Patent- und Markenrecht

11 W (pat) 23/18

Aktenzeichen  11 W (pat) 23/18

Datum:
20.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:200122B11Wpat23.18.0
Spruchkörper:
11. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2013 001 389
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst, der Richter Eisenrauch, Dipl.-Ing. Wiegele und Dr.-Ing. Schwenke
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 17 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. April 2018 aufgehoben und das Patent wird in vollem Umfang widerrufen.

Gründe

I.
1
Auf die am 25. Januar 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung
2
„Kurbelgehäuseentlüftung für eine Brennkraftmaschine, Tankentlüftungsleitung und Verbindungssystem hierfür“
3
am 29. Oktober 2015 veröffentlicht worden.
4
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.
5
Die Patentabteilung 17 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent durch Beschluss vom 5. April 2018 beschränkt aufrechterhalten.
6
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie stützt ihr Vorbringen zum Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit u. a. auf die Druckschrift DE 10 2010 023 657 A1 (D1).
7
Der Einsprechende hat den Antrag gestellt,
8
den Beschluss der Patentabteilung 17 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. April 2018 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
9
Die Patentinhaberin hat den Antrag gestellt,
10
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen. Ferner hat sie beantragt, das Patent in der Reihenfolge folgender Hilfsanträge beschränkt aufrechtzuerhalten:
11
1. Patentansprüche 1 bis 10 gemäß dem ersten Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 23. Dezember 2021; geänderte Beschreibung gemäß angefochtenem Beschluss, Zeichnungen gemäß Patentschrift;
12
2. Patentansprüche 1 bis 10 gemäß dem zweiten Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 23. Dezember 2021; geänderte Beschreibung gemäß angefochtenem Beschluss, Zeichnungen gemäß Patentschrift.
13
a) Der Patentanspruch 1 gemäß der mit angefochtenem Beschluss beschränkt aufrechterhaltenen Fassung lautet mit hinzugefügter Gliederung:
14
1 Kurbelgehäuseentlüftung für eine Brennkraftmaschine
15
2 mit einer Entlüftungsleitung, die das Kurbelgehäuse der Brennkraftmaschine mit einem Ansaugtrakt der Brennkraftmaschine verbindet, wobei die Entlüftungsleitung folgendes aufweist:
16
3 einen ersten Rohrstutzen (10), und
17
4 einen zweiten Rohrstutzen (20) mit einem Aufnahmeraum (24), in den der erste Rohrstutzen (10) einführbar ist,
18
5 wobei in dem Aufnahmeraum (24) eine zweite Nut (22) ausgebildet ist, und
19
6 der erste Rohrstutzen (10) eine erste Nut (12) aufweist, wobei
20
7 ein komprimierbarer Sicherungsring (40) in die erste Nut (12) eingesetzt ist und im entspannten Zustand aus dieser herausragt, wobei der Außendurchmesser des Sicherungsrings (40) im komprimierten Zustand derart verringert ist, dass der Sicherungsring (40) beim Einführen des ersten Rohrstutzens (10) in den Aufnahmeraum (24) einführbar ist und durch rückstellfähiges Entspannen mit der zweiten Nut (22) in Eingriff bringbar ist,
21
8 so dass es keine Möglichkeit gibt, manuell oder mit einem Werkzeug den in die zweite Nut (22) hinein entspannten Sicherungsring (40) so zu komprimieren, dass der gekoppelte Zustand der Rohrstutzen (10, 20) aufgehoben werden kann.
22
b) Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet mit hinzugefügter Gliederung:
23
1 Kurbelgehäuseentlüftung für eine Brennkraftmaschine
24
2 mit einer Entlüftungsleitung, die das Kurbelgehäuse der Brennkraftmaschine mit einem Ansaugtrakt der Brennkraftmaschine verbindet, wobei die Entlüftungsleitung folgendes aufweist:
25
3 einen ersten Rohrstutzen (10), und
26
4 einen zweiten Rohrstutzen (20) mit einem Aufnahmeraum (24), in den der erste Rohrstutzen (10) einführbar ist,
27
5 wobei in dem Aufnahmeraum (24) eine zweite Nut (22) ausgebildet ist, und
28
6 der erste Rohrstutzen (10) eine erste Nut (12) aufweist, wobei
29
7 ein komprimierbarer Sicherungsring (40) in die erste Nut (12) eingesetzt ist und im entspannten Zustand aus dieser herausragt, wobei der Außendurchmesser des Sicherungsrings (40) im komprimierten Zustand derart verringert ist, dass der Sicherungsring (40) beim Einführen des ersten Rohrstutzens (10) in den Aufnahmeraum (24) einführbar ist und durch rückstellfähiges Entspannen mit der zweiten Nut (22) in Eingriff bringbar ist,
30
8.H1 so dass es keine Möglichkeit gibt, manuell oder mit einem Werkzeug den in die zweite Nut (22) hinein entspannten Sicherungsring (40) so zu komprimieren, dass der gekoppelte Zustand der Rohrstutzen (10, 20) ohne Zerstören der Rohrstutzen (10, 20) und/oder der Entlüftungsleitung aufgehoben werden kann.
31
c) Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet mit hinzugefügter Gliederung:
32
1 Kurbelgehäuseentlüftung für eine Brennkraftmaschine
33
2 mit einer Entlüftungsleitung, die das Kurbelgehäuse der Brennkraftmaschine mit einem Ansaugtrakt der Brennkraftmaschine verbindet, wobei die Entlüftungsleitung folgendes aufweist:
34
3 einen ersten Rohrstutzen (10), und
35
4 einen zweiten Rohrstutzen (20) mit einem Aufnahmeraum (24), in den der erste Rohrstutzen (10) einführbar ist,
36
H2 wobei zumindest einer aus dem ersten Rohrstutzen (10) und dem zweiten Rohrstutzen (20) aus einem wärmebeständigen Kunststoff hergestellt ist,
37
5 wobei in dem Aufnahmeraum (24) eine zweite Nut (22) ausgebildet ist, und
38
6 der erste Rohrstutzen (10) eine erste Nut (12) aufweist, wobei
39
7 ein komprimierbarer Sicherungsring (40) in die erste Nut (12) eingesetzt ist und im entspannten Zustand aus dieser herausragt, wobei der Außendurchmesser des Sicherungsrings (40) im komprimierten Zustand derart verringert ist, dass der Sicherungsring (40) beim Einführen des ersten Rohrstutzens (10) in den Aufnahmeraum (24) einführbar ist und durch rückstellfähiges Entspannen mit der zweiten Nut (22) in Eingriff bringbar ist,
40
8.H1 so dass es keine Möglichkeit gibt, manuell oder mit einem Werkzeug den in die zweite Nut (22) hinein entspannten Sicherungsring (40) so zu komprimieren, dass der gekoppelte Zustand der Rohrstutzen (10, 20) ohne Zerstören der Rohrstutzen (10, 20) und/oder der Entlüftungsleitung aufgehoben werden kann.
41
An den Patentanspruch 1 schließen sich die erteilten Patentansprüche 2, 3 sowie 7 bis 13 nunmehr als Patentansprüche 2 bis 10 mit angepassten Rückbezügen an. Zum Wortlaut der jeweiligen Unteransprüche sowie den weiteren Einzelheiten wird auf das Streitpatent und die Akte Bezug genommen.
II.
42
Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden ist begründet. Das Streitpatent erweist sich als nicht patentfähig.
A.
43
1. Das Streitpatent in der beschränkten Fassung vom 5. April 2018 betrifft eine Kurbelgehäuseentlüftung für eine Brennkraftmaschine, die eine unlösbare Steckverbindung aufweist (vgl. Abs. [0001]).
44
Es sei bereits seit vielen Jahren gesetzlich vorgeschrieben, eine Entlüftung des Kurbelgehäuses von Brennkraftmaschinen in Kraftfahrzeugen nicht ins Freie münden zu lassen, sondern mit dem Ansaugtrakt der Brennkraftmaschine zu verbinden, so dass in das Kurbelgehäuse eindringende Verbrennungsgase und mit diesen vermischtes Motoröl durch den Motor angesaugt und verbrannt werden könnten. Auf diese Weise könne eine Umweltverschmutzung durch austretende, ungereinigte Verbrennungsgase und austretendes Motoröl verhindert werden (vgl. Abs. [0002]).
45
Wie beispielsweise in der DE 38 24 791 A1 beschrieben sei, weise eine Entlüftungsleitung für die Kurbelgehäuseentlüftung zumeist eine als Schlauch oder Rohr ausgeführte Leitung auf, die von einer Kurbelgehäuseentlüftungsstelle zum Ansaugtrakt, beispielsweise zum Drosselklappengehäuse, der Brennkraftmaschine führe. Wenn jedoch die Entlüftungsleitung nicht ordnungsgemäß angeschlossen sei oder beispielsweise während einer Reparatur oder Wartung der Brennkraftmaschine versehentlich nicht angeschlossen werde, entwichen Gase aus dem Kurbelgehäuse in die Umwelt, so dass eine Umweltverschmutzung auftrete. Angesichts immer schärferer Umweltauflagen müsse eine solche Situation auf sichere Weise verhindert werden (vgl. Abs. [0003]).
46
Es sei angedacht worden, Sensoren in die Entlüftungsleitung zu integrieren, um beispielsweise über einen Durchsatz- oder einen Druckverlauf einen fehlerhaften Zustand der Entlüftungsleitung zu detektieren und einen Fehlercode abzuspeichern und/oder eine Warnlampe zu aktivieren. Eine derartige Sicherheitsvorrichtung sei jedoch aufwendig und kostenintensiv. Darüber hinaus erteile eine derartige Sicherheitsvorrichtung lediglich eine Information über den fehlerhaften Zustand, könne aber nicht verhindern, dass die Brennkraftmaschine trotz des Fehlers betrieben werde und dabei die Umwelt beeinträchtigt werde. Dasselbe gelte entsprechend für Kraftstoffdampf führende Leitungen, wie beispielsweise eine Tankentlüftungsleitung. Hier müsse auch verhindert werden, dass Kraftstoffdampf in die Umwelt abgegeben werde (vgl. Abs. [0004], [0005]).
47
Die Druckschrift DE 38 24 791 A1 offenbare eine Kurbelgehäuseentlüftung mit einer Entlüftungsleitung, die sich in einem Drosselklappengehäuse verzweige und in Entlüftungsstellen vor und hinter der Drosselklappe münde. Die nachveröffentlichte Druckschrift DE 10 2011 118 790 A1 offenbare eine Kurbelgehäuseentlüftung für eine Brennkraftmaschine und ein Verbindungssystem hierfür mit einer Muffe, die an einem Innenumfang eine erste Nut aufweise, in die ein aufweitbarer Sicherungsring eingesetzt sei (vgl. Abs. [0006]), [0007]).
48
2. Ausgehend davon solle die Aufgabe gelöst werden, eine Kurbelgehäuseentlüftung zu schaffen, die auf sichere Weise eine Umweltverschmutzung durch eine nicht ordnungsgemäß angeschlossene Entlüftungsleitung verhindern könne (vgl. Abs. [0008]).
49
3. Der mit diesen Problemen betraute Fachmann ist ein Absolvent einer Hochschule der Fachrichtung Maschinenbau o. dgl. mit einer mehrjährigen Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von fluidführenden Leitungssystemen brennkraftmaschinenbetriebener Fahrzeuge. Als solcher verfügt er über Kenntnisse des grundlegenden Aufbaus des jeweiligen spezifischen Systems wie Luftzufuhr, Abgasführung, Kraftstoffführung, Entlüftung von Komponenten usw. sowie über die darin vorgesehenen Bauteile.
50
4. Die erfindungsgemäße Lehre ist aus Sicht eines solchen Fachmanns wie folgt zu erläutern:
51
Die Merkmale 1 und 2 umfassen eine Kurbelgehäuseentlüftung einer Brennkraftmaschine und eine Kurbelgehäuseentlüftungsleitung. Es handelt sich somit bei der Entlüftungsvorrichtung um eine gegenständlich definierte Vorrichtung und nicht (so zumindest die Argumentation der Einsprechenden bei einigen Entgegenhaltungen) um eine bloße Funktionsangabe in den Merkmalen.
52
Ein erster und auch ein zweiter Rohrstutzen gemäß den Merkmalen 3 und 4 ist, vgl. die Absätze [0041] und [0053] der Patentschrift, als ein Verbindungsstück zu verstehen, das auch eine weitere Fluidleitung sein kann oder ein Anschlussstutzen eines weiteren Bauteils, wie beispielsweise eine Ansaugleitung einer Brennkraftmaschine. Auch kann der Rohrstutzen als ein Verteilerstück oder als vollständige oder im wesentlichen vollständige Entlüftungsleitung ausgebildet sein. Nach dieser Offenbarung sind die Rohrstutzen im Sinne der Merkmale 3 und 4 Verbindungsstücke der Kurbelgehäuseentlüftung zu sehen, die entweder Teil der Kurbelgehäuseentlüftungsleitung selbst sind oder an einer beliebigen Stelle in der Kurbelgehäuseentlüftungsleitung oder auch in den verbindenden Bauteilen, dem Kurbelgehäuse bzw. dem Ansaugtrakt der Brennkraftmaschine angeordnet sein können.
53
Nach Merkmal 8 sind die Rohrstutzen so miteinander verbunden, dass es keine Möglichkeit gibt, manuell oder mit einem Werkzeug den in die zweite Nut hinein entspannten Sicherungsring so zu komprimieren, dass der gekoppelte Zustand aufgehoben werden kann. Das setzt zunächst zwangsläufig den gekoppelten Zustand voraus. Im Absatz [0044] des Streitpatents wird diesbezüglich ausgeführt, dass der verbundene Zustand nur durch Zerstören der Rohrstutzen aufgehoben werden könne, insbesondere gebe es keine Möglichkeit, manuell oder mit einem Werkzeug den in die zweite Nut 22 hinein entspannten Sicherungsring 40 so zu komprimieren, dass der gekoppelte Zustand der Rohrstutzen aufgehoben werden könne. Die Rohrstutzen sind somit so miteinander gekoppelt, dass der Sicherungsring, entweder manuell oder durch ein Werkzeug, weder durch eine unmittelbare noch durch eine mittelbare Krafteinwirkung komprimiert werden kann, um den gekoppelten Zustand aufzuheben.
B.
54
1. Das angegriffene Patent erweist sich in jeder der verteidigten Fassungen mangels erfinderischer Tätigkeit der im jeweiligen Umfang beanspruchten Vorrichtungen als nicht rechtsbeständig (§§ 1, 4 PatG).
55
Die Zulässigkeit der Patentansprüche nach dem Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen 1 und 2 kann daher als gegeben unterstellt werden.
56
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der beschränkten Fassung gemäß Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).
57
Wie im Absatz [0002] des Streitpatents ausgeführt, ist es seit vielen Jahren gesetzlich vorgeschrieben, eine Entlüftung des Kurbelgehäuses mit dem Ansaugtrakt einer Brennkraftmaschine zu verbinden. Dem Fachmann ist daher das Prinzip der Kurbelgehäuseentlüftung bekannt. Ihm ist es auch geläufig, zur Verbindung der Kurbelgehäuseentlüftungsleitung Verbindungssysteme in Form von Schnellkupplungen für den Anschluss der Kurbelgehäuseentlüftungsleitung vorzusehen. Derartige Verbindungen sind für Brennkraftmaschinen üblich und werden dort in weiteren Anwendungsfällen eingesetzt, z. B. bei der Tankentlüftung. Generell sind jedoch auch allgemein beschriebene Verbindungssysteme aus anderen technischen Bereichen geeignet, für eine Verbindung innerhalb eines Kurbelgehäuseentlüftungssystems verwendet zu werden. Der Fachmann berücksichtigt daher auch Schnellkupplungen des Standes der Technik, auch wenn diese nicht explizit für eine Kurbelgehäuseentlüftung vorgesehen sind.
58
Die Druckschrift D1 betrifft eine Steckverbindung, um Fluid führende Bauteile in einem Kraftfahrzeug miteinander zu verbinden. Als zu lösende Aufgabe ist dort angegeben, vgl. Absatz [0004], eine hinsichtlich des Montage- und Kostenaufwandes verbesserte Verbindungsvorrichtung für Fluid führende Bauteile in Kraftfahrzeugen herzustellen. Für den Fachmann ist es offensichtlich, dass die in der Druckschrift D1 beschriebene und dort in Anspruch 1 allgemein beanspruchte Steckverbindung ohne Weiteres auch zum Verbinden von Teilen einer Kurbelgehäuseentlüftungsleitung geeignet ist, die das Kurbelgehäuse der Brennkraftmaschine mit dem Ansaugtrakt der Brennkraftmaschine verbindet (Merkmale 1 und 2), zumal das Ausführungsbeispiel sich explizit auf die Festlegung eines Öl führenden Bauteils an dem Kurbelgehäuse bezieht (vgl. Abs. [0009]).
59
Die dort mit Anspruch 1 beanspruchte Steckverbindung umfasst eine erste Fluid führende Vorrichtung, die einen männlichen Steckabschnitt (1‘) mit einer Außenumfangsnut (2) aufweist. Dies entspricht in der Nomenklatur des Streitpatents einem ersten Rohrstutzen mit einer ersten Nut (2) gemäß den Merkmalen 3 und 6 (vgl. Fig. 1). Die Steckverbindung weist weiter einen weiblichen Steckabschnitt (11) auf, wobei der weibliche Steckabschnitt (11) durch eine Ausnehmung gebildet wird, in der der männliche Steckabschnitt zur Bereitstellung der Steckverbindung aufnehmbar ist. Bei dem zweiten Steckabschnitt handelt es sich gemäß Fig. 2 um einen Steckabschnitt in einem Körper, was gemäß der offenbarten technischen Lehre des Streitpatents, vgl. Absatz [0041] und [0053] Patentschrift, einem anspruchsgemäßen zweiten Rohrstutzen entspricht. In dem weiblichen Steckabschnitt ist eine Innenumfangsnut (12) ausgebildet (Merkmale 4 und 5). In die erste Nut (Außenumfangsnut 2) ist ein Sicherungsring (3) eingesetzt, der im entspannten Zustand aus dieser herausragt, vgl. Fig. 1. Im komprimierten Zustand ist der Außendurchmesser des Sicherungsrings (3) derart verringert, dass der Sicherungsring (3) beim Einführen des ersten Rohrstutzens (1’) in den Aufnahmeraum einführbar ist, vgl. die Fig. 2, und durch rückstellfähiges Entspannen mit der zweiten Nut (Innenumfangsnut 12) in Eingriff bringbar ist (Merkmal 7). Wie in den Absätzen [0027] bis [0030] beschrieben und den zugehörigen Figuren 4A bis 4D gezeigt, ist die Höhe einer Demontagekraft zum Herausziehen des männlichen Steckabschnitts abhängig von der gewählten Tiefe und der Form der Innenumfangsnut (12). Explizit wird ausgeführt, dass die Nuttiefen so gestaltet sind, dass die Tiefe der Innenumfangsnut (12) dem Radius des Sprengrings (3) entspricht oder eine geringere Nuttiefe aufweist, um die Auspresskraft zu reduzieren. Durch ein Anziehen am ersten Rohrstutzen (1‘) wird über die Nutkrümmung bzw. Nutkante der zweiten Nut (12), und somit mittelbar, eine Kraft auf den Sicherungsring (3) bewirkt, so dass dieser komprimiert wird und der gekoppelte Zustand aufgehoben werden kann.
60
Entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin zeigt die Druckschrift D1 somit nicht Merkmal 8, wonach es keine Möglichkeit gibt, manuell oder mit einem Werkzeug den in die zweite Nut hinein entspannten Sicherungsring so zu komprimieren, dass der gekoppelte Zustand der Rohrstutzen aufgehoben werden kann.
61
Der Fachmann entnimmt der Lehre der Druckschrift D1, dass ein Entkoppeln der dort beschriebenen Steckverbindungsvorrichtungen mit unterschiedlichen Auspresskräften möglich ist. Die Druckschrift D1 lehrt in dem Zusammenhang aber auch, dass die Entkopplung nur möglich ist, wenn die Nuttiefe und der Radius des Sprengrings aufeinander abgestimmt sind, nämlich die Nuttiefe muss kleiner oder gleich dem Radius des Sprengrings sein (vgl. Abs. [0028] bis [0030]). Bei größeren Nuttiefen ist die Verbindung zwar koppelbar, aber nicht mehr entkoppelbar.
62
Ist der Fachmann vor die Aufgabe gestellt, eine Steckverbindung so auszugestalten, dass sie nicht mehr lösbar ist, so ist der Fachmann durch die in der der D1 beschriebenen Abhängigkeiten hierzu ohne Weiteres in der Lage. Es bedarf hierzu nur einer Anpassung der entsprechenden geometrischen Größen der Tiefe der Innenumfangsnut und/oder der Nutform.
63
Es kann dabei dahin gestellt bleiben, ob der Fachmann zum Zeitpunkt des Anmeldetags des Streitpatents zwangsläufig eine entkoppelbare Verbindung der Kurbelgehäuseentlüftungsleitung an der Brennkraftmaschine vorsehen musste, um einen Zugang zu der Zylinderkopfhaube bei einem Spielausgleich der Ventile zu ermöglichen, wie von der Patentinhaberin behauptet. Es mag zwar sein, dass im Bereich der Zylinderkopfhaube sinnvollerweise eine lösbare Verbindung in der Kurbelgehäuseentlüftungsleitung vorgesehen wurde. Das Streitpatent betrifft jedoch die komplette Entlüftungsleitung, vgl. die Absätze [0041] und [0053], und somit auch weitere Verbindungsmöglichkeiten, nicht nur eine solche unmittelbar an einer Zylinderkopfhaube, sondern explizit auch am Ansaugtrakt. Der Fachmann wird daher in naheliegender Weise erwägen, dort wo möglich, im Verlauf der Entlüftungsleitung auch unlösbare Verbindungen vorzusehen. Den weiteren, sicherheitsrelevanten Vorteil einer verliersicheren Ausgestaltung der Verbindung erkennt der Fachmann unabhängig von der in der Aufgabenstellung der Druckschrift D1 genannten Reduzierung des Montage- und Kostenaufwandes, da es sich hierbei um eine maschinenbautechnische Maßnahme handelt, die für eine Vielzahl von Anwendungsfällen ein in Betracht zu ziehendes Mittel ist und zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs gehört (vgl. BGH GRUR 2014, 647 ff. – „Farbversorgungssystem“).
64
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).
65
Das Merkmal 8.H1 unterscheidet sich vom Merkmal 8 nach Hauptantrag durch die nachfolgend dargestellte Unterstreichung: „…der gekoppelte Zustand der Rohrstutzen (10, 20) ohne Zerstören der Rohrstutzen (10, 20) und/oder der Entlüftungsleitung aufgehoben werden kann.“.
66
Diese Formulierung schränkt den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 nicht dahingehend ein, dass sich daraus ein erfinderisches Handeln begründen könnte. Die zum Hauptantrag gemachte Begründung, dass der Fachmann ausgehend von der D1 zu einem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag gelangt, führt ebenso zu einem Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, nach dem der gekoppelte Zustand der Rohrstutzen nur durch Zerstören der Rohrstutzen aufgehoben werden kann. Er ist aus den oben beschriebenen Gründen daher nicht patentfähig.
67
4. Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).
68
Dieser umfasst neben den Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 das hinzugenommene Merkmal H2:
69
wobei zumindest einer aus einem ersten Rohrstutzen (10) und dem zweiten Rohrstutzen (20) aus einem wärmebeständigen Kunststoff hergestellt ist,
70
Der Einsatz von Kunststoffbauteilen ist für den Fachmann üblich. Diese stellen eine leichte und günstige Alternative zu Bauteilen aus Metall dar. Er wird dabei stets die Bauteile einer Brennkraftmaschine und damit auch die Bauteile einer Kurbelgehäuseentlüftungsleitung hinsichtlich ihrer Materialbeschaffenheit so auslegen, dass sie den vorliegenden Anforderungen genügen. Die Ausgestaltung der Rohrstutzen aus einem wärmebeständigen Kunststoff stellt für ihn somit eine ihm bekannte übliche Maßnahme dar, der eine erfinderische Tätigkeit nicht zukommt.
71
5. Die Gegenstände der abhängigen Patentansprüche 2 bis 14 der vorliegenden Anspruchsfassungen teilen das rechtliche Schicksal des jeweiligen Patentanspruchs 1. Dass deren Gegenständen eine eigenständige erfinderische Bedeutung zukommt, ist nicht geltend gemacht worden und nicht ersichtlich.


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