Patent- und Markenrecht

1 Ni 14/19 (EP)

Aktenzeichen  1 Ni 14/19 (EP)

Datum:
22.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:220421U1Ni14.19EP.0
Spruchkörper:
1. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

gegen

betreffend das europäische Patent 2 930 066
(DE 50 2015 000 627)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung am 22. April 2021 durch die Präsidentin Schmidt sowie den Richter Dr.-Ing. Baumgart, den Richter Heimen, den Richter Dipl.-Ing. Körtge und die Richterin Dipl.-Ing. Univ. Peters
für Recht erkannt:
I. Das Patent EP 2 930 066 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 8. April 2015 unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität DE 10 2014 105 065 vom 9. April 2014 beim Europäischen Patentamt angemeldeten Patents EP 2 930 066, dessen Erteilung am 1. März 2017 veröffentlicht wurde und das die Bezeichnung „Dekorteil für einen Fahrzeuginnenraum, Verfahren zum Herstellen des Dekorteils und Vorrichtung zum Herstellen des Dekorteils und zur Durchführung des Verfahrens“ trägt. Das Streitpatent umfasst in der erteilten Fassung insgesamt 6 Patentansprüche. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang.
2
Der Anspruch 1 des Streitpatents in der Fassung gemäß EP 2 930 066 B1 hat folgenden Wortlaut:
3
„1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,
4
gekennzeichnet durch folgende Schritte:
5
– Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,
6
– Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im Lackierwerkzeug eine erste Lackschicht (14; 20) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur aufgebracht wird,
7
– Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform zusammengeführt wird und anschließend eine zweite Lackschicht (15; 21) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur aufgebracht wird.“
8
Hieran schließen sich rückbezogen die Patentansprüche 2 bis 4 des Streitpatents mit folgendem Wortlaut an:
9
„2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Lackierschritt und/oder der zweite Lackierschritt Gießen und/oder Spritzgießen und/oder Walzen und/oder Drucken, insbesondere Siebdrucken, umfassen.
10
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Durchführen des ersten Lackierschrittes ein Prägeschritt durchgeführt wird, wobei die Unterform mit der ersten Oberform zusammengeführt wird und während des Zusammenführens eine Prägung auf der ersten Lackschicht mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur übertragen wird.
11
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass sich an den zweiten Lackierschritt wenigstens ein weiterer Lackierschritt mit wenigstens einer weiteren Oberform anschließt, bei dem wenigstens eine weitere Lackschicht (22) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der weiteren Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur angegossen wird.“
12
Der nebengeordnete Anspruch 5 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:
13
„5. Vorrichtung zum Herstellen eines Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, und zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4, umfassend ein Lackierwerkzeug, insbesondere ein Gieß- und/oder Spritzgieß- und/oder Walz- und/oder Druckwerkzeug, mit einer Unterform und wenigstens zwei Oberformen, wobei die Unterform zur Aufnahme des Rohlings vorgesehen ist, und die Formflächen der Oberformen die Oberflächenstruktur der anzugießenden Lackschichten vorgeben.“
14
Hieran schließt sich rückbezogen der Patentanspruch 6 des Streitpatents mit folgendem Wortlaut an:
15
„6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Unterform drehbar gelagert ist und damit durch entsprechende Drehbewegung den wenigstens zwei Oberformen zuwendbar ist zur Durchführung der verschiedenen Aufbringungsschritte.“
16
Die Klägerin macht mit ihrer Klage den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geltend. Sie stützt sich dabei u.a. auf folgende Dokumente:
17
NI1 US 2003 / 0 197 307 A1
18
NI2 US 2004 / 0 056 382 A1,
19
NI3 US 2012 / 0 043 702 A1,
20
NI4 DE 10 2010 051 291 A1 und
21
NI5 DE 10 2010 031 814 A1.
22
Im Prüfungsverfahren sind neben der Druckschrift NI4 noch folgende Druckschriften genannt worden:
23
D1 US 2014 / 0 009 836 A1
24
D2 US 4 748 062 A,
25
D3 US 2003 / 0 235 679 A1 und
26
D4 WO 03/ 042 727 A1.
27
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung nach Hauptantrag. Auf den qualifizierten Hinweis des Senats vom 23. November 2020 hat die Beklagte zur hilfsweisen Verteidigung des Streitpatents mit Schriftsätzen vom 29. Januar 2021 und vom 8. April 2021 geänderte Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 eingereicht.
28
Nach Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 8. April 2021, entfallen die erteilten Unteransprüche 3 und 4, die neuen Ansprüche 1 bis 4 haben folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber Hauptantrag hervorgehoben):
29
„1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend
30
einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22), nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15), umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende
die zwei übereinanderliegenden Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,
31
gekennzeichnet durch
wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
32
– Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,
33
– Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im Lackierwerkzeug eine
die erste Lackschicht (14; 20) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegeben Oberflächenstruktur aufgebracht wird,
34
– Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform, deren Formfläche eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, zusammengeführt wird und anschließend eine
die zweite Lackschicht (15; 21) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebenen, im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur aufgebracht wird,
35
dadurch gekennzeichnet,
36
dass die zur Durchführung des ersten Lackierschritts bereitgestellte erste Oberform eine Formfläche aufweist, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, und
37
dass die erste Lackschicht (14) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist.
38
2. Verfahren nach Anspruch 1,
39
dadurch gekennzeichnet, dass
40
der erste Lackierschritt und/oder der zweite Lackierschritt Gießen und/oder Spritzgießen und/oder Walzen und/oder Drucken, insbesondere Siebdrucken, umfassen.
41
5.
3. Vorrichtung zum Herstellen eines Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend
42
einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22), nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15), umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende
die zwei übereinanderliegenden Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,
43
und zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4
oder 2, umfassend
44
ein Lackierwerkzeug, insbesondere ein Gieß- und/oder Spritzgieß- und/oder Walz- und/oder Druckwerkzeug, mit einer Unterform und wenigstens zwei Oberformen, einer ersten Oberform und einer zweiten Oberform,
45
wobei die Unterform zur Aufnahme des Rohlings vorgesehen ist, und die Formflächen der Oberformen die Oberflächenstruktur der anzugießenden Lackschichten vorgeben
wobei die Formfläche der zweiten Oberform eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, die dazu vorgesehen ist, eine im Wesentlichen glatte Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) auszubilden, und
46
wobei die Formfläche der ersten Oberform in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, die dazu vorgesehen ist, eine Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht (14) auszubilden, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist.
47
6.
4. Vorrichtung nach Anspruch 5
3,
48
dadurch gekennzeichnet, dass
49
die Unterform drehbar gelagert ist und damit durch entsprechende Drehbewegung den wenigstens zwei Oberformen zuwendbar ist zur Durchführung der verschiedenen Aufbringungsschritte.“
50
Die Ansprüche 1 und 3 nach Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 8. April 2021, haben folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber Hilfsantrag 1 hervorgehoben):
51
„1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend
52
einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15), nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15) umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei die zwei übereinanderliegenden Lackschichten (14, 15) zwischen sich eine Grenzfläche (18) definieren, an der die Lackschichten direkt aneinander grenzen, und wobei die Grenzfläche (18) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,
53
wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
54
– Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,
55
– Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im Lackierwerkzeug die erste Lackschicht (14) des Lackaufbaus (13) aufgebracht wird,
56
– Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform, deren Formfläche eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, zusammengeführt wird und anschließend die zweite Lackschicht (15) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebenen, im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur aufgebracht wird,
57
dadurch gekennzeichnet,
58
dass die zur Durchführung des ersten Lackierschritts bereitgestellte erste Oberform eine Formfläche aufweist, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, und
59
dass die erste Lackschicht (14) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist, und
60
dass die zweite Lackschicht (15) derart auf die erste Lackschicht (14) aufgebracht wird,
61
– dass die erste Lackschicht (14) und die zweite Lackschicht (15) zwischen sich eine Grenzfläche (18) definieren, an der die erste Lackschicht (14) und die zweite Lackschicht (15) direkt aneinander grenzen, und
62
– dass die Formfläche der ersten Oberform durch die Vorgabe der Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht (14) die Struktur der Grenzfläche (18) zwischen erster Lackschicht (14) und zweiter Lackschicht (15) vorgibt,
63
– wobei die Grenzfläche (18) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist.
64
3. Vorrichtung zum Herstellen eines Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend
65
einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15), nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15), umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei die zwei übereinanderliegenden Lackschichten (14, 15) zwischen sich eine Grenzfläche (18) definieren, an der die Lackschichten direkt aneinander grenzen, und wobei die Grenzfläche (18) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,
66
und zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 oder 2, umfassend
67
ein Lackierwerkzeug, insbesondere ein Gieß- und/oder Spritzgießwerkzeug, mit einer Unterform und wenigstens zwei Oberformen, einer ersten Oberform und einer zweiten Oberform,
68
wobei die Unterform zur Aufnahme des Rohlings vorgesehen ist, wobei die Formfläche der zweiten Oberform eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, die dazu vorgesehen ist, eine im Wesentlichen glatte Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) auszubilden, und
69
wobei die Formfläche der ersten Oberform in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, die dazu vorgesehen ist, eine Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht (14) auszubilden, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist.“
70
Der auf den Verfahrensanspruch 1 rückbezogene Patentanspruch 2 und der auf den Vorrichtungsanspruch 3 rückbezogene Patentanspruch 4 sind gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 1 unverändert.
71
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021, hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber Hauptantrag hervorgehoben):
72
„1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend
73
einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,
74
gekennzeichnet durch
wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
75
– Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,
76
– Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im Lackierwerkzeug eine erste Lackschicht (14; 20) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur aufgebracht wird,
77
– Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform zusammengeführt wird und anschließend eine zweite Lackschicht (15; 21) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird,
78
dadurch gekennzeichnet,
79
dass zwischen der Durchführung des ersten Lackierschritts und der Durchführung des zweiten Lackierschritts Elemente, insbesondere Symbole, auf die erste Lackschicht aufgesetzt werden.“
80
Hieran schließen sich die Verfahrensansprüche 2 bis 4 in der Fassung nach Hauptantrag an. Die Ansprüche 5 und 6 nach Hauptantrag entfallen. Wegen des vollständigen Wortlauts der Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird auf die Akte verwiesen.
81
Die Klägerin beantragt,
82
das europäische Patent 2 930 066 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
83
Die Beklagte beantragt,
84
die Klage abzuweisen,
85
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Patent die Fassung des Hilfsantrags 1, überreicht mit Schriftsatz vom 8. April 2021 erhält,
86
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Patent die Fassung des Hilfsantrags 2, überreicht mit Schriftsatz vom 8. April 2021 erhält,
87
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Patent die Fassung des Hilfsantrags 3, überreicht mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021 erhält.
88
Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des Streitpatents sei jedenfalls nicht neu gegenüber dem in der Druckschrift NI3 beschriebenen Verfahren und der Gegenstand des Patentanspruchs 5 nicht neu gegenüber den in den Druckschriften NI1, NI2, NI3 und Ni5 beschriebenen Vorrichtungen. Insoweit seien diese Gegenstände nicht patentfähig.
89
Auch die Gegenstände der rückbezogenen Unteransprüche seien nicht patentfähig. Entweder seien ihre Lehren gegenüber den in den Druckschriften NI1 bis NI5 offenbarten Lehren bereits bekannt oder zumindest in Kombination nicht erfinderisch bzw. erschienen dem Fachmann selbstverständlich.
90
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Bei der Beurteilung der Patentfähigkeit, so die Beklagte, müssten auch die Merkmale des Erzeugnisses berücksichtigt werden, die in dem entgegengehaltenen Stand der Technik fehlten. So zeige der Gegenstand der Druckschrift NI3 kein entsprechendes Dekorteil für einen Fahrzeuginnenraum und sei schon deshalb nicht neuheitsschädlich. Darüber hinaus bestünden auch ansonsten erhebliche Unterschiede. So werde in der Druckschrift NI3 das Aufbringen lediglich einer transparenten bzw. transluzenten Lackschicht über Träger und Dekor (i.S.d. Streitpatents) gezeigt, aber nicht von wenigstens zwei solcher übereinanderliegenden Lackschichten. Zudem zeige die Druckschrift NI3 auch erkennbar keinen Träger mit einer durch den Träger gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht, die eine als Sichtseite (des Dekorteils) ausgebildete Vorderseite aufweise. Denn diese Vorderseite werde jedenfalls durch zumindest eine der später aufgebrachten (nicht transparenten bzw. transzluzenten) Schichten überdeckt. Das Verfahren führe demnach nicht zu dem vom Streitpatent beanspruchten Erzeugnis. Diese Druckschrift NI3 offenbare noch nicht einmal eine Ausbildung einer in Relation zur glatten Oberfläche dreidimensionalen Struktur einer Grenzschicht zwischen zweier aufgebrachten Schichten. Für den Fachmann habe, sofern es darauf ankomme, auch keine Veranlassung bestanden, einen Verfahrensschritt zur Herstellung einer solchen dreidimensionalen Strukturierung vorzusehen. Hinsichtlich Hilfsantrag 3 ist die Beklagte insbesondere der Auffassung, dass eine zusätzliche Farbschicht auch nicht mit dem Aufsetzen von Elementen für einen 3-D-Effekt gleichzusetzen sei.
91
Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen stünden der Patentfähigkeit nicht entgegen.
92
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den weiteren Inhalt der Akte Bezug genommen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben