Medizinrecht

Erfolglose Berufung – Keine Rechtswirkung der Eingliederungsvereinbarung im Hinblick auf den nachfolgenden Eingliederungsverwaltungsakt

Aktenzeichen  L 7 AS 77/16

Datum:
21.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 72166
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II SGB II § 15
SGB X SGB X § 39 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Feststellungsklage gegen eine Eingliederungsvereinbarung, die unter Vorbehalt unterschrieben wurde, kann zulässig sein. Dies gilt auch dann, wenn die beabsichtigte Geltungsdauer verstrichen ist. (amtlicher Leitsatz)
2. Eine unter Vorbehalt unterschriebene Eingliederungsvereinbarung ist nicht zustande gekommen mit der Folge, dass abschließend ein Eingliederungsverwaltungsakt erlassen werden kann. (amtlicher Leitsatz)
3. Ist die Geltungsdauer eines Eingliederungsverwaltungsaktes verstrichen, ist gegebenenfalls eine Fortsetzungsfeststellungsklage möglich. (amtlicher Leitsatz)
4. Zum angemessenen Ausgleich und der Ermessensausübung im Eingliederungsverwaltungsakt. (amtlicher Leitsatz)
5 Die Unterschrift „unter Vorbehalt“ bedeutet keine Annahme des Angebots über die vorgelegte Eingliederungsvereinbarung, sondern dokumentiert lediglich das Scheitern der Verhandlungen. Dass nur auf der Grundlage einer wirksam zustande gekommenen Eingliederungsvereinbarung Sanktionen verhängt werden dürfen, ergibt sich aus dem Gesetz. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.
a) Die Feststellungsklage betreffend die Eingliederungsvereinbarung vom 20.02.2013 ist zulässig, aber unbegründet.
Die Feststellungsklage war und ist zulässig.
Anders als das Sozialgericht meint, bestand ein Rechtsschutzbedürfnis schon deshalb, weil der Kläger geklärt haben wollte, inwieweit die unter Vorbehalt unterzeichnete Eingliederungsvereinbarung rechtsgültig war und dadurch möglicherweise eine Sperrwirkung für den anschließenden Eingliederungsverwaltungsakt bestanden hat. Zwar ist die mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 20.08.2013 versehene Eingliederungsvereinbarung inzwischen durch Zeitablauf gegenstandslos geworden (§ 39 Abs. 2 SGB X). Jedoch besteht im Hinblick auf die Rechtsfrage der Wirkung der Eingliederungsvereinbarung ein Feststellungsinteresse fort, nachdem der Kläger immer noch beim Beklagten im Leistungsbezug steht.
Die Feststellungsklage im Hinblick auf die Eingliederungsvereinbarung ist jedoch unbegründet.
Der Kläger hat die ihm vorgelegte Eingliederungsvereinbarung nicht so unterschrieben, wie sie ihm vorgelegt wurde. Nachfolgende Verhandlungen sind gescheitert. Die Unterschrift „unter Vorbehalt“ bedeutet keine Annahme des Angebots über die vorgelegte Eingliederungsvereinbarung, sondern dokumentiert lediglich das Scheitern der Verhandlungen. Damit konnte die Eingliederungsvereinbarung auch keine Rechtswirkung im Hinblick auf den nachfolgenden Eingliederungsverwaltungsakt haben. Dass nur auf der Grundlage einer wirksam zustande gekommenen Eingliederungsvereinbarung Sanktionen verhängt werden dürfen, ergibt sich aus dem Gesetz.
b) Die Klage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 18.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2013 ist anders als das Sozialgericht meint, nicht als Anfechtungsklage, sondern als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (vgl. BSG Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 45/15 R).
Die Geltungsdauer des Eingliederungsverwaltungsaktes endete mit dem 25.09.2013. Damit hat sich der Bescheid durch Zeitablauf nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Nachdem der Kläger dieses Verfahren im Oktober 2013 noch weiter betrieb, ist davon auszugehen, dass er die dann allein noch zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage zumindest hilfsweise betreiben und den Antrag entsprechend umstellen wollte.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, insbesondere nachdem der Kläger immer noch beim Beklagten im Leistungsbezug steht und es sich um einzelne, vom Beklagten präzisierte Pflichten handelt, bei denen Zweifel durch die gerichtliche Feststellung vollständig ausgeräumt werden können, auch wenn nur einzelne Elemente des Leistungsanspruchs in Frage stehen (vgl. BSG Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 45/15 R).
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet.
Zur Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen und die Berufung ohne Darstellung weiterer Gründe insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurückgewiesen. Anzumerken bleibt lediglich, dass die Regelungen des Entscheidungsverwaltungsaktes einen angemessenen Ausgleich darstellen (BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 30/15 R; BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 42/15 R) und der individuellen Situation des Klägers gerecht werden. Nachdem der Kläger in erster Linie weiter als Selbstständiger tätig sein will, erweisen sich die im Eingliederungsverwaltungsakt enthaltenen Angebote des Beklagte gegenüber den dem Kläger auferlegten Pflichten als angemessener Ausgleich, ohne dass es einer weiteren Ermessenausübung im Eingliederungsverwaltungsakt bedurft hätte (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 42/15 R).
Im Ergebnis ist die Berufung unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren erfolglos blieb.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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