Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kündigung wegen Eigenbedarfs in Zeiten der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  9 C 121/20

Datum:
25.6.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36427
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Ebersberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 721

 

Leitsatz

1. Die Ausgangsbeschränkung während der Corona Pandemie war kein Grund, eine Wohnungssuche nicht aufzunehmen, denn dringend nötige Ausgänge waren nicht verboten, zumal eine Suche auch per Telefon und Internet möglich ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sind unzureichende Bemühungen um eine Ersatzwohnung entfaltet worden, kommt die Gewährung einer Räumungfrist nicht in Betracht. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, das im Anwesen … im Dachgeschoss gelegene Zimmer nebst Bad zu räumen und an die Kläger herauszugeben.
2. Der Antrag des Beklagten auf Gewährung einer Räumungsfrist wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien endete mit dem 31.01.2020, weil die Eigenbedarfskündigung der Kläger nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB formgerecht erfolgte und begründet ist.
Die Kläger haben die wesentlichen Gründe des Eigenbedarfs in dem Kündigungsschreiben hinreichend dargestellt. Es kommt nicht darauf an, wo ihre Schwester/Schwägerin herkommt und inwieweit sie beruflich tätig ist. Die Kläger haben begründet, dass ihre Schwester/Schwägerin sich um die Betreuung der beiden minderjährigen Kinder der Kläger kümmern muss. Dies ist als Eigenbedarfsgrund anzuerkennen, zumal die Kläger unstreitig berufstätig sind und die gegenwärtige Pandemie berufstätigen Eltern kleiner Kinder erhebliche Zusatzleistungen abverlangt. Die vom Beklagten angemietete Räumlichkeit wird folglich nicht nur für die Schwester/Schwägerin der Kläger im Sinne eines Eigenbedarfs benötigt, sondern es besteht Eigenbedarf für die Kläger selbst, die eine Verwandte für die Betreuung ihrer Kinder heranziehen.
Der vom Beklagten erklärte Widerspruch ist insoweit fristgerecht erhoben, als die Kläger im Kündigungsschreiben keinen besonderen Hinweis auf das Widerspruchsrecht erteilt haben.
Eine unzumutbare Härte für den Beklagten im Sinn von § 574 Abs. 1 BGB liegt jedoch nicht vor. Der Beklagte hat nur ganz wenige Versuche unternommen, um Ersatzwohnraum zu finden. Er antwortete auf Zeitungsannoncen einmal im Oktober 2019, dreimal im November 2019, einmal im Januar 2020, zweimal im Februar 2020 und einmal im April 2020. Zusätzlich hat er sich bei einer Hausverwaltung in München und beim Landratsamt Ebersberg wohnungssuchend gemeldet. Dies reicht bei weitem nicht aus. Einen Versuch, über einen Makler oder über eine Internetbörse an Wohnraum zu gelangen, hat der Beklagte nicht getätigt.
Auch die Ausgangsbeschränkungen sind kein Grund dafür gewesen, die Wohnungssuche nicht aufzunehmen oder wieder einzustellen oder zu reduzieren. Einerseits gilt die Ausgangsbeschränkung schon länger nicht mehr, andererseits waren dringend nötige Ausgänge nicht verboten und Telefonate oder schriftliche Kontaktaufnahmen mit Vermietern ohnehin von keiner Ausgangssperre betroffen.
Die vom Beklagten vorgelegten ärztlichen Atteste dokumentieren für den Zeitraum 31.03.2020 bis 06.04.2020 eine Ermüdung und einen fieberhaften Infekt sowie eine Kreislaufproblematik am 20.04.2020. Auch dies stellt keinen Härtehgrund dar, der die Beschaffung von Ersatzwohnraum unmöglich machen würde.
Die Interessen des Vermieters als Eigentümer sind gegen die Interessen des Mieters abzuwägen. Gerichtsbekannt ist es im Landkreis Ebersberg nicht problematisch, eine kleine Wohnung oder ein Zimmer zu finden, wenn entsprechende Anstrengungen unternommen werden. Ausreichende Bemühungen können in den wenigen Telefonaten des Beklagten auf Zeitungsinserate hin nicht gesehen werden. Auch eine vorübergehende Erkrankung führt nicht zu überwiegenden Interessen des Beklagten, die die Interessen der Kläger überwiegen würden, ihr Eigentum selbst zu nutzen durch Vergabe an ihre Schwester/Schwägerin, die bei der Betreuung ihrer minderjährigen Kinder gerade in Zeiten eingeschränkter Öffnung von Betreuungseinrichtungen behilflich sein wird.
Dem Beklagten ist nach § 721 ZPO eine Räumungsfrist nicht zu gewähren. Die hier vorgesehene Abwägung orientiert sich im Wesentlichen bereits an der Abwägung der beiderseitigen Interessen im Rahmen des § 574 BGB. Zusätzlich ist in diesem Rahmen festzustellen, dass das Mietverhältnis bereits seit 31.01.2020 beendet ist, der Beklagte dies erkennen konnte und wohl auch erkannt hat, nachdem er in seinem Widerspruchsschreiben vom 15.01.2020 bereits selbst konzedierte, dass der geltend gemachte Eigenbedarfsgrund zutreffend sei und auch verwirklicht werde. Seit Erhalt der Kündigung, aber auch nach Erhebung des eigenen Widerspruchs hat der Beklagte keine ausreichenden Bemühungen unternommen, Ersatzwohnraum zu finden. Auch diesbezüglich gilt, dass die Wohnungssuche mit ein bis zwei Telefonaten pro Monat absolut unzureichend ist, selbst wenn für einen begrenzten Zeitraum eine fieberhafte Erkrankung vorgelegen hat. Der Beklagte hatte somit nach Beendigung des Mietverhältnisses bereits fünf Monate die Gelegenheit, sich eine andere Wohnung zu suchen, was er aber nicht nutzte. Die Zubilligung einer Räumungsfrist kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 7 ZPO.


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