fall mit hinreichender Gewissheit abgeleitet werden (BGH, Urteil vom 6. Mai 2021, aaO).
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bb) Die Zahlungsunfähigkeit stellt nur dann ein Indiz für den Benachteiligungsvorsatz dar, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 – IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 14 mwN; vom 21. Januar 2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 Rn. 15; vom 14. September 2017 – IX ZR 3/16, WM 2017, 2319 Rn. 8; vom 12. Oktober 2017 – IX ZR 50/15, WM 2017, 2322 Rn. 19).
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(1) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungspflichten sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie durchsetzbar sind und der Gläubiger die Leistung der Zeit nach verlangen kann (vgl. § 271 Abs. 1 BGB). Zudem muss eine Gläubigerhandlung feststehen, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286 Rn. 18; vom 14. Mai 2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 Rn. 22). Steht der Geldforderung eine Einrede des Schuldners entgegen, ist sie nicht im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO fällig (vgl. Steffek in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2018, § 17 Rn. 30; Schmidt/Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 17 Rn. 10; HmbKomm-InsO/Schröder, 9. Aufl., § 17 Rn. 11; Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 17 Rn. 114).
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(2) Ob der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, hängt in erster Linie davon ab, ob er die Tatsachen kennt, welche die Zahlungsunfähigkeit begründen, und ob die gesamten Umstände zwingend auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Hierzu muss der Schuldner nicht nur die Forderungen kennen, sondern auch deren Fälligkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO. Hält der Schuldner eine Forderung, welche die Zahlungsunfähigkeit begründet, aus Rechtsgründen für nicht durchsetzbar oder nicht fällig, steht dies einer Kenntnis entgegen, sofern bei einer Gesamtwürdigung der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend naheliegt (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 Rn. 14). Der Schluss liegt zwingend nahe, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig (BGH, Urteil vom 19. Februar 2009, aaO mwN).
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b) Nach diesen Maßstäben fehlt es an einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Ihre Zahlungsunfähigkeit hing nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allein von den Ansprüchen der Darlehensgeber ab, für die der Wandeldarlehensvertrag eine qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung vorsah. Zudem bestimmten beide Verträge eine feste Laufzeit der Darlehen bis zum 31. Dezember 2018. Die Schuldnerin hielt diese Ansprüche weder für durchsetzbar noch für fällig. Zum Zeitpunkt der Rechtshandlung am 22. Februar 2016 lag der Schluss, dass die streitigen Forderungen fällig waren, vor dem Gesamtbild der streitigen schwierigen Rechtsfragen nicht zwingend nahe. Hatte die Schuldnerin keine Kenntnis davon, dass die gegen sie gerichteten Forderungen fällig waren, kann nicht angenommen werden, dass sie ihre Zahlungsunfähigkeit in einer für den Benachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 InsO sprechenden Weise erkannt hat. Andere Indizien, die einen Schluss auf einen Benachteiligungsvorsatz zuließen, zeigt der Kläger nicht auf.
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aa) Die Schuldnerin ging nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon aus, dass sie die Wandeldarlehen erst nach dem Ende der vereinbarten Laufzeit zum 31. Dezember 2018 zurückzahlen musste und die Forderungen vorher nicht durchsetzbar und fällig waren. Dies steht im Streitfall einer Kenntnis entgegen, weil die Wandeldarlehen schwierige und höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfragen aufwarfen und die Rückforderung zwischen den Vertragsparteien streitig war. Die streitigen Fragen waren bis zum 22. Februar 2016 nicht in einer Weise geklärt, die einen zwingenden Schluss auf eine Durchsetzbarkeit und Fälligkeit der Forderungen zuließen.
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(1) Die Wandeldarlehensverträge waren nicht wegen eines Vertretungsmangels unwirksam. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die B.                   AG beim Abschluss des Wandeldarlehensvertrags wirksam vertreten worden ist. Die Angriffe der Revision auf die tatrichterliche Würdigung greifen nicht durch.
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(2) Das erstmalige Rückzahlungsverlangen der Darlehensgeber vom 26. Januar 2016 musste die Schuldnerin nicht dahin verstehen, dass die Darlehensforderungen durchsetzbar und sofort fällig waren. Es lag für die Schuldnerin nicht zwingend nahe, dass sie mit der erstmaligen Berufung auf die Formnichtigkeit der Wandelabrede am 18. Januar 2016 eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hatte, die eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen konnte. Sie hatte in dieser Frage Rechtsrat eingeholt. Die in den Wandeldarlehensverträgen enthaltene Verpflichtung der Darlehensgeber, im Falle einer weiteren Kapitalerhöhung der Schuldnerin ebenfalls Geschäftsanteile zu übernehmen, konnte gemäß § 55 Abs. 1 GmbHG formbedürftig gewesen sein. Ob § 55 Abs. 1 GmbHG auch auf die bloße Verpflichtungserklärung eines Gesellschafters oder eines Dritten entsprechend anwendbar ist, ist – wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt – in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. nur Scholz/Priester/Tebben, GmbHG, 12. Aufl., § 55 Rn. 117 mwN zum Streitstand). Die Frage ist höchstrichterlich nicht geklärt.
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(3) Ebenso wenig lag der Schluss, dass die Darlehensforderungen durchsetzbar und sofort fällig waren, unter den Umständen des Streitfalls aufgrund des eigenen rechtlichen Standpunkts der Schuldnerin zwingend nahe. Die Frage der Formwirksamkeit, die Folgen einer Formnichtigkeit der Wandelabrede und die Berechtigung des Rückforderungsverlangens der Darlehensgeber waren zum Zeitpunkt der Rechtshandlung streitig. Innerhalb der bis zum 22. Februar 2016 verstrichenen kurzen Zeit waren die streitigen Fragen nicht geklärt. Dass die rechtlich beratene Schuldnerin die Durchsetzbarkeit und Fälligkeit trotz der von ihr angenommenen Formnichtigkeit der Wandelabrede verneinte, war nicht von vornherein aussichtslos. Der Abschluss des Darlehensvertrags selbst war formfrei möglich. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin annahm, dass ihre im Schreiben vom 18. Januar 2016 geäußerte Rechtsauffassung hinsichtlich der Darlehensansprüche unzutreffend oder unvertretbar war.
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bb) Einem zwingenden Schluss auf die Durchsetzbarkeit steht weiter entgegen, dass die in den Wandeldarlehensverträgen enthaltene qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre begründete.
31
(1) Eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre aufgrund einer qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung setzt voraus, dass der Gläubiger vor Verfahrenseröffnung keine Befriedigung seiner Forderung vom Schuldner verlangen kann, sofern bei diesem als Folge einer Zahlung Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zumindest einzutreten droht (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 22). Die Vereinbarung muss hinreichend deutlich machen, inwieweit die Ansprüche des Gläubigers bereits dann nicht mehr durchsetzbar sind, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Leistungsverlangens bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rn. 36; vom 12. Dezember 2019 – IX ZR 77/19, ZIP 2020, 310 Rn. 25).
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Liegen die Voraussetzungen für eine solche qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung vor, ist die Forderung nicht im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO fällig, wenn andernfalls der Schuldner zahlungsunfähig wäre oder zu werden droht. Die Vereinbarung führt dazu, dass die Forderung in der Zeit der Krise nicht durchsetzbar ist. In einem solchen Fall ist der Gläubiger nicht berechtigt, Erfüllung seiner Forderung zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 26). Die Verbindlichkeit ist daher bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen (Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 17 Rn. 133, 147; Schmidt/Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 17 Rn. 10; HmbKomm-InsO/Schröder, 7. Aufl., § 17 Rn. 13; Steffek in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2018, § 17 Rn. 24 aE; HK-InsO/Laroche, 10. Aufl., § 17 Rn. 9; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286 Rn. 18).
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(2) Nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des Berufungsgerichts enthielten die Wandeldarlehensverträge eine solche qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung hinsichtlich aller Rückzahlungsansprüche der Darlehensgeber. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der vereinbarten Klausel. Die Parteien greifen diese tatrichterliche Würdigung nicht an.
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(3) Es lässt sich nicht feststellen, dass die Schuldnerin wusste, dass die qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung dem Rückforderungsbegehren nicht entgegenstand. Da die Schuldnerin zahlungsunfähig war, sofern die Rückzahlungsansprüche durchsetzbar und fällig waren, lagen die tatsächlichen Voraussetzungen für eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre vor.
35
(a) Die qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung dient dazu, Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung der dem Schuldner überlassenen Darlehensvaluta dauerhaft auszuschließen, wenn sich der Schuldner in einer Krise befindet. Inhalt und Reichweite eines Rangrücktritts können Gläubiger und Schuldner der Forderung frei vereinbaren (BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 15). Die im Streitfall verwendete Klausel erstreckte sich ausdrücklich umfassend auf “Ansprüche auf Tilgung, Verzinsung und Rückzahlung seines Darlehens, soweit es zur Auszahlung gekommen ist, einschließlich aller aufgrund dieser Darlehensforderung angefallener Zinsen und Kosten”. Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerfrei an, dass es sich dabei um eine weit formulierte Rangrücktrittsvereinbarung handelte.
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(b) Die Schuldnerin konnte annehmen, dass die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre für sämtliche Ansprüche aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB nach einer außerordentlichen Kündigung des Darlehens galt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Rangrücktrittsvereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB), der zum Vorteil aller Gläubiger des Schuldners Rechte begründet, nicht durch eine Abrede des Schuldners mit dem Forderungsgläubiger aufgehoben werden (BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 35). Ein Rangrücktritt muss, weil ein zeitlicher begrenzter Verzicht die Passivierungspflicht nicht beseitigt, auf Dauer gerichtet sein (BGH, Urteil vom 5. März 2015, aaO Rn. 38). Soweit die Schuldnerin die Wandelabrede für formnichtig hielt, musste sie deshalb nicht die – formfreie – qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung für unwirksam halten. Insbesondere erlauben die Umstände keinen zwingenden Schluss, dass die qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung trotz Auszahlung des Darlehens keine etwaigen Bereicherungsansprüche der Darlehensgeber erfasste. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob die qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung bei richtiger Betrachtung Einschränkungen unterliegt, kommt es daher nicht an.
37
cc) Andere Forderungen, die eine Zahlungsunfähigkeit begründen konnten, bestanden nicht. Die Forderung der S.    mbH war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht fällig. Die Angriffe der Revision auf die tatrichterliche Würdigung greifen nicht durch. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 ZPO abgesehen. Zu anderen am 22. Februar 2016 fälligen und eingeforderten Forderungen hat das Berufungsgericht nichts festgestellt; die Revision des Klägers zeigt keinen weiteren Vortrag auf.
38
dd) Mithin kann im Streitfall die umstrittene Frage dahinstehen, ob die Wandelabrede in den Darlehensverträgen entsprechend § 55 Abs. 1 GmbHG formbedürftig war. Auch wenn dies der Fall wäre, kann nicht auf einen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin geschlossen werden.
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4. Erfolg hat die Revision hingegen hinsichtlich einer Anfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine wirtschaftlich einem Darlehen gleichstehende Forderung verneint, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
40
a) Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für eine Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist.
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aa) Eine Forderung kann als darlehensgleich zu beurteilen sein, wenn der Gesellschafter einen fälligen Anspruch darlehensfremder Art nicht gegen die Gesellschaft geltend macht (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – IX ZR 210/18, ZIP 2019, 1675 Rn. 14 mwN). Dies setzt voraus, dass die Geldforderung des Gesellschafters der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet wird, weil eine Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rn. 50; vom 29. Januar 2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rn. 70; vom 11. Juli 2019, aaO Rn. 13; vom 22. Oktober 2020 – IX ZR 231/19, ZIP 2020, 2409 Rn. 13). Ebenso können rechtsgeschäftliche Fälligkeitsabreden, die im Rahmen von Verkehrsgeschäften zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter getroffen werden, wirtschaftlich einer Darlehensgewährung entsprechen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019, aaO Rn. 16 mwN).
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bb) Liegt ein echter Leistungsaustausch Zug um Zug gemäß § 320 BGB vor, liegt keine darlehensgleiche Leistung vor. Ebenso scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, stets aus, wenn eine Leistung bargeschäftlich abgewickelt wird (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 – IX ZR 231/19, ZIP 2020, 2409 Rn. 14 mwN).
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cc) Wird der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum überschritten, ist entscheidend, ob die zeitliche Streckung des Leistungsaustausches zwischen Gesellschaft und Gesellschafter nach der Vertragsgestaltung oder der tatsächlichen Handhabung in einer Gesamtschau den Schluss auf eine Kreditgewährung rechtfertigt (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019, aaO Rn. 18; vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 15). Nach Art, Inhalt und Umständen des tatsächlich gewährten Zahlungszeitraums muss aufgrund einer Gesamtwürdigung feststehen, dass der Gesellschafter bei objektiver Betrachtung eine Finanzierungsentscheidung zugunsten der Gesellschaft getroffen hat. Denn der tragende Grund der Nachrangigkeit im Insolvenzfall liegt darin, dass der Gesellschafter mit seiner Finanzierungsentscheidung die Kapitalausstattung der eigenen Gesellschaft verbessert hat. Die Gesellschafterleistung muss nach ihrer wirtschaftlichen Funktion einer Leistung von Eigenkapital vergleichbar sein (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 – IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283 Rn. 24; vom 25. Juni 2020 – IX ZR 243/18, BGHZ 226, 125 Rn. 27; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – IX ZR 195/20, ZIP 2021, 1822 Rn. 7, 20, zVb in BGHZ).
44
(1) Die daher erforderliche Abgrenzung, wann eine Forderung des Gesellschafters als wirtschaftlich einem Darlehen gleichstehend anzusehen ist und wann nicht, richtet sich danach, ob die Forderung des Gesellschafters eine dem typischen Darlehen entsprechende Finanzierungsfunktion hat (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 16 mwN). Hierzu bedarf es bei Austauschgeschäften einer wertenden Betrachtung und einer genauen Analyse des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 17 mwN). Es reicht keineswegs jede geringfügige Überschreitung der marktüblichen oder vereinbarten Zahlungsfrist oder des für einen Baraustausch unschädlichen Zeitraums aus (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020, aaO). Bei von vornherein getroffenen Fälligkeitsvereinbarungen in Austauschverträgen liegt erst dann eine wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Forderung vor, wenn sie deutlich von marktüblichen Konditionen abweichen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – IX ZR 210/18, ZIP 2019, 1675 Rn. 16 mwN; vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 17 mwN). Für die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts ist den Vertragspartnern ein gewisser Gestaltungsspielraum zuzubilligen (BGH, Urteil vom 29. Januar 2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rn. 74 zu Mieten).
45
(2) Überschreitet der zeitliche Abstand beim Austausch von Leistung und Gegenleistung den von markt- oder verkehrsüblichen Regelungen gesteckten Rahmen eindeutig, liegt eine einem Gesellschafterdarlehen vergleichbare Leistung vor. Dies ist in der Regel erst anzunehmen, wenn eine Forderung aus einem Austauschgeschäft länger als drei Monate stehen gelassen wird (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019, aaO Rn. 15, 18; vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 18 mwN). Unterhalb dieser Grenze bedarf es bei Austauschgeschäften im Rahmen der Gesamtschau weiterer Indizien, um eine verzögerte Zahlung der Gesellschaft als wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen gleichstehend zu behandeln (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 18). Da maßgeblich eine Gesamtbetrachtung ist, dürfen dabei die Wirkungen einer Fälligkeitsvereinbarung und einer faktischen Stundung nicht isoliert betrachtet werden.
46
b) Nach diesen Maßstäben lässt sich im Streitfall nicht ausschließen, dass die Schuldnerin mit ihrer Zahlung am 22. Februar 2016 eine wirtschaftlich einem Darlehen gleichstehende Forderung eines Gesellschafters befriedigte.
47
aa) Die Beklagte war Hauptgesellschafterin der Schuldnerin. Die Zahlung erfolgte innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag.
48
bb) Das Berufungsgericht unterlässt die für eine Einordnung als wirtschaftlich einem Darlehen gleichstehende Forderung maßgebliche Gesamtwürdigung der Umstände und der getroffenen Vereinbarungen. Rechtsfehlerhaft misst das Berufungsgericht der Fälligkeitsvereinbarung keine Bedeutung zu und betrachtet allein den Zeitraum zwischen der spätesten Fälligkeit am 31. Dezember 2015 und der Zahlung am 22. Februar 2016.
49
(1) Für eine Gesamtwürdigung sind die Auswirkungen von Fälligkeitsvereinbarung und Stehenlassen zusammen zu betrachten. Zu prüfen ist, ob nach Art, Inhalt und Umständen des tatsächlich gewährten Zahlungszeitraums und der marktüblichen Konditionen bei objektiver Betrachtung eine Finanzierungsentscheidung der Beklagten vorliegt. Dies lässt sich angesichts der vom Berufungsgericht bislang nicht gewürdigten Bestimmungen des Lizenzvertrags vom 23. Juli 2015 nicht ausschließen. Das Berufungsgericht wird die erforderliche Auslegung des Lizenzvertrags und die Gesamtwürdigung nachholen und den Parteien hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Insbesondere wird sich das Berufungsgericht mit dem Einwand der Revisionserwiderung auseinandersetzen müssen, es sei in Lizenzverträgen üblich, dass Lizenzgebühren erst nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums für den zurückliegenden Zeitraum fällig werden.
50
(2) Nach den vertraglichen Vereinbarungen ist es möglich, dass die von der Schuldnerin bezahlten 15.000 € lediglich ein Zwölftel der jährlichen Lizenzgebühr darstellen. Obwohl sie die ausschließliche Lizenz mit Inkrafttreten des Vertrags am 23. Juli 2015 sofort nutzen konnte und die Beklagte damit Vorleistungen erbrachte, war der anteilige Betrag der Lizenzgebühr nach § 3 Abs. 3 des Lizenzvertrags spätestens am 31. Dezember 2015 fällig. Bereits die vertragliche Fälligkeitsvereinbarung führt dazu, dass die Schuldnerin die ihr eingeräumte Lizenz über fünf Monate nutzen konnte, ohne dass auch nur ein Teil des vereinbarten jährlichen Entgelts zu zahlen war. Die Beklagte hat zudem diese Teilforderung tatsächlich erst am 22. Februar 2016 und damit weitere mehr als acht Wochen später bezahlt erhalten. Beide Zeiträume überschreiten schon für sich genommen den bargeschäftlichen Leistungszeitraum deutlich. Dass die Beklagte in diesem Zeitraum Maßnahmen ergriffen hätte, um eine zügige Zahlung der Schuldnerin zu erhalten, hat sie nicht behauptet.
51
Ein weiteres Indiz könnte bestehen, wenn die Regelungen zur Fälligkeit der Lizenzgebühr für die Zeit nach Ablauf des ersten Jahres eine Vorauszahlung der Lizenzgebühren vorsahen. § 3 Abs. 5 des Lizenzvertrags bestimmte, dass die jährlich zu zahlende Lizenzgebühr ab dem Kalenderjahr 2016 jeweils am 1. Juli fällig sein sollte. Dabei wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die jährliche Laufzeit des Lizenzvertrags mit dem Kalenderjahr übereinstimmte oder ab dem Abschluss des Lizenzvertrags lief. Traf die Beklagte mit der Schuldnerin unterschiedliche Fälligkeitsvereinbarungen für Teile der Lizenzgebühren, welche die Fälligkeit zugunsten der Gesellschaft teilweise erheblich hinausschoben, kann dies für eine wirtschaftlich einem Darlehen gleichstehende Forderung sprechen.
III.
52
Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit die Klage hinsichtlich des Anfechtungsanspruchs abgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
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