Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung gegen einen Dritten

Aktenzeichen  25 C 2209/20 eV

Datum:
3.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37053
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 940a Abs. 2

 

Leitsatz

1. Gemäß § 940a Abs. 2 ZPO darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitels vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat. Dabei ist die letzte mündliche Verhandlung erster Instanz maßgebend. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der die Verfügung begehrende Vermieter muss sich eine Kenntnis früherer Vermieter nicht zurechnen lassen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Antragsgegner werden verpflichtet, die im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss im …, gelegene Wohnung, bestehend aus 8 Zimmern, 1 Küche, 1 Badezimmer, 2 Toiletten, 3 Korridore, 1 Kellerraum, 2 Bodenräume, 1 Garage, zu räumen und an die Antragsteller herauszugeben.
2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO ist zulässig. Prozesshandlungen, die von einem vollmachtlosen Vertreter vorgenommen werden, sind zwar wegen der fehlenden Prozesshandlungsvoraussetzung unwirksam, aber heilbar. Vorliegend ist Heilung durch Genehmigung der vertretenen Partei eingetreten. Die Genehmigung wirkt zurück. Die Genehmigung liegt in der Bevollmächtigung des bisher vollmachtlosen Vertreters in Kenntnis der Prozesslage vom 26.06.2020 durch die Antragsteller.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO ist begründet, da gegen den Mieter, …, ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt, die Antragsgegner im Besitz der Mietsache sind und die Antragsteller als Vermieter von dem Besitzerwerb der Antragsgegner erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 16.01.2019 respektive 23.07.2019 Kenntnis erlangt haben.
Es ist umstritten, ob als Schluss der mündlichen Verhandlung im Sinne von § 940a Abs. 2 ZPO die letzte mündliche Verhandlung in 1. Instanz gemeint ist oder der Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die in der Räumungstitel gegen den Mieter geschaffen wird, also auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Instanz. Es spricht mehr dafür, die letzte mündliche Verhandlung 1. Instanz als maßgeblich anzusehen, weil das Gesetz dem Vermieter eine Räumung ermöglichen will, wenn er im Verfahren gegen den Mieter die Klage mangels Kenntnis des Besitzerwerbs oder des Namens nicht mehr auf den weiteren Besetzer erweitern konnte. Nach dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils kann der Vermieter die Klage in der Regel nicht mehr auf den Dritten erweitern, vgl. auch MünchKomm, § 940 a ZPO, 5. Aufl. 2016 Rn. 16. Im Ergebnis kann dies vorliegend allerdings dahinstehen, weil sich die Verfügung begehrenden Vermieter eine Kenntnis früherer Vermieter ohnehin nicht zurechnen lassen müssen, vgl. auch Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 940 a ZPO, 14. Aufl. 2019, Rn. 26; LG Frankfurt, Beschluss vom 22.03.2016, Az 2-11 S 51/16. Für diese Sichtweise spricht der Sinn und Zweck des § 940a ZPO. Sinn und Zweck des § 940a Abs. 2 ZPO ist es gerade, die Räumungsvollstreckung bei Auftreten Dritter, im Räumungstitel nicht aufgeführter Personen, die Besitz an der Mietsache in Anspruch nehmen, für die Vermieter zu erleichtern. Für diese Sichtweise spricht auch, dass nach dem Wortlaut von § 940 a Abs. 2 ZPO nur positive Kenntnis der Vermieter von dem Besitzerwerb, nicht aber fahrlässige oder grob fahrlässige Unkenntnis schadet. Der hierhinter stehenden Intention des Gesetzgebers würde es widersprechen, etwaige Kenntnisse von Rechtsvorgängern zuzurechnen. Allein maßgeblich ist die eigene, positive Kenntnis der Vermieter. Aus denselben Gründen traf die Antragsteller auch keine Erkundigungspflicht, da nicht einmal grob fahrlässige Unkenntnis vom Besitzerwerb Dritter schadet.
Eigene positive Kenntnis der Antragsteller selbst lag unstrittig weder zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung 1. Instanz noch bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vor.


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