Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Vertragsverletzung durch Verweigerung einer Aussprache mit dem Vermieter und den anderen Mietparteien in einer Konfliktsituation

Aktenzeichen  25 C 974/16

Datum:
29.11.2016
Fundstelle:
WuM – 2017, 349
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 546 Abs. 1, § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Dem Mieter ist vertragswidriges Verhalten anzulasten, wenn er das Vertrauensverhältnis zum Vermieter dadurch zerrüttet, dass er sich in einer konfliktbeladenen Situation zwischen den Mietparteien in dem streitgegenständlichen Anwesen einer Aussprache mit dem Vermieter und den anderen Mietern verweigert und dadurch zeigt, dass an einer Entspannung der konfliktbeladenen Situation kein Interesse besteht. Unerheblich ist dabei, ob die anlassgebenden Störungen tatsächlich vom Mieter selbst ausgehen und ob er sich von anderen Mietparteien unrechtmäßig beschuldigt fühlt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Gewerbliche Vermieter konnen in Mietangelegenheiten einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen, wenn kein einfacher Fall vorliegt, sondern es genauerer Prüfung des Sachverhalts und dessen Eignung als Grundlage einer Kündigung bedarf.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung in 8. A., Z. Straße 48, 2. Obergeschoss links, bestehend aus 3 Zimmern, Kochnische, Bad mit WC, Flur und Kellerraum (Wohnfläche: 61,93 qm), zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.03.2016 zu bezahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung, und zwar bezogen auf Ziffer 1) des Tenors in Höhe von 3.100,00 € und bezogen auf Ziffer 2) des Tenors in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe bezogen auf Ziffer 1) des Tenors bzw. in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags bezogen auf Ziffer 2) des Tenors leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Beklagte ist gemäß § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Wohnung im 2. Obergeschoss links des Anwesens … an die Klägerin zurückzugeben, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien beendet ist. Rückgabe der Wohnung beinhaltet dabei deren Räumung, da die Rückgabe in dem Zustand zu erfolgen hat, in welchem sie übernommen wurde.
Die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Klägerin vom 03.02.2016, deren Zugang beim Beklagten zwischen den Parteien nicht streitig ist, ist gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam und hat das Mietverhältnis als ordentliche Kündigung zum 31.05.2016 beendet.
Der Klägerin steht für die ausgesprochene Kündigung ein Kündigungsgrund gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Seite. Dem Beklagten ist vertragswidriges Verhalten anzulasten. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerrüttet ist. Der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass die Situation zwischen den Mietparteien in dem streitgegenständlichen Anwesen konfliktbeladen ist, er sich einer Aussprache mit der Vermieterin und den anderen Mietern aber verweigert. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die anlassgebenden Störungen tatsächlich vom Beklagten selbst ausgehen und ob er sich von anderen Mietparteien unrechtmäßig beschuldigt fühlt. Ein gedeihliches Zusammenleben setzt voraus, dass man – vorliegend unstreitig angebotene – Gesprächsrunden zum Austausch der gegenseitigen Argumente und der lösungsorientierten Problembehandlung wahrnimmt. Deren Verweigerung verdeutlicht, dass seitens des Beklagten an einer Entspannung der Konfliktlage keinerlei Interesse besteht. Eine solche Haltung torpediert indessen sämtliche Bemühungen, ein auskömmliches Miteinander der verschiedenen Mietparteien und so den – derzeit gestörten – Hausfrieden wieder herzustellen. Es ist der Klägerin als Vermieterin nicht zuzumuten, eine andauernde Störung des häuslichen Friedens hinzunehmen, woraus die Berechtigung folgt, dem Mieter die Kündigung auszusprechen, der sich entsprechenden Befriedungsversuchen widersetzt. Die Klägerin hat ihre Kündigung vom 03.02.2016 unter anderem auch auf dieses zerrüttete Vertrauensverhältnis gestützt, indem sie auf dessen Seite 3 zu Beginn des unteren Drittels anführt: „Die Grundlage des mit Ihnen bestehenden Mietverhältnisses ist zerstört“.
Bereits dieses Verhalten rechtfertigt den Ausspruch der Kündigung. Abgerundet wird das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten durch den Umstand, dass er unstreitig seit geraumer Zeit die sog. kleine und große Hausordnung nicht erledigt. Auch dies ist, wie auch die Tatsache, dass die Mietparteien im Anwesen … aufgrund der bestehenden Hausordnungen turnusmäßig zu den entsprechenden Reinigungsarbeiten verpflichtet sind, zwischen den Parteien unstreitig. Die Missachtung dieser vertraglichen Verpflichtung stellt ebenfalls eine Pflichtwidrigkeit dar. Sie lässt sich nicht durch das Argument des Beklagten rechtfertigen, auch andere Mieter würden die Hausordnung ignorieren. Vertragswidriges Verhalten anderer kann Pflichtwidrigkeiten des Beklagten nicht vertragsgemäß erscheinen lassen. Eine Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht.
Hinzu kommt, dass der Beklagte durch unpünktliche Mietzahlung aufgefallen ist. Der Beklagte ist für seine Behauptung des ruhestörenden Lärms beweisfällig geblieben, denn er hat kein in der Zivilprozssordnung vorgesehenes Beweismittel benannt. In der Konsequenz kann er sich auch nicht berechtigterweise auf ein Recht zur Mietrückhaltung wegen diesbezüglicher Untätigkeit der Kläger berufen.
Das Gericht ist allerdings der Auffassung, dass die Verfehlungen des Beklagten nicht so gravierend sind, um eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisse zu rechtfertigen. Jedoch sind die Anforderungen im Rahmen einer ordentlichen Kündigung niedriger und werden im vorliegenden Fall erfüllt.
Auf eine Entscheidung über eventuelle Lärmverursachung und deren Herkunft kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
Die Kündigung wirkt als ordentliche zum Ablauf des 31.05.2016, der zwischenzeitlich verstrichen ist. Dem Beklagten wurde die streitgegenständliche Wohnung unstreitig am 16.11.2011 übergeben. Bei Zugang des Kündigungsschreibens vom 03.02.2016 hatte er sie noch nicht 5 Jahre in Besitz. In dieser Situation gilt die Kündigungsfrist gemäß § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Monats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig ist. Da das Kündigungsschreiben vom 03.02.2016 selbst vom dritten Werktag des Monats Februar stammt, dem Beklagten also erst nach Ablauf dieses dritten Werktags zuging, wirkt die Kündigung zum Ablauf des auf den übernächsten Monat folgenden Monats.
Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund Widerspruchs des Beklagten scheidet aus. Soweit der Beklagte in seiner Klageerwiderung vom 29.03.2016 angibt, der Kündigung zu widersprechen, ist dieser Widerspruch bereits aus dem Sinnzusammenhang nicht als Widerspruch im Sinn von § 574 BGB zu verstehen, da der Beklagte hier im Wesentlichen darstellt, aus welchen Gründen er die ausgesprochene Kündigung für unberechtigt hält, nicht jedoch eine besondere Härte geltend macht. Im Übrigen wäre jedoch auch, selbst wenn man von einem Widerspruch im Sinn von § 574 BGB ausgehen wollte, eine besondere Härte für den Beklagten aufgrund Beendigung des Mietverhältnisses, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre, nicht ersichtlich. Der Beklagte hat keine entsprechenden Härtegründe vorgetragen.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß § 280 BGB Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten. Es handelt sich insoweit um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit der Prüfung und dem Ausspruch der Kündigung des Mietverhältnisses. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war jedenfalls im Zusammenhang mit den Kündigungsschreiben vom 03.02.2016 für die Kläger vorprozessual tätig und hat in diesem Zusammenhang auch die damals bestehenden Mietrückstände in Höhe von 755,00 € eingefordert. Es ist zutreffend, dass die Klägerin als Unternehmerin eine Vielzahl von Wohnungen vermietet und ihr daher im Zusammenhang mit der Abwicklung von Mietverhältnissen eine gewisse Routine zuzuschreiben ist. Aufgrund dieses Umstands wäre ihr auch in einfach gelagerten Fällen einer Kündigung das Recht auf anwaltliche Unterstützung zu versagen. Es handelt sich jedoch nicht um ein allgemeines Prinzip, dass gewerbliche Vermieter in Mietangelegenheiten keinen Rechtsanwalt zu Rate ziehen und ggf. die Kosten einem Vertragspartner, der sich vertragswidrig verhält in Rechnung stellen dürften. Insbesondere liegt hier kein einfacher Fall vor, sondern bedarf es genauerer Prüfung des Sachverhalts und dessen Eignung als Grundlage einer Kündigung, da es nicht lediglich um Mietrückstände geht. Der der Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu Grunde gelegte Streitwert, der sich aus einer Jahresnettomiete für das Tätigwerden wegen der Wohnungskündigung und dem Zahlungsrückstand zusammensetzt ist, wie sich aus der oben begründeten Erfolglosigkeit der vom Beklagten vorgebrachten Einwände ergibt nicht zu beanstanden. Auch der Gebührenansatz ist zutreffend.
Der Zinsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich aus §§ 286, 288, 291 BGB und besteht ab Rechtshängigkeit der Klage.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO. Der Beklagte wurde antragsgemäß verurteilt. Soweit der Rechtsstreit von der Klägerin teilweise für erledigt erklärt wurde, weil der Beklagte den ursprünglich geltend gemachten Betrag in Höhe von 50,00 € nachträglich bezahlt hat, trifft den Beklagten ebenfalls die Kostenlast, weil insoweit voraussichtlich ebenfalls im Rechtsstreit unterlegen wäre.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 7, Nr. 11, 711 ZPO.

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