Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Verlust der Prozessführungsbefugnis des Wohnungseigentümers nach Verwalteräußerung und Entscheidungsreife trotz Vergleichs

Aktenzeichen  485 C 3241/20 WEG

Datum:
25.8.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36882
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 156, § 278
BGB § 1004
WEG § 9a Abs. 2, § 9b, § 18 Abs. 1, § 48 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Der vom Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragene Umstand der vergleichsweisen Einigung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten über die streitgegenständlichen Rückbauansprüche stellt keinen entscheidungserheblichen, zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung zwingenden Umstand dar, wenn der Rechtsstreit wegen Verlusts der Prozessführungsbefugnis entscheidungsreif ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn der Verwalter schriftlich gem. § 9b WEG äußert, es sei „der Wunsch und Wille der Gemeinschaft, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen“, kann aus einem sodann erfolgten Vergleichsschluss nicht hergeleitet werden, dass diese Erklärung nur fingiert gewesen sei. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Wohnungseigentümer, der mit einer vor dem 1.12.2020 rechtshängigen Klage die aus dem gemeinschaftlichen Eigentum fließenden Rechte aus § 1004 BGB einklagt, verliert gem. § 9b WEG die Prozessführungsbefugnis, wenn dem Gericht nach dem 1.12.2020 eine schriftliche Äußerung des vertretungsberechtigten Organs der Gemeinschaft über deren entgegenstehenden Willen zur Kenntnis gebracht wird. (Rn. 38 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
I. Die Wiedereröffnung der Verhandlung ist abzulehnen.
Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung sind keine Umstände aufgetreten, aus denen sich eine Pflicht zur Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 2 ZPO oder eine Wiedereröffnung nach pflichtgemäßem Ermessen i.S.d. § 156 Abs. 1 ZPO ergibt. Der von der Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragene Umstand einer vergleichsweisen Einigung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten stellt keinen Umstand dar, aufgrund dessen sich die Sache doch noch nicht als entscheidungsreif erweist.
1. Die in § 156 Abs. 2 ZPO nicht abschließend genannten Fallgruppen sind nicht einschlägig.
2. Eine Wiedereröffnung der Verhandlung ist auch nach pflichtgemäßem Ermessen i.S.d. § 156 Abs. 1 ZPO nicht veranlasst.
Nach § 156 Abs. 1 ZPO kann das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen, wenn Umstände auftreten, die eine weitere Erörterung sachgerecht erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2002 – V ZR 357/00, NJW 2002, 1426). Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen der Parteien abzuwägen und mit Blick auf den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung auch zu berücksichtigen, ob durch die Wiedereröffnung eine Verfahrensverzögerung durch ein ansonsten nachfolgendes Rechtsbehelfsverfahren vermieden werden kann (vgl. BeckOK ZPO/Wendtland, 41. Ed. 01.07.2021 Rn. 9, ZPO § 156 Rn. 9).
Streitentscheidend ist im vorliegenden Verfahren der Verlust der Prozessführungsbefugnis der Klägerin.
Bei dem von der Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstand der vergleichsweisen Einigung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten über die hier streitgegenständlichen Rückbauansprüche handelt es sich um keinen für die Frage des Verlusts der Prozessführungsbefugnis entscheidungserheblichen Umstand. Der Rechtsstreit ist damit weiter zur Entscheidung reif. Insbesondere kann auch durch eine Wiedereröffnung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung eine Verfahrensverzögerung durch ein ansonsten nachfolgendes Rechtsbehelfsverfahren nicht vermieden werden, da jedenfalls das von der Klägerin vermutete Bestreben der Wohnungseigentümergemeinschaft und des Beklagten einer Vergleichsvereinbarung bereits Gegenstand des schriftsätzlichen klägerischen Vorbringens und der mündlichen Verhandlung war. Dass die Vermutung nun eingetreten ist ändert nichts an der bereits erfolgten Erörterung, insbesondere im Hinblick auf die Erörterung zur nicht Entscheidungserheblichkeit dieser Tatsache.
Die Klägerin trug bereits im Schriftsatz vom 16.12.2020 (Bl. 41/43 d.A.) vor, dass die Beschlussfassung zu TOP 6 und TOP 7 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 lediglich zum Schein erfolgte und die Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte tatsächlich nur eine vergleichsweise Einigung anstreben würden.
Mit Verfügung vom 09.06.2021 (Bl. 57 d.A.) wies das Gericht darauf hin, dass für die Beurteilung der Frage des Verlusts der Prozessführungsbefugnis der Klägerin nach dem Wortlaut der Entscheidung des BGH (Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 – Rn. 12, juris) ausschließlich darauf abzustellen sei, ob dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG  vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird. Dabei wies das Gericht auch darauf hin, dass nach dieser Entscheidung als Beurteilungsgrundlage für das Vorliegen eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft allein die – im Außenverhältnis maßgebliche – Äußerung ihres nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs heranzuziehen sei und es auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, nicht ankomme (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 24, juris).
Da es auf die Wirksamkeit der Beschlussfassung zu TOP 7 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 nach dem Urteil des BGH (vom 07.05.2021 – V ZR 299/19) für die Frage des Verlusts der Prozessführungsbefugnis demnach nicht ankommt, hat das Gericht auch von einer Aussetzung des hiesigen Verfahrens bis zum Abschluss des Anfechtungsverfahren, Az.: 1295 C 17749/20 WEG, abgesehen.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2021 hat das Gericht mit den Parteivertretern ausweislich des Protokolls diese Rechtsansicht erörtert. Hierbei hat die Klägerin auch zu dem behaupteten kollusiven Zusammenspiel zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten und der hieraus abzuleitende Nichtanwendbarkeit der Rechtsprechung des BGH vorgetragen.
Eine Wiedereröffnung der Verhandlung ist daher mit Blick auf den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung nicht geboten.
Auch lässt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung aus dem Umstand der Vergleichsvereinbarung, unterzeichnet am 13.06.2021, nicht ableiten, dass die Erklärung der Verwalterin vom 09.06.2021 gegenüber dem Gericht, wonach es Wunsch der Gemeinschaft sei, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen, fingiert sei.
Allein aus dem Umstand, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Rechtsverfolgung kein gerichtliches Verfahren, sondern eine vergleichsweise Einigung angestrebt hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass die im Außenverhältnis maßgebliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dem Gericht nur zum Schein abgegeben worden sei. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass auch ein gerichtliches Verfahren zur Rechtsverfolgung gem. § 278 ZPO in jeder Lage des Verfahrens gütlich beigelegt werden könnte. Bei dieser Schlussfolgerung der Klägerin handelt es sich vielmehr im Ergebnis um die bereits in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgetragene Ansicht, dass auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, entgegen der Entscheidung des BGH abzustellen sei, da ein kollusives Zusammenwirken der Wohnungseigentümergemeinschaft und des Beklagten vorliege, da von vornherein eine vergleichsweise Einigung gewünscht gewesen sei und es sich damit um eine Fallkonstellation handele, die der BGH bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen habe. Die Klägerin verkennt jedoch, dass der BGH auch die vergleichsweise Einigung als zulässiges Mittel der Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach der Äußerung eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft durch das vertretungsberechtigte Orang i.S.d. § 9b WEG in seiner Entscheidung herangezogen hat.
Der BGH stützt seine Entscheidung, dass für die bereits vor dem 01.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird, auf die Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 22, juris).
Hierzu führt der BGH aus, dass dem § 48 Abs. 5 WEG die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde liegt, dass Änderungen des Verfahrensrechts bereits anhängige Verfahren unberührt lassen, die Änderung verfahrensrechtlicher Vorschriften also auf den Ausgang eines bei Inkrafttreten der verfahrensrechtlichen Neuregelung anhängigen Verfahrens keine Auswirkungen haben soll. Dadurch werde im Interesse der Rechtssicherheit das mit Beginn des Rechtsstreits eingegangene Risiko nicht durch nachträgliche Änderungen dessen formaler Abwicklung verändert. Im Hinblick auf den (auch) verfahrensrechtlichen Charakter von § 9a Abs. 2 WEG sei daher anzunehmen, dass es dem Plan des Gesetzgebers entspreche, die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers in einem bei Gericht bereits anhängigen Verfahren nicht schon durch das bloße Inkrafttreten der Neuregelung entfallen zu lassen. Der Gesetzgeber hätte aber zugleich auch den Rechten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Rechnung getragen, der er in § 18 Abs. 1 WEG die Aufgabe der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und in § 9a Abs. 2 WEG die alleinige Ausübungsbefugnis für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte zugewiesen hat. Dementsprechend hätte der Gesetzgeber das Recht der Gemeinschaft, über die Fortführung des Verfahrens eigenverantwortlich zu entscheiden, unangetastet gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris). Der BGH schluss485 C 3241/20 WEG folgert hieraus sodann, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das bereits anhängige Verfahren selber als Partei übernehmen oder aber dem Wohnungseigentümer die Fortführung des Verfahrens untersagen könne, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beilegen wolle (BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris).
Damit schließt der BGH eine Konfliktbeilegung auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit und damit eine vergleichsweise Einigung gerade in seine Erwägungen mit ein. Aus dem nach der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstand einer Vergleichsvereinbarung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten, durch die der Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beigelegt werden soll, kann somit nicht abgleitet werden, dass die schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs der Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich fingiert sei. Der BGH selbst schließt eine Rechtsverfolgung auf andere Weise als durch ein gerichtliches Verfahren vielmehr in seine Erwägung mit ein und überlässt damit die Art und Weise der Rechtsverfolgung dem Ermessen der Gemeinschaft. Wenn die Verwalterin somit vorträgt, es sei „der Wunsch und Wille der Gemeinschaft, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen“ kann aus einem sodann erfolgten Vergleichsschluss nicht hergeleitet werden, dass diese Erklärung nur fingiert sei. Auch lässt sich hieraus nicht ableiten, dass entgegen der Entscheidung des BGH auf die Wirksamkeit eines Beschlusses, aus dem sich der entgegenstehende Wille der Gemeinschaft ableiten lässt, abzustellen ist. Maßgeblich ist weiterhin allein die Äußerung der Verwalterin.
Damit sind nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung keine Umstände aufgetreten, die eine weitere Erörterung sachgerecht erscheinen lassen.
II. Die Klage ist unzulässig.
Die Klägerin ist nicht mehr prozessführungsbefugt.
Nach der seit 01.12.2020 geltenden Rechtslage steht die Ausübungsbefugnis für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte der Wohnungseigentümer allein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu (§ 9a Abs. 2 WEG). Der Ausübungsbefugnis des Verbands gem. § 9a Abs. 2 WEG unterfallen dabei auch Ansprüche gegen einen Wohnungseigentümer auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums, insbesondere der Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums und Wiederherstellung des vorherigen Zustandes gem. § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021 WEG § 9a Rn. 99). Ist die Gemeinschaft gem. § 9a Abs. 2 WEG ausübungsbefugt, übt allein sie dieses Recht für die Wohnungseigentümer aus. Die Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schließt die individuelle Ausübung dieser Rechte durch die Wohnungseigentümer aus (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 111). Damit besteht ab 01.12.2020 eine zwingende gesetzliche Prozessstandschaft des Verbands für Beseitigungsansprüche gem. § 1004 Abs. 1 BGB wegen Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums, die zur Folge hat, dass der einzelne Wohnungseigentümer seine Prozessführungsbefugnis für solche Ansprüche verliert. Denn bei der Prozessstandschaft handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 114; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 14 Rn 186 m.w.N.).
Für bereits vor dem 01.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren hat der BGH (Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 12, juris) entschieden, dass die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fortbesteht, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird.
Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren Rückbauansprüche gem. § 1004 Abs. 1 BGB geltend, die sich allein auf das gemeinschaftliche Eigentum beziehen. Die Klägerin ist insbesondere auch nicht in ihrem Sondereigentum betroffen. Das Verfahren war bereits vor dem 01.12.2020 anhängig.
Mit am 14.06.2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 09.06.2021 wurde dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über den entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht (Bl. 58 d. A.). Damit hat die Klägerin ihre Prozessführungsbefugnis verloren.
Die Verwalterin führt aus, dass mit dem individuellen Vorgehen der Klägerin kein Einverständnis besteht und die Gemeinschaft den Wunsch und Wille habe, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen. Aus diesem Grund habe die Gemeinschaft die Geltendmachung und Durchsetzung der Rückbauansprüche durch Beschluss zu TOP 7 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 an sich gezogen.
Der entgegenstehende Wille der Gemeinschaft kommt in der schriftlichen Äußerung der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft als vertretungsberechtigtes Organ i.S.d. § 9b WEG hinreichend zum Ausdruck.
Die Verwalterin hat damit in zulässigerweise von dem Recht der Gemeinschaft, über die Fortführung des Verfahrens eigenverantwortlich zu entscheiden, Gebrauch gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris). Die Art und Weise wie die Wohnungseigentümergemeinschaft sodann die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, steht in deren Ermessen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann das bereits anhängige Verfahren selber als Partei übernehmen oder aber dem Wohnungseigentümer die Fortführung des Verfahrens untersagen, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beilegen will (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris).
Da dem Gericht durch schriftliche Äußerung des vertretungsberechtigten Organs i.S.d. § 9b WEG der entgegenstehender Wille der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wurde hat die Klägerin ihre Prozessführungsbefugnis verloren. Dies rechtfertigt sich daraus, dass die Geltendmachung und Durchsetzung von sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechten, insbesondere die Verfolgung von Ansprüchen wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums, typischerweise im Interesse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer liegt (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 24, juris).
Beurteilungsgrundlage für das Vorliegen eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft ist die – im Außenverhältnis maßgebliche – Äußerung ihres nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs. Auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, kommt es dagegen nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 24, juris).
Demnach ist es unerheblich, dass die Klägerin den Beschluss zu TOP 7 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020, aus der sich der entgegenstehende Wille der Gemeinschaft ebenfalls ableiten lässt, angefochten hat. Auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses kommt es nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Entscheidung des BGH nicht an.
Der BGH wollte durch seine Entscheidung den Wohnungseigentümern ausdrücklich auch die Möglichkeit einräumen dem einzelnen Wohnungseigentümer die Fortführung des Verfahrens zu untersagen, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beilegen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris). Demnach kann dem Vortrag der Klägerin nicht gefolgt werden, dass die Rechtsprechung des BGH hier nicht anzuwenden sei, da die Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte kollusiv dahingehend zusammenwirken würden, dass von vornherein eine vergleichsweise Einigung angestrebt gewesen sei.
Mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin ist die Klage unzulässig und daher abzuweisen.
Auf die Begründetheit kommt es damit nicht mehr an, sodass diese dahinstehen kann.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
IV. Der Streitwert wurde gem. §§ 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO i.V.m. §§ 52 Abs. 2 GKG, 23 Abs. 3 RVG und 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.
Der Sachverhalt führt nicht zum Eingreifen einer besonderen Streitwertvorschrift und bietet auch nicht genügend Anhaltspunkte für eine Schätzung des Streitwertes nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. Das Gericht hat daher den Streitwert frei zu schätzen. Grundsätzlich ist dabei auf den Regelwert zurückzugreifen. Für Zivilsachen enthält das GKG keine Vorschrift zu einem Regelwert. Das Gericht greift daher auf die Regelvorschriften der §§ 52 Abs. 2 GKG, 23 Abs. 3 RVG und 30 Abs. 2 KostO zurück und setzt den Streitwert für die Klageanträge zu Ziffer I. bis Ziffer IV. auf jeweils 5.000,00 € fest.


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