Aktenzeichen RN 12 K 17.32331
VwGO § 55, § 58 Abs. 1, Abs. 2, § 60
GVG § 184
Leitsatz
Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten ist für die Rechtsbehelfsbelehrung nach § 58 Abs. 1 VwGO nicht vorgeschrieben. Durch den Zusatz, dass “die Klage in deutscher Sprache abgefasst sein muss” wird auch nicht der Eindruck erweckt, dass eine solche Art der Klageerhebung nicht möglich ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Über die Klage kann nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben sind.
Die Klage ist bereits unzulässig.
Die Klage war nach § 74 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz Asylgesetz (AsylG) binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids zu erheben. Darauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung:, die dem Kläger auch in der Sprache Dari übermittelt worden ist, auch hingewiesen worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung:ist nicht fehlerhaft, so dass für die Klageerhebung statt dessen die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO gelten würde. Es wird zwar vertreten, der Zusatz, dass „die Klage in deutscher Sprache abgefasst sein muss“, sei irreführend (so VGH Baden-Württemberg, U. v. 18.4.2017 – Az. A 9 S 333/17). Diese Auffassung teilt die Einzelrichterin nicht. Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO ist der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch zu belehren. Diese Vorgaben sind mit der im Fall des Klägers verwendeten Formulierung der Rechtsbehelfsbelehrung:erfüllt. Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten ist nicht vorgeschrieben. Es wird auch nicht durch den genannten Zusatz der Eindruck erweckt, dass dies nicht möglich ist. Mit dem Zusatz wird auf den gemäß § 55 VwGO geltenden § 184 Gerichtsverfassungsgesetz hingewiesen, wonach die Gerichtssprache deutsch ist. Gerade wegen der Übersendung von Übersetzungen des Bescheids besteht Anlass für diesen Hinweis. Durch die Verwendung des Verbs „abfassen“ wird nicht der Eindruck erweckt, dass die Klage vom Kläger selbst schriftlich erstellt werden muss. Diese Formulierung schließt nicht aus, dass der Kläger die Klage von einem Urkundsbeamten des Gerichts in deutscher Sprache „abfassen“ lässt. Die Einzelrichterin macht sich insoweit die Begründung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24.1.2017 (Az. 21 K 346.16.A) zu eigen, wo folgendes ausgeführt wird:
„Die Formulierung „in deutscher Sprache abgefasst“ ist kein Hinweis auf die Erforderlichkeit einer schriftlichen Klageerhebung, schließt insbesondere die mündliche Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht aus. Es ist schon nicht der Fall, dass dem Verb „abfassen“ im Rechtsverkehr zwangsläufig die Bedeutung einer schriftlichen Äußerung zukommt. So verwenden verschiedene Gesetze Formen des Verbes „abfassen“ mit der Ergänzung „schriftlich“, die überflüssig wäre, wenn dem Abfassen die Schriftform bereits immanent wäre (vgl. „schriftlich abzufassen“ in § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 41a Abs. 1 Satz 1 StPO und § 84 Satz 1 ArbGG, „schriftlich abgefasst“ in § 129 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 311 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Vielmehr bestätigt sich die Offenheit des Begriffs „abgefasst“ noch dadurch, dass der Prozessrechts-Gesetzgeber neben der Möglichkeit, etwas „schriftlich abzufassen“ auch die Möglichkeit betont, etwas „elektronisch abzufassen“ (vgl. u.a. § 118 Abs. 2 Satz 3, § 119 Abs. 2 Satz 6 VwGO). Unabhängig davon – und selbst wenn die Bedeutung des „Abfassens“ einer schriftlichen Niederlegung entspräche – lässt sich der Rechtsbehelfsbelehrung:jedenfalls nicht entnehmen, dass der Betreffende selbst für die Schriftform zu sorgen hat. Denn auch eine mündlich zur Niederschrift erhobene Klage wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (in deutscher Sprache) schriftlich abgefasst (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 20. Oktober 2016 – 15 B 5090/16 – Juris Rdnr. 10). Durch die Formulierung im Passiv und durch das Partizip „abgefasst“ hat die Rechtsbehelfsbelehrung:zutreffend Offenheit hinsichtlich der handelnden Person belassen, nämlich im Hinblick darauf, ob die Kläger ihren Rechtsbehelf selbst abfassen oder ob sie Hilfspersonen wie etwa einen Rechtsanwalt – oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zwecks Niederschrift – in Anspruch nehmen.“
Der anderen Auffassung des VGH Baden-Württemberg, dass die Kläger nicht auf Möglichkeit der Unterstützung durch eine staatliche Stelle hingewiesen werden, ist entgegen zu halten, dass dies in § 58 Abs. 1 VwGO auch nicht verlangt wird und auf die Möglichkeit der Beauftragung eines Anwalts zwecks „Abfassen“ der Klage ebenso wenig hingewiesen wird. Dass die Rechtsbehelfsbelehrung:gerade auch beim Kläger keinen Irrtum hervorgerufen hat, zeigt sich darin, dass er die Klage tatsächlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten erhoben hat und offensichtlich davon ausgeht, dass er nur begründen muss, weshalb ihm diese Form der Klageerhebung nicht rechtzeitig möglich war.
Die Klage hätte demnach spätestens am 26.4.2015 erhoben werden müssen. Der Kläger hat aber erst am 4.5.2017 Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Gerichts erhoben.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO wurden vom Kläger innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 VwGO nicht glaubhaft gemacht. Er hat schon nicht dargelegt und erst Recht nicht nachgewiesen, welcher Art seine Erkrankung war, dass sie ihn tatsächlich am Erscheinen bei Gericht gehindert hat und wann dieser Hinderungsgrund weggefallen ist. Außerdem kommt es darauf nicht an. Die Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten ist zwar eine Möglichkeit der Klageerhebung. Dass der Kläger trotz der Erkrankung nicht imstande war, eine Klage schriftlich zu erheben oder erheben zu lassen und damit die Klagefrist zu wahren, hat er nicht einmal behauptet. Die Fristversäumung ist daher nicht unverschuldet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).