IT- und Medienrecht

Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 2017, 2018 und 2019, Tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, Nachgeordnete Organisation, Unterstützung eines bundesweiten Dachverbandes

Aktenzeichen  M 30 K 18.5358

Datum:
17.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45008
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVSG Art. 26
BayVSG Art. 3
BVerfSchG § 3
BVerfSchG § 4

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die klägerischen Anträge und Begehren waren entsprechend §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO auszulegen. Der Kläger verfolgt mit seinen zwei Klageanträgen vier Streitgegenstände. Der erste Klageantrag richtet sich gegen die vergangene und aus Klägersicht drohende Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Beklagten; während sich der zweite Klageantrag lediglich auf Unterlassung der Behauptung „der Kläger sei der IGD/DMG in Deutschland nachgeordnet und/oder werde ihr zugerechnet bzw. es bestünden Verbindungen“ in den vergangenen und zukünftigen Verfassungsschutzberichten beschränkt. Dies hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung mit seiner abgegebenen Klarstellung deutlich gemacht (vgl. S. 7 des Protokolls der mündlichen Verhandlung). Damit verfolgt der Kläger sowohl allgemeine als auch vorbeugende Unterlassungsklagen. Zwar sind alle Unterlassungsklagen gegen künftige Beeinträchtigungen gerichtet und daher im weitesten Sinne vorbeugend (vgl. Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. Ergänzungslieferung Juli 2020, § 42 Abs. 1 Rn. 162; BVerwG, U.v. 8.9.1972 -IV C 17/71 – BVerwGE 40, 323/326). Eine „vorbeugende Unterlassungsklage“ im engeren – hier verwendeten – Sinne liegt aber für solche Unterlassungsklagen vor, die eine erstmals drohende Beeinträchtigung abwehren, während die „allgemeine Unterlassungsklage nach schon erfolgter Beeinträchtigung zukunftsgerichtet weitere Beeinträchtigungen abwehren will (Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, a.a.O.). Soweit die Klage im ersten Klageantrag eine in der Vergangenheit zurückliegende Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 sowie zukünftige Erwähnungen auf den in der Vergangenheit veröffentlichten Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 zugrundeliegenden Erkenntnissen angreift, stellt sie ein allgemeines Unterlassungsbegehren dar, weil insoweit klägerseits eine in der Vergangenheit begangene Rechtsverletzung, die sich gegenwärtig und zukünftig noch auswirkt, vorgetragen wird. Soweit sich der Kläger bereits wegen einer von ihm befürchteten zukünftigen Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten 2020 f. auf der Grundlage etwaiger neuer Erkenntnisse zur Wehr setzen will, verfolgt dieser eine vorbeugende Unterlassungsklage, da insoweit beklagtenseits noch keine Rechtsverletzung vorliegt. Gleiches gilt für den – vom Umfang her beschränkten – zweiten Klageantrag.
II.
Die allgemeinen Leistungsklagen sind zulässig aber unbegründet.
1. Die Klage ist im Klageantrag zu a) als allgemeine Unterlassungsklage zulässig, soweit sich dieser gegen die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten 2017, 2018 und 2019 wendet. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis ist hierfür, anders als bei der vorbeugenden Unterlassungsklage, aufgrund des bereits erfolgten und fortdauernden Grundrechtseingriffs nicht erforderlich.
2. Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu a) unbegründet. Dem Kläger steht kein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 zu.
2.1 Der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch, der in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wurzelt und allgemein anerkannt ist (BVerwG, B.v. 27.3.1996 – 8 B 33.96 – juris), setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen droht. Die Grundrechte schützen den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, so dass er, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen kann (für eine muslimische Vereinigung: BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – juris Rn 13; für den Landesverband einer Partei: BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1320 – juris Rn. 28, 29, rechtskräftig nach BVerwG, B.v. 24.3.2016 – 6 B 5.16 – juris).
Vorliegend ist der Kläger in seinen grundgesetzlich geschützten Rechtspositionen, wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. hierzu BVerwG, U.v. BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – juris 6) sowie der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG, der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, der Vereinigungsfreiheit Art. 9 Abs. 1 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit Art. 2 Abs. 1 GG, betroffen. Als eingetragener Verein kann er sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf diese Grundrechte berufen (vgl. Remmert in Maunz/Düring, GG, 91. EL April 2020 Rn. 102 m.w.N.). Der Kläger stellt eine Begegnungsstätte für gläubige Muslime dar, hält zusammen mit verschiedenen Imamen Gottesdienste ab und betätigt sich im Gemeinwesen. Auch wurde ihm die Gemeinnützigkeit aufgrund der Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten aberkannt.
Die Berichterstattung über den Kläger in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 stellt sich auch als (rechtfertigungsbedürftiger) Grundrechtseingriff dar. Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren und stammt von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen arbeitenden Stelle. Insofern geht eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an der öffentlichen Meinungsbildung hinaus (BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13/07 – juris Rn. 15). Die Ausführungen im Verfassungsschutzbericht haben den Charakter einer Warnung vor dem Kläger und der von ihr angebotenen Veranstaltungen. Der Kläger wird durch die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten zwar nicht daran gehindert, seine Wirkungsstätte weiter zu betreiben. Seine Wirkungsmöglichkeiten werden jedoch durch den Verfassungsschutzbericht nachteilig beeinflusst. Potenzielle Gläubige und Interessierte können davon abgehalten werden, die Veranstaltungen des Klägers aufzusuchen und mit ihr in Kontakt zu treten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass etwa Gläubige oder ehrenamtliche Vereinigungen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht zum Anlass nehmen, sich von dem Kläger abzuwenden und der Kläger Schwierigkeiten bei öffentlichen Auftritten, wie etwa Spendensammlungen, zu erwarten hat, indem ihm – vom Gemeinwesen aber auch Privatpersonen – Räumlichkeiten oder Dienstleistungen nicht oder unter erschwerten Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Diese Beeinträchtigungen sind in seinen Wirkungen daher mit einem Eingriff im klassischen Sinn vergleichbar.
2.2 Auch die weitere Voraussetzung für die Begründetheit einer Klage, mit der ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog geltend gemacht wird, wonach eine künftige Beeinträchtigung des in Frage stehenden Rechts drohen muss, ist hier erfüllt. Dies erfordert eine auf Tatsachen gestützte, objektive ernstliche Gefahr alsbaldiger weiterer, nicht zu duldender Störungen (Wiederholungsgefahr; Jauernig/Berger, BGB, 16. Aufl. 2015, § 1004 Rn. 11). Eine solche Gefahr besteht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch. Die durch die Verfassungsschutzberichte 2017 bis 2019 eingetretenen Grundrechtseingriffe haben sich weder erledigt, noch ist eine fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung durch diese – weiterhin veröffentlichten und insbesondere im Internet allgemein zugänglichen – Berichte ausgeschlossen. Für die Einschätzung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit ist zwar regelmäßig der aktuelle Verfassungsschutzbericht maßgeblich, weil der Verfassungsschutz im jeweils neuesten Bericht die Öffentlichkeit über die aktuellen Ergebnisse der Beobachtung der im Verfassungsschutzbericht genannten Organisationen, ihrer Mitglieder und Unterstützer informiert (BayVGH, B.v. 16.7.2010 – 10 CE 10.1201 – juris Rn. 13 m.w.N. und BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1320 – juris Rn. 31). Ist aber auch ein vorangegangener Bericht weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich – wie dies hier in elektronischer Form der Fall ist -, so wirkt eine Grundrechtsverletzung trotz einer jährlichen Neuerscheinung des Verfassungsschutzberichts fort. Es droht daher in Bezug auf die neuerliche Berichterstattung die Gefahr einer Wiederholung.
2.3 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit sind nicht unbeschränkt gewährleistet, sie finden ihre Schranke in Art. 26 BayVSG. Es geltend die folgenden rechtlichen Maßstäbe:
Die Religionsfreiheit steht zwar nicht unter einem Gesetzesvorbehalt, Schranken können sich aber aus dem Verfassungsrecht selbst ergeben (Germann in Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 44. Edition Stand 15.08.2020, Art. 4 Rn. 47 f.). Vorliegend ist dies die Verfassungsordnung als Ganzes in ihrer Gestalt als freiheitliche demokratische Grundordnung. Der Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ist durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung konkretisiert worden. Sein Regelungsgehalt kann nicht durch einen pauschalen Rückgriff auf Art. 79 Abs. 3 GG bestimmt werden, sondern beschränkt sich auf die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat schlechthin unverzichtbaren Grundsätze; dabei steht das Prinzip der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) im Vordergrund, das durch die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit näher ausgestaltet wird (BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – NJW 2017, 611/618 Rn. 529). Die freiheitliche demokratische Grundordnung beschränkt sich auf diejenigen Prinzipien, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit gewährleisten und aus acht Elementen besteht: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – NJW 2017, 611/618 Rn. 531).
Gleiches gilt für die Vereinigungsfreiheit. Auch diese steht nicht unter einem Gesetzesvorbehalt, weshalb sich die Schranken vorliegend – wie bei der Religionsfreiheit – aus dem Verfassungsrecht – hier (worauf auch Art. 9 Abs. 2 GG hinweist) die freiheitlich demokratische Grundordnung – selbst ergeben.
Die Meinungsfreiheit findet ihre Schranken entsprechend Art. 5 Abs. 2 GG insbesondere in den allgemeinen Gesetzen. Allgemein sind Gesetze, die sich nicht gegen das Grundrecht an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfG, B.v. 14.1.1998 – 1 BvR 1861 u.a. – BVerfGE 97, 125, 146 = juris Rn. 114; stRspr). Art. 26 Abs. 1 und 2 BayVSG ist ein solches allgemeines Gesetz. Die dort enthaltene Ermächtigung zur Information der Öffentlichkeit in Verfassungsschutzberichten zum Zweck der Aufklärung über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten dient, wie die Bezugnahme auf Art. 3 BayVSG zeigt, dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Bund und Ländern. Die Ermächtigung ist weder gegen eine bestimmte Meinung noch gegen den Prozess der freien Meinungsbildung oder gegen freie Information als solche gerichtet, sondern zielt auf die Wahrung eines allgemein in der Rechtsordnung, hier der Verfassung, verankerten Rechtsguts, dessen Schutz unabhängig davon ist, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise gefährdet oder verletzt wird (BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 60 zum damaligen § 15 Abs. 2 VSG NW; BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 20 zum damaligen Art. 15 BayVSG a.F.).
Die allgemeine Handlungsfreiheit steht unter einfachem Gesetzesvorbehalt (stRspr. BVerfG seit U.v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56 – BVerfGE 6/32 ff.; Lang in Epping/Hillgruber, BeckOK, GG, 44. Edition Stand 15.08.2020, Art. 2 Rn. 24 m.w.N.). Selbiges gilt grundsätzlich – wenngleich mit einer wesentlich strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung – für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Lang in Epping/Hillgruber, BeckOK, GG, 44. Edition Stand 15.08.2020, Art. 2 Rn. 52 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund ist der Eingriff in die grundrechtlich geschützten Positionen des Klägers nicht rechtswidrig. Er ist vielmehr durch Art. 26 Abs. 1 und 2 BayVSG und die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Verfassungsschutzberichte gerechtfertigt, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass der Kläger entsprechend Art. 3 BayVSG i.V.m. § 4 Satz 2 BVerfSchG aufgrund nachdrücklicher Unterstützungshandlungen für einen Personenzusammenschluss handelt, welcher Bestrebungen nach Art. 3 BayVSG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 BVerfSchG verfolgt.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob bei dem Kläger tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, ist die Sach- und Rechtslage bei Vornahme der Maßnahme, hier der Veröffentlichung der Verfassungsschutzberichte 2017 bis 2019 jeweils erschienen im April 2018, Mai 2019 bzw. April 2020 (BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1320 – juris Rn. 33; Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BVerfSchG §§ 3, 4 Rn. 135 für Beobachtungsmaßnahmen).
Zwar ist bei einem Unterlassungsanspruch grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht ergibt, dass ein anderer Zeitpunkt maßgeblich ist (vgl. Kopp, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 41). Denn das materielle Recht entscheidet, ob eine der behördlichen Maßnahme nachfolgende Änderung der Sach- und Rechtslage Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns hat. Die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten gibt die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts vorliegenden Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden wieder, so dass folglich darauf abzustellen ist, ob die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte die Berichterstattung tragen (BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 33). Allerdings sieht sich das Gericht durch diesen Grundsatz nicht daran gehindert, auch (Anknüpfungs-)Tatsachen – zu Lasten wie zu Gunsten des Klägers – in den Blick zu nehmen, die erst aus der Zeit nach der Veröffentlichung der einzelnen Verfassungsschutzberichte resultieren, solange sie bereits an – zeitlich vor der jeweiligen Veröffentlichung – früher festgestellte Tatsachen anknüpfen oder Rückschlüsse auf diese ermöglichen (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 23).
Nach Art. 26 Abs. 1 und 2 BayVSG unterrichten das zuständige Staatsministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 BayVSG i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 BVerfSchG. Bei dem Begriff des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.
Nach Art. 3 BayVSG i.V.m. § 3 BVerfSchG hat das Landesamt für Verfassungsschutz u.a. die Aufgabe, Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, zu beobachten. Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayVSG in § 4 Abs. 1 und 2 BVerfSchG definiert. Danach gehört zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insbesondere auch die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten. Der Begriff „Bestrebungen“ selbst ist im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz nicht definiert. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayVSG verweist hierfür vielmehr auf die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG. Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen nach § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsatz zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Entsprechend § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG handelt für einen Personenzusammenschluss, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Danach fallen darunter politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sowohl von Gruppierungen als auch von Einzelpersonen ausgehen können; vom Begriff Gruppierung werden sowohl unorganisierte Gruppen als auch jede Form einer Organisation einschließlich einer politischen Partei umfasst (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 zu Art. 3 Abs. 1 BayVSG a.F.). Bestrebungen in diesem Sinne erfordern damit ein aktives, nicht notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen, also äußerlich feststellbare Aktivitäten wie z.B. öffentliche Auftritte, Veranstaltungen und Bekundungen. Diese Aktivitäten bzw. Handlungen müssen auch eine gewisse Zielstrebigkeit aufweisen, also auf die Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sein. Schließlich müssen die betreffenden Bestrebungen politisch bestimmt und damit objektiv geeignet sein, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten (zum Begriff der Bestrebungen vgl. Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BVerfSchG §§ 3, 4 Rn. 14 ff. m.w.N.; BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22.09 – juris Rn. 59 f.). Erfasst sind damit (nur) Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Durchsetzung eines solchen Ziels gerichtet sind. Die bloße Kritik an Verfassungswerten ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen, wohl aber darüber hinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung (BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 70). Die Aktivitäten müssen auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein (BVerwG, U.v. 21.7.2010 – BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22.09 -juris Rn. 59 f.).
Nachdrückliche Unterstützungshandlungen i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG definieren sich wie folgt: Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Personenzusammenschlusses auswirkt, zum Beispiel Tätigkeiten, die die innere Organisation und den Zusammenhalt des Personenzusammenschlusses, seinen Fortbestand oder die Verwirklichung seiner Bestrebungen fördern und damit seine potenzielle Gefährlichkeit festigen und sein Gefährdungspotenzial stärken (BVerwG, U.v. 15.3.2005 – 1 C 26/03 – BVerwGE 123, 114/124; U.v. 22.2.2007 – 5 C 20/05 – BVerwGE 128, 140/143; U.v. 20.3.2012 – 5 C 1/11 – BVerwGE 142, 132 Rn. 19; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9/12 – BVerwGE 147, 261 Rn 15; U.v. 27.7.2017 – 1 C 28/16 – BVerwGE 159, 270 Rn. 21; VGH Mannheim, B.v. 8.12.2010 – 11 S 2366/10 – NVwZ-RR 2011, 298). Zu nennen sind etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung der betreffenden Bestrebung, Unterstützungsaufrufe und sonstige Werbemaßnahmen, Mitgliederwerbung, die Gewährung finanzieller Unterstützung, z. B. Spendenzahlung und Spendeneinwerbung (BayVGH, U.v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805 – juris Rn. 32; VG Gießen U.v. 3.5.2004 – 10 E 2961/03 – juris Rn. 37). Nachdrücklich ist die Unterstützung, wenn sie für den Personenzusammenschluss von bedeutendem Gewicht ist (Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BVerfSchG, § 4 Rn. 35). Unerheblich ist, ob die Unterstützung einen beweis- oder messbaren Nutzen hat, da dieser Begriff ganz allgemein keinen durch den Täter verursachten messbaren Nutzen voraussetzt und ein solche Nutzen sich im Rahmen der Beweisaufnahme mangels handhabbaren und verlässlichen Maßstab nicht feststellen ließe (BVerwG, U.v. 15.3.2005 – 1 C 26/03 – BVerwGE 123, 114/125; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9/12 – BVerwGE 147, 261 Rn 15; BGH, U.v. 30.10.1964 – 3 StR 45/64 – BGHSt 20, 89/90; U.v. 10.3.2005 – 3 StR 245/04 – NJW 2005, 2164/2165).
Zusätzlich hat der Gesetzgeber mit der Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 26 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 6.4.2006 – 3 B 3. 99 – juris) klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 26 m.w.N. zu Art. 15 Satz 1 BayVSG a.F.). Damit verlangt diese Befugnisnorm einerseits gerade noch keine Gewissheit über das Vorliegen von Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (vgl. auch BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22.09 – juris Rn. 28 zur insoweit vergleichbaren Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG). Andererseits wird mit dem tatbestandlichen Erfordernis tatsächlicher Anhaltspunkte klargestellt, dass bloße Vermutungen oder ein bloßer Verdacht nicht ausreichen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22.09 – juris Rn. 30; BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 33). Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz kennt damit keine sog. „Verdachtsberichterstattung“. Unterschiedliche Kategorien oder Stufen der Unterrichtung der Öffentlichkeit im Verfassungsschutzbericht, nämlich die Unterrichtung über „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen“ und die Unterrichtung über „feststehende verfassungsfeindliche Bestrebungen“ im Sinn eines Erwiesenseins, finden in Art. 26 BayVSG keine rechtliche Stütze (BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 26 m.w.N. zu Art. 15 Satz 1 BayVSG a.F.).
Diese Differenzierung und besondere Form einer Berichterstattung basiert auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2005 – 1 BvR 1072/01 der § 15 Abs. 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen in der damals geltenden Fassung zugrunde lag. Nach dieser Norm darf die Verfassungsschutzbehörde Verfassungsschutzberichte zum Zweck der Aufklärung der Öffentlichkeit über Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes veröffentlichen; danach wird als Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bezeichnet, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen vorliegen. Ausgehend von dieser gesetzlichen Regelung, die sich von Art. 26 Abs. 1 BayVSG allerdings durch den Zusatz „den Verdacht solcher“ unterscheidet, kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass dann, wenn die Verfassungsschutzbehörde (nur) von tatsächlichen Anhaltspunkten für einen Verdacht von Bestrebungen ausgegangen ist, sie die betreffende Gruppierung im Verfassungsschutzbericht nicht auf die gleiche Stufe stellen darf wie eine Gruppierung, für die sie bereits verfassungsfeindliche Bestrebungen positiv festgestellt hat. Eine Aussage dahingehend, bei welchen Voraussetzungen die Schwelle für eine Berichterstattung über Bestrebungen einer Gruppierung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung überschritten wird, ist damit aber nicht getroffen worden (BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 36). Diesbezüglich hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass das jeweilige Verfassungsschutzgesetz in formeller Hinsicht eine Ermächtigung aussprechen muss, ob es nur eine Berichterstattung über Fälle zulässt, in denen Gewissheit über verfassungsfeindliche Bestrebungen besteht, oder auch zu einer Berichterstattung in Fällen befugt, in denen tatsächliche Anhaltspunkte erst einen dahingehenden Verdacht begründen (BVerwG, U.v. 26.6.2013 – 6 C 4.12 – juris Rn. 12). Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz bezeichnet seinem Wortlaut nach eindeutig (schon) das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung als Berichtsgegenstand (so auch BVerwG, U.v. 26.6.2013 – 6 C 4.12 – juris Rn. 13; zur Frage, ob dies unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im Bericht klarzustellen ist: vgl. 3.).
Bei dem Begriff des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (BVerwG, U.v. 17.10.1990 – 1 C 12.88 – juris Rn. 26). Dies gilt sowohl für das Vorliegen der tatsächlichen Anhaltspunkte als auch für die daraus gezogene Schlussfolgerung (Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, §§ 3, 4 BVerfG Rn. 135). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt damit nicht nur die Richtigkeit der verfassungsschutzbehördlichen Tatsachenfeststellungen als solche, sondern auch die Richtigkeit der hieraus gezogenen Schlussfolgerung, dass diese Tatsachen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Berichterstattung begründen.
2.4 Unter Zugrundelegung dieser rechtlicher Maßstäbe enthalten die vom Beklagten im Verfahren vorgelegten Beweismittel und Informationen gemäß Art. 26 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG ausreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 BayVSG i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1; 4 BVerfSchG. Auch tragen die vorgelegten Beweismittel und Informationen die in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 vorgenommene Einordnung des Klägers unter den Begriff des „Islamismus“ inhaltlich.
Die Berichterstattung über den Kläger in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 ist hinsichtlich der dort angeführten Tatsachen und der aus ihnen zu ziehenden Schlussfolgerungen gerechtfertigt. Die (angegriffenen) Feststellungen sind in tatsächlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (2.4.1). Der Kläger unterstützt die IGD/DMG nachdrücklich i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG, weshalb seine Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten nicht nur sachlich zutreffend ist, sondern darüber hinaus den Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG in rechtlicher Hinsicht gerecht wird (2.4.2).
2.4.1 Die in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 getätigten Äußerungen des Beklagten, der Kläger sei der IGD nachgeordnet (Verfassungsschutzbericht 2017 – 2.4.1.1) bzw. sei dieser wegen bestehender Verbindungen zur DMG und muslimbruderschaftsnahen Organisationen der DMG zuzurechnen (Verfassungsschutzberichte 2018 und 2019 – 2.4.1.2) sind nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger vorträgt, das Gericht müsse bei der Auslegung des im Verfassungsschutzbericht 2017 verwendeten Begriffs „nachgeordnet“ die sog. „Stolpe-Rechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen, wonach ein Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer mehrdeutigen Meinungsäußerung, die das Persönlichkeitsrechts eines anderen verletzte, nicht allein deshalb ausscheide, weil die Meinungsäußerung auch eine andere Deutungsvariante zulasse, die zu keiner Persönlichkeitsverletzung führe (vgl. BVerfG, B.v. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 – juris), ist dem nicht zu folgen. Die Grundsätze der „Stolpe-Rechtsprechung“ sind vorliegend nicht anwendbar; vielmehr gelten die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zum staatlichen Informationshandeln (zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen staatlichen Informationshandelns siehe: BVerfG, U.v. 9. Juni 2020 – 2 BvE 1/19 – juris; B.v. 21.2.2018 – 1 BvF 1/13 – juris; B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 u. 1 BvR 1428/91 – juris; B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – juris; B.v. 15.8.1989 – 1 BvR 881/89 – juris). Anders als beim staatlichen Informationshandeln kollidieren in der der „Stolpe-Entscheidung“ zugrundeliegenden Konstellation zwei Grundrechte – nämlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Meinungsfreiheit – miteinander, welche im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen sind (vgl. BVerfG, B.v. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 – juris Rn. 33 ff.). Im Rahmen staatlichen Informationshandelns liegt aber mangels Grundrechtsfähigkeit des Beklagten schon keine Notwendigkeit vor, die Meinungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht in schonenden Ausgleich zu bringen. Vielmehr hat sich der Beklagte an den verfassungsgerichtlichen Grundsätzen zum staatlichen Informationshandeln zu halten – dem Gebot der Richtigkeit und Sachlichkeit (BVerfG, U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 52; B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 u. 1 BvR 1428/91 – juris Rn. 59 ff.). Das staatliche Informationshandeln unterliegt dabei auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Willkürverbot, woraus abzuleiten ist, dass mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden müssen und Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen (BVerfG, B.v. 15.8.1989 – 1 BvR 881/89 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 5 ZB 17.340 – juris Rn. 28).
Soweit es um die Frage der Unterlassung oder der Rechtswidrigkeit von Äußerungen geht, ist zu differenzieren, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Werturteile handelt. Tatsachenbehauptungen liegen dann vor, wenn der Aussage beweisbare Vorgänge zugrunde liegen, die Richtigkeit der Äußerung also durch eine Beweiserhebung objektiv festgestellt werden kann. Meinungsäußerungen sind demgegenüber ihrem wesentlichen Inhalt nach durch Elemente des Meinens, Dafürhaltens oder Wertens gekennzeichnet und deshalb einem objektiven Richtigkeitsbeweis nicht zugänglich (BayVGH, U.v. 31.7.1997 – 4 B 96.1291, UA S. 6 f. m.w.N.; VG München, U.v. 8.12.2016 – M 10 K 14.4106 – juris Rn. 34). Vermischen sich beide Elemente in einer Äußerung und lassen sie sich nicht ohne Veränderung des Aussagegehalts voneinander trennen, ist nach dem Schwerpunkt der Äußerung – Überwiegen der Wertung oder der Information über Tatsächliches – abzugrenzen (BayVGH, B.v. 24.5.2006 – 4 CE 06.1217 – juris Rn. 25; U.v. 25.10.1995 – 4 B 94.4010 mit Verweis auf BGH, U.v. 9.12.1975 – VI ZR 157/73, NJW 1976, 620/621; VG München, U.v. 8.12.2016 – M 10 K 14.4106 – juris Rn. 34). Während Tatsachenbehauptungen in der Regel zulässig sind, wenn sie bei objektiver Überprüfung zutreffen, müssen sich Werturteile an allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, vor allem an dem Willkürverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, messen lassen; das Sachlichkeitsgebot verlangt bei der Verwendung von Werturteilen, dass die getätigte Äußerung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruht und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreitet (BVerfG, B.v. 15.8.1989 – 1 BvR 881/89 – juris Rn. 7 u. 15; BVerwG, B.v. 11.11.2010 – 7 B 54.10 juris Rn. 14 f.; U.v. 23.5.1989 – 7 C 2.87 – juris Rn. 58; BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 5 ZB 17.340 – juris Rn. 28). Dieses Erfordernis des Vorliegens sachlicher Anhaltspunkte bedeutet, dass bloße Vermutungen oder ein bloßer Verdacht nicht ausreichen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen müssen (BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 5 ZB 17.340 – juris Rn. 29 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 26).
2.4.1.1 Die Erwähnung des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2017, der Kläger sei der IGD nachgeordnet, ist nicht zu beanstanden.
Der in diesem Zusammenhang zentrale Begriff „nachgeordnet“ meint vorliegend nicht, wie es der Beklagte nach seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung verstanden wissen will, eine Nachordnung im Sinne einer „organisatorischen Untergliederung ohne Weisungsgebundenheit“, sondern ist im Sinne einer „dem Rang oder der Befugnis nach gegebene Unterordnung oder Unterstellung“ zu verstehen; Synonym hierfür sind auch die Begriffe „nachrangig“, „untergeordnet“ oder „unterstellt“ (vgl. Duden, https://www.rechtsschreibung/nachgeordnet – Stand. 16.12.2020). Dies ergibt sich auch aus der Verwendung des Begriffs in dem Verfassungsschutzbericht 2017. So taucht der Begriff „nachgeordnet“ fünfmal im Verfassungsschutzbericht auf. Zum ersten Mal auf Seite 17, auf welcher der Bericht den Leser darauf aufmerksam macht, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz dem Bayerischen Staatsministerium des Inneren und für Integration unmittelbar nachgeordnet sei. Das Landesamt ist dem Staatsministerium entsprechend der oben dargestellten Definition weisungsabhängig unterstellt. Entsprechend ist der Begriff „nachgeordnet“ auch an den weiteren vier Stelle im Verfassungsschutzbericht zu verstehen. Der Bericht verwendet weder den Begriff der „Weisungsgebundenheit“ noch die Begriffe „weisungsgebunden“ oder „weisungsabhängig“. Es finden sich aber die Begriffe „Untergliederungen“ und „untergliedert“ wieder. Wenn es dem Beklagten darauf ankam, den Kläger als nachgeordnet im Sinne einer „organisatorischen Untergliederung ohne Weisungsgebundenheit“ darzustellen, so hätte dies folgerichtig mit dem Begriff der Untergliederung erfolgen müssen.
Bei dem Begriff „nachgeordnet“ handelt es sich darüber hinaus um eine Tatsache, weil beweisbare Vorgänge zugrunde liegen und die Richtigkeit der Äußerung durch eine Beweiserhebung objektiv festgestellt werden kann.
An dieser Begriffsauslegung gemessen, ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass aufgrund der nachfolgenden Aspekte, welche sich aus den vom Kläger nicht substantiiert bestrittenen Tatsachenvortag des Beklagten ergeben, die Bezeichnung des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2017 als der IGD nachgeordnet nicht zu beanstanden ist.
Der erste Aspekt betrifft die zivilrechtlichen Verpflichtungen des Klägers, insbesondere den zwischen ihr und der DMG bestehenden Pachtvertrag zu einem symbolischen Pachtzins von EUR 1,00 sowie dem Umstand, dass der Kläger umfangreiche Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten durchführen ließ. Die Aussage des damaligen Präsidenten der IGD A im überwachten Telefonat vom … Juni 2007 zeigt eindeutig und unmissverständlich, dass der Kläger trotz formaler Unabhängigkeit als eigenständiger Verein das Grundstück nur solange von der DMG überlassen bekommt, wie er sich innerhalb der Strukturen der DMG bewegt und entsprechend verhält. Damit erscheint der klägerische Vortrag hierzu nicht glaubhaft. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger umfangreiche Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten durchführen lässt, wenn er sich eigentlich von der DMG vertraglich lösen möchte. Zwar mag es auf dem … Wohnungsmarkt nicht ohne weiteres möglich sein, geeignete Räumlichkeiten auf Anhieb zu mieten, weshalb jedenfalls in den ersten Jahren eine Übernahme der Sanierungs- und Renovierungskosten noch nachvollziehbar erscheinen würde. Vorliegend hat der Kläger aber auch nach einer Zeitdauer von weit über 10 Jahren die Anmietung anderer, geeigneter Räumlichkeiten nicht in die Wege geleitet. Stattdessen trägt er weiterhin sämtliche Lasten für das Grundstück. Ebenso wenig nachvollziehbar ist der Umstand, dass die DMG dem Kläger ihr Grundstück für einen symbolischen Pachtzins von EUR 1,00 überlässt, wenn der Kläger sich von ihr zu lösen versucht.
Auch die Auflistung des Klägers auf der Internetseite der IGD bis zum Juli 2016 sowie die bis Februar 2013 auffindbare Aussage über den käuflichen Erwerb des IZ… sprechen dafür, dass die IGD der Überzeugung war, dass der Kläger ein Teil ihrer Organisation ist. Hinzu kommt, dass der Kläger, wenn er diese Behauptungen für unwahr hält, sich hiergegen weder rechtlich noch auf sonstige Weise zur Wehr setzte.
Der zweite Aspekt betrifft die Verbindungen der bei dem Kläger tätigen bzw. von ihm willkommen geheißenen Personen mit der DMG und ihren Strukturen. Diese Verbindungen können zwar nicht als voller Beweis für eine Nachordnung, aber zumindest als hinreichend starkes Indiz hierfür herangezogen werden. Sie belegen, dass wichtige und zum Teil leitende Positionen bei dem Kläger (Vorsitzender, Aufsichtsratsvorsitzender, Imam, Kassenwart, etc.) mit Personen besetzt wurden und weiterhin besetzt sind, die Beziehungen zur DMG und ihr nahestehenden bzw. untergeordneten Organisationen aufweisen. Insoweit wird auf die Darstellung in den Randnummern 7, 10 bis 16 und ferner 24 und 25 Bezug genommen.
Der dritte Aspekt betrifft den Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit bewusst Veranstaltungen der IGD oder ihrer Funktionäre auf seinem Vereinsgelände beworben hat, wie beispielsweise die Veranstaltungen Anfang März 2016, des ehemaligen IGD-Präsidenten. Auch wurden aus seinen Räumen heraus Busfahrten zur 27. IGD-Jahreskonferenz organisiert oder Unterricht von Personen der DMG gehalten. Hinsichtlich der weiteren Details wird auf die Randnummern 19 bis 20 und 24 bis 25 Bezug genommen. Wer sich von einer Organisation distanzieren möchte, bewirbt diese nicht und gibt ihr auch keinerlei sachliche Unterstützung. Vielmehr spricht diese aktive Unterstützung der DMG für eine Nachordnung und ein „Sich-Bewegen innerhalb der Strukturen“, wie im überwachten Telefonat vom … Juni 2007 von dem damaligen IGD-Präsidenten A vorgetragen.
Der vierte Aspekt betrifft den Umstand, dass sich der Kläger gegenüber der IGD/DMG weder rechtlich noch auf sonstige Weise zur Wehr setzt und von dieser nicht hinreichend distanziert hat. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Nennung des Klägers in Flyern, (Werbe) Broschüren und auf der Internetseite der IGD sowie bezüglich der Zusendung von Zeitschriften. Dem Kläger wäre es ohne weiteres möglich gewesen, sich gegen den Gebrauch seines Namens durch die IGD mittels Unterlassungsansprüchen gerichtlich zur Wehr zu setzen. Der bloße Einwand, der Kläger habe sich gegen die Nennungen durch die IGD und die Zusendungen der Zeitschriften nicht zur Wehr setzen können, stellt eine bloße Schutzbehauptung dar. Hinsichtlich der Zeitschriften bestand die Möglichkeit, sich an die IGD direkt oder den Verlag zu wenden, um so zukünftige unerwünschte Zusendungen zu unterbinden. Auch der Einwand, der Kläger könne nicht wissen, welcher Organisation der im Urlaubs- oder Krankheitsfall jeweils ersatzweise einspringende Imam angehöre, greift nicht durch. Wenn es dem Kläger darauf ankommt, Distanz zur DMG zu wahren, kann von ihm erwartet werden, dass er bei der Auswahl von Ersatzpersonal besondere Achtsamkeit an den Tag legt. Vielmehr unterstützt der Kläger die IGD/DMG wie in oben dargelegt (vgl. Rn. 70) aktiv.
Daher ist das Gericht aufgrund einer Gesamtschau aller Umstände davon überzeugt, dass der Kläger jedenfalls innerhalb des maßgeblichen Berichterstattungszeitraums vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2017 der IGD/DMG nachgeordnet gewesen ist.
2.4.1.2 Die Erwähnung des Klägers in den Verfassungsschutzberichten 2018 und 2019 ist nicht zu beanstanden.
Soweit in diesen Berichten der Kläger der DMG und den muslimbruderschaftsnahen Organisationen vom Beklagten zugerechnet wird, da Verbindungen des Klägers zu diesen Organisationen bestünden, handelt es sich hier um ein Werturteil. Anders als die Aussage, der Kläger sei im Sinne einer Weisungsabhängigkeit der IGD/DMG unterstellt und dieser damit nachgeordnet, enthält der Begriff der „Zurechnung“ Elemente des Dafürhaltens und des Wertens (vgl. zum Begriff der „Zuordnung“ VG München, U.v. 23.5.2019 – M 30 K 17.1230 – Rn. 32 n.V.). Aufgrund der Tatsachenbehauptung, es bestünden Verbindungen zur DMG oder muslimbruderschaftsnahen Organisationen, erfolgt beklagtenseits die Wertung, der Kläger stünde „im Lager“ dieser Organisationen.
An dieser Begriffsauslegung gemessen, ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass aufgrund der zum Verfassungsschutzbericht 2017 dargelegten Aspekte, die – abgeschwächte – Erwähnung des Klägers in den Verfassungsschutzberichten 2018 und 2019 nicht zu beanstanden ist. Insoweit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen. Darüber hinaus kommt für die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 2019 aber noch die klägerseits am … März 2019 durchgeführte Spendenaktion für das Islamische Zentrum in … hinzu, welche ihrerseits auf der Internetseite auf die „Charta für Muslime“ des FIOE verweist. Auch liegen dem Gericht hinsichtlich der Berichtigungszeiträume 2018 und 2019 keine abweichenden Erkenntnisse in Bezug auf eine Distanzierung des Klägers zur IGD/DMG vor.
2.4.2 Der Kläger hat die IGD/DMG auch nachdrücklich unterstützt.
Die IGD/DMG wird zu Recht in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 erwähnt. Dem Gericht liegen, auch aufgrund der Gesamtschau der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen, keine Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Erwähnung der IGD/DMG in den Verfassungsschutzberichten vor. Der Kläger tritt der Einschätzung des Beklagten auch nicht entgegen. Dem Kläger geht es vielmehr darum, den Aussagen in den Berichten hinsichtlich ihrer Nachordnung bzw. Zurechnung gegenüber der IGD/DMG entgegenzutreten.
Durch die vorgenommen Renovierungs- und Sanierungsarbeiten (vgl. S. 9 des Klageschriftsatzes vom 24. April 2019) erhielten die an den Kläger von der IGD/DMG verpachteten Räumlichkeiten eine Substanz- und Wertsteigerung. Die heutige DMG ist immer noch Eigentümerin des Grundstücks und des sich darauf befindlichen Gebäudes, welcher der Kläger zu seinen Vereinszwecken nutzt. Der Kläger steigert dadurch aktiv das Vermögen der DMG. Wenngleich der Kläger die Renovierungs- und Sanierungsarbeiten auch zu eigenen Zwecken – etwa der besseren Nutzung der Räumlichkeiten – durchgeführt hat, entsprechen die durchgeführten Arbeiten nicht den wirtschaftlich nachvollziehbaren Erwägungen, die von einem durchschnittlichen Pächter zu erwarten wären. Damit erlangte die DMG im Ergebnis eine erhebliche Wertsteigerung ihres Grundstückes.
Des Weiteren hat der Kläger immer wieder aktiv Werbung für die IGD/DMG gemacht bzw. seine Räumlichkeiten hierfür zur Verfügung gestellt. So wurden Jahreskonferenzen und Jubiläumsfeiern der IGD/DMG bzw. Vorträge ihrer Funktionäre von bei dem Kläger auftretenden Personen und der klägereigenen Werbetafel beworben. Auf dem gepachteten Grundstück des Klägers wurden Werbeflyer und Anmeldeformulare verteilt und auch Buchungsoptionen für Busfahrten zu IGD/DMG-Veranstaltungen angeboten. Darüber hinaus hat sich der Kläger für die Kampagne der IGD „Auf gute Nachbarschaft“ aus dem Jahr 2012 einspannen lassen und an dieser somit aktiv mit seinem Namen beteiligt. Auch hat der Kläger wiederholt Imamen eine Plattform geboten, welche zugleich für Organisationen der IGD/DMG tätig gewesen sind. Ferner lagen bei dem Kläger von der Muslimbruderschaft und ihr nahestehender Organisationen herausgegebene Zeitschriften aus.
Für den Verfassungsschutzbericht 2019 kommt die am … März 2019 durchgeführt Spendenaktion für das Islamische Zentrum in … … hinzu, die der Kläger in seinen Räumlichkeiten durchgeführt hat.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu den hier dargestellten nachdrücklichen Unterstützungshandlungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
Eine hinreichend gewichtige Distanzierung des Klägers von diesen Unterstützungshandlungen ist nicht erfolgt. Auch setzte sich der Kläger nicht mit gerichtlichen Mitteln gegen die IGD/DMG zur Wehr, etwa in Form von Unterlassungsklagen hinsichtlich der Aufnahme des Klägers auf der Homepage der IGD/DMG oder in von ihr veröffentlichen Flyern; gleiches gilt hinsichtlich der von der Muslimbruderschaft und ihr nahestehender Organisationen herausgegebenen Zeitschriften.
Die klägerischen Unterstützungshandlungen sind auch von bedeutendem Gewicht, da sie sich nicht bloß in der Sympathiebekundung hinsichtlich der IGD/DMG erschöpfen, sondern im Ergebnis auf eine aktive Förderung der von der IGD/DMG durchgeführten Veranstaltungen und angebotenen Medien erstrecken und insgesamt die Arbeit der IGD/DMG dadurch in ein positives Licht gestellt und einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden soll.
3. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen vor, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, so muss die Berichterstattung den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten; dabei besteht die Verpflichtung, von verfassungsfeindlichen Bestrebungen und Aktivitäten bei verschiedenen Beobachtungsobjekten unterschiedlich dichte und belastbare Erkenntnislagen in der Darstellung hinreichend deutlich zu machen (LT-Drs. 15/10313, S. 27 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 89; für die aktuelle Gesetzeslage: LT-Drs. 17/10014, S. 26).
Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen des Klägers nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 c) BVerfSchG die eine Unterrichtung der Öffentlichkeit auch in der streitbefangenen Form rechtfertigen. Es liegen über einen längeren Zeitraum sowohl quantitativ als auch qualitativ verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, so dass sich die Nennung des Klägers in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 unter der Rubrik „Islamismus“ auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht (vgl. B.v. 24.5.2005 – 1 BvR – 1072/01 – juris Rn. 77 ff.) vorgegebenen Anforderungen an die Berichterstattung als verhältnismäßig erweist.
Eine Berichterstattung würde sich allerdings dann als unverhältnismäßig darstellen, wenn nur vereinzelte oder wenig belastbare Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen vorlägen. So liegt der Fall hier aber nicht, denn es sind über einen jahrelangen Zeitraum Äußerungen und Aktivitäten des Klägers sowie seiner Verantwortlichen in gleichgerichteter Weise dokumentiert, die zahlreich und zugleich hinreichend gewichtig sind. Der Beklagte hat in seiner Klageerwiderung umfangreiches Material vorgelegt, die die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen tragen. Auf dieser Basis genügt die angegriffene Berichterstattung den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Insbesondere bedarf es keiner weitergehenden differenzierenden Darstellung in den Verfassungsschutzberichten dahingehend, ob bei dem Kläger „nur ein Verdacht“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen besteht oder ob derartige Bestrebungen nachweislich vorliegen. Denn zum einen unterscheidet Art. 26 Abs. 1 BayVSG, wie bereits oben dargelegt, nicht zwischen diesen beiden Kategorien. Eine sogenannte „Verdachtsberichterstattung“ kennt das Bayerische Verfassungsschutzgesetz nicht, so dass eine Unterscheidung in der Art und Weise der Berichterstattung nicht vorzunehmen ist (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 97). Zum anderen wird die Frage, ob sich die auf der Basis gewichtiger Tatsachen festgestellten „Bestrebungen“ noch als Verdacht oder schon als „erwiesen“ darstellen, vielfach nicht beantworten lassen, da sie eines quasi wissenschaftlich fundierten Beweises kaum zugänglich ist (BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 45).
Als Anlass für eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Berichterstattung reicht vielmehr das Vorliegen nicht nur vereinzelter oder wenig belastbarer Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen aus (BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 46), wie dies das Gericht im vorliegenden Fall bejaht. Die nur aus einem Absatz mit drei (Verfassungsschutzbericht 2017) bzw. zwei (Verfassungsschutzberichte 2018 und 2019) Sätzen bestehende Textstellen geben dem Leser eine zwar knappe, aber sachgerechte erste Information, die ihm als Basis für eine weitere Auseinandersetzung mit den Veröffentlichungen des Klägers dienen kann. Insbesondere wird aus einer Gesamtschau der Berichte deutlich, dass die Verfassungsschutzbehörden ihre Einschätzung zur Nachordnung in den letzten beiden Verfassungsschutzberichten aufgegeben haben und nunmehr lediglich eine Zurechnung mit Verbindungen des Klägers zur IGD/DMG und muslimbruderschaftsnahen Organisationen und Personen anführen. Auch die Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Klägers führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da dieser es letztlich in der Hand hat, zukünftig alle Verbindungen zur DMG sowie muslimbruderschaftsnahen Organisationen und Personen einzustellen und sich von diesen – glaubhaft – zu distanzieren.
4. Auch hinsichtlich des Klageantrags zu b) war die insoweit verfolgte allgemeine Unterlassungsklage aus den oben genannten Gründen abzuweisen. Wie dargelegt sind die vom Beklagten getätigten Äußerungen in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2019 nicht zu beanstanden.
III.
Die vorbeugende Unterlassungsklage ist unzulässig.
Das für eine vorbeugende Unterlassungsklage erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse setzt voraus, dass die möglicherweise subjektive Rechte des Klägers verletzende Erwähnung im Verfassungsschutzbericht alsbald zu besorgen ist oder jederzeit droht und es dem Kläger nicht zugemutet werden kann, zunächst abzuwarten, bis eine solche Beobachtung erfolgt und die damit möglicherweise verbundene Rechtsverletzung eingetreten ist, um dann nachgängigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (BayVGH, B.v. 30.7.2015 – 10 ZB 15.819 – juris Rn. 9; BVerwG, U.v. 18.4.1985 – 3 C 34/84 – juris Rn. 34). Darüber hinaus setzt die Zulässigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage voraus, dass das künftige Verwaltungshandeln nach seinem Inhalt und seinen tatsächlichen wie rechtlichen Voraussetzungen so weit bestimmt ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung möglich ist. Solange sich noch nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen, kann ein berechtigtes Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz nicht anerkannt werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1974 – 1 C 7.73 – juris Rn. 41).
Nach diesen Maßstäben ist der Rechtsschutz gegen die Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht in erster Linie aber im Hinblick auf den konkreten Verfassungsschutzbericht zu suchen, der die jeweilige Erwähnung enthält, und regelmäßig darauf zu richten, dessen weitere Verbreitung mit der inkriminierten Erwähnung (BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 10 C 20.1417 – juris Rn. 31; B.v. 7.2.2018 – 10 ZB 15.795 – juris Rn. 1; U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 14) oder bestimmte Tatsachenbehauptungen (so bei BayVGH, B.v. 6.12.2007 – 24 ZB 06.2048 – juris Rn. 2 ff.) zu unterlassen. So obliegt es den zuständigen Sicherheitsbehörden, Jahr für Jahr erneut zu prüfen, ob ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen erkennbar sind und danach zu entscheiden, ob eine Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht des jeweiligen Jahres gerechtfertigt ist oder nicht (VG München, U.v. 25.3.1999 – M 17 K 96.1685 -juris Rn. 21; vgl. auch BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 10 C 20.1417 – juris Rn. 31). Eine im Zeitpunkt der Urteilsniederlegung für die Zukunft ausgesprochene Einschränkung des hiermit verbundenen behördlichen Handlungs- und Beurteilungsspielraums kann grundsätzlich nicht verlangt werden, denn verfassungsfeindliche Tendenzen können bekanntermaßen unter Umständen auch erst kurzfristig erkennbar werden. Damit kann bei noch völlig unbekannter Tatsachenbasis keiner Behörde ein bestimmtes zukünftiges Verhalten in die eine oder andere Richtung vorgeschrieben werden. Eine immer wieder aktuell von der Verwaltung zu erfüllende gesetzliche Aufgabe, wie die sich aus dem BayVSG ergebende, kann letztlich nicht vorbeugend durch Gerichtsurteil beschränkt werden (VG München, U.v. 25.3.1999 – M 17 K 96.1685 -juris Rn. 21).
Auch vorliegend hat der Kläger nicht dargelegt, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Tatsachenbasis für eine Prüfung einer möglichen Erwähnung des Klägers im zukünftigen Verfassungsschutzbericht 2020 und den darauffolgenden Verfassungsschutzberichten derart weit bestimmt ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung den zuständigen Sicherheitsbehörden oder dem Gericht möglich erscheint. Auch wenn die Erkenntnismittelgewinnung für den Beklagten aufgrund der erschwerenden Umstände im Jahr 2020 nur schleppend und bis zur mündlichen Verhandlung nur wenig ertragreich verlaufen ist, war zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und der Urteilsniederlegung der für den Verfassungsschutzbericht 2020 maßgebliche Beobachtungs- und Beurteilungszeitraum noch nicht abgeschlossen. Für die weiteren dem Verfassungsschutzbericht 2020 nachfolgenden Verfassungsschutzberichte gilt dies umso mehr.
Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass kurzfristig zum Jahresende neue Erkenntnisse gewonnen werden oder dem Beklagten weitere Erkenntnisse aus dem Jahr 2020 noch vor Veröffentlichung des neuen Verfassungsschutzberichtes zukommen. So hat der Beklagte im vorliegenden Verfahren auch neue aus dem Jahr 2020 stammende Erkenntnisse hinsichtlich des wiederholt bei dem Kläger aufgetretenen Imam K vorgelegt. Auch wenn klägerseits vorgetragen worden ist, dass dieser Imam lediglich ehrenamtlich beim Kläger aushelfe und nicht dessen „hauptamtlicher“ neuer Imam sei, zeigt sich doch aufgrund der von dieser Person ausgehenden Verbindungen, dass auch kleinere Erkenntnisse zu neuen Bewertungen führen können. Insoweit wird auf die Randnummern 17 und 20 Bezug genommen, aus welchen sich neue Verbindungen zwischen K der IGD/DMG und dem Kläger hervortun.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
V.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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