Aktenzeichen 416 C 10784/16
BGB BGB § 273 Abs. 1
Leitsatz
Der neue Eigentümer einer Wohnung hat gegen den Wohnungsmieter aus Art. 14 GG einen Anspruch auf Duldung der Besichtigung der Wohnung. Gegen diesen Anspruch kann kein Zurückbehaltungsrecht aufgrund vermeintlicher Zahlungsansprüche aus dem Mietverhältnis geltend gemacht werden. (Rn. 13 und 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, die Besichtigung der Wohnung im 2. OG im Vorderhaus des Anwesens … nach dem Verlassen des Aufzuges rechts, erste Türe rechts, durch den Kläger zu dulden, wenn dieser dem Beklagten mit einer Frist von mindestens 3 Tagen einen Termin zu üblichen Zeiten (Montag bis Samstag 09.00 Uhr bis 13.00 Uhr und 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr) benennt.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage war vollumfänglich begründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Duldung der erstmaligen Besichtigung der Wohnung wie beantragt zu. Unstreitig hat der Kläger die vermietete Wohnung ohne vorherige Besichtigung erworben, sodass in seinem Bedürfnis auf erstmalige Information hinsichtlich des Aussehens, der Ausstattung sowie der genauen Größe der Wohnung ein berechtigtes Interesse zu sehen ist, das das Interesse des Mieters an fehlender Störung deutlich überwiegt.
Das Informationsbedürfnis des Klägers hinsichtlich der genauen Maße der Wohnung wird vorliegend auch nicht durch die beklagtenseits übersandte Architektenskizze befriedigt. In der Skizze sind lediglich Quadratmeterangaben enthalten, jedoch weder die Maße der Wände noch ein konkreter Maßstab. Für den Kläger, der beabsichtigt, selbst in die Wohnung einzuziehen und diese daher ausmessen möchte, ergeben sich aus der Architektenskizze daher nicht die benötigten Informationen.
Entgegen der Auffassung des Beklagtenvertreters regelt § 10 des streitgegenständlichen Mietvertrags das Besichtigungsrecht des Vermieters nicht abschließend. Die Regelung ist nicht dahingehend auszulegen, dass dem Vermieter ausschließlich in den dort aufgezählten Fällen ein Besichtigungsrecht zusteht. Vielmehr ist sie so zu verstehen, dass das Besichtigungsrecht des Vermieters jedenfalls in den dort aufgezählten Fällen besteht. Selbst wenn man – wie nicht – von einer abschließenden Regelung des § 10 ausgehen würde, hätte der Kläger entsprechend § 10 Abs. 2 des streitgegenständlichen Mietvertrags ein Besichtigungsrecht, da er dieses als Kaufinteressent nicht vor Abschluss des Kaufvertrags, sondern nunmehr erst hinterher geltend macht.
Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten gem. § 273 BGB gegenüber dem Besichtigungsanspruch des Klägers besteht ebenfalls nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten war eine Inverzugsetzung des Klägers vorliegend nicht entbehrlich, da die Reparaturen weder zur Erhaltung noch Wiederherstellung des Bestands der Mietsache i.S.v. § 536 a Abs. 2 Ziff. 2 BGB notwendig waren. Der Beklagte hätte die Mängel mit Fristsetzung zur Beseitigung gegenüber dem Kläger anzeigen müssen, damit dieser sein Recht auf Veranlassung der Reparaturen und Auswahl der Ersatzgegenstände ausüben kann. Nachdem der Beklagte dies unstreitig nicht getan hat, scheidet ein Anspruch gem. § 536 a Abs. 2 BGB aus.
Dies kann letztlich jedoch dahinstehen, da das Zurückbehaltungsrecht im vorliegenden Fall gem. § 242 BGB ohnehin aufgrund der Natur des Gläubigeranspruchs ausgeschlossen ist. Gegenüber dem aus Art. 14 GG herrührenden Recht auf Duldung der erstmaligen Besichtigung einer Wohnung durch den neuen Eigentümer kann die fehlende Bezahlung von Geldansprüchen nicht geltend gemacht werden. Es steht dem Beklagten frei, gegenüber dem Mietzahlungsanspruch mit den vermeintlichen Ansprüchen aufzurechnen, so dass er hinsichtlich der Wahrung seiner Rechte nicht schutzlos gestellt ist. Die fehlende Bezahlung von Geldansprüchen ist jedoch nicht geeignet, das ureigenste Recht des Eigentümers, seine Wohnung erstmals zu besichtigen, zu Fall zu bringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
Der Streitwert wurde gem. §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO geschätzt.