Medizinrecht

Voraussetzungen des Widerrufs der Approbation als Arzt

Aktenzeichen  RO 5 K 15.1168

Datum:
12.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BÄO BÄO § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 S. 1
GG GG Art. 12

 

Leitsatz

Der Widerruf der Approbation eines Arztes ist eine gebundene Entscheidung, die bei Unwürdigkeit und/oder Unzuverlässigkeit vorzunehmen ist.  (redaktioneller Leitsatz)
Die Unwürdigkeit eines Arztes wird begründet durch ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das dessen Berufsausübung als untragbar erscheinen lässt. Das ist bei einem wegen Betrugs im Rahmen der ärztlichen Abrechnungen verurteilten Arzt der Fall.  (redaktioneller Leitsatz)
Für die Feststellung der Unzuverlässigkeit ist eine prognostische Entscheidung zu treffen, die das bisherige Verhalten des Arztes berücksichtigt. Ein Abrechnungsbetrug über einen Zeitraum von zwei Jahren sowie eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung begründen Unzuverlässigkeit. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation ist § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO. Danach ist die Approbation als Arzt zu widerrufen, wenn sich der Arzt nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt.
Diese Voraussetzungen waren zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl. dazu: BVerwG v. 14.4.1998, Az. 3 B 95.97 ; v. 25.2.2008, Az. 3 B 85.07 und v. 19.8.2011, Az. 3 B 6/11 ) gegeben.
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Approbation des Klägers gegeben sind, legt das Gericht die in den Strafbefehlen vom 30.12.2014 und vom 14.8.2013 festgestellten Sachverhalte zugrunde.
Es ist anerkannt, dass Behörden und auch die Verwaltungsgerichte tatsächliche und rechtliche Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl der Beurteilung der Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit im berufsrechtlichen Sinn zugrunde legen können, ohne dass diese selbst auf ihre Richtigkeit überprüft werden müssen. Zwar ist ein Strafbefehl kein in einem ordentlichen Strafverfahren ergehendes Urteil, sondern eine in einem besonders geregelten summarischen Verfahren getroffene richterliche Entscheidung. Weil das Strafbefehlsverfahren vornehmlich der Vereinfachung und Beschleunigung dient, kann ein Strafbefehl regelmäßig nicht das Maß an Ergebnissicherheit bieten wie ein Urteil. Weil der Strafbefehl jedoch aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch das Gericht ergeht (vgl. §§ 407, 408 StPO), einen strafrechtlichen Schuldspruch enthält sowie eine strafrechtliche Rechtsfolge gegen den Beschuldigten festsetzt und gemäß § 410 Abs. 3 StPO die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils erlangt, können im Ordnungsrecht die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zur Grundlage der Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, und zwar auch im Zusammenhang mit dem Widerruf der ärztlichen Approbation (BVerwG v. 26.6.2002, NJW 2003, 913; v. 6.3.2003, Az. 3 B 10/03 ; BayVGH v. 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 m. w. N.). Ein Abweichen von den Feststellungen einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Entscheidung kann allerdings ausnahmsweise dann geboten sein, wenn gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen (BVerwG v. 16.1.1991, NJW 1991, 1530; BVerwG v. 26.9.2002, NJW 2003, 913; BVerwG v. 6.3.2003, Az. 3 B 10.03 ; BayVGH v. 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 sowie vom 10.5.2012, Az. 21 ZB 11.1883 m. w. N.). Dies ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung etwa dann der Fall, wenn Wiederaufnahmegründe i. S. d. § 359 StPO gegeben sind, die maßgeblichen und tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts erkennbar auf einem Irrtum beruhen oder die Behörde oder die Verwaltungsgerichte ausnahmsweise in der Lage sind, eine für ihre Entscheidung erhebliche, aber strittige Tatsache besser als das Strafgericht aufzuklären (BayVGH v. 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 ; v. 28.4.2010, Az. 21 BV 09.1993 sowie vom 28.3.2007, Az. 21 B 04.3153 ; vgl. zur gesamten Problematik der Verwertung von im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnissen: Schelling in: Spickhoff, Medizinrecht, § 5 BÄO, Rd.Nr. 44).
Im vorliegenden Fall bestehen für die zur Entscheidung berufene Kammer keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen in den beiden Strafbefehlen unrichtig sein könnten.
a) Was den Strafbefehl vom 14.8.2013 anbelangt (fahrlässige Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung), so räumt der Kläger selbst ein, dass sich die Geschehnisse, wie im Strafbefehl geschildert, tatsächlich so zugetragen haben.
b) Hinsichtlich der Betrugsvorwürfe im Strafbefehl vom 30.12.2014 ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Falschabrechnungen gegenüber der KVB tatsächlich stattgefunden haben. Der Kläger selbst hat gegenüber der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 26.8.2014 eine umfangreiche Aufstellung der „versehentlich falsch abgerechneten Hausbesuchsziffern“ vorgelegt. Er selbst hat auch den sich in den Quartalen 4/2007 bis 4/2009 durch Überzahlungen der KVB ergebenden Schaden auf 22.278,89 € beziffert.
Der Kläger bestreitet nunmehr jedoch, hinsichtlich der Falschangaben vorsätzlich gehandelt zu haben. Gegenüber der Staatsanwaltschaft habe er vorsätzliches Handeln nur deshalb eingeräumt, um eine Hauptverhandlung zu vermeiden. Diese Einlassung des Klägers ist jedoch nicht geeignet, die Richtigkeit der Feststellungen im Strafbefehl in Frage zu stellen. Einerseits ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass es sich bei der Einlassung des Klägers um eine falltypische Einlassung handelt. Viele von einem Approbationswiderruf betroffene Ärzte führen im approbationsrechtlichen Verfahren an, sie hätten einen Strafbefehl nur deshalb akzeptiert, um eine öffentlichkeitswirksame Hauptverhandlung im Strafverfahren zu vermeiden. Insofern fällt auf, dass sich die betroffenen Ärzte im jeweiligen Verfahren stets so versuchen zu verhalten, wie es für sie im jeweiligen Verfahren am günstigsten ist. Eine substantiierte Infragestellung des im Schriftsatz vom 9.12.2014 gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegebenen Geständnisses, wonach der Kläger bedingt vorsätzliches Handeln einräumte, kann hierin nicht gesehen werden.
Im Übrigen hat der Kläger auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren letztendlich eingeräumt, bedingt vorsätzlich gehandelt zu haben. Er hat nämlich betont, die Quartalsabrechnungen, die von einer Mitarbeiterin erstellt worden seien, stets blind – also ohne Kenntnis des Inhalts – unterschrieben zu haben. Mit den Quartalsabrechnungen hat der Kläger jeweils eine Erklärung zur Abrechnung unterzeichnet (vgl. Bl. 14 ff. BA), in der er versicherte, dass er die abgerechneten Leistungen erbracht habe, und in der er bestätigte, dass die Abrechnungen sachlich richtig seien. Wenn man aber eine derartige Versicherung bzw. Bestätigung abgibt, den Inhalt der Abrechnungen jedoch nicht – nicht einmal stichprobenartig – überprüft, so liegt es auf der Hand, dass man billigend in Kauf nimmt, dass fehlerhafte Abrechnungen erfolgen. Gerade dies kennzeichnet aber bedingten Vorsatz.
2. Unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs ist ein Arzt nach ständiger Rechtsprechung, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist (BVerwG v. 14.4.1998, NJW 1999, 3425; v. 9.1.1991, NJW 1991, 1557; BayVGH v. 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 ). Erforderlich ist ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine Berufsausübung zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als untragbar erscheinen lässt. Einer Prognoseentscheidung in Bezug auf die künftige ordnungsgemäße Erfüllung der Berufspflichten bedarf es – anders als bei der Zuverlässigkeit – nicht (BVerwG v. 2.11.1992, NJW 1993, 806; BayVGH v. 25.9.2012, Az. 21 BV 11.30 ). Unwürdigkeit liegt dann vor, wenn ein bestimmtes Verhalten gegeben ist, das nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden kann, die mit der Einschätzung der Persönlichkeit eines Arztes gemeinhin verbunden wird. Der Begriff der Unwürdigkeit ist daran gebunden, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arztes mit dem gesamten Berufsbild und den Vorstellungen übereinstimmt, die die Bevölkerung allgemein vom Arzt hat (BayVGH v. 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 ). Liegt Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes vor, so ist der im Entzug der Approbation liegende, in jedem Fall sehr schwerwiegende Eingriff in die Berufsfreiheit sachlich gerechtfertigt, ohne dass es noch einer zusätzlichen Auseinandersetzung mit individuellen Umständen, wie z. B. mit dem Alter des Betroffenen oder den Möglichkeiten einer anderen beruflichen Tätigkeit bedürfte (BVerwG v. 18.8.2011, Az. 3 B 6/11 ; BayVGH v. 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 ; OVG NW v. 2.4.2009, Az. 13 A 9/08 und v. 17.2.2009, Az. 13 A 2907/08 ).
Die vom Kläger begangenen Straftaten rechtfertigen die Annahme seiner Berufsunwürdigkeit. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass das hohe Ansehen, das Ärzte in der Bevölkerung genießen, ausschließlich auf dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Heilkunst des Arztes beruht, so dass eine Ahndung eines Abrechnungsbetrugs für sich genommen nicht dafür genügen würde, eine Unwürdigkeit anzunehmen. Die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gehört nämlich zu den Berufspflichten eines Arztes. Die Gefährdung der finanziellen Basis der Kassen durch betrügerische Falschabrechnungen im großen Umfang ist eine gravierende berufliche Verfehlung, die ohne Weiteres zur Berufsunwürdigkeit führen kann. Eines zusätzlichen „behandlungsrelevanten“ Aspekts bedarf es insoweit nicht (BVerwG v. 20.9.2012, Az. 3 B 7.12 ; BayVGH v. 11.5.2016, Az. 21 ZB 15.2776 ).
Aus diesem Grund spielen die zahlreichen vom Kläger vorgelegten Dankesschreiben von Patienten keine Rolle im approbationsrechtlichen Verfahren. Dass der Kläger im Rahmen der originären Ausübung der Heilkunde seine Berufspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, wird ihm auch nicht vorgeworfen. Andererseits vermag die nicht anzuzweifelnde medizinische Qualifikation des Klägers die vorhandenen Defizite im Abrechnungsverhalten nicht auszugleichen.
Das Gericht vermag in diesem Zusammenhang der Argumentation des Klägers nicht zu folgen, wonach es sich bei den vorsätzlichen Falschabrechnungen um keine schwerwiegenden Straftaten gehandelt habe, weil der entstandene Schaden gering sei. Aus Sicht des Gerichts kann schon nicht von einem geringen Schaden gesprochen werden. Der Kläger selbst hat gegenüber der Staatsanwaltschaft eingeräumt, in den Quartalen 4/2007 bis 4/2009 Überzahlungen in Höhe von 22.278,89 € erhalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat dem Strafbefehl lediglich einen Schaden in Höhe von 18.973,50 € zugrunde gelegt, weil der strafrechtliche Betrugsvorwurf für das 4. Quartal 2007 bereits verjährt war. Aus Sicht des Gerichts kann ein der Solidargemeinschaft der Versicherten zugefügter Schaden in der vom Kläger verursachten Höhe nicht mehr als geringfügig eingestuft werden. Hinzu kommt, dass der Kläger über einen Zeitraum von 2 Jahren Falschabrechnungen eingereicht hat. Hier zeigt es sich, dass der Kläger seine Verpflichtung zur korrekten Abrechnung über einen beträchtlichen Zeitraum nicht korrekt nachgekommen ist, was zu einer erheblichen Schädigung des Ansehensverlusts der Ärzteschaft führen kann.
Keine Rolle spielt hier das Argument des Klägers, wonach sein Fehlverhalten auch deshalb nicht so schwer wiege, weil es quasi auch auf ein Verschulden der KVB zurückzuführen sei, dass die Falschabrechnungen solange unentdeckt geblieben seien. Da die KVB immer mehrere Abrechnungsquartale rückwirkend prüfe, sei das Fehlverhalten des Klägers erst nach geraumer Zeit aufgefallen. Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein längeres Unentdecktbleiben von Falschabrechnungen das Fehlverhalten des Arztes bei der Abrechnung nicht entschuldigen kann. Bei der Einreichung jeder einzelnen Quartalsabrechnung trifft den Arzt die Berufspflicht zur korrekten Abrechnung. Bei jeder einzelnen Abrechnung im fraglichen Zeitraum hat der Kläger diese Berufspflicht verletzt, da er die Abrechnungen nicht überprüft hat, sondern diese blind unterzeichnet hat. Die Frage, wann die fehlerhaften Abrechnungen aufgedeckt worden sind, spielt somit keine entscheidende Rolle.
Ferner vermag die Kammer der Argumentation des Klägers nicht zu folgen, wonach sein Fehlverhalten auch deshalb nicht so schwerwiegend sei, weil die von ihm falsch abgerechneten Leistungen ja tatsächlich erbracht worden seien, es sich mithin nicht um „Luftleistungen“ gehandelt habe. Auch diesbezüglich ist zu betonen, dass es bei der Einstufung der Schwere des Fehlverhaltens nicht darum geht, ob überhaupt nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden sind oder ob erbrachte Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind. Maßgeblich ist allein, dass durch eine vorsätzliche und in Bereicherungsabsicht erfolgte Falschabrechnung der Solidargemeinschaft der Versicherten ein Schaden entstanden ist, was vorliegend der Fall ist.
Nach Auffassung der entscheidenden Kammer reichen bereits die vom Kläger begangenen Abrechnungsbetrügereien aus, um von einer Unwürdigkeit des Klägers auszugehen. Hinzu kommt noch der Umstand, dass sich der Kläger auch einer fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht hat, da er einen auf einer Liege zur Ruhe gelegten Patienten nicht hinreichend beobachtet hat, so dass dieser von der Liege fiel. Auch insoweit hat der Kläger seine ärztlichen Pflichten verletzt. Dies allein mag für sich genommen noch nicht die Unwürdigkeit des Klägers zu begründen. Insoweit ist jedoch eine Zusammenschau mit dem vom Kläger begangenen Abrechnungsbetrug in 8 Fällen vorzunehmen.
Darüber hinaus liegt es auf der Hand, dass auch die gegenüber einer Mitarbeiterin der Prüfstelle Ärzte Bayern gemachten Äußerungen, die vom Strafgericht als Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung gewertet worden sind, – jedenfalls in der Gesamtschau mit den übrigen vom Kläger begangenen Straftaten – zu einem erheblichen Ansehensverlust der Ärzteschaft führen, weshalb der Beklagte zu Recht von der Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs ausgegangen ist.
3. Darüber hinaus ist der Kläger auch unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs.
Der Begriff der Unzuverlässigkeit wird – im Gegensatz zum Begriff der Unwürdigkeit – durch eine Zukunftsprognose charakterisiert, die auf der Basis des bisherigen Verhaltens des Arztes zu treffen ist. Unzuverlässigkeit ist gegeben, wenn ein Arzt nicht mehr die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung seines Berufes bietet. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde entsprechend seinem bisherigen Verhalten auch in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten (BayVGH v. 15.2.2000, Az. 21 B 96.1637 ). Maßgeblich für die Prognoseentscheidung ist die jeweilige Situation des Arztes im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung sowie sein vor allem durch die Art, die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter (BVerwG v. 27.2.2010, Az. 3 B 61/10 ).
Die vom Kläger in der Vergangenheit an den Tag gelegte Handhabung bei der Einreichung von Abrechnungen gegenüber der KVB lässt auf erhebliche Charaktermängel schließen und sie lässt Rückschlüsse darauf zu, dass der Kläger auch künftig lediglich eine mangelnde Bereitschaft zu einer ordnungsgemäßen Ausübung des Arztberufs haben wird. Aus dem Fehlverhalten des Klägers lässt sich bei verständiger Würdigung die begründete Besorgnis ableiten, dass er auch künftig entsprechend seiner inneren Einstellung seinen Berufspflichten nicht hinreichend nachkommen wird (vgl. nur BVerwG v. 16.9.1997, Az. 3 C 12.95 ). Im Hinblick auf die anzustellende Prognose teilt die zur Entscheidung berufene Kammer die Einschätzung der Regierung von Oberbayern im angegriffenen Bescheid, weshalb es gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer diesbezüglichen weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht und vollumfänglich auf der zutreffenden Begründung des Bescheids folgt.
Keine Rolle spielt es im Übrigen – wie der Kläger meint -, dass die Verfehlungen bereits mehrere Jahre zurückliegen. Der Strafbefehl zum Abrechnungsbetrug ist erst seit dem 23.1.2015 rechtskräftig. Bis zu diesem Zeitpunkt schwebte folglich ein Strafverfahren über dem Kläger. Nach gefestigter Rechtsprechung kann einem Wohlverhalten, das unter dem Druck eines schwebenden Verfahrens gezeigt wird, regelmäßig kein besonderer Wert beigemessen werden (BayVGH v. 11.5.2016, Az. 21 ZB 15.2776 ; v. 15.6.1993, Az. 21 ZB 92.226 , NdsOVG v. 23.7.2014, Az. 8 LA 142/13 ).
4. Der Widerruf der Approbation ist auch verhältnismäßig.
Der Widerruf der Approbation nach den §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist eine gebundene Entscheidung. Ist ein Arzt unwürdig und/oder unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs, so ist die Approbation zu widerrufen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist es geklärt, dass dem mit dem Widerruf bewirkten Eingriff in die Berufsfreiheit schon bei der Auslegung des Begriffs der Unzuverlässigkeit bzw. Unwürdigkeit hinreichend Rechnung getragen werden muss, um das Übermaßverbot zu wahren. Der Widerruf ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nur dann gerechtfertigt, wenn der mit dem Ausschluss des Betroffenen von einer weiteren Berufsausübung bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht. Andernfalls kommen nur unterhalb der Schwelle des Widerrufs liegende berufsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Sind danach die Voraussetzungen für einen Widerruf erfüllt, so ergibt sich die Verhältnismäßigkeit aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung (BVerwG v. 27.10.2010, Az. 3 B 61/10 und vom 28.4.2010, NJW 2010, 2901).
Bereits oben wurde dargestellt, dass der Zeitraum, über den sich der Abrechnungsbetrug erstreckte sowie die vom Kläger verursachte Schadenshöhe im Zusammenspiel mit den vom Kläger verwirklichten Straftaten der fahrlässigen Körperverletzung in Tatmehrheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung als besonders schwerwiegende Verletzungen ärztlicher Pflichten darstellen, weshalb beim Kläger sowohl Unwürdigkeit als auch Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs vorliegen. Vor diesen Hintergrund ist der Widerruf der Approbation nicht unverhältnismäßig.
Eine Unverhältnismäßigkeit lässt sich im Übrigen auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass die KVB gegen den Kläger „lediglich“ ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat, dem Kläger aber nicht die kassenärztliche Zulassung entzogen hat. Für die approbationsrechtliche Beurteilung spielt dies keine Rolle. Im approbationsrechtlichen Verfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die gebundene Entscheidung des Widerrufs der Approbation gegeben sind. Die Motive der KVB, die zu deren Entscheidung geführt haben, sind für das approbationsrechtliche Verfahren dagegen unerheblich.
5. Die Kostenentscheidung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids beruht auf den Art. 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 des Kostengesetzes (KG) i. V. m. der Tarif-Nr. 7.IX.1/2 der Anlage zu § 1 der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz (KVz). Für den Widerruf der Approbation ist danach ein Gebührenrahmen von 250,- € bis 500,- € vorgesehen. Die vom Beklagten festgesetzte Gebühr in Höhe von 400,- € bewegt sich im mittleren Bereich dieses Rahmens und ist nicht zu beanstanden. Seitens des Klägers wurde gegen die Höhe der Gebühr auch nichts vorgetragen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg zu stellen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen (Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 340148, 80098 München).
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 30.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG), dessen Empfehlungen die Kammer folgt. Nach Nr. 16.1 des Streitwertkatalogs beträgt der Streitwert für den Widerruf der Approbation mindestens 30.000,- €.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg einzulegen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg). Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.

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