Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Klimaanlage ist bauliche Veränderung

Aktenzeichen  484 C 17510/18 WEG

Datum:
26.3.2019
Fundstelle:
LSK – 2019, 33519
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3, § 22 Abs. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 4
BGB § 1004

 

Leitsatz

1. Der Einbau einer Klimaanlage im Sondernutzungsbereich, bei der Leitungen durch ein gebohrtes Loch im Fensterrahmen verlegt werden, stellt eine bauliche Verändeurng dar. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt bereits deshalb vor, weil der Fensterrahmen, der zum Gemeinschaftseigentum gehört, beschädigt wurde. (Rn. 31 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu Gunsten der Eigentümer kann auch nicht berücksichtigt werden, dass diese ein Kleinkind haben, was unter der Hitze leidet, denn es besteht die Möglichkeit Innenklimageräte aufzustellen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts München vom 29.10.2018 in Form des Berichtigungsbeschlusses vom 05.12.2018 bleibt aufrechterhalten.
II. Die Beklagten tragen die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2000 €.
IV. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist form- und fristgerecht erfolgt und hat den Prozess wieder in die Ausgangslage zurückversetzt.
Die Beklagten haben die Verbindung des Verfahrens 484 C 16391/18 WEG mit diesem Verfahren beantragt. Eine Verbindung hatte nicht zu erfolgen, da es sich um 2 rechtlich völlig unterschiedliche Ansprüche mit unterschiedlichen Verfahrensbeteiligten handelt. In dem Verfahren 484 C 16391/18 WEG ist eine Beschlussanfechtungsklage rechtshängig, wobei die übrigen Wohnungseigentümer Beklagte sind, während es sich hier um eine Beseitigungsklage handelt, wobei die WEG als Verband Klägerin ist.
II. Die Klage ist zulässig.
Es ist das Wohnungseigentumsgericht gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zuständig.
Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Unter Top 17.2 hat die WEG die Beseitigungsansprüche der einzelnen Eigentümer hinsichtlich des Klimagerätes an sich gezogen und die Hausverwaltung wurde angewiesen die gerichtliche Durchsetzung des Beseitigungsverlangens zu beauftragen.
III. Die Klage ist auch begründet, so dass das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten war.
1. Die Klagepartei hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung des auf ihrer Sondernutzungsfläche errichteten Klimagerätes und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. III WEG.
1.1. Die Beklagten haben hier unberechtigter Weise ohne Genehmigung der Wohnungseigentümer ein Klimagerät auf ihrer Sondernutzungsfläche errichtet, wobei sie die Leitungen für das Klimagerät durch ein gebohrtes Loch in dem Fensterrahmen in den Keller hinunter verlegt haben. Dadurch liegt insgesamt eine bauliche Veränderung gem. § 22 I WEG vor. Unter einer baulichen Veränderung ist jede auf Dauer angelegte gegenständliche Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums zu verstehen, durch den dauerhaft andere Funktionalitäten oder eine abgeänderte Optik geschaffen werden. Das sind demnach insbesondere Anbauten, Umbauten, Ausbauten o.ä. Einwirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum (Spielbauer in Spielbauer/Then 2. Auflage WEG Kommentar § 22 Rdnr. 3 WEG). Demnach liegt hier ein sogenannter Anbau auf dem Gemeinschaftseigentum vor. Es handelt sich zwar um eine Sondernutzungsfläche, die aber im Gemeinschaftseigentum sämtlicher Miteigentümer steht, so dass Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Ein Substanzeingriff liegt vor, denn es wurde ein Fensterrahmen, der im Gemeinschaftseigentum steht zur Leitungsführung durchbohrt. Dadurch erhält die Sondernutzungsfläche eine andere Funktionalität, nämlich nicht nur zur Nutzung als Gartenfläche, sondern als Fläche zur Installation eines Klimagerätes.
1.2. Durch diese bauliche Veränderung liegt auch gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 eine Beeinträchtigung vor, die über das zumutbare Maß hinausgeht. Von Bedeutung sind nur objektive und konkret feststellbare Beeinträchtigungen. Es muss sich tatsächlich um einen Nachteil für einen oder mehrere WEer handeln. Eine Veränderung des gemE, die ausschließlich Verbesserungen für alle bringt, kann keine Beeinträchtigung i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 2 zur Folge haben. Auch in einer Veränderung, die zwar keine Verbesserung bringt, jedoch auch nicht nachteilig wirkt, kann ein Nachteil nicht gesehen werden. Einen Nachteil stellt allerdings die Belastung mit den Kosten dar. Maßstab zur Beurteilung, ob eine Umgestaltung beeinträchtigend wirkt, ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein WEer in der betreffenden Situation verständlicherweise beeinträchtigt fühlen darf (BGH ZWE 2017, 224 Rn. 15; BGHZ 116, 392 (396); ZWE 2012, 32 (33) und 83 (84); KG OLGZ 1993, 427 (428); BayObLG WE 1987, 156 (157); LG München I ZWE 2013, 226). Es ist eine objektivierte Betrachtung notwendig. Das subjektive Empfinden eines Eigentümers, seine Ängste und Befürchtungen allein spielen bei der Beurteilung keine Rolle (Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 22 Rn. 177-184 a).
1.3. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer i.S.v. § 14 I Nr. 1 WEG liegt bereits darin, dass zur Leitungsführung des Klimagerätes die Fenster, die im Gemeinschaftseigentum stehen, durchbohrt worden sind. Es handelt sich dabei um eine objektive und konkret feststellbare Beeinträchtigung. Es handelt sich auch um einen konkreten Nachteil für alle Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer tragen nämlich ein Kostenrisiko, wer die Kosten des beschädigten Fensters zu bezahlen hat. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass es den Beklagten nicht zuzumuten ist, etwaige Schäden gegen die Kläger einzuklagen, falls diese den defekten Fensterrahmen nicht freiwillig austauschen würden. Die Beklagten haben bisher keinerlei Gewähr dafür, dass die Kläger für diesen Schaden auch tatsächlich aufkommen, auch wenn sich aus § 5 Nr. 1 e) der GO eine Instandhaltungspflicht und Instandsetzungspflicht der Kläger für die sich im Bereich des Sondereigentums befindlichen Fenster ergibt. Die Wohnungseigentümer wären dann gezwungen die Kläger zu verklagen. Zudem ist auch in § 5 Ziffer 1 e) geregelt, dass es Sache der Wohnungseigentümer ist, die nach außen weisenden Teile der Fenster zu streichen. Für das Streichen der Fenster außenseitig ist deshalb die Klagepartei nicht instandsetzungsverpflichtet, so dass dies den Wohnungseigentümern verbleibt und sie daher auch erhöhte Kosten bei einem Loch in dem Fensterrahmen zu tragen hätten. Einen Nachteil stellt eine solche zu befürchtende Kostenbelastung auf alle Fälle dar.
1.4. Ein weiterer erheblicher Nachteil liegt jedoch auch darin, dass durch eine Lochbohrung der Fensterrahmen beschädigt ist und über Jahre oder Jahrzehnte hinweg (solange der Betrieb der Klimaanlage läuft) beschädigt bleibt. Eine Begrenzung der Nutzung der Klimaanlage ist im Beschlussantrag nicht vorgesehen, so dass die Genehmigung der Klimaanlage sowohl für die Kläger, als auch für etwaige Rechtsnachfolger wirkt. Dies bedeutet, dass möglicherweise sogar über Jahrzehnte ein Fensterrahmen mit einem Loch vorhanden ist, was zu weiteren, bisher nicht absehbaren Folgeschäden führen könnte.
Die Wohnungseigentümer sind auch nicht verpflichtet zunächst solche Schäden am Gemeinschaftseigentum hinzunehmen, um dann die Kläger aufgrund der beschädigten Fenster in Regress nehmen zu müssen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass es den Beklagten zudem nicht zuzumuten ist, etwaige Schäden gegen die Kläger oder etwaige Rechtsnachfolger einzuklagen, falls diese den defekten Fensterrahmen nicht freiwillig austauschen würden. Die Beklagten haben bisher keinerlei Gewähr dafür, dass die Kläger oder etwaige Rechtsnachfolger für diesen Schaden auch haften, denn die Kläger haben diesbezüglich keinerlei Verpflichtungserklärung abgegeben. Aber auch wenn die Kläger eine solche Verpflichtungserklärung abgeben sollten, müssen die Beklagten es nicht hinnehmen, dass zunächst das Gemeinschaftseigentum durch eine Lochbohrung im Fensterrahmen beschädigt ist und über Jahre oder Jahrzehnte hinweg (solange der Betrieb der Klimaanlage läuft) beschädigt bleibt.
Daher liegt bereits darin eine erhebliche Beeinträchtigung i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG vor, so dass jeder Wohnungseigentümer dem Beschlussantrag hätte zustimmen müssen.
1.5. Für die Frage eines nicht hinzunehmenden Nachteils sind auch vereinbarte Regelungen von Bedeutung. Es kann berücksichtigt werden, ob einem WEer, der bauliche Veränderungen an einem bestimmten Teil des gemeinschaftlichen Eigentums vornimmt, ein Sondernutzungsrecht an diesem Teil bestellt ist. Dieses berechtigt aber grundsätzlich nicht zu baulichen Veränderungen.
1.6. Bei der Frage, ob ein WEer durch die Veränderung überhaupt in seinen Rechten nicht nur ganz unwesentlich beeinträchtigt wird, dh durch die Veränderung einen Nachteil erleidet ist im Rahmen dieser Prüfung allein die Beeinträchtigung des WEers maßgeblich, eine Güterabwägung findet nicht statt (OLG Hamm WE 1993, 318 (319)). Ein solcher Nachteil i.S.v. § 14 I Nr. 1 WEG liegt hier vor (siehe obige Ausführungen).
1.7. Ist ein solcher Nachteil festgestellt worden, so wie hier, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob dieser das bei einem geordneten Zusammenleben der WEer unvermeidliche Maß überschreitet (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 277). Indem § 22 Abs. 1 S. 2 i.V.m. mit § 14 Nr. 1 auf „das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß“ abstellt, erlangt § 22 Abs. 1 S. 2 generalklauselartigen Charakter. Aus diesem Grund ist bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung über dieses Maß hinausgeht, zu berücksichtigen, welche Interessen die beteiligten WEer verfolgen, insbesondere sind auch die betroffenen Grundrechte der WEer zu berücksichtigen, um deren wertsetzendem Gehalt auf der Rechtsanwendungsebene Geltung zu verschaffen (BGH ZWE 2017, 224 Rn. 15; Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 22 Rn. 173-176).
1.8. Hier hat die Klagepartei geltend gemacht, dass sie ein Kleinkind haben, das sehr stark unter der Hitze, die sich in den nächsten Jahren wohl noch steigen werde, leide. Eine Ausweichmöglichkeit, wie etwa während der heißen Periode zu verreisen, bestehe mit kleinen Kindern gerade nicht. Hier berufen sich die Kläger auf die körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 GG ihres Kleinkindes. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Installierung einer Aussen-Klimaanlage nicht die einzige Möglichkeit ist, um heiße Räume im Sommer abzukühlen. Es besteht auch die Möglichkeit der Anschaffung einer Innenklimaanlage, um heiße Räume im Sommer abzukühlen. Die Kläger sind deshalb nicht zwingend auf die Installierung einer Aussen-Klimaanlage angewiesen, um die heißen Räume im Sommer abzukühlen. Bereits aufgrund dessen kann F das Kindeswohl nicht als Argument dienen, damit zwingend eine Aussen-Klimaanlage installiert werden muss, um die Räume der Eigentumswohnung abzukühlen. Eine Güterabwägung fällt daher zu Gunsten der Klägerin aus.
2. Diese bauliche Veränderung ist auch nicht durch einen Eigentümerbeschluss genehmigt worden.
2.1. Die hier streitgegenständliche bauliche Veränderung des Einbau eines Klimagerätes ist alleine schon deshalb zurückzubauen, da die Beklagten das Klimagerät bereits eingebaut haben, ohne zuvor einen genehmigenden Eigentümerbeschluss eingeholt zu haben. Für bauliche Veränderungen besteht ein Beschlusszwang, d.h. die Beklagten wären zwingend verpflichtet gewesen, vorab einen genehmigenden Eigentümerbeschluss einzuholen, unabhängig davon, ob es sich um eine zulässige oder unzulässige bauliche Veränderung handelt (LG München I Urteil v. 20.04.2015 – 1 S 12462/14, ZMR 2015, 799).
2.2. § 22 Abs. I S. 1 WEG räumt den einzelnen Eigentümer ausdrücklich das Recht ein, einen Genehmigungsbeschluss zu verlangen, um verbindlich festzustellen, ob die übrigen Eigentümer mit der baulichen Veränderung einverstanden sind. Dabei müssen die Eigentümer klären, ob die bauliche Veränderung einen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG auslöst und ob ggf. benachteiligte Eigentümer zugestimmt haben. Gibt es – unterstellt – keinen Nachteil oder haben die Benachteiligten zugestimmt, müssen die Eigentümer durch Beschluss gemäß § 22 Abs. I S. 1 WEG ihr Einverständnis mit der baulichen Veränderung erklären. Dieser Beschlussfassung können sich die Eigentümer nicht entziehen. Gemäß § 22 Abs. I S. 1 WEG müssen sie auf Verlangen des einzelnen Eigentümers in der Versammlung einen entsprechenden Mehrheitswillen in Bezug auf die bauliche Änderung bilden. Durch dieses Prozedere wird sichergestellt, dass die Eigentümer zunächst Gelegenheit erhalten, sich in einer Versammlung über die genaue Art und Weise der baulichen Veränderung ein Bild zu machen, um darauf basierend einen Willen bilden zu können. Erst danach kann das Ergebnis dieser Willensbildung gerichtlich überprüft werden. Siehe auch dazu LG München I Urteil vom 16.11.2009 – 1 S 4964/09 -.
2.3. An dieses Prozedere haben sich die Beklagten nicht gehalten, sondern haben das Klimagerät bereits eingebaut, so dass allein schon deshalb die baulichen Veränderungen unzulässig und entsprechend der Klageanträge zurückzubauen sind.
3. Es wurde auch in der ETV vom 27.07.2018 unter Top 17.1. der Antrag der Kläger auf Genehmigung des Klimagerätes abgelehnt.
4. Es ist hier auch die Rechtsprechung des LG München I hinsichtlich der Entfernung einer Parabolantenne heranzuziehen wenn diese nicht durch einen Eigentümerbeschluss in einer Eigentümerversammlung genehmigt worden ist (LG München I Beschluss v. 14.03.2008, 1 T 11576/07 in NJW-RR 2008, 1607). Das LG München I hat entschieden, dass die Parabolantenne schon deshalb zu entfernen sei, da diese eigenmächtig aufgestellt wurde ohne zuvor einen Beschluss der Eigentümerversammlung herbeigeführt zu haben. Da hier das Aufstellen des Klimagerätes nicht genehmigt worden ist, und auch ein Antrag der Beklagten in der ETV vom 23.07.2018 auf Genehmigung des Klimagerätes (Top 17-1) abgelehnt wurde, war dieses zu beseitigen und der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen.
Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert war hier auf 5000 € festzusetzen.
Wenn der vorgetragene Sachverhalt nicht zum Eingreifen einer besonderen Streitwertvorschrift führt und auch nicht genügend Anhaltspunkte für eine Schätzung des Streitwertes nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO bietet, hat das Gericht den Streitwert frei zu schätzen. Grundsätzlich ist dabei auf den Regelwert zurückzugreifen. Für Zivilsachen enthält das GKG keine Vorschrift zu einem Regelwert. Das Gericht greift daher auf die Regelwertvorschriften der §§ 52 Abs. 2 GKG, 23 Abs. 3 RVG und § 30 Abs. 2 Kosto zurück. Der Mittelwert der in diesen Vorschriften enthaltenen Regelwerte beträgt 5.000,00 Euro (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, „Schätzung“, Rz. 4817). Mangels anderer Anhaltspunkte kommt hier der mittlere Regelstreitwert von 5.000,00 Euro zur Anwendung.


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