Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Umlegbarkeit von Kosten für einen 24-Stunden Wach- und Sicherheitsdienst aus den Betriebskostenabrechnungen

Aktenzeichen  14 S 15269/18

Datum:
17.4.2019
Fundstelle:
GE – 2019, 1420
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 556 Abs. 1 S. 2
BetrkVO § 2 Nr. 17

 

Leitsatz

1. Ob Kosten eines 24-Stunden-Bewachungsdienstes als Betriebskosten nach § 556 Abs. 1 S. 2 BGB, § 2 Nr. 17 BetrkVO auf den Wohnraummieter umgelegt werden können, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls. (Rn. 18)
2. Soll der Bewachungsdienst in weit überwiegendem Maße Park- oder Gartenflächen schützen, die innerhalb eines Quartiers für die Öffentlichkeit zugänglich sind und vom Mieter wie Dritten in gleichem Maße genutzt werden, so fehlt es am Merkmal des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Mietsache. Solche Kosten können dann auch nicht anteilig auf den Wohnraummieter umgelegt werden. (Rn. 23 – 25)

Verfahrensgang

473 C 25630/17 2018-09-28 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 28.09.2018 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.408,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.01.2018 zu bezahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten in beiden Rechtszügen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.408,95 € festgesetzt.

Gründe

I.
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S.1 ZPO abgesehen. Die Revision wird nicht zugelassen, die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO ist nicht erreicht, die Nichtzulassungsbeschwerde damit nicht zulässig. Ebenso liegt kein Fall des § 313a Abs. 4 ZPO vor.
Die Parteien streiten um die Umlegbarkeit von Kosten für einen 24-Stunden Wach- und Sicherheitsdienstes aus den Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2013 bis 2015.
Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.04.2010 ein Mietverhältnis über eine Wohnung in der K-straße 31, 8. M. in den sogenannten „L. Gärten“.
Das Quartier „L. Gärten“ liegt zwischen K1.platz, K2.platz und Hauptbahnhof direkt am Alten Botanischen Garten. Das Quartier besteht aus vier Wohnhäusern, einem Bürogebäude und einem Luxushotel. Zur Veranschaulichung der Örtlichkeit wird auf die Lichtbilder zum Schriftsatz des Beklagten vom 25.02.2019, Bl. 385- 387 der Akte verwiesen. Zudem besteht ein Geh- und Durchfahrtsrecht der Stadt München für das Quartier. Der gärtnerisch gestaltete Bereich innerhalb des Quartiers ist für die Allgemeinheit zugänglich.
Nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 02.07.2018 (Bl. 244 d.A.) umfassen die Leistungen der beauftragten Sicherheitszentrale das Betreiben der zentralen Leitwarte (Sicherheitszentrale) mit entsprechenden Personal und Dokumentation der Ereignisse, die Bedienung der allgemeinen Leit- und Steuertechnik für die Entgegennahme von Störmeldungen und Alarmierung von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften sowie die Einweisung und Kontakt, Ersthilfe, das Überwachen der Videokameraanlagen und Brandmeldeanlagen sowie der Alarm- und Meldeeinrichtungen, die Entgegennahme von Auszugs- und Behindertennotrufen und deren Weiterleitung, die Kontrolle und das Management der zentralen und deswegen sicherheitsrelevanten Schließanlage, die Annahme persönlicher und automatischer Notrufe, die Einleitung von Maßnahmen zur Abwendung von Gefahren oder Schäden, die Einleitung von Maßnahmen zur Verhinderung oder Begrenzung bereits eingetretener Schäden sowie das regelmäßige Training sicherheitsrelevanter Abläufe.
Nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 02.07.2018 (Bl. 245 d.A.) umfassen die Aufgaben des hier streitgegenständlichen Revierdienstes (Sicherheitskontrollgänge) das Durchführen der Revierdienste durch Bestreifung zu Fuß ausgehend von wechselnden Kontrollpunkten und zu wechselnden Zeiten, die Sichtprüfung auf kontrollbedürftige Personen, Rauchentwicklung etc., im Falle eines Notfalls z.B. Brand die Einleitung der Maßnahmen nach einem Notfallplan sowie die Benachrichtigung der Rettungskräfte, die Kontrolle der sicherheitsrelevanten Technik (optische Kontrolle), das Verhindern von Plakatieren, Farbschmierereien und Vandalismus, den Verweis von Personengruppen, die augenscheinlich für Unregelmäßigkeiten im Quartier verantwortlich sind, wie z.B. Alkohol- und Drogenkonsumenten, Unterbindung von aggressivem Betteln, Verunreinigungen und Obdachlosenschlafquartiere etc. ggf unter Hinzuziehung der Polizei, stichprobenartige Kontrollgänge in den Treppenhausbereichen, umgehende Information des Objektleiters bei Verunreinigungen oder sonstigen Problemen, die Einweisung der Feuerwehr im Brandfall sowie Revierkontrollberichte mit Dokumentation der Kontrollpunkte und Wachbuchführung. Der Wachdienst führt hierbei nach dem unstreitigen Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 02.07.2018 (Bl. 241 d.A.) lediglich Streifgänge durch.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts München vom 28.09.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilten, an den Kläger 1.408,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.01.2018 an den Kläger zu zahlen.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
In der mündlichen Verhandlung am 17.04.2019 haben die Parteien unstreitig gestellt, dass am südlichen Zugang des Quartiers eine Beschilderung wie auf den Lichtbildern Bl. 395 und 396 der Akte vorhanden ist.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich im Ergebnis als begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm auf die Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2013 bis 2015 für die Position Wach- und Sicherheitsdienst geleisteten Zahlungen zu, da es sich bei dieser Position im vorliegenden Fall bereits nicht um umlagefähige Betriebskosten im Sinne des § 556 Abs. 1 S. 2 BGB handelt.
Zwar ist eine Umlage der Kosten für einen Wach- und Sicherheitsdienstes grundsätzlich nach § 2 Nr. 17 BetrKV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 S. 2 des verfahrensgegenständlichen Mietvertrags in Verbindung mit Anlage 3 zum Mietvertrag als sonstige Betriebskosten möglich.
Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es sich bei den Kosten für den Wach- und Sicherheitsdienst um Betriebskosten im Sinne des § 556 Abs. 1 S. 2 BGB handelt.
Nach der Definition des § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrKV sind (umlagefähige) Betriebskosten solche Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Kosten, die durch das rechtswidrige Verhalten eines Mieters oder eines Dritten verursacht werden, sind keine Betriebskosten (Blank/Börstinghaus/Blank, 5. Aufl. 2017, BGB § 556 Rn. 7).
Hiervon zu unterscheiden sind (nicht umlagefähige) Verwaltungskosten. Verwaltungskosten sind nach der Definition in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV „die Kosten der zur Verwaltung des Gebäudes erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen, die Kosten der Aufsicht, der Wert der vom Vermieter persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit, die Kosten für die gesetzlichen oder freiwilligen Prüfungen des Jahresabschlusses und die Kosten für die Geschäftsführung“ zu verstehen. Sie dienen dazu, den Wert der Immobilie und ihrer Rentabilität zu erhalten (Schmidt-Futterer, 13. Auflage 2017, § 556, Rn. 92).
Die Kernfrage ist, wann Kosten „durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes“ (§ 1 Abs. 1 BetrKV) entstehen, d. h. unmittelbar mit der Bewirtschaftung des Gebäudes zusammen hängen. Dies ist von den Verhältnissen im Einzelfall abhängig (Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Auflage 2019, Rn. 266). Steht für den Eigentümer im Vordergrund, mit der Bewachung Schäden am Grundstück oder Gebäude zu verhindern, geht es ihm vorrangig um den Schutz seines Eigentums (Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Auflage 2019, Rn. 267).
Der Wach- und Sicherheitsdienst müsste vorliegend überwiegend bei dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes bzw. des Grundstücks entstehen, um eine umlagefähige Betriebskostenposition begründen zu können.
Garten- oder Parkflächen, die durch bauplanerische Bestimmungen oder durch den Vermieter selbst für die Nutzung der Öffentlichkeit gewidmet sind, fehlt der erforderliche Bezug zur Mietsache, der über das in § BGB § 556 Absatz 1 S. 2 BGB enthaltene Merkmal des bestimmungsgemäßen Gebrauchs für die Umlegung von Betriebskosten vorausgesetzt ist; liegt eine derartige Widmung zu Gunsten der Öffentlichkeit vor, so dass jedermann die Nutzung dieser Flächen unabhängig davon gestattet ist, ob er eine Wohnung in der Wohnanlage angemietet hat, können die Kosten der Pflege dieser Flächen nicht als Betriebskosten den Wohnraummietern angelastet werden (BGH, Urteil v. 10.02.2016, VIII ZR 33/15, NJW 2016, 1439).
So liegt der Fall hier.
Bei dem verfahrensgegenständlichen Quartier handelt es sich um eine für jedermann zugängliche Anlage. Dies geht insbesondere aus der an den Eingängen der Anlage befindlichen Beschilderung hervor, welche sich an die „Besucher“ der Lenbachgärten wendet. Es handelt sich um eine parkähnliche Anlage (vgl. Lichtbilder Bl. 385 – 387), die der Allgemeinheit zur Verfügung steht und für jedermann zugänglich ist, mithin um nicht mitvermietete Gemeinschaftsflächen, die der Mieter nicht anders als Dritte nutzt. Die Kammer hat die Örtlichkeit selbst in Augenschein genommen und zwei Lichtbilder von einem der Zugänge zum Quartier, dem südlichen Zugang zum Quartier (S-straße), gefertigt, welcher mit entsprechenden Schildern mit Hinweisen für „Besucher der Lenbachgärten“ versehen ist. Auf diese Lichtbilder, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, wird Bezug genommen (Bl. 394, 395 d.A.). Bereits aus dieser Beschilderung geht hervor, dass die Anlage für die Nutzung durch die Öffentlichkeit gewidmet ist.
Aufgrund der Widmung des Quartiers für die Nutzung zu Gunsten der Öffentlichkeit können die Kosten für die Überwachung dieser Flächen durch den Wach- und Sicherheitsdienst nicht als Betriebskosten dem Kläger angelastet werden.
Zudem handelt es sich nach einer Gesamtschau der oben unter I. geschilderten unstreitigen Aufgaben der Sicherheitszentrale und des Wach- und Sicherheitsdienstes zur Überzeugung der Kammer überwiegend um solche, die dem Schutz des Eigentums des Vermieters sowie der Öffentlichkeit und weniger dem Schutz des Mieters dienen. Verursachen Dritte Schäden am Gebäude, hat sie der Vermieter auf eigene Kosten zu beseitigen; es kann daher nichts anderes gelten, wenn er vorsorgliche Maßnahmen wie durch eine Bewachung ergreift, um dem Eintritt von Schäden vorzubeugen (Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Auflage 2019, Rn. 267).
Die Kammer verkennt nicht, dass einzelne Tätigkeiten des Sicherheits- und Wachdienstes, wie stichprobenartige Kontrollgänge in den Treppenhäusern oder Streifgänge durch das Quartier, auch dem Kläger als Mieter zu Gute kommen (Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Auflage 2019, Rn. 267). In der Gesamtschau der Aufgaben des Wach- und Sicherheitsdienstes spielen diese stichprobenartigen Kontrollen und Streifgänge jedoch im Vergleich zu den übrigen Aufgaben des Wach- und Sicherheitsdienstes eine untergeordnete Rolle. Die hauptsächlichen Tätigkeiten des Wach- und Sicherheitsdienstes fallen auf die öffentlich zugänglichen Flächen des Quartiers. Insgesamt überwiegen die Tätigkeiten des Sicherheitsdienstes zum Schutze des Eigentums und der Öffentlichkeit.
Da nach alledem die Kosten für die Position Wach- und Sicherheitsdienst bereits keine Betriebskosten im Sinne von § 556 Abs. 1 S. 2 BGB darstellen, hat der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm hierfür auf die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2013 bis 2015 gezahlten Summen. Die Höhe dieser Beträge war zwischen den Parteien unstreitig.
Auf die Frage der Wirtschaftlichkeit und der sekundären Darlegungs- und Beweislast kommt es vorliegend nicht mehr an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern, §§ 543 Abs. 2 S.1 ZPO. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 GKG, 3 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben