Patent- und Markenrecht

30 W (pat) 502/20

Aktenzeichen  30 W (pat) 502/20

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:150421B30Wpat502.20.0
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2016 110 222
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 15. April 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Oktober 2019 aufgehoben.
Wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 014 948 475 wird die Löschung der Marke 30 2016 110 222 angeordnet.

Gründe

I.
1
Die am 11. November 2016 angemeldete Wortmarke
2
OSIRIS
3
ist am 18. April 2017 unter der Nummer 30 2016 110 222 für die Waren und Dienstleistungen
4
„Klasse 09: Simulationssoftware; Simulationssoftware für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Simulations- und Analysesoftware für die operative Entscheidungsunterstützung bei Militärübungen und militärischen Einsätzen; Simulationssysteme für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Führungssimulationssysteme; Server zum Bereitstellen von Simulationssoftware für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Simulatoren für die Bedienung von Waffen, Landfahrzeugen und Luftfahrzeugen; Simulatoren für konventionelle Kriegsführung, für Friedenssicherung, Krisenhilfe, militärische Operationen im urbanen Gelände und/oder Katastrophenschutz; vorgenannte Waren insbesondere für militärische Zwecke;
5
Klasse 41: Computer- und simulationsgestützte Ausbildung; Ausbildung in Bezug auf simulations- und analysesoftwaregestützte Beratung zur operativen Entscheidungsunterstützung bei Militärübungen und militärischen Einsätzen; Computer- und simulationsgestützte Schulungen für konventionelle Kriegsführung, Friedenssicherung, Krisenhilfe, militärische Operationen im urbanen Gelände und/oder Katastrophenschutz; vorgenannte Dienstleistungen insbesondere für militärische Zwecke;
6
Klasse 42: Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und Simulationssoftware für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Entwicklung, kundenspezifische Anpassung, Installation, Aktualisierung und Wartung von Softwarepaketen für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung nicht herunterladbarer Simulationssoftware für Computernetzwerke und Server; vorgenannte Dienstleistungen insbesondere für militärische Zwecke“
7
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 19. Mai 2017.
8
Gegen die Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren und Dienstleistungen
9
„Klasse 09: Software zur Erzeugung von Szenarien, ausgenommen Software für Kriegsspielszenarien für die breite Öffentlichkeit, Software zur Ausbildung in Bezug auf die Sonarsimulation; Wobei die vorstehend genannten Erzeugnisse für das Training von zivilen oder militärischen Verteidigungskräften bestimmt sind;
10
Klasse 41: Ausbildung und Training in Bezug auf die Radarsimulation für zivile oder militärische Verteidigungskräfte;
11
Klasse 42: Design von Computersoftware zur Erzeugung von Szenarien, Software zur Ausbildung in Bezug auf die Sonarsimulation“
12
seit dem 29. April 2016 eingetragenen Unionswortmarke 014 948 475
13
OSATIS
14
Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 09 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 7. Oktober 2019 den Widerspruch zurückgewiesen, da zwischen den sich gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe.
15
Ausgehend von einer nach der Registerlage gegebenen geringen Warenähnlichkeit seien auch unter Berücksichtigung einer normalen Kennzeichnungskraft der älteren Marke geringe Anforderungen an den zur Vermeidung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr erforderlichen Abstand der Vergleichsmarken zu stellen, denen die angegriffene Marke durch die Unterschiede in der Wortmitte der Vergleichszeichen sowohl in klanglicher wie auch schriftbildlicher Hinsicht genüge, wobei in begrifflicher Hinsicht auch zur Unterscheidung beitrage, dass dem Verkehr die angegriffene Marke OSIRIS als Name einer ägyptischen Gottheit bekannt sei.
16
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie unter Vorlage einer Entscheidung des EUIPO v. 10. Januar 2020 betreffend einen Widerspruch aus der verfahrensgegenständlichen Widerspruchsmarke gegen die mit der angegriffenen Marke identischen Unionsmarke 16 685 026 „OSATIS“ (R 2518/2018-5) geltend macht, dass die Vergleichszeichen sich entgegen der Auffassung der Markenstelle nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage auf identischen und ansonsten hochgradig ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen könnten. Ausgehend von einer jedenfalls durchschnittlichen Kennzeichnungskraft seien sich die beiden Markenwörter OSATIS und OSIRIS aufgrund ihrer Übereinstimmungen am Wortanfang und – ende sowohl klanglich als auch schriftbildlich zu ähnlich, als dass eine Verwechslungsgefahr verneint werden könnte. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass den hier angesprochenen Verkehrskreisen die Namen römischer, griechischer oder ägyptischer Gottheiten bekannt seien.
17
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
18
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Oktober 2019 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2016 110 222 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke UM 014 948 475 anzuordnen.
19
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich Beschwerdeverfahren weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.
20
Vor der Markenstelle hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Widerspruchsmarke nur für sonarsimulationsbezogene Software und diesbezügliche Ausbildungs-, Trainings- und Design- (Entwicklungs-)Dienstleistungen Schutz beanspruchen könne, so dass ein deutlicher Abstand bzw. eine geringe Ähnlichkeit zu den Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke vorliege. Selbst unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei die Ähnlichkeit der sich in der jeweiligen Wortmitte deutlich voneinander abhebenden Vergleichszeichen dann aber zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
22
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg, da zwischen den Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 125b Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Der angefochtene Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Oktober 2019 ist daher aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2016 110 222 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke UM 014 948 475 anzuordnen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
23
A. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (vgl. BGH WRP 2019, 1316 Rn. 11 – KNEIPP). Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht wurde, sind bei hiergegen erhobenen Widersprüchen weiterhin die Vorschriften nach § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 3 MarkenG).
24
B. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – Injekt/Injex; GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a. a. O. Rn. 48 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; BGH a. a. O. Rn. 25 – INJEKT/INJEX).
25
Nach diesen Grundsätzen ist eine markenrechtlich relevante unmittelbare Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken zu besorgen, weshalb die angegriffene Marke nach § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zu löschen ist.
26
1. Ausgehend von der maßgeblichen Registerlage können sich beide Marken teilweise auf identischen und ansonsten eng ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen.
27
Dies betrifft zunächst die sich in Klasse 09 gegenüberstehenden Waren. Auf Seiten der Widerspruchsmarke ist dabei zu beachten, dass entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke der Warenoberbegriff „Software zur Erzeugung von Szenarien, ausgenommen …“ nicht auf „Sonarsimulation“ beschränkt ist, da diese Einschränkung sich eindeutig nur auf den weiteren zu dieser Klasse beanspruchten Warenoberbegriff „Software zur Ausbildung in Bezug auf die Sonarsimulation“ bezieht. Insoweit handelt es sich nach der Fassung des Warenverzeichnisses eindeutig um zwei voneinander unabhängige und damit zu trennende Warenoberbegriffe. Dies ist für Verkehr aufgrund der wiederholten Verwendung des Warenoberbegriffs „Software“ und der in sich geschlossenen sprachlichen Fassung des Warenbegriffs „Software zur Ausbildung in Bezug auf die Sonarsimulation“ auch ohne weiteres erkennbar. Aufgrund dieser sprachlich eindeutigen Fassung des Warenverzeichnisses ist auch unerheblich, dass beide Oberbegriffe lediglich durch ein Komma statt eines die Trennung stärker hervorhebenden Semikolons voneinander getrennt sind, zumal Warenoberbegriffe nicht zwingend durch ein Semikolon getrennt werden müssen, was sich auch nicht aus den von der Inhaberin der angegriffenen Marke vor der Markenstelle mit Schriftsatz vom 11. Mai 2018 vorgelegten EUIPO-Prüfungsrichtlinien, Teil B, Abschnitt 3 „Klassifizierung, Punkt 4.1.4“ ergibt. Die Eigenständigkeit der beiden vorgenannten Warenoberbegriffe wird nicht zuletzt dadurch verdeutlicht, dass die von den vorgenannten Warenoberbegriffen durch ein Semikolon getrennte Bestimmungsangabe „Wobei die vorstehend genannten Erzeugnisse für das Training von zivilen oder militärischen Verteidigungskräften bestimmt sind“ in der Pluralform von „Erzeugnissen“ spricht und daher aufgrund dieser sprachlichen Fassung der Bestimmungsangabe davon auszugehen ist, dass es sich bei „Software zur Erzeugung von Szenarien, ausgenommen …“ und „Software zur Ausbildung in Bezug auf die Sonarsimulation“ um verschiedene Waren bzw. „Erzeugnisse“ handelt.
28
Danach können sich beide Marken hinsichtlich der von der angegriffenen Marke zu Klasse 09 beanspruchten Waren „Simulationssoftware; Simulationssoftware für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Simulations- und Analysesoftware für die operative Entscheidungsunterstützung bei Militärübungen und militärischen Einsätzen“ auf identischen Waren begegnen, da diese Waren der angegriffenen Marke unter die für die Widerspruchsmarke registrierte „Software zur Erzeugung von Szenarien, ausgenommen…“ fallen, bei der es sich ebenfalls um „Simulations- und Analysesoftware“ für die „operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal“ bzw. für die „operative Entscheidungsunterstützung bei Militärübungen und militärischen Einsätzen“ handeln kann.
29
Ohne weiteres ähnlich ist die „Software zur Erzeugung von Szenarien, ausgenommen …“ der Widerspruchsmarke den weiteren von der angegriffene Marke zu Klasse 09 beanspruchten Waren „Simulationssysteme für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Führungssimulationssysteme; Server zum Bereitstellen von Simulationssoftware für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Simulatoren für die Bedienung von Waffen, Landfahrzeugen und Luftfahrzeugen; Simulatoren für konventionelle Kriegsführung, für Friedenssicherung, Krisenhilfe, militärische Operationen im urbanen Gelände und/oder Katastrophenschutz; vorgenannte Waren insbesondere für militärische Zwecke“, da der vorliegend in erster Linie angesprochene Fachverkehr aus dem militärischen und/oder zivilen Verteidigungsbereich ohne weiteres davon ausgehen wird, dass die für die Anwendung dieser speziellen Software erforderlichen Hardwarekomponenten wie Server, Simulatoren etc. aufgrund des insoweit vorhandenen engen funktionellen Zusammenhangs zwischen Soft- und Hardware aus einem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich stammen.
30
Durch die Eintragung der angegriffenen Marke zu Klasse 41 für die Dienstleistungen „Computer- und simulationsgestützte Ausbildung; Ausbildung in Bezug auf simulations- und analysesoftwaregestützte Beratung zur operativen Entscheidungsunterstützung bei Militärübungen und militärischen Einsätzen; Computer- und simulationsgestützte Schulungen für konventionelle Kriegsführung, Friedenssicherung, Krisenhilfe, militärische Operationen im urbanen Gelände und/oder Katastrophenschutz; vorgenannte Dienstleistungen insbesondere für militärische Zwecke“ wird auch Schutz beansprucht für die auf Seiten der Widerspruchsmarke zu dieser Klasse registrierten Dienstleistungen „Ausbildung und Training in Bezug auf die Radarsimulation für zivile oder militärische Verteidigungskräfte“, da eine „Radarsimulation“ Gegenstand einer computer- und simulationsgestützten und für militärische Zwecke gedachten „Beratung zur operativen Entscheidungsunterstützung bei Militärübungen und militärischen Einsätzen“ bzw. „Schulung für konventionelle Kriegsführung, Friedenssicherung, Krisenhilfe, militärische Operationen im urbanen Gelände und/oder Katastrophenschutz“ sein kann. Dies führt zu einer Löschung der angegriffenen Marke für die gesamten zu dieser Klasse beanspruchten Dienstleistungsoberbegriffe (vgl. BGH GRUR 2008, 903 Nr. 11 SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 905 Nr. 13 – Pantohexal; Ströeble/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 9 Rdnr. 72).
31
 Ebenso fallen die für die Widerspruchsmarke zu Klasse 42 registrierten Dienstleistungen „Design von Computersoftware zur Erzeugung von Szenarien, Software zur Ausbildung in Bezug auf die Sonarsimulation“ unter die von der angegriffenen Marke zu dieser Klasse beanspruchten Dienstleistungen „Entwurf und Entwicklung von … Simulationssoftware für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Entwicklung, kundenspezifische Anpassung, Installation, Aktualisierung und Wartung von Softwarepaketen für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal“, da es sich bei einer Software zur Erzeugung von Szenarien bzw. zur Ausbildung in Bezug auf die Sonarsimulation, auf die sich die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke beziehen, auch um „für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal“ bestimmte „Simulationssoftware“ und „Softwarepakete“, auf die sich die Dienstleistungen der angegriffenen Marke beziehen, handeln kann. Zu den weiteren zu dieser Klasse von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen „Entwurf und Entwicklung von Computerhardware für die operative und taktische Ausbildung von Militärpersonal; Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung nicht herunterladbarer Simulationssoftware für Computernetzwerke und Server; vorgenannte Dienstleistungen insbesondere für militärische Zwecke“ besteht eine enge Ähnlichkeit, da der Fachverkehr auch insoweit ohne weiteres der Annahme unterliegen wird, dass in diesem hochspezialisierten Bereich Software- und Hardwarekomponenten bzw. sich auf darauf beziehende Entwicklungs- und/oder Bereitstellungsdienstleistungen aus einem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich stammen.
32
2. Weiterhin ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, da es sich um eine Phantasiebezeichnung handelt.
33
3. Die Vergleichszeichen weisen ferner eine jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit auf.
34
Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 23 – MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 19 – ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 – THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Nr. 29 – MATRATZEN; BGH GRUR 2015, 1009 Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2010, 235, Nr. 15 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Nr. 32 – METROBUS; GRUR 2006, 60, Nr. 17 – coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2015, 1009, Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2015, 1114, Nr. 23 – Springender Pudel; GRUR 2010, 235, Nr. 18 – AIDA/ AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 9 Rdn. 270 m. w. N.). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. BGH in GRUR 2016, 283 Rn. 37 – BioGourmet m. w. N.).
35
Ausgehend davon unterscheiden sich die dreisilbig wie „O-SI-RIS“ und „O-SA-TIS“ artikulierten Marken zwar in klanglicher Hinsicht etwas deutlicher, da trotz der Übereinstimmungen beider Markenwörter am – in aller Regel stärker beachteten – Wortanfang („OS-“) und -ende („-IS“) sowie einer gleichen Silbenzahl die Abweichungen in der Wortmitte „IR“ bzw. „AT“ und die dadurch hervorgerufenen Unterschiede im Endlaut der jeweils zweiten Silbe „-SI“ gegenüber „SA“ bzw. im Anfangslaut der jeweils dritten Silbe „-RIS“ bzw. „-TIS“ für eine selbst bei etwas ungünstigeren Übermittlungsbedingungen durchaus wahrnehmbare Abweichung im Gesamtklangbild sorgen. Ob dies letztlich zu einer unterdurchschnittlichen Ähnlichkeit im Gesamtklangbild beider Marken führt, kann aber offenbleiben, da beide Marken jedenfalls im Schriftbild in ihrer konkret eingetragenen Form in Großbuchstaben eine zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit aufweisen.
36
Der schriftbildliche Gesamteindruck wird dabei maßgeblich durch den identischen Wortanfang „OS“ und das ebenfalls identische Wortende „IS“ bestimmt. Gegenüber diesen Übereinstimmungen fallen die Abweichungen im jeweiligen Wortinnern zu wenig auf und können vom angesprochenen Verkehr leicht übersehen werden, zumal die – hier identischen – Anfangs- und Schlusselemente von Wörtern den bildlichen Gesamteindruck regelmäßig stärker bestimmen als die Wortmitte (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 9 Rdnr. 300).
37
Auch wenn berücksichtigt wird, dass Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß präziser wahrgenommen werden können als dem Klang nach, weil das Schriftbild sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, sind die schriftbildlichen Übereinstimmungen vorliegend zu ausgeprägt, als dass eine zumindest durchschnittliche Zeichenähnlichkeit verneint werden könnte. Dies gilt umso mehr, als die Vergleichszeichen im Verkehr nicht gleichzeitig nebeneinander aufzutreten pflegen, sondern ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (vgl. u. a. EuGH GRUR Int 1999, 734 Nr. 26 Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 – ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 2003, 1047 – Kellogg`s/Kelly`s).
38
Auch der Umstand, dass es sich bei der jüngeren Marke OSIRIS um den Namen des ägyptischen Gottes des Jenseits (Totengott), der Wiedergeburt und des Nils handelt, wirkt sich insoweit nicht kollisionsmindernd aus. Denn abgesehen davon, dass es sich insoweit um keinen so geläufigen Begriff handeln dürfte, dessen Bedeutung sich sofort und ohne weiteres dem Verkehr erschließt (vgl. dazu Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 9 Rn. 310), kommt diese Bedeutung angesichts der erheblichen Übereinstimmungen beider Markenwörter im Schriftbild bei der schriftbildlichen Erfassung beider Marken nicht zum Tragen.
39
4. Ausgehend davon kann in der Gesamtabwägung angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der Kollisionszeichen sowie der festgestellten Waren- und Dienstleistungsidentität bzw. hochgradigen Waren– und Dienstleistungsähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken nicht verneint werden.
40
C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.


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