IT- und Medienrecht

Anspruch auf Wiederveröffentlichung positiver Nutzerbewertungen auf Ärztebewertungsportal

Aktenzeichen  33 O 6880/18

Datum:
16.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 6146
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1, 3, § 282, § 288, § 291, § 823 Abs. 1
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 9 S. 1
TMG § 6 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 156, § 296a
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zugunsten eines Arztes auf einem Ärztebewertungsportal abgegebene Nutzerbewertungen sind grundsätzlich vom Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arztes umfasst. Mit der Löschung positiver Bewertungen greift der Portalbetreiber in dieses Recht ein. Ein Anspruch auf Wiederveröffentlichung dieser Bewertungen als auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatz setzt Betriebsbezogenheit und Rechtswidrigkeit des Eingriffs sowie eine relevante Schadensgefahr voraus, für welche grundsätzlich der Arzt darlegungs- und beweisbelastet ist. (Rn. 33) (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die für den Anspruch auf Wiederveröffentlichung erforderliche Betriebsbezogenheit setzt voraus, dass die Löschung der Bewertungen sich ihrer objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus des Arztes richtet und diesen nicht nur reflexhaft beeinträchtigt. Hieran fehlt es, wenn die Löschungen ausschließlich der Qualitätswahrung dienen. Für Umstände, die die Betriebsbezogenheit begründen, zB, dass die Löschungen eine Vertragskündigung sanktionieren, trägt der Arzt die Darlegungs- und Beweislast. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die vom BGH für den Anspruch eines Arztes auf Löschung von Negativbewertungen entwickelten Grundsätze, dass für die Unrichtigkeit einer Bewertung der auf Löschung klagende Arzt darlegungs- und beweisbelastet ist, den Portalbetreiber aber eine sekundäre Darlegungslast trifft, sind auf den Anspruch auf Wiederveröffentlichung positiver Bewertungen entsprechend zu übertragen. Danach hat zunächst der klagende Arzt den behaupteten Rechtsverstoß hinreichend konkret zu rügen. Dies löst dann eine Prüfungspflicht der Beklagten aus, an die strenge Anforderungen zu stellen sind. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Rahmen des Anspruchs eines Arztes auf Wiederveröffentlichung gelöschter Negativbewertungen obliegt es zunächst dem klagenden Arzt, konkret, wenn auch ggf. anonymisiert, zur Validität jeder einzelnen Bewertung und zum jeweiligen Behandlungskontakt auszuführen. Hierzu ist er gehalten, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren anhand von Anhaltspunkten aus den betroffenen Bewertungen und mittels Durchsicht seiner Patientenkartei die Person des Bewertenden festzustellen oder zumindest einzugrenzen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Portalbetreiber genügt im Rahmen des Anspruchs auf Wiederveröffentlichung gelöschter Bewertungen seiner sekundären Darlegungslast, indem er vorträgt, wie und warum er zu der Auffassung gelangt ist, dass die Validität der streitgegenständlichen Bewertungen nicht gewährleistet sei. Dabei muss er keine näheren Einzelheiten des Prüfsystems und der Funktionsweise des Prüfalgorithmus offenlegen, weil die sekundäre Darlegungslast einer Partei nur im Rahmen des Zumutbaren besteht, was zur Folge hat, dass Betriebsgeheimnisse grundsätzlich nicht offenbart werden müssen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
6. Um Missbrauchsgefahren und deren unerwünschten Folgen für die Leistungstransparenz auf einem Bewertungsportal für medizinische Leistungen vorzubeugen und den ordnungsgemäßen Betrieb des Portals zu gewährleisten, ist es dem Betreiber zuzubilligen, Bewertungen im Verdachtsfall oder stichprobenhaft auf ihre Validität hin zu überprüfen und solche Bewertungen, deren Validität nicht feststeht, im Zweifel zu löschen, vorausgesetzt, die Löschung erfolgt nicht willkürlich. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
7. Zwischen einem Arzt und dem Betreiber eines Bewertungsportals für medizinische Leistungen als neutralem Informationsmittler besteht grundsätzlich kein konkretes Wettbewerbsverhältnis iSd UWG, weder ein unmittelbares noch ein mittelbares. Die mit dem Löschen positiver Bewertungen eines Arztes bewirkte Förderung des Wettbewerbs anderer Ärzte macht die Löschung nicht zu einer geschäftlichen Handlung des Portalbetreibers iSd § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die anderen Ärzte sind nur gleichsam reflexartig hierdurch in ihrem Marktstreben betroffen. (Rn. 47 – 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten.

Gründe

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt keine unzulässige Popularklage vor, weil der Kläger sich im Streitfall nicht eigenmächtig zum Sachwalter fremder Angelegenheiten macht, sondern ein – behauptetes – Recht als eigenes in Anspruch nimmt (vgl. dazu Musielak/Voit/Weth, ZPO, 16. Auflage, § 51 Rdnr. 14 und 16).
B. Die Klage ist nicht begründet.
I. Der mit Klageantrag Ziffer 1. geltend gemachte Anspruch auf Wiederveröffentlichung der zehn aus Anlage A ersichtlichen Nutzerbewertungen ist nicht aus §§ 280 Abs. 1, 3, 282, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB gegeben. Denn zwischen den Parteien bestand zwar jedenfalls bis zur Kündigung des „Premiumpakets Gold“ durch den Kläger zum 31.12.2018 ein vertragliches Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB mit entsprechenden Haupt- und Nebenleistungspflichten sowie den in § 241 Abs. 2 BGB besonders angesprochenen Verhaltenspflichten. Gegenstand dieses Vertrags war allerdings ausdrücklich nur die Ausgestaltung des Profils des Klägers auf dem Bewertungsportal der Beklagten, nicht aber die von Dritten im Hinblick auf den Kläger abgegebenen Bewertungen (vgl. Leistungsbeschreibung, Anlage K 3). Hierauf weist die Beklagte ihre Premiumkunden nach dem – insoweit unbestrittenen – Vortrag auf S. 13 bis 15 der Klageerwiderung (Bl. 37/39 d.A.) auch unmissverständlich hin, indem sie den Premiumkunden vor Vertragsabschluss etwa durch den Hinweis „Bitte beachten Sie: Ein Premium-Paket hat keinen Einfluss auf Ihre Bewertungen oder auf die Position Ihres Profils in der j…-Ärzteliste.“ klar zu verstehen gibt, dass die Buchung eines Premiumpakets keinerlei Auswirkungen auf den Umgang mit den Bewertungen hat. Der Umgang mit den Bewertungen Dritter wurde daher – der von der Beklagten angestrebten Neutralität ihres Bewertungsportals Rechnung tragend – explizit aus dem Vertragsverhältnis „Premiumpaket Gold“ ausgeklammert. Diesem Umstand ist aufgrund der Tatsache, dass er nach dem Inhalt des Vertrags für die Beklagte wesentlich ist und dazu auf objektiv verständlichen Erwägungen beruht, bei der Bestimmung von Umfang und Reichweite der gesetzlichen Schutzpflichten hinreichend Rechnung zu tragen. In der Konsequenz kann dieser Umstand in der vorliegenden Konstellation nicht Gegenstand der Pflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB sein.
II. Ein Anspruch des Klägers auf Wiederveröffentlichung der streitgegenständlichen Nutzerbewertungen besteht auch nicht aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB.
1. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist in der Rechtsprechung als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Es handelt sich um einen offenen Auffangtatbestand, der eine sonst bestehende Lücke schließen soll. Vorausgesetzt wird ein betriebsbezogener Eingriff in den geschützten betrieblichen Bereich. Inhalt und Grenzen des Schutzes einschließlich der Rechtswidrigkeit des Eingriffs ergeben sich aber, entsprechend der Natur als offener Tatbestand, erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphären (st. Rspr., vgl. etwa Palandt/Sprau, BGB, 78. Auflage, § 823 Rdnr. 133; BGH NJW 1983, 812; BGH NJW 1998, 2141).
2. Der Schutz des Betriebsinhabers gegen Beeinträchtigungen, der auch auf Art. 12 GG gründet, soll die ungestörte rechtmäßige Betätigung und Entfaltung eines funktionierenden Betriebs im Wirtschaftsleben sichern. Er umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den Betrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt und damit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht, also nicht nur den Bestand des Betriebs, sondern beispielsweise auch einzelne Erscheinungsformen, Geschäftsideen und Tätigkeitskreise, Kundenstamm und Geschäftsbeziehungen, Know-how und Goodwill. Geschützt sind im Falle eines unmittelbaren Eingriffs in ihre Berufstätigkeit auch Angehörige freier Berufe, die kein eigentliches Gewerbe betreiben, wie etwa Ärzte und Zahnärzte (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Auflage, § 823 Rdnr. 134).
3. Aber auch wenn das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Grundsatz alles schützt, was der unternehmerischen Betätigung und Entfaltung im Wirtschaftsleben dient, bedarf es zur Eingrenzung des Anspruchs einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs, der sich nach seiner objektiven Stoßrichtung gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten muss; erforderlich ist ferner eine Schadensgefahr, die über eine bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung hinausgeht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen (vgl. BGH NJW 1998, 2141; BGH NJW 1985, 1620).
4. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind zwar auch die streitgegenständlichen, zugunsten des Klägers abgegebenen Nutzerbewertungen grundsätzlich vom Schutz des klägerischen Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst, und liegt in der Löschung dieser zehn Bewertungen durch die Beklagte auch ein Eingriff in dieses Recht des Klägers. Mangels Betriebsbezogenheit und Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs sowie mangels einer relevanten Schadensgefahr besteht aber kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Wiederveröffentlichung dieser Bewertungen als auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatz.
Im Einzelnen:
a) Die für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB erforderliche Betriebsbezogenheit des Eingriffs ist im Streitfall nicht gegeben. Denn dass sich die Löschung der Bewertungen ihrer objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus des Klägers gerichtet und diesen nicht nur reflexhaft beeinträchtigt hat, vermochte der für den objektiven Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Auflage, § 823 Rdnr. 133 mit Verweis auf § 823 Rdnr. 80) nicht darzutun. Der insoweit unbestreitbar bestehende zeitliche Zusammenhang zwischen der Kündigung des „Premiumpakets Gold“ durch den Kläger und den Löschungen der Bewertungen durch die Beklagte allein reicht zum Beleg hierfür nicht, weil nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten auf S. 7 der Klagerwiderung (Bl. 31 d.A.) auch bereits vor dem 11.01.2018 einige positive Bewertungen des Klägers aufgrund eines negativ verlaufenden Prüfverfahrens seitens der Beklagten gelöscht worden waren, und weil auch der Kläger selbst auf S. 5 der Replik (Bl. 52 d.A.) hat vortragen lassen, dass er bereits seit Herbst 2017 den Verdacht gehegt habe, dass die Beklagte gelegentlich Bewertungen verändere oder lösche, ohne dies mitzuteilen. Ein etwaiger bestehender erster Anschein, dass die Löschung der Bewertungen eine Reaktion auf die Vertragskündigung des Klägers sein könnte, wird hierdurch beseitigt; weitere belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Löschung der Bewertungen nicht ausschließlich der Qualitätswahrung dienen, sondern vielmehr den Kläger sanktionieren sollten, sind von diesem aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b) Hinzu kommt, dass im Streitfall auch nicht von einer Rechtswidrigkeit des Eingriffs der Beklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers ausgegangen werden kann.
aa) Nach den in der Entscheidung BGH GRUR 2016, 855 – www.j….de für den Fall der von einem Arzt angestrebten Löschung einer negativen Bewertung aufgestellten Grundsätzen hat zunächst der klagende Arzt den behaupteten Rechtsverstoß hinreichend konkret zu rügen (Tz. 24 und 25). Die hinreichend konkrete Rüge einer behaupteten Rechtsverletzung löst sodann eine Prüfungspflicht der Beklagten aus (Tz. 37), an die strenge Anforderungen zu stellen sind (Tz. 39 bis 42), d.h. die Beklagte hat die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden zu übersenden und diesen zu einer qualifizierten Stellungnahme mitsamt der Übermittlung etwaiger Unterlagen anzuhalten (Tz. 43). Darlegungs- und beweisbelastet für die Unrichtigkeit der Bewertung ist demnach der klagende Arzt (Tz. 46), die Beklagte trifft allerdings eine sekundäre Darlegungslast (Tz. 47).
bb) Dieses für den Fall einer angestrebten Löschung von Negativbewertungen entwickelte höchstrichterliche Prüfschema ist auf die hiesige Konstellation, in der der Kläger die Wiederveröffentlichung positiver Bewertungen verlangt, entsprechend zu übertragen. Demnach hätte es zunächst dem Kläger oblegen, konkret, wenn auch ggf. anonymisiert, zum jeweiligen Behandlungskontakt und zur Validität jeder einzelnen Bewertung auszuführen. In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger auch nicht – wie in der mündlichen Verhandlung geschehen – darauf berufen, dass es ihm nicht möglich sei, hierzu im Einzelnen näher vorzutragen. Denn die in der Anlage A – auszugsweise – vorgelegten Bewertungen enthalten eine Reihe von Anhaltspunkten wie den Bewertungszeitpunkt, den Versicherungsstatus, teils auch den Wohnort, eine ungefähre Altersangabe oder Ausführungen zur Krankheitsgeschichte, anhand derer der Kläger die Person des Bewertenden feststellen oder zumindest eingrenzen hätte können. An einer entsprechenden Durchsicht seiner eigenen Patientenkartei wäre der Kläger auch nicht aus datenschutzrechtlichen Gründen gehindert, zumal er ausweislich seines als Anlage B 2 vorgelegten Schreibens in Absprache mit seinen Patienten dokumentiert, wann welcher Patient eine Bewertung bei dem Bewertungsportal der Beklagten abgegeben hat. Diesen höchstrichterlichen Anforderungen hat der Kläger im Streitfall nicht genügt, so dass im Weiteren schon keine sekundäre Darlegungslast der Beklagten besteht.
Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, hätte die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast vorliegend jedenfalls genügt. Denn die Beklagte hat im Einzelnen dazu vorgetragen, wie und warum sie zu der Auffassung gelangt ist, dass sie die Validität der streitgegenständlichen Bewertungen nicht gewährleisten könne. So hat die Beklagte ausgeführt, dass sie zur Qualitätswahrung und zur Validitätsprüfung der auf ihrem Bewertungsportal eingestellten Bewertungen einen automatischen, selbstlernenden Prüfalgorithmus einsetze, dessen Verdachtsmeldungen von ihrem aus 20 Mitarbeitern bestehenden Qualitätsmanagementteam nochmals geprüft würden. Nähere Einzelheiten ihres Prüfsystems und insbesondere die Funktionsweise des von ihr verwendeten Prüfalgorithmus brauchte die Beklagte nicht offenzulegen, weil die sekundäre Darlegungslast einer Partei nur im Rahmen des Zumutbaren besteht, was zur Folge hat, dass Betriebsgeheimnisse grundsätzlich nicht offenbart werden müssen (vgl. BGH GRUR 2012, 626 – CONVERSE I, Tz. 28). Darüber hinaus hat die Beklagte dazu ausgeführt, dass eine anschließend zur Prüfung der Validität der Bewertungen durchgeführte SMS-Verifikation im Hinblick auf acht der streitgegenständlichen Bewertungen negativ verlaufen sei, weshalb diese mit Blick auf die Entscheidung BGH GRUR 2016, 855 – www.j….de zu löschen gewesen seien. Hinsichtlich der beiden weiteren Bewertungen seien sodann sämtliche weiteren Versuche, mit dem Nutzer in Kontakt zu treten, gescheitert, weshalb letztlich auch diese Bewertungen gelöscht worden seien, weil sich deren Validität nicht bestätigen habe lassen. Diesen substantiierten Sachvortrag der Beklagten vermochte der für die Validität der Bewertungen beweisbelastete Kläger nicht zu widerlegen, und er hat auch auf andere Weise nicht belegen können, dass die in Rede stehenden Bewertungen – bei denen es sich im Übrigen auch nur zum Teil um sog. Alt-Bewertungen handelt – belastbar sind und damit deren Löschung rechtswidrig ist.
cc) Eine Rechtswidrigkeit des Eingriffs folgt schließlich auch nicht daraus, dass die Beklagte den Kläger vor der Löschung der in Rede stehenden Bewertungen nicht angehört hat. Denn es ist – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – Sache des Verfassers einer Bewertung, diese gegenüber der Beklagten zu verifizieren, und nicht des bewerteten Arztes, der für den Inhalt einer ordnungsgemäß abgegebenen Bewertung nicht verantwortlich ist.
c) Des Weiteren ist auch die Eingriffsintensität im Streitfall derart gering, dass eine relevante Schädigung des Klägers ausgeschlossen ist. Denn nach der Löschung der von der Beklagten als nicht valide eingestuften zehn Bewertungen blieben zum Profil des Klägers ausweislich der als Anlagenkonvolut K 6 b vorgelegten Internetausdrucke vom 18.01.2018 immer noch 51 Bewertungen abrufbar, und die Gesamtnote des Klägers sank durch die Löschung auch – anders als der Kläger vortragen lässt – nicht „deutlich“, sondern nur unmaßgeblich um 0,1 ab, nämlich von 1,5 am 11.01.2018 (vgl. Screenshots mit Stand: 11.01.2018, Anlage K 6 a) auf 1,6 am 18.01.2018 (vgl. Screenshots mit Stand: 18.01.2018, Anlage K 6 b). Und dass den gelöschten Bewertungen ein besonderer Inhalt innegewohnt hätte, der für den Kläger von essentieller Bedeutung gewesen wäre, hat dieser schon nicht behauptet und lässt sich den – nur auszugsweise vorgelegten – Bewertungen auch nicht entnehmen.
d) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass es gerade in Fällen der vorliegenden Art, wo es um einen „offenen“ Haftungstatbestand wie den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nach § 823 Abs. 1 BGB geht, einer einzelfallbezogenen Güterabwägung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zu beurteilenden Sachverhalts und der Bedeutung der sich gegenüberstehenden Grundrechte der Beteiligten bedarf (vgl. BGH NJW 1998, 2141), nämlich im Streitfall dem Recht auf freie Berufsausübung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG und der Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG auf Seiten des Klägers und der Meinungs- und Medienfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG sowie ebenfalls der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG auf Seiten der Beklagten, die sich als juristische Person des Privatrechts ebenfalls auf den entsprechenden Grundrechtsschutz berufen kann.
aa) Die genannten Grundrechte erschöpfen sich nicht in der Funktion des Abwehrrechts des Bürgers gegen den Staat, sondern entfalten als Grundrechte mittelbare Drittwirkung und beeinflussen hierdurch auch die Werteordnung des Privatrechts (vgl. dazu auch BGH GRUR 2014, 1228 – Ärztebewertung II, Tz. 26-28 und 32 ff.). Die kollidierenden Grundrechtspositionen des Klägers einerseits und der Beklagten andererseits sind mithin in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Die hierbei vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung und Abwägung kann dementsprechend nicht allein aus der Perspektive eines einzelnen Grundrechts vorgenommen werden, sondern hat sich auf den Ausgleich zwischen gleichberechtigten Grundrechtsträgern zu beziehen (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 – Metall auf Metall).
bb) Die gebotene Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Klägers an der Wiederveröffentlichung bestimmter Bewertungen die Interessen der Beklagten am ordnungsgemäßen Betrieb ihres Portals im Streitfall nicht überwiegen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass positive Bewertungen auf dem Internetportal der Beklagten für Ärzte – und gerade auch spezialisierte Ärzte mit einer bestimmten Fachausrichtung und einem entsprechend weiten Einzugsbereich – von hoher Bedeutung sind, weil das Bewertungsportal der Beklagten über eine erhebliche Breitenwirkung verfügt und die hierauf eingestellten Bewertungen Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch eines Arztes haben und die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, wodurch sie sich unmittelbar auf die Chancen des Arztes im Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirken. Weil aber die Missbrauchsgefahren und deren unerwünschte Folgen für die Leistungstransparenz auf dem Bewertungsportal der Beklagten nicht zu unterschätzen sind (so auch schon BGH GRUR 2016, 855 – www.j….de, Tz. 40), muss der Beklagten zugebilligt werden, Bewertungen entweder im Verdachtsfall oder auch stichprobenhaft auf ihre Validität hin zu überprüfen, um einen ordnungsgemäßen Betrieb ihres Portals zu gewährleisten. An einem solchen ordnungsgemäßen Betrieb besteht ein außerordentlich hohes Interesse der Allgemeinheit, denn die Öffentlichkeit hat ein erhebliches Interesse an Informationen über ärztliche Dienstleistungen, und gefälschte Bewertungen können mit gravierenden negativen Folgen für den ärztlichen Rat Suchenden verbunden sein. Es ist der Beklagten daher zuzugestehen, Bewertungen, deren Validität nicht feststeht, im Zweifel zu löschen, vorausgesetzt, die Löschung erfolgt nicht willkürlich, als Sanktion für eine Vertragskündigung des bewerteten Arztes oder zum Zwecke einer ungerechtfertigten Bevorzugung von dessen Mitbewerbern, wofür im Streitfall allerdings – wie bereits unter B.II.4.a) ausgeführt – keinerlei tragfähige Anhaltspunkte bestehen.
cc) Auf eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG beruft sich der Kläger nicht, und eine solche ist auch nicht ersichtlich, weil der Kläger durch das Fehlen der gelöschten Bewertungen nicht herabgewürdigt wird.
III. Der Anspruch des Klägers auf Wiederveröffentlichung der zehn streitgegenständlichen Bewertungen ist auch nicht aus §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 und 9 S. 1 UWG begründet.
1. Weil zwischen den Parteien kein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, ist schon der Anwendungsbereich des UWG nicht eröffnet.
a) Anspruchsberechtigt zur Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 3, 5 UWG ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG der Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, d.h. jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann. Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist daher anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH GRUR 2015, 1129 – Hotelbewertungsportal).
b) Die Mitbewerbereigenschaft eines Unternehmers lässt sich allerdings nicht abstrakt feststellen, vielmehr ist an die jeweilige konkrete geschäftliche Handlung anzuknüpfen. Sie entscheidet darüber, ob sich der handelnde Unternehmer zu einem anderen Unternehmer in Wettbewerb stellt. Der Mitbewerberbegriff des Lauterkeitsrechts ist also handlungsbezogen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 37. Auflage, § 2 Rdnr. 98 m.w.N.; Harte/Henning/Keller, UWG, 4. Auflage, § 2 Rdnr. 130). Erforderlich, aber auch ausreichend ist mithin, dass die geschäftliche Handlung eines Unternehmens die Angebots- und Nachfragestellung eines konkurrierenden Unternehmens negativ beeinflussen kann. Eine bloße Beeinträchtigung reicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem „Konkurrenzmoment“ im Angebots- und Nachfragewettbewerb fehlt (Harte/Henning/Keller, UWG, 4. Auflage, § 2 Rdnr. 133).
c) Anders als in dem der Entscheidung BGH GRUR 2015, 1129 – Hotelbewertungsportal zugrunde liegenden Sachverhalt wird vorliegend durch die hier inmitten stehende geschäftliche Handlung der Beklagten, nämlich das Bereithalten eines Ärztebewertungsportals, nicht der Wettbewerb des als Zahnarzt tätigen Klägers beeinträchtigt. Denn auch im vom BGH entschiedenen Fall boten die Parteien zwar keine gleichartigen Dienstleistungen an. Ausreichend war aber dort, dass durch die Bewertungen auf dem Hotelbewertungsportal der dortigen Beklagten die Attraktivität ihres mit dem Portal verknüpften Online-Reisebüros erhöht wurde, was wiederum den Absatz der Beherbergungsdienstleistungen des betroffenen Hotels der dortigen Klägerin beeinträchtigte (vgl. dazu auch Harte/Henning/Keller, UWG, 4. Auflage, § 2 Rdnr. 145). Vorliegend aber bietet die Beklagte weder ärztliche Dienstleistungen an noch vermittelt sie solche. Als bloße Portalbetreiberin tritt die Beklagte deshalb mit dem Kläger nicht in Wettbewerb.
d) Auch die Tatsache, dass die Beklagte interessierten Ärzten daneben auch die Möglichkeit bietet, im Rahmen kostenpflichtiger Premium-Angebote ihr Basisprofil auszugestalten, kann allenfalls zur Begründung eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses, nicht aber zur Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses genügen.
e) Und auch ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis unter dem Gesichtspunkt der Förderung fremden Wettbewerbs kann nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht angenommen werden. Denn allein durch die von der Beklagten angebotene Möglichkeit, durch Buchung eines kostenpflichtigen Premium-Angebots das ohnehin vorhandene Basisprofil des jeweils zu bewertenden Arztes auszugestalten, verlässt sie ihre Stellung als „neutraler“ Informationsmittler (anders als in dem der Entscheidung BGH GRUR 2018, 636 – Ärztebewertung III zugrunde liegenden Sachverhalt, wo die Beklagte durch die Art der Werbung, die sie zahlenden Ärzten auf ihrem Bewertungsportal angeboten hat, einzelnen Ärzten verdeckte Vorteile verschafft hat) – noch – nicht, weshalb die Förderung des Wettbewerbs anderer Unternehmer durch das Löschen positiver Bewertungen bei einem Unternehmer zu weit von einer Förderung fremden Wettbewerbs entfernt ist, um vom Vorliegen der Voraussetzungen einer geschäftlichen Handlung des Portalbetreibers im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG auszugehen. Es handelt sich vielmehr um einen Fall, in dem die anderen Unternehmer nur irgendwie – gleichsam reflexartig – in ihrem Marktstreben betroffen sind, was für die Förderung fremden Wettbewerbs nicht genügt (vgl. zum Ganzen auch Büscher in GRUR 2017, 433, 436, 438).
2. Im Übrigen liegt auch keine, jedenfalls aber keine wettbewerblich relevante Irreführung vor. Denn der hierfür beweisbelastete (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage, § 5 Rdnr. 1.240 ff.) Kläger konnte schon nicht dartun, dass die Beklagte valide Bewertungen gelöscht hat (siehe B.II.4.b) aa) und bb)). Darüber hinaus ist das Löschen von zehn Bewertungen bei einer noch verbleibenden erheblichen Anzahl von 51 Bewertungen bzw. das geringfügige Absinken der Gesamtnote von 1,5 auf 1,6 auch nicht dazu geeignet, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise – zu denen die Kammermitglieder als Durchschnittsnachfrager ärztlicher Dienstleistungen und zumindest potentielle Nutzer von Arztbewertungsportalen gehören – irrige Vorstellungen über die Qualität der vom Kläger angebotenen zahnärztlichen Dienstleistungen hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage, § 5 Rdnr. 1.171).
IV. Weil aus den genannten Gründen kein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht, ist auch der mit Klageantrag Ziffer 2. verfolgte Kostenerstattungsanspruch nicht begründet.
C. Soweit der nachgereichte Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.04.2019 anderes als bloße Rechtsausführungen enthält, war er gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 132 Rdnr. 4). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war insbesondere auch nicht im Hinblick auf die am 13.03.2019 von der Beklagten veröffentlichte Pressemitteilung veranlasst (vgl. dazu auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 156 Rdnr. 4 und 5), weil auch diese nicht zu einer Änderung der Darlegungs- und Beweislastverteilung im Streitfall führen würde. Denn anders als der Klägervertreter meint, schließt der im Verfahren gehaltene Vortrag der Beklagten, dass nämlich die Bewertenden in acht Fällen nicht und in zwei Fällen nicht weiter kontaktiert werden hätten können, nicht aus, dass es sich insoweit auch zugleich um manipulierte Bewertungen gehandelt habe; ein widersprüchlicher Sachvortrag der Beklagten lässt sich hieraus nicht konstruieren.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.
Dr. Hannamann
Vorsitzende Richterin
am Landgericht
Dr. Berger
Richter
am Landgericht
Holzner
Richterin
am Landgericht


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