IT- und Medienrecht

Unzulässigkeit eines einheitlichen Bestellbuttons zur Bestätigung von typenverschiedenen Verträgen im Internet

Aktenzeichen  1 HK O 358/19

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 46423
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 312j Abs. 3

 

Leitsatz

Es ist unzulässig, von Verbrauchern im Internet über einen „Jetzt kaufen“-Button neben dem Warenkauf auch den Abschluss einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft bestätigen zu lassen, da verschiedene Verträge betroffen sind, die nach  § 312j Abs. 3 BGB jeweils der „ausdrücklichen“ Bestätigung des Verbrauchers bedürfen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagten wird untersagt, Verbrauchern im Internet den Kauf von Waren sowie den Abschluss einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft anzubieten und am Ende des Bestellvorgangs lediglich einen einzigen Bestellbutton mit der Bezeichnung „Jetzt kaufen“ vorzuhalten, mit dessen Betätigung der Verbraucher eine verbindliche Vertragserklärung sowohl in Bezug auf den Kaufvertrag, als auch in Bezug auf die Mitgliedschaft abgeben soll (Anlage K 4).
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu Euro 250.000,- (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dessen Geschäftsführer, angedroht.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen:
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis 3.7.2019 auf 100.000,00 €, bis 2.9.19 auf 90.000,00 € und ab dann auf 77.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
I.
Das angerufene Landgericht Regensburg ist zur Entscheidung in der Sache örtlich wie sachlich sowie funktionell als Kammer für Handelssachen zuständig.
II.
Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin beantragt, es der Beklagten zu untersagen, über den „Jetzt kaufen“-Button neben dem Warenkauf auch den Abschluss einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft zu bestätigen. Warenkauf einerseits und Abschluss einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft andererseits stellen verschiedene Verträge dar, die nach Maßgabe von § 312 j Abs. 3 BGB jeweils der „ausdrücklichen“ Bestätigung des Verbrauchers verlangen. Eine solche Bestätigung fehlt, wenn im Buchungsverlauf – wie aus Anlage K 4 ersichtlich – lediglich ein einziger „Bestellbutton“ betätigt werden muss, um die entsprechenden Erklärungen abzugeben. In welchem Umfang und in welcher Form die Beklagte letztlich auf die Testphase der Mitgliedschaft, die sich bei fehlendem Widerruf automatisch in eine kostenpflichtige Mitgliedschaft wandelt, hinweist, kommt es mithin insoweit nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei der Bestellerklärung und der Vertragserklärung um typenverschiedene Verträge handelt, die jeweils der „ausdrücklichen“ Bestätigung des Verbrauchers bedürfen (vgl. Urteil LG Berlin vom 10.4.18, Az. 102 O 124/17). Dem ist vorliegend von Seiten der Verfügungsbeklagten 8 im Ausgangsfall … nicht hinreichend Rechnung getragen. An der Begründetheit ändert auch die zwischenzeitlich eingeführte „Checkbox“ nichts, nachdem die Beklagte jederzeit wieder zur ursprünglichen Geschäftspraxis zurüchkehren kann.
III.
Im übrigen war die Klage abzuweisen, nachdem der verbliebene Klageantrag zu II. (vormals Klageantrag zu IV.) als unzulässig, der weiter verbliebene Klageantrag zu III. (vormals zu VII.) und der sich aus den einseitigen Erledigungserklärungen ergebende Feststellungsantrag als unbegründet (aufgrund der Unzulässigkeit der vormaligen Klageanträge zu I. und II.) zu bewerten sind, nachdem sich sämtliche Unterlassungsanträge auf die Wiederholung des Gesetzeswortlauts, ohne auf die konkrete Verletzungsform hinreichend Bezug zu nehmen, beschränken.
1. Im ersten Teil des ursprünglichen Klageantrags zu I., also bis zu dem Wort „informieren“ wiederholt der Kläger lediglich sinngemäß und noch dazu verkürzt den Wortlaut von Artikel 246 a, § 1 Abs. 2 EGBGB, wonach der Verbraucher über ein ihm zustehendes Widerrufsrecht zu belehren ist. Nicht jeder Vertrag über eine kostenpflichtige Mitgliedschaft zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher löst regelmäßig ein Widerrufsrecht aus. Die Bezugnahme auf das Vertragsverhältnis zur Zeugin B. stellt dabei keine zulässige Bezugnahme dar, da letztlich bereits aus der vom Kläger verwendeten Antragstellung unklar bleibt, ob es sich bei diesem Vertragsverhältnis überhaupt um ein Vertragsverhältnis handelt, bei welchem ein Widerrufsrecht im Raum steht. Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des BGH im Verfahren I ZR 202/17 bezieht, genügt dies nicht, nachdem die dort aufgestellten Grundsätze nicht auf Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB übertragen werden können. Gleichfalls kommt es nicht auf ein etwaiges Bewusstsein der Beklagten an, das sich in der Unterlassungserklärung widerspiegelt, entscheidend ist die Formulierung des Verbotstenors und dessen objektive Auslegung. Der Klageantrag ist daher als zu unbestimmt und damit unzulässig zu werten.
2. Auch der vormalige Klageantrag zu II. ist als unzulässig zu werten. Aus diesem Klageantrag geht letztlich nicht hervor, auf welche Art Vertragsverhältnis der Kläger Bezug nimmt. Dies lässt sich auch aus der von Klägerseite in Bezug genommenen Anlage K 2 das Vertragsverhältnis zwischen Verbraucher und der Beklagten nicht eindeutig identifizieren. Vielmehr soll wohl jeder fall umfasst sein, in welchem die Beklagte Widerrufsbelehrungen an Verbraucher versendet. Da damit auch etwaige vertraglich vereinbarte Widerrufsrechte umfasst würden, auf die die strengen Vorgaben für gesetzliche Widerrufsrechte keine Anwendung finden, ist der Klageantrag daher auch insoweit als zu unbestimmt und damit unzulässig zu werten.
Aufgrund der Unzulässigkeit Klageanträge zu I und II ist damit der zuletzt gestellte Feststellungsantrag unter III ebenso unbegründet wie der sich aus den einseitigen Erledigungserklärungen ergebende Feststellungsantrag.
3. Auch der vormalige Klageantrag zu IV. (nunmehr II) ist unzulässig. Der Kläger verwendet im Rahmen des ursprünglichen Klageantrags zu IV. den auch vom Gesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff „wesentliche Eigenschaften“ der Waren, ohne näher zu konkretisieren, was unter „wesentliche Eigenschaften“ zu verstehen sein soll. Dem hilft auch die Bezugnahme auf die Anlage K 5 nicht weiter, da nach dem Vortrag des Klägers hieraus gerade nicht hervorgehen soll, was „wesentliche Eigenschaften“ der dort abgebildeten Ware sein sollen. Er ist damit ebenfalls zu unbestimmt und damit unzulässig.
IV.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 709 ZPO.
Verkündet am 01.10.2019


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