IT- und Medienrecht

Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg bei Zahlung von Abschlägen von Arzneimittelrabatt

Aktenzeichen  M 18 K 14.5643

Datum:
7.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
GVG GVG § 17a Abs. 3 S. 2
BAPostG BAPostG § 26 Abs. 2
AMRabG § 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.

Gründe

I.
Die Klägerin ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts. Mit der Klage macht sie gegenüber der Beklagten die Zahlung von Abschlägen nach § 1 Satz 1 AMRabG geltend.
Hinsichtlich der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs wurde in der Klagebegründung im Wesentlichen ausgeführt, bei den Ansprüchen auf Arzneimittelabschläge nach den AMRabG handle es sich um öffentlich-rechtliche Ansprüche, die auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Arzneimittelbepreisung beruhten. Die Regelungen dienten dem im öffentlichen Interesse stehenden Ziel, Einsparungen in den Bereichen der Absicherung im Krankheitsfall zu erzielen, die ebenso wie die gesetzliche Krankenversicherung in der Vergangenheit besonders stark von Kostensteigerungen betroffen gewesen seien. Insofern würden Preisregulierungsvorschriften des SGB V auf die übrigen Kostenträger in Krankheitsfällen übertragen. Es stünden Arzneimittelabschläge im Streit, welche zugunsten einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts zu entrichten seien. Die Zahlung der Arzneimittelabschläge stehe überdies in unmittelbarem Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Leistungserbringung der Klägerin gegenüber ihren Mitgliedern.
Mit Schreiben vom 24. März 2015 beantragte die Beklagte,
die Klage an das Landgericht Traunstein zu verweisen.
Für die Geltendmachung der Abschläge gemäß § 1 Satz 1 AMRabG sei der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben. Es bestehe kein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten. Dies zeige bereits die Tatsache, dass die Klägerin ihre Ansprüche im Weg der Klage geltend mache. Bei den Regelungen des AMRabG handle es sich auch nicht um genuin hoheitliche bzw. staatliche Aufgaben. Die Regelungen verfolgten vielmehr den Zweck, die Gestaltung der Preise für Arzneimittel gegenüber den privaten Krankenkassen und den Beihilfeträgern durch die Pharmaunternehmen bzw. Arzneimittelhersteller zu regeln. Sonstige Träger der Beihilfe machten ihre Ansprüche vor den Zivilgerichten geltend. Auch nach der modifizierten Subjekttheorie seien die Regelungen des § 1 AMRabG nicht dem öffentlichen Recht zuzuordnen, da diese Regelung nicht nur Träger hoheitlicher Gewalt, sondern auch die privaten Krankenversicherungen berechtige.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2015 teilte die Klägerin mit, sie sei auch mit einer Verweisung an das Landgericht Traunstein einverstanden.
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2015 rügten die Bevollmächtigten der Beklagten erneut die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts. Da ein Verweisungsantrag der Gegenseite nicht gestellt sei, sei die Klage als unzulässig abzuweisen, was beantragt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Das Gericht hat gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab über die Zulässigkeit des beschrittenen Verwaltungsrechtswegs zu entscheiden, da die Beklagte die Zulässigkeit dieses Rechtswegs gerügt hat. Der Umstand, dass die Klägerin ihr Einverständnis mit einer Verweisung an das Zivilgericht erklärt hat, ist unbeachtlich, da die Zulässigkeit des Rechtswegs als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen ist.
Der Verwaltungsrechtsweg ist für die gegenständliche Klage zulässig.
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Die Art einer Streitigkeit – öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich – bestimmt sich, wenn wie hier eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (BVerwG v. 12.4.2013 Az. 9 B 37/12 – juris, Rn. 6, m. w. N.). Es kommt darauf an, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des öffentlichen Rechts geprägt wird, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (BVerwG v. 12.4.2013 a. a. O., m. w. N.). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann aber auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Gleichordnungsverhältnisse sind öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet (BayVGH v. 6.10.2014 Az. 7 C 14.1372 – juris, Rn. 10, m. w. N.). Da nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten entscheidet, ist der beschrittene Verwaltungsrechtsweg schon dann zulässig, wenn sich nicht offensichtlich, d. h. nach jeder rechtlichen Betrachtungsweise, ausschließen lässt, dass das Klagebegehren auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, für die dieser Rechtsweg eröffnet ist (BVerwG v. 4.3.2015 Az. 6 B 58/14 – juris, Rn. 11, m. w. N.).
Gemessen an diesen Vorgaben ist für die vorliegende Streitigkeit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Nach § 26 Abs. 2 BAPostG ist die … als betriebliche Sozialeinrichtung in ihrem Bestand geschlossen und wird mit dem Ziel der Abwicklung in der bestehenden Rechtsform einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts nach Maßgabe dieses Gesetzes und näherer Ausgestaltung durch die Satzung der … für die Bundesanstalt und die Postnachfolgeunternehmen durch die Bundesanstalt weitergeführt. Bei der Klägerin handelt es sich damit um eine Trägerin hoheitlicher Aufgaben.
Die Klägerin stützt den geltend gemachten Anspruch auf § 1 Satz 1 AMRabG. Nach dieser Vorschrift haben die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu gewähren.
Bei § 1 Satz 1 AMRabG handelt es sich, soweit die hoheitlich tätigen Beihilfeträger berechtigt wären, um eine öffentlich-rechtliche Vorschrift.
Dies indiziert zunächst der Umstand, dass die Abschläge entsprechend einer Regelung aus dem SGB V, also einer öffentlich-rechtlichen Norm, geregelt sind. Eine Entsprechung zu diesen Regelungen des SGB V ist auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3698, S. 60) ausdrücklich erwähnt. Die entsprechende Anwendbarkeit des SGB V genügt für sich genommen indes nicht, den Verwaltungsrechtsweg zu begründen, da mit § 1 Satz 1 AMRabG auch Unternehmen der privaten Krankenversicherung begünstigt werden.
§ 1 Satz 1 AMRabG begünstigt einerseits Unternehmen der privaten Krankenversicherung und andererseits hoheitliche Beihilfeträger. Diese Begünstigungen sind allerdings nicht miteinander vermengt, sondern bestehen parallel und voneinander unabhängig. In den Klageverfahren, in denen sich ein Beihilfeträger und ein privatrechtliches pharmazeutisches Unternehmen gegenüberstehen, wendet sich die Regelung des § 1 Satz 1 AMRabG auf der einen Seite damit ausschließlich an den Hoheitsträger. § 1 Satz 1 AMRabG berechtigt zwar auch private Krankenversicherungsträger, nicht aber in Rechtsverhältnissen, in denen gleichzeitig auch die hoheitlichen Beihilfeträger berechtigt werden. Die Regelung ist daher dahingehend zu verstehen, dass sie privatrechtlicher Natur ist, soweit die privaten Krankenversicherungen begünstigt werden und öffentlich-rechtlicher Natur, soweit die hoheitlichen Beihilfeträger begünstigt werden. Im erstgenannten Fall ist damit der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet, im letztgenannten Fall – und somit auch im vorliegenden Verfahren – der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten.


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