IT- und Medienrecht

Unzulässige gesundheitsbezogene Werbung für gesundes Trinkwasser

Aktenzeichen  1 HK O 3323/19

Datum:
27.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 53070
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 3a, § 6
HCVO Art. 1 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1, 2, 3

 

Leitsatz

1. Vergleicht ein Trinkwasserverband das Trinkwasser mit einem Mineralwasser, ist ein Wettbewerbsverhältnis des Verbandes zu einem Hersteller von Mineralwasser im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG anzunehmen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anpreisung des Trinkwassers durch einen öffentlich-rechtlichen Wasserband ist eine kommerzielle Mitteilung im Sinne des Art. 1 Abs. 2 HCVO. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bezeichnung des Trinkwassers als “gesund” stellt eine gesundheitsbezogene Angabe dar und ist nach Art. 10 Abs. 2 HCVO ohne die dort vorgeschriebenen Angaben unzulässig. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Vergleichende Werbung ist nach § 6 UWG nicht unzulässig, weil sie lediglich unvollständig oder einseitig ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird dem Antragsgegner bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre; Ordnungshaft zu vollziehen am 1. Vorsitzenden) verboten, im Wettbewerb handelnd in Bezug auf das vom Antragsgegner zur Verfügung gestellte Leitungswasser zu behaupten oder behaupten zu lassen:.
(1). „Unser gesundes Trinkwasser wird ausschließlich aus unterirdischen Grundwasservorkommen gewonnen”; und/oder
(2). „Unser gesundes Trinkwasser verfügt über eine natürliche Reinheit”; und/oder
(3). „Unser gesundes Trinkwasser hat eine gesunde Mineralisierung”; und/oder
(4). „Unser gesundes Trinkwasser unterliegt einer lückenlosen Kontrolle” und/oder
(5). „Unser gesundes Trinkwasser ist mikrobiologisch betrachtet rein und sauber”; und/oder
(6). „Unser gesundes Trinkwasser ist natriumarm” und/oder
(7). „Unser gesundes Trinkwasser verfügt über einen hohen Anteil an wichtigen Mineralstoffen” wenn dies geschieht wie auf dem als Anlage ASt 2 beigefügten Screenshot von der Internetseite https://www.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der zulässige Verfügungsantrag ist teilweise begründet.
A)
Der Antrag ist zulässig. Vorliegend handelt es sich um eine bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit, für die gem. § 13 GVG die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine bürgerlich-rechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, ist die Rechtsnatur des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs. Maßgebend ist, ob der Parteivortrag – seine Richtigkeit unterstellt – Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergibt, für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die zuständigkeits- und anspruchsbegründende Tatsachen zusammenfallen (Musielak/Voit/Wittschier, GVG, 16. Auflage 2019, § 13 Rd.Nr. 6). Für die Klage eines privaten Unternehmens gegen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten gegeben, wenn und soweit die Körperschaft dem Unternehmen auf dem Boden der Gleichordnung gegenüber steht und nach dem Vorbringen des Klägers das Verwaltungshandeln ihm gegenüber wettbewerbswidrig ist (BGHZ 67, 81 [84] = NJW 1976,1941 [1942]). Der Kläger macht hier Ansprüche aus einem behaupteten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien geltend.
B)
Die Verfügungsklage ist teilweise begründet.
I.
Der Antrag I. a) ist begründet:
1.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 UWG sind durch die als ASt 3 vorgelegte eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht.
2.
Zwischen Mitgliedsunternehmen des Klägers und dem Beklagten besteht ein Wettbewerbsverhältnis. Hierbei kann offen bleiben, ob zwischen Anbietern von in Flaschen abgefülltem Wasser und von Leitungswasser generell ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Da es für die Anwendung des § 1 UWG nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, wenn die Parteien auch nur durch die beanstandete Handlung in Wettbewerb getreten sind (BGH, Urteil vom 12.01.1972, 1 ZR 60/70, „statt Blumen“). Hier tritt der Beklagte durch die angegriffenen Seiten in seinem Internetauftritt mit den Mitgliedsbetrieben des Klägers in Wettbewerb. Schon durch die großgeschriebene Überschrift „Trinkwasser und Mineralwasser im Vergleich“ suggeriert der Beklagte, dass Mineralwasser durch sein Trinkwasser substituiert werden könne.
3.
Die angegriffenen Aussagen verstoßen gegen die HCVO [VO(EG) 1924/2006, Health-ClaimsVO].
a)
Der Anwendungsbereich der HCVO ist eröffnet. Die angegriffenen Angaben finden sich in kommerziellen Mitteilungen im Sinne des Art. 1 Abs. 2 HCVO. Dem steht § 5 Abs. 2 der Satzung des Beklagten nicht entgegen. Äußerungen von Behörden und dem Staat nahestehenden Organisationen können kommerzielle Mitteilungen sein. Vorauszusetzen ist, dass sich diese Äußerungen sowohl auf ein konkretes Lebensmittel als auch auf einen bestimmten Hersteller beziehen und dass mit der Äußerung eine Förderung des Absatzes verbunden sein soll (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Verordnung (EG) Nr. 1924 / 2006, Art. 1 Rd.Nr. 15 unter Hinweis auf Leible/Schäfer WRP 2011, 1509, 1512). So liegt der Fall hier. Mit der streitgegenständlichen Anpreisung des Wassers des Beklagten soll eine Förderung des Absatzes verbunden sein.
b)
Bei der Bezeichnung als „gesund“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe.
c)
Sämtliche mit dem Antrag I. a) angegriffenen Angaben sind schon deshalb gem. Art. 10 Abs. 2 HCVO unzulässig, weil im Internetauftritt der Beklagten die gem. Art. 10 Abs. 2 Buchstaben a – d vorgeschriebenen Informationen fehlen. Die Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 2 HCVO ist durch Art. 1 Abs. 2 Satz 2 HCVO nicht ausgeschlossen, weil das Wasser des Beklagten im Internet nicht konkret körperlich zum Verkauf angeboten wird.
Die Angaben
„Unser gesundes Trinkwasser wird ausschließlich aus unterirdischen Grundwasservorkommen gewonnen“;
„Unser gesundes Trinkwasser verfügt über eine natürliche Reinheit“;
„Unser gesundes Trinkwasser hat eine gesunde Mineralisierung“;
„Unser gesundes Trinkwasser unterliegt einer lückenlosen Kontrolle“,
„Unser gesundes Trinkwasser ist mikrobiologisch betrachtet rein und sauber“ und
„Unser gesundes Trinkwasser verfügt über einen hohen Anteil an wichtigen Mineralstoffen“
sind auch gem. Art. 10 Abs. 3 HCVO unzulässig, weil ihnen keine spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.
4. Es liegt auch ein Verfügungsgrund vor. Die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG wird durch die im Termin im Original vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 12.11.2019 bestätigt. Hierdurch ist glaubhaft gemacht, dass der Leiter R. beim Kläger von der angegriffenen Web-Seite erstmals am 26.09.2019 Kenntnis erhalten hat. Bereits am 29.10.2019 ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Landshut eingegangen.
II.
Dagegen ist der Klageantrag I. b) nicht begründet. Es fehlt schon an einem Verfügungsanspruch. Vergleichende Werbung ist nach § 6 UWG nicht generell unzulässig. Eine Unzulässigkeit ergibt sich hier auch nicht daraus, dass der Beklagte bei seiner Gegenüberstellung den Anteil von Hydrogencarbonat nicht aufführt. Ein Vergleich ist nicht schon deshalb wettbewerbswidrig, weil er lediglich unvollständig oder einseitig ist. Das Irreführungsverbot bedeutet nicht, dass der Werbende alle wesentlichen Eigenschaften in den Vergleich einbeziehen muss. Er kann vielmehr eine Auswahl treffen und die Eigenschaften herausgreifen, bei denen er nach seiner Auffassung besser abschneidet als der Mitbewerber (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 37. Auflage 2019, § 6 Rd.Nr. 119 m.w.N.). Bei Anwendung dieses Maßstabes begegnet die vom Beklagten verwendete Tabelle keinen Bedenken. Der Durchschnittsverbraucher geht ohnehin nicht davon aus, dass ein Werbevergleich ebenso wie ein von einem unabhängigen Testveranstalter vorgenommener Vergleich auf einer neutralen Untersuchung beruht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.


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