Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Räumungsprozess nach Eigenbedarfskündigung: Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur krankheitsbedingten Unzumutbarkeit eines Umzugs für den Mieter; Beschwer für die Anschlussrevision des Mieters bei Klageabweisung nur aufgrund des Härteeinwands

Aktenzeichen  VIII ZR 6/19

Datum:
28.4.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:280421UVIIIZR6.19.0
Normen:
§ 573 Abs 2 Nr 2 BGB
§ 573 Abs 3 BGB
§ 574 Abs 1 S 1 BGB
§ 574a Abs 1 S 1 BGB
§ 554 ZPO
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Leitsatz

1. Auch wenn ein Mieter seine Behauptung, ihm sei ein Umzug wegen einer bestehenden Erkrankung nicht zuzumuten, unter Vorlage bestätigender ärztlicher Atteste geltend macht, ist im Falle des Bestreitens dieses Vortrags regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen der beschriebenen Erkrankung auf die Lebensführung des betroffenen Mieters im Allgemeinen und im Falle des Verlusts der vertrauten Umgebung erforderlich (Bestätigung von Senatsurteil vom 22. Mai 2019 – VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 44).
2. An der für die Anschlussrevision erforderlichen Beschwer des Anschlussrevisionsklägers fehlt es, wenn das Berufungsgericht von der Wirksamkeit einer diesem gegenüber ausgesprochenen Kündigung (hier: wegen Eigenbedarfs) ausgegangen ist und dessen Klageabweisungsbegehren allein deshalb entsprochen hat, weil es eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit zu den bisherigen Vertragsbedingungen nach §§ 574, 574a BGB bestimmt hat.

Verfahrensgang

vorgehend LG Berlin, 24. September 2018, Az: 64 S 2/18vorgehend AG Charlottenburg, 13. November 2017, Az: 237 C 205/17

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin – Zivilkammer 64 – vom 24. September 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Die Anschlussrevision des Beklagten wird als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Beklagte mietete im Jahr 1986 vom Rechtsvorgänger des Klägers eine 84,88 qm große Dreizimmerwohnung in Berlin an. Im Jahr 2012 erwarb der Kläger das Eigentum an der Wohnung durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung und ist damit als Vermieter in den Mietvertrag eingetreten. Die zuletzt geschuldete Nettokaltmiete beträgt 480,82 € monatlich.
2
Mit Anwaltsschreiben vom 29. September 2016 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30. Juni 2017 wegen Eigenbedarfs für seine Tochter, die dort nach dem Abitur einen eigenen Hausstand begründen wolle. Der im Jahr 1949 geborene Beklagte widersprach der Kündigung und berief sich auf das Vorliegen von Härtegründen.
3
Das Amtsgericht hat die vom Kläger erhobene Räumungs- und Herausgabeklage mit der Begründung abgewiesen, die Eigenbedarfskündigung sei aus formellen und materiellen Gründen unwirksam. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dabei hat es zwar die Eigenbedarfskündigung des Klägers durchgreifen lassen, jedoch auf den Härteeinwand des Beklagten angeordnet, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis zu den bisherigen Vertragsbedingungen auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werde. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Räumungs- und Herausgabebegehren weiter. Demgegenüber erstrebt der Beklagte im Wege der Anschlussrevision eine Abänderung des Berufungsurteils dahingehend, dass die Klage wegen formeller wie materieller Unwirksamkeit der Kündigung “uneingeschränkt” abgewiesen werde.


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