Insolvenzrecht

Zum Versagungsantrag im Restschuldbefreiungsverfahren

Aktenzeichen  IK 130/10

Datum:
17.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Neu-Ulm
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO InsO § 129, § 290 Abs. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

1. Der Schuldner muss alle Umstände, die offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage treten, von sich aus mitteilen. Dies gilt insbesondere auch für solche Umstände, die Insolvenzanfechtungen nach den §§ 129 ff. InsO begründen können.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bezugnahme auf Berichte des Treuhänders reicht zur Darlegung und Glaubhaftmachung des Versagungsantrags des Gläubigers aus.  (redaktioneller Leitsatz)
3.  Ein Bestreiten der vom Gläubiger vorgetragenen Versagungsgründe durch den Schuldner nach Ende des Schlusstermins ist unbeachtlich.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Erteilung der Restschuldbefreiung wird versagt.

Gründe

Über das Vermögen des Schuldners ist auf seinen Antrag vom 17.03.2010, eingegangen am 18.03.2010, hin mit Beschluss des AG Neu-Ulm vom 23.03.2010 (Bl. 57/59 d.A.) das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zur Anwendung gelangt das Recht in der Fassung vor dem 01.07.2014.
Der Schuldner hat unter dem 07.02.2010 (Bl. 5 d.A.) die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt.
Im Schlusstermin vom 10.06.2015 hat die öffentliche Hand, vertreten durch das Finanzamt …, die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt (Bl. 235/245 d.A.).
Sie beruft sich dabei im Wesentlichen zum einen auf den Versagungsgrund des § 290 I Nrn. 5 und 6 InsO. Denn der Schuldner habe eine Motoryacht und zwei Fahrzeuge mit den amtl. Kz. … und …, als ihm zustehende Vermögensgegenstände zumindest grob fahrlässig weder im Vermögensverzeichnis noch anlässlich einer Besprechung am 01.04.2010 angegeben. Zur Glaubhaftmachung wird auf Ziff. 3.3 des Schlussberichts [vom 03.03.2015, Bl. 149/164 (155/158) d.A.] verwiesen. Auch wird auf Ziff. 5 des Treuhänderberichts vom 01.02.2011 [Bl. 89/95 (91/95) d.A.] verwiesen.
Zum anderen habe der Schuldner vorsätzlich zur Leistungsvermeidung schriftlich falsche Angaben gemacht, indem er auf eine Erinnerung der „Lohnsteuer Arbeitgeber Stelle“ ein Antwortschreiben (Bl. 237 d.A.) des Inhalts dem Finanzamt … am 12.02.2007 zukommen gelassen habe, dass „2006 keine Lohnsteuer (,) kein Personal mehr und keinerlei Löhne (zu verbuchen seien).“ In Wahrheit habe der Schuldner sein Trockenbauunternehmen auch in dem Zeitraum ab 2006 schwarz weiter betrieben, was anlässlich einer Außenprüfung im Jahr 2008 entdeckt worden sei. Dieser Sachverhält ergebe sich aus den dem Versagungsantrag beigefügten Unterlagen der Steuerfahndung (Bl. 238/243 d.A.). Demnach sei auch der Versagungsgrund des § 290 I Nr. 2 InsO gegeben.
Der Schuldner war im Schlusstermin am 10.06.2015 nicht anwesend. Der statt seiner aufgetretene Prozessbevollmächtigte bestritt „vorläufig die erhobenen Vorwürfe und deren Glaubhaftmachung“ (Bl. 245 d.A.), beantragte die Zurückweisung des Antrags und gab an, dass genauere Erklärungen erst nach Rücksprache mit dem Schuldner und nach Akteneinsicht getätigt werden könnten.
In der Folge wurden der Schuldner und der Treuhänder gehört. Auf die Anhörungsschreiben vom 22.09.2015 (Bl. 290/295 d.A.) und vom 30.07.2015 (Bl. 283/284 d.A.) sei zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Ebenfalls verwiesen sei auf die relevanten Berichte des Treuhänders – Ziff. 3.3 des Schlussberichts [vom 03.03.2015, Bl. 149/164 (155/158) d.A.] und Ziff. 5 des Treuhänderberichts vom 01.02.2011 [Bl. 89/95 (91/95) d.A.].
Die gerichtlichen Ermittlungen haben ergeben, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung gem. § 290 I Nr. 5 InsO zu versagen ist, da dieser es zumindest bedingt vorsätzlich unterlassen hat, sowohl in seinem Vermögensverzeichnis (Anlagen 5A oder 5C oder 5K) als auch anlässlich der Besprechung mit dem Insolvenzverwalter am 01.04.2010 offensichtlich anfechtungsrelevante Umstände aus der Übertragung einer Motoryacht im Wert von mindestens 19.000,- € und aus der Übertragung eines PKW Mercedes Benz CLK, amtl. Kz. …, im Wert von mindestens 7.500,- €, geschehen je kurz vor Insolvenzantragstellung, anzugeben.
Dabei ist ein Versagungsantrag zunächst von Amts wegen auf seine Zulässigkeit hin zu prüfen. Er muss schlüssig, form- und fristgerecht gestellt sein und der behauptete Versagungsgrund muss glaubhaft gemacht sein. Hiernach ist in einem gleichsam kontradiktorischen Verfahren die Begründetheit zu prüfen. Zu beachten gilt dabei, dass es dem Schuldner, der es – wie hier – versäumt hat, im Schlusstermin anwesend zu sein, und seinem anwesenden Prozessbevollmächtigten gleichermaßen prozessual versagt ist, nach Beendigung des Schlusstermins schlüssig dargelegte Versagungsgründe zu bestreiten oder ergänzend vorzutragen. Grund hierfür ist, dass der Gläubiger seinerseits gehindert ist, nach dem Ende des hier mündlich durchgeführten Schlusstermins die Versagungsgründe des § 290 InsO geltend oder glaubhaft zu machen, der Schuldner also nicht nachträglich Behauptungen aufstellen kann, die den Gläubiger zu einer prozessual unzulässigen -weitergehenden – Glaubhaftmachung zwingen würden.
Zu Recht greift der Schuldner daher im Wesentlichen mit Schriftsatz vom 22.09.2015 (Bl. 290/294 d.A.) die Zulässigkeit der Versagungsanträge an. Denn materiell ist sein unqualifiziertes Bestreiten der – soweit qualifiziert vorgetragenen – Versagungsgründe unbeachtlich. Aus diesem Grund gilt das durch die Gläubigerin glaubhaft Gemachte als zugestanden. Dem Schuldner ist es zuzumuten, gerade auch bei hier anklingenden Verdunkelungshandlungen größeren Ausmaßes, sofort und unverzüglich qualifiziert Stellung zu nehmen. Gläubiger sollen – so die gesetzliche Wertung – vor juristischer Haarspalterei, die Einlassungsfristen gelegentlich mit sich zu bringen neigen, gerade verschont bleiben.
Mit seinem Vorbringen hat der Schuldner teilweise Erfolg. Der auf § 290 I Nr. 2 InsO gestützte Versagungsantrag ist unschlüssig, da das Vorbringen nicht den Tatbestand erfüllt. Voraussetzung ist demnach, dass der Schuldner innerhalb vor drei Jahren vor Antragstellung die sanktionierte Handlung vornimmt. Als offensichtliche Tatsache zu berücksichtigen, ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst am 23.03.2010 eingegangen. Nach dem Vortrag der Gläubigerin fand die verwerfliche Handlung jedoch bereits am 12.02.2007 mithin eine kurze Zeitspanne vor dem Sanktionszeitraum statt.
Anders das Vorbringen betreffend die Motoryacht und den PKW mit dem amtl. Kz. … . Hier beruft sich die Gläubigerin zutreffend darauf, dass der Schuldner diese Vermögensgegenstände weder in seinem Verzeichnis noch in der Erstbesprechung angegeben habe. Irrelevant ist dabei die Frage, ob der Schuldner nun das Eigentum, ein etwaiges Nutzungsrecht oder die offensichtlich anfechtungsrelevante Tatsache der Vermögensverschiebung vor Antragstellung (hierfür ist Anlage 5K der durch den Schuldner eingereichten Anlagen vorgesehen), nach Vortrag und nach Sachlage jedenfalls bedingt vorsätzlich verschwiegen hat. Denn alle drei Möglichkeiten erfüllen die Voraussetzungen des § 290 I Nr. 5 InsO.
Nach allgemeiner Ansicht (statt aller BGH, Beschluss v. 08.03.2012, IX ZB 70/10) muss der Schuldner alle „Umstände von sich aus offenbaren, die offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage treten.“ Dies sind gerade auch solche, die Insolvenzanfechtungen nach den §§ 129 ff InsO begründen können (MüKo/Stephan, 3. Auflage 2014 – die Rechtslage ist unverändert – und dort § 290 Rdnr 59). Hier übertrug der Schuldner zumindest in zeitlicher Nähe zur Insolvenzantragstellung eine hochpreisige Motoryacht und einen PKW Mercedes Benz, Letzteren an eine nahe Angehörige. Dies sind mindestens Umstände, die offensichtlich Anfechtungen begründen können.
Die Gläubigerin hat die Verschleierung dieser beiden Vermögensgegenstände auch durch Verweis auf die Treuhänderberichte vom 01.02.2011 (Bl. 89/95, auf Ziff 5 wurde explizit Bezug genommen) und vom 03.03.2015 (149/164, auf Ziff. 3.3 wurde explizit Bezug genommen) hinreichend glaubhaft gemacht. Der Verweis auf bestimmte Teile von Berichten der Insolvenzverwalter oder Treuhänder ist ein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (BGH, Beschluss vom 17.01.2008, IX ZB 183/07). Ohne Erfolg beruft sich der Schuldner darauf, dass die Bezugnahme zu unbestimmt sei. Die Gläubigerin selber, der Treuhänder und das Gericht können nicht aufklären, ob der Schuldner das Eigentum nach Antragstellung im Stillen übertragen, das Eigentum vor Antragstellung übertragen und diese Tatsache verschwiegen hat oder etwa Surrogate erhalten und deren Erhalt verschwiegen hat. Genauso bestimmt oder unbestimmt ist auch die Bezugnahme auf die konkreten Passagen. In jedem Einzelfall würde es sich um offensichtlich überragend relevante Umstände handeln, die der Schuldner zu offenbaren gehabt hätte und zu keinem Zeitpunkt offenbart hat. Diese Unsicherheiten gehen zulasten des Schuldners, dessen oberste Pflicht (§ 1 Satz2 InsO) die redliche Mitwirkung am Verfahren ist, um in die Wohltat der Restschuldbefreiung zu gelangen.
Aus dem Bericht vom 03.03.2015 ergibt sich eindeutig (Ziff 3.3.1 und 3.3.2 am Ende), dass die Anfechtungen der Übertragungen der Yacht und des PKW Mercedes-Benz erfolgreich waren. Im Übrigen ist nicht erforderlich, dass die verschwiegenen Sachverhalte tatsächlich zur erfolgreichen Anfechtungen führen. Ausreichend ist, dass sie dazu führen können (MüKo Stephan aaO).
Lediglich zugunsten des Schuldners wurde davon Abstand genommen, auch die Verschleierungen betreffend den PKW Jeep, amtl. Kz. …, der Versagungsentscheidung zugrunde zu legen.
Auch so ergibt sich das Bild eines unredlichen Schuldners, der wiederholt Vermögenwerte, sei es den Sachwert oder den Anfechtungswert, erheblichen Ausmaßes dem Gläubigerzugriff entziehen wollte, die erst mit erheblichen Mühen der Masse zugeführt werden konnten.
Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtpunkten ergibt sich daher kein anderes.


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