Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zustimmungsprozess zur Erhöhung der Wohnraummiete: Anforderungen an den Inhalt eines der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegenden Berufungsurteils; Ermittlung der ortsübliche Vergleichsmiete durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Vorliegen eines Mietspiegels; Ermessen des Tatrichters bei der Ermittlung der Einzelvergleichsmiete und maßgebender Ermittlungszeitpunkt

Aktenzeichen  VIII ZR 93/20

Datum:
26.5.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:260521UVIIIZR93.20.0
Normen:
§ 558 Abs 2 S 1 BGB vom 11.03.2013
§ 558c BGB
§ 558d Abs 1 BGB
§ 558d Abs 3 BGB
§ 286 ZPO
§ 287 Abs 2 ZPO
§ 540 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO
§ 540 Abs 1 S 2 ZPO
§ 540 Abs 2 ZPO
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Leitsatz

1. Unterliegt ein Berufungsurteil der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde, müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder – im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO – aus dem Sitzungsprotokoll einschließlich der im Urteil oder im Sitzungsprotokoll enthaltenen Bezugnahmen so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung stattfinden kann. Weiter muss das Berufungsurteil in diesem Fall erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist und welche Berufungsanträge die Parteien zumindest sinngemäß gestellt haben (im Anschluss an Senatsurteile vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 3/17, NZM 2017, 732 Rn. 7 f.; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 242/16, DAR 2018, 78 Rn. 4; jeweils m.w.N).
2. Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Vorliegen eines Mietspiegels (im Anschluss an Senatsurteile vom 18. November 2020 – VIII ZR 123/20, NJW-RR 2021, 76 Rn. 24 ff.; vom 28. April 2021 – VIII ZR 22/20, unter II 2 b aa, zur Veröffentlichung bestimmt).
3. Dem sachverständig beratenen Tatrichter stehen, wenn sich nach der – stets erforderlichen – Berücksichtigung von Qualitätsunterschieden in den Wohnwertmerkmalen der zum Vergleich herangezogenen Wohnungen noch eine breite Marktstreuung der Vergleichsmieten ergibt, verschiedene Ansätze für die Ermittlung der Einzelvergleichsmiete zur Verfügung, deren Auswahl in seinem – revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren – Ermessen steht (im Anschluss an Senatsurteil vom 28. April 2021 – VIII ZR 22/20, a.a.O. unter II 2 b cc (2) (d) (aa) m.w.N.).
4. Maßgebend für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Zeitpunkt, zu dem das Erhöhungsverlangen dem Mieter zugeht und nicht der – hier vom Berufungsgericht zugrunde gelegte – Zeitpunkt, ab dem der Mieter die erhöhte Miete gegebenenfalls schuldet. Die nach § 558 Abs. 2 BGB a.F. maßgebliche Vierjahresfrist erstreckt sich demnach vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück (Bestätigung der Senatsurteile vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 346/10, NJW 2012, 1351 Rn. 30, und vom 28. April 2021 – VIII ZR 22/20, a.a.O. unter II 2 b bb).

Verfahrensgang

vorgehend LG Berlin, 10. März 2020, Az: 63 S 152/18vorgehend AG Lichtenberg, 17. April 2018, Az: 20 C 447/17

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin – Zivilkammer 63 – vom 10. März 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Beklagte ist Mieterin einer 55,13 m² großen Zweizimmerwohnung der Klägerin in Berlin-            . Die zuletzt zu entrichtende Nettokaltmiete belief sich auf 305,42 €. Die Klägerin forderte die Beklagte auf, einer Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem 1. Oktober 2017 auf monatlich 341,72 € zuzustimmen. Das entspricht einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf 6,20 €/m². Die Wohnung ist bei Heranziehung des Mietspiegels Berlin 2017 nach Alter, Wohnlage, Ausstattung und Wohnfläche in das Feld D 6 der Mietspiegeltabelle einzuordnen. Dieses weist eine Nettokaltmietenspanne von 5,30 €/m² bis 6,67 €/m² aus.
2
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung von bislang 305,97 € auf 341,72 € monatlich ab dem 1. Oktober 2017 in Anspruch. Das Amtsgericht hat, wie sich aus dessen bei den Akten befindlichem Urteil ergibt, die Klage abgewiesen. Es hat hierbei den Berliner Mietspiegel 2017 herangezogen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete stattgegeben. Dabei hat es im Eingang der Urteilsgründe auf das vorgenannte Sachverständigengutachten verwiesen und ansonsten von der “Abfassung eines Tatbestands” gemäß “§ 313a Abs. 1, § 540 Abs. 2, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO” abgesehen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.


Ähnliche Artikel


Nach oben