Medizinrecht

Zur Terminverlegung bei Zugangsbeschränkungen aus Gründen des Infektionsschutzes

Aktenzeichen  VIII B 108/20

Datum:
6.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:B.060421.VIIIB108.20.0
Normen:
§ 119 Nr 3 FGO
§ 227 Abs 1 ZPO
Art 103 Abs 1 GG
§ 155 FGO
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

NV: Ein erheblicher Grund für eine Terminverlegung kann sich auch daraus ergeben, dass der Beteiligte an bestimmten (noch leichten) Krankheitssymptomen leidet, die für eine mögliche Corona-Infektion sprechen können, und beim FG für solche Personen aus Gründen des Infektionsschutzes ein Zugang zum Gerichtsgebäude und damit zur mündlichen Verhandlung nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.

Verfahrensgang

vorgehend FG Köln, 3. September 2020, Az: 12 K 205/18, Urteil

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 03.09.2020 – 12 K 205/18 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Die Beteiligten streiten in der Sache darüber, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ihre selbständige Tätigkeit als Rechtsanwältin in den Streitjahren 2013 und 2015 mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt hat.
2
In dem hierzu von der Klägerin und ihrem Ehemann (Kläger und Beschwerdeführer –Kläger–) geführten Klageverfahren terminierte die Berichterstatterin am 28.02.2020 zunächst einen Erörterungstermin, der am 17.03.2020 stattfinden sollte. Diesen Termin hob sie mit Blick auf die Entwicklung der Corona-Lage am 16.03.2020 auf. Der nachfolgend anberaumte Erörterungstermin fand am 03.06.2020 planmäßig statt. Im Juli 2020 beraumte der Senatsvorsitzende einen Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat für den 03.09.2020, 9:30 Uhr, an, zu dem für die Kläger deren Prozessbevollmächtigte geladen wurde. Der Ladung waren aktuelle Hinweise zum Umgang mit dem Corona-Virus beigefügt. Darin werden Personen, bei denen unmittelbar vor der Sitzung Symptome des Corona-Virus (wie z.B. Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Muskel-/Gelenkschmerzen, Halsschmerzen) auftreten, gebeten, umgehend mit dem Gericht telefonisch Kontakt aufzunehmen.
3
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger bat mit Schreiben vom 02.09.2020 (Eingang beim Finanzgericht –FG– um 14:13 Uhr) um Terminverlegung, da sie an einem Erkältungsinfekt mit beginnendem Fieber leide. Diesen Antrag lehnte der Senatsvorsitzende noch am 02.09.2020 ab. Werde –so die Begründung– ein Antrag auf Terminverlegung erst kurz vor dem Termin gestellt, sei die Erkrankung durch Vorlage eines substantiierten Attests glaubhaft zu machen. Hieran fehle es. Die Behauptung der Erkältung mit beginnendem Fieber genüge nicht. Auch sei es zumutbar, dass sich ein Sozietätskollege in den Fall einarbeite und den morgigen Termin wahrnehme. Hierauf teilte die Prozessbevollmächtigte –ebenfalls noch am 02.09.2020 (Eingang beim FG um 16:17 Uhr)– mit, dass sie an diesem Nachmittag kein ärztliches Attest erhalten könne, da ihr Hausarzt –wie fast alle Ärzte– mittwochs nachmittags geschlossen habe. Sie werde morgen Vormittag ein entsprechendes Attest einholen und nachreichen. Ihrem 80-jährigen Vater sei es nicht zumutbar, sich in den Fall einzuarbeiten und morgen früh zur Verhandlung zu erscheinen. Sie wiederhole ihren Verlegungsantrag. Außerdem halte sie es in Coronazeiten für verantwortungslos, mit ihren Symptomen bei Gericht zu erscheinen. Sie habe sich den Infekt nicht ausgesucht.
4
Hierauf teilte der Senatsvorsitzende der Prozessbevollmächtigten vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 03.09.2020 mit, sie erhalte Gelegenheit, bis 11:00 Uhr ein substantiiertes Attest vorzulegen, das dem Gericht die Möglichkeit einräume, selbst zu beurteilen, ob ihr eine Anreise zum Gericht zuzumuten sei bzw. Verhandlungsunfähigkeit bestehe. Im Übrigen gehe er davon aus, dass ihrem Vater angesichts des fortgeschrittenen Alters die Terminwahrnehmung nicht zuzumuten sei.
5
Der Senatsvorsitzende eröffnete die mündliche Verhandlung, zu der für die Kläger niemand erschienen war, zunächst, unterbrach diese allerdings, um die Vorlage von Unterlagen durch die Prozessbevollmächtigte abzuwarten. Diese übermittelte dem FG um 10:00 Uhr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die am gleichen Tag ausgestellt war und die Arbeitsunfähigkeit der Prozessbevollmächtigten für diesen Tag “wegen Krankheit” bescheinigt. Das FG setzte die mündliche Verhandlung um 11:07 Uhr fort und wies die Klage der Kläger ab. Es war der Auffassung, für eine Terminverlegung genüge es nicht, dass das eingereichte Attest lediglich die Arbeitsunfähigkeit am Tag der mündlichen Verhandlung bescheinige. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der aktuellen Besonderheiten im Hinblick auf die Corona-Pandemie, denn aus dem Attest sei keinerlei Diagnose erkennbar. Insbesondere fehle ein Hinweis darauf, dass die Prozessbevollmächtigte unter Symptomen des Corona-Virus leide und aus diesem Grunde etwa ein entsprechender Test veranlasst worden sei. Für das Gericht sei daher nicht erkennbar, inwiefern die Prozessbevollmächtigte –auch unter Beachtung des aktuellen Infektionsgeschehens in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie– tatsächlich verhandlungsunfähig und damit an der Wahrnehmung des Termins gehindert sei, zumal sich die Prozessbevollmächtigte jedenfalls am Nachmittag vor dem Verhandlungstag offensichtlich noch in ihren Kanzleiräumen aufgehalten und Schreiben an das Gericht übermittelt habe.
6
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie u.a. rügen, das FG habe ihren Terminverlegungsantrag verfahrensfehlerhaft abgelehnt. Zur Begründung verweisen sie auch auf die vom FG mit der Ladung ausdrücklich gegebenen Hinweise zum Umgang mit dem Corona-Virus.


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