Aktenzeichen VIII ZB 84/09
§ 570 Abs 3 Halbs 1 ZPO
§ 575 Abs 5 ZPO
§ 535 BGB
Verfahrensgang
vorgehend LG Köln, 14. Oktober 2009, Az: 9 S 52/09vorgehend AG Bergisch Gladbach, 13. Januar 2009, Az: 63 C 255/08, Teilurteil
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 13. Januar 2009 wird einstweilen bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde des Beklagten mit der Maßgabe eingestellt, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig ist, wenn der Beklagte nachweist, dass er für den Monat Februar 2010 eine Nettomiete von 656 € zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung von 185 € an die Klägerin geleistet hat, und er für die folgenden Monate nachweist, dass die monatliche Nettomiete nebst Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von insgesamt 841 € bis zum 3. Werktag des jeweiligen Monats an die Klägerin geleistet worden ist.
Gründe
I.
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Das Rechtsbeschwerdegericht kann im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 570 Abs. 3 Halbs. 1, § 575 Abs. 5 ZPO auch die Vollziehung einer Entscheidung der ersten Instanz aussetzen, wenn hierdurch dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als dem Gegner, die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint und die Rechtsmittel des Rechtsbeschwerdeführers nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht sind (Senatsbeschluss vom 6. August 2003 – VIII ZB 77/03, WuM 2003, 509; BGH, Beschluss vom 21. März 2002 – IX ZB 48/02, NJW 2002, 1658, unter II 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
2
Durch die für den 12. Februar 2010 angesetzte Vollstreckung des Räumungsurteils würde dem Beklagten ein unwiderbringlicher Nachteil entstehen. Er hat glaubhaft gemacht, aufgrund der Vorbereitungen für sein Examen (schriftliche Prüfungen im Zeitraum vom 20. Januar bis 22. Januar 2010; mündliche Prüfung am 10. Februar 2010) keine ausreichende Gelegenheit zur Anmietung einer Ersatzwohnung gefunden zu haben. Der Klägerin drohen dagegen durch den Aufschub der Vollstreckung keine wesentlichen Nachteile. Denn sie ist auf die Nutzung der Wohnung nicht dringend angewiesen, da nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Beklagten in dem Objekt zwei Wohnungen leer stehen. Zudem steht die Einstellung unter der Bedingung, dass der Beklagte die Miete für Februar 2010 bis zum Vollstreckungstermin zahlt und auch in den künftigen Monaten die Mietzahlungen fristgerecht erbringt.
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Die nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten erscheint zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig und auch begründet. Die Rechtsbeschwerdebegründung zeigt auf, dass das Berufungsgericht den rechtzeitig gestellten Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist rechtsfehlerhaft abgewiesen hat. Ein Rechtsanwalt, der seinem zuverlässigen Büropersonal die Anweisung gibt, Faxsendungen rechtzeitig an das Gericht zu übermitteln und den Sendebericht auf die gelungene Übermittlung des Schriftsatzes (Aufdruck “OK”) zu überprüfen, hat regelmäßig ausreichende organisatorische Maßnahmen für eine rechtzeitige Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen getroffen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009 – VIII ZB 97/08, juris, Tz. 13). Dass sich der Beklagtenvertreter auf die Mitteilung seiner Bürokraft verlassen hat, der Schriftsatz sei ordnungsgemäß übermittelt worden, ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009, aaO, Tz. 16, 17; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – I ZB 64/05, NJW 2006, 1519, Tz. 11). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagtenvertreter die Frist im Kalender aufgrund der Angaben seiner Kanzleikraft eigenhändig gelöscht hat. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich – anders als das Berufungsgericht meint – in einem wesentlichen Punkt von der Sachverhaltskonstellation, mit der sich der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu befassen hatte (vgl. Beschluss vom 11. Februar 2009 – IV ZB 26/08, NJW-RR 2009, 785). Im dortigen Fall wurde die Fristversäumung dadurch ausgelöst, dass die Kanzleikraft einen fristgebundenen Schriftsatz übersehen hatte. Dieses Versäumnis hätte behoben werden können, wenn der damalige Prozessbevollmächtigte die Frist nicht eigenhändig ohne die – in diesen Fällen erforderliche – Überprüfung der Sachlage gelöscht hätte (Beschluss vom 11. Februar 2009, aaO, Tz. 2, 7 f.). Vorliegend steht jedoch ein anderes Fehlverhalten des Büropersonals (Missdeutung der Angaben auf dem Sendeprotokoll) in Rede. Die Erledigung dieser Aufgaben brauchte der Beklagtenvertreter nicht zu überwachen (Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009, aaO, Tz. 17; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006, aaO).
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Auch der vom Beklagten eingelegten Berufung kann die Erfolgsaussicht nach dem gegenwärtigen Stand nicht abgesprochen werden. Aus der vom Beklagten in Bezug genommenen Berufungsbegründung ergibt sich, dass das Amtsgericht eine mögliche Aufrechnungsbefugnis des Beklagten nach § 566d BGB nicht geprüft hat. Dies wird im Berufungsverfahren nachzuholen sein.
Ball Hermanns Dr. Milger
Dr. Fetzer Dr. Bünger