Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Wohnungseigentum: Erforderlichkeit einer einheitlichen Jahresabrechnung für eine Mehrhausanlage mit nach der Gemeinschaftsordnung in eigener Zuständigkeit über die Lasten und Kosten entscheidenden Untergemeinschaften; zwingendes Erfordernis eines Beschlusses der Gesamtgemeinschaft über die Gesamtabrechnung und die Instandhaltungsrücklage; Befugnis der Untergemeinschaften zur eigenständigen Beschlussfassung über Teile der einheitlichen Jahresabrechnung

Aktenzeichen  V ZR 163/20

Datum:
16.7.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:160721UVZR163.20.0
Normen:
§ 28 Abs 3 aF WoEigG
Spruchkörper:
5. Zivilsenat

Leitsatz

1. Auch dann, wenn nach der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage Untergemeinschaften in eigener Zuständigkeit nach dem Vorbild selbständiger Eigentümergemeinschaften über die Lasten und Kosten entscheiden, muss für die Wohnungseigentümergemeinschaft eine einheitliche Jahresabrechnung erstellt und beschlossen werden.
2. Über die Gesamtabrechnung als Teil der einheitlichen Jahresabrechnung muss zwingend allein die Gesamtgemeinschaft beschließen; ebenso ist die Darstellung der Instandhaltungsrücklage notwendigerweise Sache der Gesamtgemeinschaft, und zwar auch dann, wenn für Untergemeinschaften separate Rücklagen zu bilden sind.
3. Untergemeinschaften kann eine Befugnis zur eigenständigen Beschlussfassung über Teile der einheitlichen Jahresabrechnung nur durch ausdrückliche, eindeutige Regelung in der Gemeinschaftsordnung eingeräumt werden, und zwar beschränkt auf die Verteilung der ausschließlich die jeweilige Untergemeinschaft betreffenden Kosten in den Einzelabrechnungen; im Zweifel ist das Rechnungswesen insgesamt Sache der Gesamtgemeinschaft.
(Teilweise Aufgabe von Senat, Urteil vom 20. Juli 2012 – V ZR 231/11, NZM 2012, 766)

Verfahrensgang

vorgehend LG Hamburg, 15. Juli 2020, Az: 318 S 6/19vorgehend AG Hamburg, 23. Oktober 2018, Az: 22a C 196/17

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 18 – vom 15. Juli 2020 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die in mehrere Untergemeinschaften untergliedert ist. Die Gemeinschaftsordnung (GO) enthält dazu folgende Regelungen:
㤠11 Ziff. 5:
Die Kosten und Lasten gemäß Ziffern 1 und 2 werden – soweit möglich – für jede Untergemeinschaft (vgl. § 18) gesondert ausgeworfen:
Jede Untergemeinschaft (Häuser Nr. 1, 3 – 16 und die jeweilige Tiefgarage) trägt sämtliche ihrem Haus […] zuzuordnenden Kosten und Lasten so, als wenn sie eine eigene Wohnungseigentümergemeinschaft wäre. […]
§ 14 Ziff. 7:
Bei Angelegenheiten, die ausschließlich einer bestimmten Untergemeinschaft zuzuordnen sind, insbesondere bei solchen, die sich auf die alleinige Kosten- und Lastentragung der betreffenden Untergemeinschaft auswirken, sind allein die Mitglieder dieser Untergemeinschaft stimmberechtigt. […]
§ 18 Ziff. 1:
(2) Diese Gemeinschaften bilden in tatsächlicher Hinsicht voneinander getrennte und unabhängige Untergemeinschaften, die lediglich durch das Miteigentum am Grundstück miteinander verbunden sind.
(3) Zu diesen Untergemeinschaften gehört jeweils das gesamte Gebäude mit allen Bestandteilen und Zubehör (Dach und Fach).
§ 18 Ziff. 2:
(1) Jede Untergemeinschaft regelt ihre Angelegenheiten nach Maßgabe der Teilungserklärung selbst.
(2) Sämtliche in den Untergemeinschaften anfallenden Kosten tragen die jeweiligen Eigentümer bzw. Sondernutzungsberechtigten in den Untergemeinschaften. Es sind – soweit möglich – gesonderte Rücklagen zu bilden sowie die Gebäude gesondert abzurechnen.
(3) Für alle Maßnahmen der Verwaltung einschließlich Beschlussfassung ist jeweils nur die Untergemeinschaft zuständig, zu deren Bereich (einschließlich zugeordneter Sondernutzungsbereiche) die jeweilige Maßnahme gehört.
(4) Hinsichtlich des Gesamtgrundstücks und der nicht den einzelnen Untergemeinschaften obliegenden Angelegenheiten wird eine Gesamtgemeinschaft gebildet, die über alle Angelegenheiten beschließt, die nicht die jeweilige Untergemeinschaft, sondern alle Eigentümer gemeinschaftlich angehen.“
2
Im Jahr 2017 wurde in einer Eigentümerversammlung der Gesamtgemeinschaft unter TOP 3 ein Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Jahr 2016 gefasst. Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage führt unter der Position „Instandhaltungsrücklage Haus 11“ Entnahmen in Höhe von 18.664,45 € für Architekten- und Planungskosten auf.
3
Hinsichtlich dieser Position wenden sich die Kläger, gestützt auf die fehlende Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft, mit der Beschlussmängelklage gegen TOP 3. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Landgericht, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, wollen die Kläger weiterhin erreichen, dass der Beschluss insoweit für unwirksam erklärt wird, als die Gesamtabrechnung die Entnahme eines Betrags in Höhe von 18.664,45 € für Architektenkosten aus der Instandhaltungsrücklage von Haus 11 enthält.


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