Patent- und Markenrecht

7 Ni 36/19 (EP), verb. m. 7 Ni 37/19 (EP)

Aktenzeichen  7 Ni 36/19 (EP), verb. m. 7 Ni 37/19 (EP)

Datum:
6.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:060821U7Ni36.19EP.0
Spruchkörper:
7. Senat

Tenor


In der Patentnichtigkeitssache

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2021 durch die Vorsitzende Richterin Kopacek, die Richterin Püschel sowie die Richter Dipl.-Ing. Baumgardt, Dipl.-Phys. Dr. Forkel und Dipl.-Ing. Hoffmann
für Recht erkannt:
verbunden mit
I. Das europäische Patent 1 171 836 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Nichtigkeitsklagen richten sich gegen das mit Wirkung auch für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in englischer Verfahrenssprache erteilte europäische Patent 1 171 836 (im Folgenden: Streitpatent). Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des inzwischen erloschenen Streitpatents, das am 2. September 1999 als internationale Anmeldung PCT/NO99/00273 (veröffentlicht als WO 00/14655 A2) angemeldet worden ist und die Prioritäten der norwegischen Patentanmeldung 984066 vom 3. September 1998 und der US-amerikanischen Voranmeldung 189 626 vom 10. November 1998 in Anspruch nimmt; die Patenterteilung wurde am 26. Oktober 2005 veröffentlicht. Das Streitpatent trägt die Bezeichnung „Function Key for Computer Data Handling“ (Funktionstaste zur Computer-Databearbeitung) und wird im Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 699 28 022 geführt. Die Schutzdauer des Streitpatents ist am 2. September 2019 abgelaufen.
2
Das Streitpatent umfasst in seiner geltenden, im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt geänderten Fassung gemäß der Streitpatentschrift EP 1 171 836 B2 (im Folgenden: erteilte Fassung) 15 Patentansprüche, von denen mit der Klage der Klägerin zu 1 die Patentansprüche 1, 14 und 15 und von der Klägerin zu 2 sämtliche Patentansprüche angegriffen werden. Der Senat hat die Klage 7 Ni 36/19 (EP) der Klägerin zu 1 und die Klage 7 Ni 37/19 (EP) der Klägerin zu 2 im September 2019 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
3
Die Nebenintervenientin zu 1, die dem Verfahren 7 Ni 36/19 (EP) mit Schriftsatz vom 10. September 2020, eingegangen am selben Tag, auf Klägerseite beigetreten ist, greift das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 und 15 an. Zur Begründung des Beitritts gibt sie an, sie werde von einer Lizenznehmerin der Beklagten, der O… S.à.r.l., wegen Verletzung des Streitpatents, gestützt auf dessen Patentansprüche 1 und 15, vor dem Landgericht Düsseldorf in Anspruch genommen (Aktz. …). Die Nebenintervenientin zu 1 hat ihrerseits schon im März 2020 eine eigene Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent erhoben (7 Ni 7/20 EP), wobei der Senat im August 2020 eine beantragte Verbindung mit den vorliegenden, deutlich früher eingereichten Nichtigkeitsklagen insbesondere auch wegen des unterschiedlich fortgeschrittenen Verfahrensstandes abgelehnt hatte.
4
Die Nebenintervenientin zu 2, die den verbundenen Klageverfahren mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2020, eingegangen am selben Tag, ebenfalls auf Klägerseite beigetreten ist, greift das Streitpatent in vollem Umfang an. Zur Begründung des Beitritts gibt sie an, sie werde von der O… S.à.r.l., einer 100%igen Tochtergesellschaft der Patentinhaberin, die mit der Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Streitpatent betraut worden sei, vor dem Landgericht München I wegen Patentverletzung in Anspruch genommen (Aktz. …).
5
Auch die Klägerinnen zu 1 und 2 haben nach dem im Laufe des Nichtigkeitsverfahrens eingetretenen Erlöschen des Streitpatents wegen Ablauf der Patentdauer am 2. September 2019 auf gegen sie am OLG Karlsruhe anhängige Verletzungsklagen verwiesen (Klägerin zu 1: LG Mannheim …, OLG Karlsruhe …, Klägerin zu 2: LG Mannheim …, mittlerweile ebenfalls OLG Karlsruhe).
6
Patentanspruch 1 mit darauf rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 13 betrifft ein Verfahren zum Bereitstellen eines mit einer Benutzeroperation in einem Dokumentenhandhabungsprogramm verknüpften Funktionselements. Der nebengeordnete Patentanspruch 14 bezieht sich auf ein Computerprogramm mit Codemitteln zur Durchführung aller Schritte u. a. des Patentanspruchs 1. Der nebengeordnete Patentanspruch 15 bezieht sich auf ein computerlesbares Medium, auf dem ein Computerprogramm nach Anspruch 14 gespeichert ist.
7
Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 14 und 15 haben in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
8
1. Method of providing a function item within a word processor, tied to a user operation in said word processor, said user operation initiating retrieval of a name, address and/or other person or company related information from outside said word processor, comprising a single activation of said function item leading to an analysis of what a user has previously typed in said document to identify only a name and/or address, being used as search terms, wherein said analysis determines whether the analyzed text represents a name and/or address or not, wherein said analysis is performed by a computer program, and, after the analysis, to a search, using said search terms, in a database or file containing the name, address and/or other person or company related information available on or through the computer, and to a display of said retrieved information found in said database or said file.
9
14. A computer program, comprising code means adapted to perform all the steps of any one of claims 1 to 13 when run on a computer.
10
15. A computer readable medium storing a computer program according to claim 14.
11
Die deutsche Übersetzung lautet gemäß der Streitpatentschrift EP 1 171 836 B2 wie folgt:
12
1. Verfahren zum Bereitstellen eines Funktionselements innerhalb eines Wortprozessors, das mit einer Benutzeroperation in dem Wortprozessor verknüpft ist, wobei die Benutzeroperation ein Wiederauffinden eines Namens, einer Adresse und/oder einer anderen personen- oder unternehmensbezogenen Information von einer Stelle außerhalb des Wortprozessors einleitet, umfassend eine einzelne Aktivierung des Funktionselements, die zu einer Analyse dessen führt, was ein Benutzer zuvor in das Dokument maschinengeschrieben hat, zur Identifizierung von nur eines Namens und/oder einer Adresse, die als Suchbegriffe verwendet werden, wobei die Analyse bestimmt, ob der analysierte Text einen Namen und/oder Adresse darstellt oder nicht, wobei die Analyse von einem Computerprogramm durchgeführt wird, und, nach der Analyse, zu einem Suchvorgang unter Verwendung der Suchbegriffe in einer Datenbank oder Datei, die den Namen, Adresse, und/oder eine andere personen- oder unternehmensbezogenen Information enthält, die auf oder durch den Computer verfügbar ist, und zu einer Anzeige der erhaltenen Information, die in der Datenbank oder der Datei aufgefundenen wird.
13
14. Computerprogramm mit Codemitteln ausgestaltet zum Durchführen aller Schritte eines der Patentansprüche 1 bis 13, wenn es an einem Computer ausgeführt wird.
14
15. Computerlesbares Medium, auf dem ein Computerprogramm nach Anspruch 14 gespeichert ist.
15
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 13 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 171 836 B2 Bezug genommen.
16
Die Klägerinnen zu 1 und 2 machen die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der mangelnden Ausführbarkeit und der unzulässigen Erweiterung sowie der Erweiterung des Schutzbereichs geltend (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a bis d EPÜ, Art. 54, 56 EPÜ). Die Nebenintervenientin zu 1 schließt sich dem an, die Nebenintervenientin zu 2 macht die vorstehend genannten Nichtigkeitsgründe mit Ausnahme der mangelnden Ausführbarkeit geltend.
17
Die Klägerin zu 1 reicht u. a folgende Druckschriften und Unterlagen ein:
18
MN3a NO 1998 4066 (Prioritätsdokument zu Streitpatent)
19
MN3b US 09/189 626 (Prioritätsdokument zu Streitpatent)
20
MN10 Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA vom 21. Mai 2014 – T 1779/09 – 3.5.07 (Einspruchsentscheidung zu Streitpatent);
21
D1 WO 96/34354 A1
22
D2 WO 98/37478 A2
23
D3 JP H4-98566 A
24
D3a Englisches Abstract zu D3
25
D3b Englische Übersetzung der D3
26
D3c Erklärung des Übersetzers von D3b vom 17. September 2018;
27
D3d Englische Maschinenübersetzung der D3
28
D4 WO 96/34355 A1
29
D5 US 5 387 783 A
30
D6 US 5 748 974 A
31
D7 Benutzerhandbuch „User Manual for Address Mate and AddressMate Plus“ für die Anwendungen der Firma CoStar, Copyright 1994-1995 (entspricht Ni4 der Nebenintervenientin zu 2 und D4 aus dem Einspruchsverfahren des Streitpatents);
32
D8 T. Bonura/J.R. Miller „Drop Zones: An Extension to LiveDoc“, SIGCHI Bulletin, Vol. 30, Nr. 2, April 1998, Seiten 59 – 63 (entspricht HLNK13 der Klägerin zu 2).
33
Die Klägerin zu 2 reicht u.a. folgende Druckschriften und Unterlagen ein:
34
HLNK4 NO 1998 4066 (Prioritätsdokument zu Streitpatent)
35
HLNK4a Deutsche Übersetzung der HLNK4
36
HLNK5 US 09/189 626 (Prioritätsdokument zu Streitpatent)
37
HLNK8 US 5 579 467 A
38
HLNK9 WO 98/37474 A2
39
HLNK10 US 5 477 447 A
40
HLNK10a Zwei Zeitungsartikel aus dem Wall Street Journal vom 5. August 1993, W.S. Mossberg „In Newton, Apple has the germ of an idea with weighty potential“, und vom 12. August 1993, W.S. Mossberg „Newton‘s software has enough smarts to anticipate needs“;
41
HLNK10b Benutzerhandbuch “Apple MessagePad 2000 User’s Manual”, Apple Computer Inc., Copyright 1997;
42
HLNK11 US 5 392 386 A
43
HLNK12 B.A. Nardi et al., “Collaborative, Programmable Intelligent Agents”, Communications of the ACM, Vol. 41, Nr. 3, März 1998, Seiten 96 – 104;
44
HLNK13 T. Bonura/J.R. Miller „Drop Zones: An Extension to LiveDoc“, SIGCHI Bulletin, Vol. 30, Nr. 2, April 1998, Seiten 59 – 63 (entspricht D8 der Klägerin zu 1);
45
HLNK14 O. Etzioni/D. Weld „A Softbot-based interface to the Internet“, Communications of the ACM, Juli 1994
46
Die Nebenintervenientin zu 1 hat mit der Begründung, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, davon abgesehen, zusätzlichen Stand der Technik in das Verfahren einzuführen. Die Nebenintervenientin zu 2 reicht u. a. folgende Druckschriften und Unterlagen ein:
47
Ni4 Benutzerhandbuch „User Manual for Address Mate and AddressMate Plus“ für die Anwendungen der Firma CoStar, Copyright 1994-1995 (entspricht D7 der Klägerin zu 1 und D4 aus dem Einspruchsverfahren des Streitpatents);
48
Ni5 Anlagenkonvolut zur Erwähnung von „AddressMate“ in der Presse in den Jahren 1992, 1995 und 1996;
49
Ni6a Erklärung („Second Affidavit“) von B… vom 15. Mai 2009,Entwickler der Programme Address Mate und AddressMate Plus;
50
Ni6b Erklärung („First Affidavit“) des Entwicklers B… vom 21. Juli2006;
51
Ni7a JP H07-28813 A
52
Ni7b Englische Übersetzung der Ni 7a;
53
Ni8a A. Wood et al., „CyberDesk: Automated Integration of Desktop and Network Services“, Technical Notes, CHI 1997, 22 – 27. März 1997;
54
Ni8b A.K. Dey, „Context-Aware Computing: The CyberDesk Project“, AAAI Technical Report SS-98-02, „Compilation copyright © 1998“, sowie in Fußnote “Copyright 1997”, Seiten 51 – 54;
55
Ni8c A.K. Dey et al., “CyberDesk: A Framework for Providing Self-Integrating Ubiquitous Software Services“, Seiten 75, 76, UIST’97, ACM Inc., Copyright 1997;
56
Ni8d A.K. Dey et al., „Future Computing environments“, „CyberDesk Version 2.0“, Auszug aus der Internetseite
57
https://www.cc.gatech.edu/fce/cyberdesk/;
58
Ni9 US 5 946 647.
59
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung (Fassung nach Abschluss des Einspruchsverfahrens) sowie in geänderten Fassungen mit den mit Schriftsatz vom 11. Januar 2021 eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 7.
60
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass am Ende des Patentanspruchs 1 die Worte „via a network,“ (auf Deutsch: „über ein Netzwerk“) eingefügt werden (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 unterstrichen):
61
„…, and, after the analysis, to a search, using said search terms, in a database or file containing the name, address and/or other person or company related information available on or through the computer via a network, and to a display of said retrieved information found in said database or said file.”
62
Hinsichtlich der weiteren Patentansprüche 2 bis 15 gemäß Hilfsantrag 1 verbleibt es bei der erteilten Fassung.
63
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der erteilten Fassung wie folgt (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 unterstrichen):
64
1. „Method of providing a function item within a word processor, tied to a user operation in said word processor, said user operation initiating retrieval of a name, address and/or other person or company related information from outside said word processor, comprising a single activation of said function item leading to an analysis of what a user has previously typed in said document to identify only a name and/or address, being used as search terms, wherein said analysis determines whether the analyzed text represents a name and/or address or not and whether the analyzed text represents an e-mail address or a telephone number, wherein said analysis is performed by a computer program, and, after the analysis, if the analysis finds a name and/or address to a search, using said search terms, in a database or file containing the name, address and/or other person or company related information available on or through the computer, and to a display of said retrieved information found in said database or said file, and wherein if the analysis finds an e-mail address or a telephone number an appropriate action is performed by the computer program.“
65
In deutscher Übersetzung:
66
1. „Verfahren zum Bereitstellen eines Funktionselements innerhalb eines Wortprozessors, das mit einer Benutzeroperation in dem Wortprozessor verknüpft ist, wobei die Benutzeroperation ein Wiederauffinden eines Namens, einer Adresse und/oder einer anderen personen- oder unternehmensbezogenen Information von einer Stelle außerhalb des Wortprozessors einleitet, umfassend eine einzelne Aktivierung des Funktionselements, die zu einer Analyse dessen führt, was ein Benutzer zuvor in das Dokument maschinengeschrieben hat, zur Identifizierung von nur eines Namens und/oder einer Adresse, die als Suchbegriffe verwendet werden, wobei die Analyse bestimmt, ob der analysierte Text einen Namen und/oder Adresse darstellt oder nicht und ob der analysierte Text eine elektronischen Mail-Adresse oder eine Telefonnummer darstellt, wobei die Analyse von einem Computerprogramm durchgeführt wird, und, nach der Analyse, wenn die Analyse einen Namen und/oder Adresse findet, zu einem Suchvorgang unter Verwendung der Suchbegriffe in einer Datenbank oder Datei, die den Namen, Adresse, und/oder eine andere personen- oder unternehmensbezogenen Information enthält, die auf oder durch den Computer verfügbar ist, und zu einer Anzeige der erhaltenen Information, die in der Datenbank oder der Datei aufgefundenen wird, und wobei wenn die Analyse eine elektronischen Mail-Adresse oder eine Telefonnummer findet, einen entsprechende Handlung von dem Computerprogramm durchgeführt wird.“
67
Hinsichtlich der weiteren Patentansprüche 2 bis 15 gemäß Hilfsantrag 2 verbleibt es bei der erteilten Fassung.
68
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 mit der Modifikation, dass am Ende zusätzlich noch die Worte
69
„and wherein the appropriate action is different from the action performed by the computer program if the analysis finds a name and/or address“,
70
in deutscher Übersetzung:
71
„und wobei die entsprechende Handlung sich von derjenigen Handlung unterscheidet, die durch das Computerprogramm durchgeführt wird, wenn die Analyse einen Namen und/oder Adresse findet“
72
angefügt sind. Hinsichtlich der Patentansprüche 2 bis 15 gemäß Hilfsantrag 3 verbleibt es bei der erteilten Fassung.
73
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 mit der Modifikation, dass am Ende anstelle der Worte „and wherein if the analysis finds an e-mail address or a telephone number an appropriate action is performed by the computer program“ die Worte
74
„wherein if the analysis finds an e-mail address a step of composing an e-mail is initiated, and wherein if the analysis finds a telephone number a step of performing a phone call using the found telephone number is initiated”,
75
in deutscher Übersetzung:
76
„wobei wenn die Analyse eine elektronische Mail-Adresse findet, ein Schritt des Verfassens einer elektronischen Mailnachricht eingeleitet wird, und wobei wenn die Analyse eine Telefonnummer findet, ein Schritt des Tätigens eines Telefonanrufs unter Verwendung der gefundenen Telefonnummer eingeleitet wird”
77
angefügt sind. Hinsichtlich der Patentansprüche 2 bis 15 gemäß Hilfsantrag 4 verbleibt es bei der erteilten Fassung.
78
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass am Ende nach dem Wort „file” die Worte
79
“, wherein said analysis comprises interpretation of said document where the interpretation includes at least one of the set of: looking for abbreviations or phrases of character combinations; syntactic interpretation; looking for specific formatting features; analyzing paragraph and/or line separations and/or formatting; analyzing street, avenue, drive, lane, boulevard, city, state, zip code or country designators and abbreviations; and analyzing Mr., Mrs., Sir, Frau, Herr, Madam, Madame, Jr. or Sr. designators and abbreviations”,
80
in deutscher Übersetzung:
81
“wobei die Analyse eine Interpretation des Dokuments umfasst, wobei die Interpretation zumindest einen Bestandteil aufweist aus der Gruppe: Suchen nach Abkürzungen, Phrasen mit Zeichenkombinationen; eine syntaktische Interpretation; Suchen nach speziellen Formatierungsmerkmalen; Analysieren von Abschnitts- und/oder Zeilentrennungen und/oder -formatierungen; Analysieren von Bezeichnungen und Abkürzungen für Straßen, Alleen, Auffahrten, Gassen, Boulevards, Städte, Bundesländer, Postleitzahlen oder Länder; und Analysieren von Bezeichnungen und Abkürzungen für Mr., Mrs., Sir, Frau, Herr, Madam, Madame, Jr. oder Sr”
82
angefügt sind. Zusätzlich ist im Hilfsantrag 5 Patentanspruch 13 der erteilten Fassung bei im Übrigen angepassten Rückbezügen gestrichen. Im Übrigen verbleibt es bei der erteilten Fassung.
83
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass sich der Anspruchswortlaut auf das Identifizieren von Adressen beschränkt (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 unterstrichen):
84
„1. Method of providing a function item within a word processor, tied to a user operation in said word processor, said user operation initiating retrieval of a name,
an address and/or other person or company related information from outside said word processor, comprising a single activation of said function item leading to an analysis of what a user has previously typed in said document to identify only an
name and/or address, being used as a search terms, wherein said analysis determines whether the analyzed text represents a name and/or
an address or not, wherein said analysis is performed by a computer program, and, after the analysis, to a search, using said search terms, in a database or file containing the name, address and/or other person or company related information available on or through the computer, and to a display of said retrieved information found in said database or said file.“
85
In deutscher Übersetzung:
86
„1. Verfahren zum Bereitstellen eines Funktionselements innerhalb eines Wortprozessors, das mit einer Benutzeroperation in dem Wortprozessor verknüpft ist, wobei die Benutzeroperation ein Wiederauffinden eines Namens
, einer Adresse und/oder einer anderen personen- oder unternehmensbezogenen Information von einer Stelle außerhalb des Wortprozessors einleitet, umfassend eine einzelne Aktivierung des Funktionselements, die zu einer Analyse dessen führt, was ein Benutzer zuvor in das Dokument maschinengeschrieben hat, zur Identifizierung von nur eines Namens und/oder einer Adresse, die als Suchbegriffe verwendet werden
wird, wobei die Analyse bestimmt, ob der analysierte Text eine
n Namen und/oder Adresse darstellt oder nicht, wobei die Analyse von einem Computerprogramm durchgeführt wird, und, nach der Analyse, zu einem Suchvorgang unter Verwendung der
des
Suchbegriffe
Suchbegriffs in einer Datenbank oder Datei, die den Namen
,
die Adresse, und/oder eine andere personen- oder unternehmensbezogenen Information enthält, die auf oder durch den Computer verfügbar ist, und zu einer Anzeige der erhaltenen Information, die in der Datenbank oder der Datei aufgefundenen wird.“
87
Hinsichtlich der Patentansprüche 2 bis 15 gemäß Hilfsantrag 6 verbleibt es bei der erteilten Fassung.
88
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass die Analyse durch den Wortprozessor erfolgt:
89
„1. Method of providing a function item within a computer program in the form of a word processor, tied (…) wherein said analysis is performed by a
the computer program (…).“,
90
in deutscher Übersetzung:
91
„1. Verfahren zum Bereitstellen eines Funktionselements innerhalb eines Computerprogramms in der Form eines Wortprozessors, das (…) wobei die Analyse von einem
dem Computerprogramm durchgeführt wird (…).“
92
Hinsichtlich der Patentansprüche 2 bis 15 gemäß Hilfsantrag 7 verbleibt es bei der erteilten Fassung.
93
Die Beklagte reicht u.a. folgende Druckschriften und Dokumente ein:
94
dfmp1 Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA vom 21. Mai 2014 – T 1779/09 – 3.5.07 (Einspruchsentscheidung zu Streitpatent);
95
dfmp6 WO 00/14655 A2 (Ursprungsunterlagen zu Streitpatent)
96
dfmp8 Gutachten D18 von Professor G… vom 10. März 2008;
97
dfmp9 Ergänzendes Gutachten D19 von Professor G… vom 6. Mai 2008;
98
dfmp10 Zweites Ergänzendes Gutachten D20 von Professor G… vom 26. März 2009;
99
dfmp11 Ausschnitte aus dem „Newton Programmer’s Guide“, Apple Computer, Inc., Copyright 1996.
100
Die Klägerin zu 1 macht geltend, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber einer der Druckschriften D1, D2 oder D3 nicht neu, beruhe diesen gegenüber jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dies gelte entsprechend für die nebengeordneten Patentansprüche 14 und 15.
101
De Klägerin zu 1 macht weiter geltend, die Merkmale „leading to an analysis of what a user has previously typed in said document“ (M1.3, siehe die Merkmalsgliederung unter II. der Gründe) und „to identify only a name and/or address“ (M1.3.1) gingen über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Gemäß Merkmal M1.3 führe eine Aktivierung des Funktionselementes zu einer Analyse dessen, was ein Benutzer zuvor in das Dokument eingetippt habe. Bei dem dort genannten Benutzer müsse es sich somit nicht unbedingt um denjenigen Benutzer handeln, der das Funktionselement aktiviert, d. h. denjenigen Benutzer, der die in den Merkmalen „Method of providing a function item within a word processor“ (M1.1) und „said user operation initiating retrieval of a name, address and/or other person or company related information from outside said word processor“ (M1.1.2) erwähnte „Benutzeroperation“ ausgeführt habe. Demnach könne ein Benutzer den Text eintippen und ein anderer Benutzer die Benutzeroperation vornehmen, d. h. das Funktionselement betätigen. Diese Möglichkeit sei jedoch nicht ursprünglich offenbart.
102
Zudem gebe es für das Merkmal „to identify only a name and/or address“ (M1.3.1) keinerlei Offenbarung in der ursprünglichen Anmeldung. Das fragliche Merkmal sei dennoch in der im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt getroffenen Entscheidung der Beschwerdekammer T 1779/09 (MN10, dfmp1) als vereinbar mit Art. 123 EPÜ angesehen worden, da es den Schutzbereich lediglich einschränke und keinen technischen Beitrag leiste. Nach diesem Merkmal führe die Analyse dessen, was ein Benutzer zuvor in das Dokument eingetippt habe, zur Identifizierung von nur einem Namen und/oder einer Adresse. Die in der ursprünglichen Anmeldung offenbarte Anweisung zum technischen Handeln gehe jedoch davon aus, dass in dem eingetippten Text möglichst viele unterschiedliche Angaben identifiziert werden sollten. Die Einschränkung auf eine Identifizierung nur einer Adresse oder eines Namens widerspreche daher dieser Anweisung zum technischen Handeln und stelle somit keine Konkretisierung derselben dar. Da keine Einschränkung vorliege, seien auch nicht die Voraussetzungen gegeben, unter denen nach der Rechtsprechung (BGH GRUR 2011, 40 – Winkelmessweinrichtung) ein nicht ursprungsoffenbartes Merkmal im Patentanspruch verbleiben könne.
103
Die Klägerin zu 1 macht ferner geltend, die Merkmale „leading to an analysis of what a user has previously typed in said document“ (M1.3) und „wherein said analysis determines whether the analysed text represents a name and/or address or not“ (M1.3.3) erweiterten den Schutzbereich des Patentanspruchs 1. Der ursprünglich erteilte Anspruch 1 habe das Merkmal enthalten, dass das Dokument analysiert werde, während gemäß Merkmal M1.3 des erteilten Patentanspruchs 1 lediglich gefordert werde, dass eine Analyse dessen, was der Benutzer zuvor eingetippt habe, stattfinde. Mit dieser Formulierung werde nun also auch der Fall umfasst, dass nur der Inhalt des Dokuments analysiert werde, nicht jedoch das Dokument selbst. Beispielsweise könne der eingetippte Text in ein anderes Dokument hineinkopiert und die Analyse dann dort ausgeführt werden. Diese Möglichkeit sei vom Schutzbereich des ursprünglich erteilten Patentanspruchs 1 nicht umfasst. Das Merkmal M1.3.3 erfordere eine Bestimmung, ob der eingetippte Text einen Namen und/oder eine Adresse oder nichts darstellt. Dieses Merkmal umfasse auch die Möglichkeit, dass die Bestimmung, dass es sich nicht um einen Namen und/oder eine Adresse handele, dadurch erfolge, dass in dem eingetippten Text ein beliebiger anderer Texttyp identifiziert werde. Patentanspruch 1 in der ursprünglich erteilten Fassung definiere jedoch nur, dass Teile eines Dokumentes identifiziert werden, die einen Namen, eine Adresse und/oder personen- oder unternehmensbezogene Informationen enthielten. Darüber hinaus sei ein Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 gestrichen worden, wonach nur Teile des Dokuments identifiziert würden („analyzing said document, previously typed by a user, to identify only parts of the document“). Auch dadurch sei der Schutzbereich des Patentanspruchs 1 erweitert worden.
104
Des Weiteren macht die Klägerin zu 1 geltend, das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Patentanspruch 1 des Streitpatents fordere gemäß dem Merkmal „to identify only a name and/or address“ (M1.3.1), dass mit der Textanalyse eine Identifizierung von nur einem Namen und/oder einer Adresse erfolge. Somit sei eine Identifizierung eines Textelements eines anderen Typs ausgeschlossen. Gemäß dem Merkmal „wherein said analysis determines whether the analysed text represents a name and/or address or not“ (M1.3.3) beinhalte die Textanalyse allerdings zusätzlich eine Bestimmung, ob der analysierte Text einen Namen und/oder eine Adresse darstelle oder nicht. Wie ausgeführt, umfasse Merkmal M1.3.3 jedoch auch den Fall, dass die Bestimmung, dass es sich nicht um einen Namen und/oder eine Adresse handele, dadurch stattfinde, dass in dem eingetippten Text ein Textelement irgendeines anderen Typs (z. B. eine Telefonnummer) identifiziert werde. Der Streitpatentschrift sei indes nirgends zu entnehmen, wie die Merkmale M1.3.1 und M1.3.3 angesichts dieses Widerspruchs kumulativ umgesetzt werden könnten.
105
Die Klägerin zu 2 macht ebenfalls geltend, eine unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung liege hinsichtlich der Merkmale „to identify only a name and/or address“ (M1.3.1) und „being used as search terms“ (M1.3.2) vor. Die Suche nur nach einer Adresse und die Verwendung einer Adresse oder eines Adressbestandteils als Suchbegriff seien nicht offenbart.
106
Aus den Ausführungen zur unzulässigen Erweiterung ergebe sich zudem, dass dem Streitpatent nicht der Zeitrang der beiden Prioritätsanmeldungen zukommen könne, da beide inhaltlich noch hinter dem Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen zurückblieben. Die Merkmale M1.3.1 und M1.3.2 seien weder in der norwegischen noch in der der US-Prioritätsanmeldung offenbart. Zudem werde mit Nichtwissen bestritten, dass das Prioritätsrecht der beiden Prioritätsanmeldungen vor dem Anmeldetag wirksam auf die spätere Anmelderin übertragen worden sei.
107
Die Klägerin zu 2 macht weiter geltend, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu gegenüber einer der Druckschriften HLNK8, HLNK9 und HLNK10. Als neuheitsschädlich erwiesen sich auch der als Anlage HLNK10a vorgelegte Zeitungsartikel zur „Newton Software“, das als Anlage HLNK10b vorgelegte Benutzerhandbuch des „Apple MessagePad 2000“ sowie die Druckschriften HLNK11, HLNK12 und HLNK13. Ebenso beruhe das Streitpatent nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Auch die Unteransprüche enthielten nichts Patentfähiges.
108
Zudem sei der Gegenstand des Streitpatents für den Fachmann nicht ausführbar. An keiner Stelle werde erläutert, wie die einzelnen Anspruchsmerkmale in einem Computersystem tatsächlich umgesetzt werden könnten.
109
Die Nebenintervenientin zu 1 schließt sich in der Sache mit näheren Ausführungen dem Vorbringen der Klägerinnen zu 1 und 2 an.
110
Die Nebenintervenientin zu 2 schließt sich hinsichtlich der unzulässigen Erweiterung und der Erweiterung des Schutzbereichs dem Vorbringen der Klägerinnen zu 1 und 2 an und beruft sich hinsichtlich des Nichtigkeitsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit zusätzlich auf eine offenkundige Vorbenutzung des Programms „AdressMate“ (vgl. Anlage Ni4 = D7) und trägt dazu vor, Patentanspruch 1 des Streitpatents sei nicht neu unter Betrachtung der dortigen Eingabebefehle „Retrieve Address” und „Correct Adress“. Als neuheitsschädlich erwiesen sich zugleich die Entgegenhaltungen Ni7 und Ni9, sowie ein softwarebasiertes System mit der Bezeichnung „CyberDesk“ zur flexiblen Integration von Desktop-Anwendungen und Netzwerkdiensten auf einem PC. Wie sich aus dem Anlagenkonvolut Ni8a bis Ni8d ergebe, sei auch dieses System offenkundig vorbenutzt worden und verfüge über alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents. Ausgehend von diesem Anlagenkonvolut sowie ausgehend von einer Zusammenschau des softwarebasierten Systems „CyberDesk“ mit der Ni9 beruhten die nebengeordneten Patentansprüche 1, 14 und 15 jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Auch die abhängigen Patentansprüche 2 bis 13 enthielten nichts Patentfähiges.
111
Die Klägerinnen zu 1 und 2 erachten auch die Hilfsanträge nicht für gewährbar. Es fehle schon an der Zulässigkeit der Anspruchsfassung, da der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 1 bis 5 und 7 gegenüber der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert sei. Für einen Teil der Hilfsanträge sei zudem die Lehre des Patentanspruchs 1 unklar und darüber hinaus der Schutzbereich gegenüber der erteilten Fassung erweitert (Klägerin zu 1 bezüglich Hilfsantrag 2, Klägerin zu 2 bezüglich der Hilfsanträge 2, 3 und 4). Zudem sei der Gegenstand der jeweiligen Hilfsanträge nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hält den Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 1, 5 und 6 gegenüber der Druckschrift D1 für nicht neu. Ausgehend von Druckschrift D1 beruhe der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 2, 3, 4 und 7 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Klägerin zu 2 hält den Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 1, 2, 3 und 5 für nicht neu gegenüber den Druckschriften HLNK8 oder HLNK12, gemäß Hilfsantrag 4 für nicht neu gegenüber Druckschrift HLNK12 und gemäß Hilfsanträgen 6 und 7 für nicht neu gegenüber Druckschrift HLNK8, HLNK12 oder HLNK11. Zudem sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch Druckschrift HLNK 12 in Verbindung mit HLNK14 nahegelegt. Auch nach Auffassung der Nebenintervenientinnen seien die Hilfsanträge schon nicht zulässig, ebenso fehle es an der Patentfähigkeit. Die Nebenintervenientin zu 1 weist insoweit ergänzend darauf hin, dass die Gegenstände der jeweiligen Hilfsanträge 1 bis 7 auch gegenüber der Druckschrift Ni9 nicht patentfähig seien.
112
Die Klägerin zu 1 beantragt,
113
das europäische Patent 1 171 836 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1, 14 und 15 für nichtig zu erklären.
114
Die Klägerin zu 2 beantragt,
115
das europäische Patent 1 171 836 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
116
Die Nebenintervenientin zu 1 beantragt,
117
das europäische Patent 1 171 836 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 und 15 für nichtig zu erklären.
118
Die Nebenintervenientin zu 2 beantragt,
119
das europäische Patent 1 171 836 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
120
Die Beklagte beantragt,
121
die Klage abzuweisen,
122
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die angegriffenen Ansprüche des Streitpatents in der Fassung der in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 1 bis 7, eingereicht mit Schriftsatz vom 11. Januar 2021, richtet.
123
Die Beklagte widerspricht den Klägerinnen und Nebenintervenientinnen in allen Punkten. Für die technische Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Suchprogramms mache es insbesondere keinen Unterschied, ob es nur nach Namen und Adressen oder auch darüberhinausgehend auch noch nach weiteren adress- bzw. namensbezogenen Informationen suche. Der dahinterstehende Algorithmus sei derselbe.
124
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 26. November 2020, mit Nachtrag vom 15. Januar 2021, einen qualifizierten gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilt und weitere Hinweise in der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2021, insbesondere zu den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 11. Januar 2021 eingereichten Hilfsanträgen, gegeben.
125
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf deren Schriftsätze mit sämtlichen Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

126
Die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 sind zulässig und begründet.
127
Die Beklagte vermag das Streitpatent weder in seiner erteilten Fassung, noch in einer der Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 7 mit Erfolg zu verteidigen.
128
In seiner erteilten Fassung ist das Streitpatent nicht rechtsbeständig, weil ihm der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit entgegensteht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ i. V. m. Art. 54, 56 EPÜ). Dieser Nichtigkeitsgrund besteht in den Fassungen der Hilfsanträge 6 und 7 unverändert fort.
129
In den Fassungen der Hilfsanträge 1 und 5 kann die Beklagte das Streitpatent nicht in zulässiger Weise verteidigen, weil in diesen Fassungen jeweils eine unzulässige Erweiterung vorliegt (Art. 123 Abs. 2 EPÜ). Dies gilt ebenfalls für die Hilfsanträge 2, 3 und 4, wobei diese darüber hinaus auch dem Erfordernis der Klarheit im Sinne von Art. 84 EPÜ nicht genügen.
I.
130
Die Klagen der Klägerinnen zu 1 und zu 2 sind auch nach dem Erlöschen des Streitpatents aufgrund Zeitablaufs am 2. September 2019 weiterhin zulässig. Auch der Beitritt der Nebenintervenientinnen zu 1 und 2, gegen den die Beklagte keine Einwände erhoben hat, ist zulässig.
131
1. Weder der Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 1 noch der Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 2 fehlt das nach dem Erlöschen des Streitpatents erforderliche Rechtsschutzinteresse. Ist ein Patent durch Zeitablauf erloschen, bedarf es eines schutzwürdigen Interesses des Klägers an der Durchführung des Nichtigkeitsverfahrens, da ein Interesse der Allgemeinheit an der Überprüfung der Rechtsbeständigkeit nicht mehr besteht. Ein solches schutzwürdiges Interesse ist gegeben, wenn der Kläger wegen Verletzung des Patents in Anspruch genommen wird oder für den Kläger Grund zu der Besorgnis besteht, er könne auch nach Ablauf der Schutzdauer noch Ansprüchen wegen zurückliegender Handlungen ausgesetzt sein (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2020, 1074, Rdn. 28 – Signalübertragungssystem; GRUR 2021, 42 Rdn. 7 – Truvada, m. w. N.). Das ist hier der Fall, denn gegen beide Klägerinnen sind auf das Streitpatent gestützte Verletzungsklagen anhängig.
132
2. Der Beitritt der Nebenintervenientinnen zu 1 und 2 ist zulässig. Nach § 66 ZPO kann in jeder Lage des Rechtsstreits ein Nebenintervenient einer Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten, wenn er ein rechtliches Interesse daran hat, dass diese Partei in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit obsiegt. Für die Zulässigkeit der Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren reicht es jedenfalls aus, wenn der Nebenintervenient ein Unternehmen ist, das durch das Streitpatent in seinen geschäftlichen Tätigkeiten als Wettbewerber beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH GRUR 2006, 438 – Carvedilol I). Das ist hier bei den Nebenintervenientinnen der Fall, denn auch gegen sie sind jeweils auf das Streitpatent gestützte Verletzungsklagen anhängig, so dass sie grundsätzlich in ihrer geschäftlichen Tätigkeit beeinträchtigt sein können.
133
Dem Beitritt der Nebenintervenientin zu 1 steht zudem nicht entgegen, dass sie vor ihrem Beitritt schon eine eigene Nichtigkeitsklage eingereicht hatte (7 Ni 7/20 (EP)). Nach der Rechtsprechung ist im Patentnichtigkeitsverfahren eine Nebenintervention auf Seiten des Klägers in der Berufungsinstanz nicht deshalb unzulässig, weil der Nebenintervenient das Patent mit einer weiteren Nichtigkeitsklage angreift, über die das Patentgericht noch nicht entschieden hat (BGH GRUR 2020, 1178 – Pemetrexed II). Als maßgeblich ist hierbei der Umstand angesehen worden, dass bei dieser Konstellation die eigene Nichtigkeitsklage für den Nebenintervenienten im Vergleich zu einem Beitritt im Berufungsverfahren keine effizientere Rechtsschutzmöglichkeit darstellt, weil bei üblichem Verlauf im Berufungsverfahren mit einer früheren Entscheidung über die Wirksamkeit des Patents zu rechnen ist. Eine damit vergleichbare Konstellation liegt hier vor. Die vorliegenden Nichtigkeitsklagen, die über sechzehn Monate vor der Nichtigkeitsklage der Nebenintervenientin zu 1 eingereicht wurden, standen deutlich früher zur Entscheidung an als die Nichtigkeitsklage der Nebenintervenientin zu 1.
II.
134
1. Die vorliegende Erfindung betrifft nach ihrer Beschreibung in der Streitpatentschrift ein Verfahren zum Zugreifen auf eine zweite Information in einer zweiten Informationsquelle, wobei die zweite Information einer ersten, sich in einem Benutzerdaten enthaltenden Anwendungsprogramm befindlichen Information zugeordnet ist (vgl. Streitpatentschrift, Beschreibung, Abs. [0001]).
135
Genauer gesagt bezieht sich das Streitpatent auf ein Verfahren zum Einfügen und Ergänzen von Daten innerhalb eines Anwendungsprogramms auf einem Computer, insbesondere eines Wortprozessors oder Textverarbeitungsprogramms, wie z. B. Microsoft Word, Notepad, Excel, Wordpad, WordPerfect, Quattro Pro oder Ami Pro (Streitpatentschrift, Abs. [0002]). In der Beschreibungseinleitung beschreibt das Streitpatent einen Anwendungsfall, in dem es für einen Benutzer beim Betrachten oder Editieren eines Dokuments mittels derartiger Anwendungsprogramme erforderlich ist, Informationen, wie z. B. Namen oder Adressinformationen, aus einer externen Informationsverwaltungsquelle, wie z. B. einem Datenbank- oder Kontaktverwaltungsprogramm, abzurufen und in das Dokument einzufügen. Vor dem maßgeblichen Prioritätstag erfolgte dies typischerweise, indem der Benutzer aus einer Informationsverwaltungsquelle außerhalb des Anwendungsprogramms Informationen manuell abrief, um diese zu prüfen oder in das Dokument einzufügen. Beispiele für solche Informationsverwaltungsquellen sind Access, Outlook, Oracle, dBase, R:BASE oder Cardfile (Streitpatentschrift, Abs. [0001], [0002]). Ein derartiges Vorgehen erforderte jedoch ein fortlaufendes Aktualisieren der Informationen in der Datenbank durch den Benutzer. Zudem musste der Benutzer lernen, wie die Datenbank zu verwenden und auf sie zuzugreifen ist (Streitpatentschrift, Abs. [0003]).
136
2. Als Aufgabe der vorliegenden Erfindung bezeichnet die Streitpatentschrift in Abs. [0006], ein Verfahren und ein computerlesbares Medium zur Adresshandhabe innerhalb eines Wortprozessors bereitzustellen. Eine weitere Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei es Abs. [0007] zufolge, ein Verfahren und ein computerlesbares Medium zur Adresshandhabe innerhalb eines Wortprozessors bereitzustellen, welche eine Eingabevorrichtung, wie etwa einen berührungsempfindlichen Bildschirm, eine Tastaturtaste, ein Icon, ein Menü, eine Sprachbefehlseinrichtung usw. verwenden, die in dem Computerprogramm bereitgestellt wird und an eine Informationsverwaltungsquelle, wie etwa ein Datenbankprogramm, ein Kontaktverwaltungsprogramm usw. gekoppelt ist.
137
3. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß gelöst werden durch ein Verfahren zum Bereitstellen eines Funktionselements innerhalb eines Wordprozessors nach Patentanspruch 1, ein Computerprogramm nach Patentanspruch 14 und ein computerlesbares Medium nach Patentanspruch 15.
138
Die Merkmale des Patentanspruchs 1 können – in Anlehnung an die von der Beklagten vorgeschlagene Merkmalsgliederung – wie folgt gegliedert werden (englisch: gemäß Streitpatentschrift, deutsch: teilweise verbesserte Übersetzung):
139
 M1.1 
 Method of providing a function item within a word processor,
 Verfahren zum Bereitstellen eines Funktionselements innerhalb eines Wortprozessors,
 M1.1.1
 tied to a user operation in said word processor,
 das mit einer Benutzeroperation in dem Wortprozessor verknüpft ist,
 M1.1.2
 said user operation initiating retrieval of a name, address and/or other person or company related information from outside said word processor,
 wobei die Benutzeroperation ein Wiederauffinden eines Namens, einer Adresse und/oder einer anderen personen- oder unternehmensbezogenen Information von einer Stelle außerhalb des Wortprozessors einleitet,
 M1.2 
 comprising a single activation of said function item
 umfassend eine einzelne Aktivierung des Funktionselements,
 M1.3 
 leading to an analysis of what a user has previously typed in said document
 die zu einer Analyse dessen führt, was ein Benutzer zuvor in das Dokument maschinengeschrieben hat,
 M1.3.1
 to identify only a name and/or address,
 zur Identifizierung von nur eines Namens und/oder einer Adresse,
 M1.3.2
 being used as search terms,
 die als Suchbegriffe verwendet werden,
 M1.3.3
 wherein said analysis determines whether the analyzed text represents a name and/or address or not,
 wobei die Analyse bestimmt, ob der analysierte Text einen Namen und/oder Adresse darstellt oder nicht,
 M1.3.4
 wherein said analysis is performed by a computer program, and,
 wobei die Analyse von einem Computerprogramm durchgeführt wird, und,
 M1.4 
 after the analysis, to a search, using said search terms,
 nach der Analyse, zu einem Suchvorgang unter Verwendung der Suchbegriffe [führt]
 M1.4.1
 in a database or file containing the name, address and/or other person or company related information available on or through the computer,
 in einer Datenbank oder Datei, die den Namen, Adresse, und/oder eine andere personen- oder unternehmensbezogenen Information enthält, die auf oder durch den Computer verfügbar ist, und
 M1.5 
 and to a display of said retrieved information found in said database or said file.
 zu einer Anzeige der erhaltenen Information [führt], die in der Datenbank oder der Datei aufgefundenen wird.
140
4. Als maßgeblichen Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, sieht der Senat einen Software-Entwickler mit Hochschulabschluss an, der über mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung und Programmierung von Anwendungsprogrammen zum Anzeigen und/oder Editieren von Texten bzw. Dokumenten und insbesondere über fundierte Kenntnisse in der Computerlinguistik verfügt.
141
5. Dieser Fachmann legt den Merkmalen des Patentanspruchs 1 folgendes Verständnis zugrunde:
142
a) Zum Begriff Wortprozessor (word processor) Unter einem Wortprozessor versteht das Streitpatent ganz allgemein ein Computerprogramm, das zur Handhabung, beispielsweise zum Darstellen und/oder Editieren von Texten eingerichtet ist. Gemäß den Absätzen [0002], [0012] und [0045] der Streitpatentschrift umfasst der Begriff Wortprozessor insbesondere Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulationsprogramme, ist darauf aber nicht beschränkt (vgl. Abs. [0002] „In recent years, with the advent of programs, such as word processors, spreadsheets, etc., hereinafter called “word processors” users may require retrieval of information (…). Examples of such word processors are Word, Notepad, Excel, Wordpad, WordPerfect, Quatropro, Amipro, etc. (…)”; vgl. Abs. [0012] „(…) single button addressing is achieved by providing an input device (…), hereinafter called “button”, in a computer program, such as a word processing program, spreadsheet program, etc. hereinafter called “word processor”, for executing address handling therein.”; vgl. Abs. [0045] „Although the present invention is defined in terms of word processing documents, such as Word documents and Excel spreadsheets, the present invention is applicable to all types of word processing documents, (…)”).
143
b) Zum Begriff Funktionselement (function item) Ausgehend von den Absätzen [0009] und [0013] der Streitpatentschrift handelt es sich bei dem anspruchsgemäßen Funktionselement um eine virtuelle Befehlsschaltfläche bzw. ein virtuelles Steuerelement oder ein Menü, die bzw. das auf einem Computerbildschirm innerhalb eines Programmfensters oder innerhalb einer grafischen Benutzerschnittstelle eines Anwendungsprogramms angezeigt wird und mittels eines Eingabegeräts (input device), z. B. einer Computermaus oder eines berührungsempfindlichen Bildschirmes betätigt werden kann. Allerdings ist das Funktionselement nicht auf solche virtuellen Schaltflächen bzw. Steuerelemente oder Menüs beschränkt. Vielmehr geht aus Patentanspruch 4 des Streitpatents hervor, dass der Begriff Funktionselement neben einem Icon oder einer Menüauswahl auch einen berührungsempfindlichen Bildschirm, eine (reale) Tastaturtaste, eine Maustaste oder eine Sprachbefehlseinrichtung umfasst (vgl. Patentanspruch 4: „(…) wherein said function item is selected from a group consisting of a touch screen, a keyboard button, an icon, a menu choice, a mouse button, and a voice command device.“). Demnach versteht der Fachmann unter einem Funktionselement sowohl ein virtuelles Steuerelement (z. B. Button) oder ein Menü als auch ein reales technisches Eingabemittel (z. B. die Taste einer Computertastatur), das bei seiner Betätigung durch den Benutzer eine bestimmte Funktion in einem „Wortprozessor“, d. h. einem Anwendungsprogramm auslöst. In diesem Sinne ist der Ausdruck „tied to a user operation“ des Merkmals M1.1.1 als Zuordnung bzw. Bereitstellung des Funktionselements für eine Benutzerbetätigung zu verstehen, die wiederum mit einer bestimmten Funktion im „Wortprozessor“ verknüpft ist.
144
c) Zum Begriff Datenbank oder Datei (database or file) Gemäß Absatz [0013] der Streitpatentschrift bezieht sich der Begriff Datenbank oder Datei auf eine Informationsverwaltungsquelle (information management source), in der neben Angaben zu Namen und Adressen auch unternehmensbezogene Informationen, Telefon- und Faxnummern sowie E-Mail-Adressen hinterlegt werden können. Beispiele für eine derartige Informationsverwaltungsquelle sind Access, Outlook, Oracle, dBase, R:BASE oder Cardfile (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0002]). Der Fachmann wird in der anspruchsgemäßen Datenbank oder Datei eine Sammlung von Informationen erkennen, die einfach verwaltet, aktualisiert und durch den Wortprozessor abgerufen werden können.
145
d) Zu Merkmal M1.3 Der Fachmann versteht „a user has previously typed in said document“ als eine auf beliebige Weise vorgenommene Eingabe von Zeichen in das Dokument. Die deutsche Übersetzung „maschinengeschrieben“ ist hier missverständlich.
146
e) Zur Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 Der Patentanspruch 1 lehrt ein Verfahren, in dem laut deutscher Übersetzung ein Funktionselement innerhalb eines Wortprozessors bereitgestellt werden soll (Merkmal M1.1). In Absatz [0013] der Streitpatentschrift wird erläutert, dass dem Wortprozessor (z. B. einem Textverarbeitungsprogramm) eine Taste hinzugefügt wird, die als anklickbarer, virtueller Druckknopf in einem Programmfensteroder auf einer grafischen Benutzeroberfläche des Wortprozessors dargestellt wird. Dementsprechend ist die Taste im Ausführungsbeispiel der Figuren 3 bis 5 des Streitpatents als anklickbare „OneButton“-Taste wiedergegeben, deren Aktivierung die Analyse eines geschriebenen Textes einleitet (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0024]). Obwohl der Präposition innerhalb für sich gesehen wohl eher eine örtliche Bedeutung zukommt, ist mit der Eigenschaft innerhalb eines Wortprozessors nicht gemeint, dass das Funktionselement ausschließlich in virtueller Form (als virtuelles Schaltelement) auf der grafischen Benutzerschnittstelle des Wortprozessors angeordnet ist. Vielmehr kann es sich bei dem Funktionselement laut Patentanspruch 4 des Streitpatents ebenso gut um die (reale) Taste einer Tastatur oder einer Computermaus (keyboard button, mouse button) handeln, die dem Wortprozessor unmittelbar zugeordnet ist und bei deren Betätigung in diesem eine Textanalyse ausgelöst wird. Demnach ist Merkmal M1.1 so zu verstehen, dass ein Funktionselement für eine Funktion in einem Wortprozessor vorgesehen ist.
147
Laut Merkmal M1.1.1 ist das Funktionselement mit einer Benutzeroperation verknüpft.
148
Merkmal M1.1.2 besagt, dass durch die Benutzeroperation ein Abrufen eines Namens, einer Adresse und/oder einer anderen personen- oder unternehmensbezogenen Information von einer Stelle außerhalb des Wortprozessors eingeleitet wird. In Verbindung mit Absatz [0002] der Streitpatentschrift und Merkmal M1.4.1 (siehe unten) ist die Eigenschaft außerhalb des Wortprozessors für den Fachmann so zu verstehen, dass die genannten Informationen von einer Programmergänzung des Wortprozessors oder einer eigenständigen Applikation zum Abruf bereitgestellt werden, die auf demselben Computersystem wie der Wortprozessor abläuft oder auf einem hiervon getrennten Computersystem in einem Netzwerk ausgeführt wird.
149
Gemäß den Merkmalen M1.2 und M1.3 führt eine einzelne bzw. einzige (single) Aktivierung des Funktionselements zu einer Analyse dessen, was ein Benutzer zuvor in das Dokument eingegeben (maschinengeschrieben) hat. In Hinblick auf die Merkmale M1.1 bis M1.3 ist allerdings unklar, um welches Dokument es sich eigentlich handeln soll. Vor dem Hintergrund der Beschreibung des Streitpatents ist Merkmal M1.3 aber so zu verstehen, dass das Dokument (engl. said document) ein Dokument darstellt, das mit dem Wortprozessor erstellt worden ist (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0013], „… and a user types information … in a document created with the word processor, such as letter, fax, etc. …”). Die Aktivierung des Funktionselements bedeutet nichts anderes, als dass im Fall eines auf der Benutzeroberfläche angeordneten (virtuellen) Schaltelements dieses per Mausklick ausgewählt oder im Fall einer (realen) Taste eines Tastenfeldes diese gedrückt bzw. betätigt wird.
150
Die Analyse dient dem Zweck, in dem eingegebenen Text nur einen Namen und/oder eine Adresse zu identifizieren (Merkmal M1.3.1), wobei nur dieser bzw. diese im folgenden Verfahrensschritt M1.3.2 als Suchbegriffe verwendet werden. Die Verknüpfung durch „und/oder“ definiert dabei drei mögliche Alternativen: die Identifizierung nur eines Namens (Merkmal M1.3.1 A1), die Identifizierung nur einer Adresse (Merkmal M1.3.1 A2), oder die Identifizierung nur eines Namens und einer Adresse (Merkmal M1.3.1 A3).
151
Hierbei verlangt Merkmal M1.3.1 allerdings nicht, dass nur ein einziger Name und/oder eine einzige Adresse erkannt werden sollen. Vielmehr ist Merkmal M1.3.1 so zu verstehen, dass im Text ausschließlich Namen und/oder Adressen identifiziert werden sollen, was auch den Fall umfasst, dass mehrere Namen und/oder Adressen erkannt werden.
152
Mittels der Analyse wird bestimmt, ob der eingegebene Text einen Namen und/oder eine Adresse darstellt oder nicht (Merkmal M1.3.3), um dementsprechend einen Namen und/oder eine Adresse als solche(n) zu identifizieren (Merkmal M1.3.1).
153
Die Analyse wird von einem Computerprogramm durchgeführt (Merkmal M1.3.4).
154
Im Streitpatent wird ausgeführt, dass z. B. neben Abkürzungen (abbreviations) sowie Anreden (Mr., Mrs., Sir, Frau, Herr etc.) auch ganze Textabschnitte (paragraphs) analysiert werden (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0017]). Demzufolge ist mit Merkmal M1.3.3 gemeint, dass bestimmt wird, ob der eingegebene Text einen Namen und/oder eine Adresse beinhaltet oder nicht.
155
Unter Verwendung der in der Analyse ermittelten Suchbegriffe, die durch die jeweils identifizierten Namen und/oder Adressen gebildet werden, wird eine Datenbank oder Datei durchsucht, die ihrerseits Namen, Adressen und/oder andere personen- oder unternehmensbezogene Informationen enthält. Datenbank, Datei und Informationen sind auf oder durch den Computer verfügbar (Merkmale M1.4, M1.4.1). Bei dem Computer handelt es sich dabei um denjenigen Computer, auf dem der Wortprozessor läuft.
156
Anschließend werden die zu den Suchbegriffen in der Datenbank oder der Datei aufgefundenen Informationen dem Benutzer an dem Computer angezeigt (Merkmal M1.5).
157
6. Dem Vorbringen der Beklagten zur Auslegung der Merkmale M1.3.1 und M1.3.2, betreffend die Ermittlung von Namen und/oder Adressen und deren Verwendung als Suchbegriffe (in einer Datenbank), kann nicht gefolgt werden.
158
Die Beklagte argumentiert, dass mit Rücksicht auf die Entscheidung T 1779/09 (Anlage dfmp1) der technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts und unter Würdigung des Sinngehalts der Ansprüche sowie unter Hinzuziehung der Beschreibung des Streitpatents das Merkmal M1.3.1 im Zusammenhang mit Merkmal M1.3.2 derart auszulegen sei, dass als Suchbegriffe für die anspruchsgemäße Suche in der Datenbank nur Namen und/oder Adressen verwendet werden. Demzufolge würden Begriffe, die keinen Namen und/oder Adressen darstellen, nicht als Suchbegriffe für die beanspruchte Suche in der Datenbank verwendet. Entsprechend dieser Auslegung umfasse der Patentanspruch aber auch solche Verfahren, in denen neben Namen und/oder Adressen auch Wörter oder Ausdrücke eines anderen semantischen Gehalts, z. B. Telefonnummern, identifizierbar sind, solange diese identifizierten Ausdrücke nicht als Suchbegriffe in der Datenbank verwendet werden.
159
In diesem Zusammenhang beruft sich die Beklagte auf Abschnitt 8.2.3 der Entscheidung T 1779/09 (Anlage dfmp1, Seite 12, zweiter Absatz), aus dem hervorgehe, dass der geänderte Patentanspruch 1 (das ist Patentanspruch 1 des Streitpatents) so zu verstehen sei, „dass er die zu identifizierenden (und anschließend als Suchbegriffe zu verwendenden) Begriffe ausschließlich auf einen Namen und/oder eine Adresse beschränkt.“ Außerdem verweist sie auf die in den Figuren 1 und 2 des Streitpatents gezeigten Ausführungsformen, wonach eine Suche in der Datenbank dann erfolge, wenn „ein Name“ oder „ein Name und eine Adresse“ identifiziert worden seien. Demnach verstehe der Fachmann in Verbindung mit Absatz [0049] der Streitpatentschrift, dass gemäß den in der Beschreibung des Streitpatents beschriebenen Ausführungsformen nur „Namen“ oder „Adressen“ oder „Namen und Adressen“ als Suchbegriffe für die beanspruchte Suche in der Datenbank verwendet würden. Werde aber anstelle eines Namens oder einer Adresse etwas Anderes identifiziert, z. B. eine Telefonnummer, werde eine entsprechende Aktion ausgeführt, die sich von derjenigen Aktion unterscheidet, die in Erwiderung auf das Auffinden eines Namens oder „einer Adresse“ oder „eines Namens und einer Adresse“ ausgeführt wird. Ein solches Verständnis der Ansprüche stehe auch im Einklang mit den Entscheidungen „Rotorelemente“ und „Zugriffsrechte“ des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2015, 875; BGH GRUR 2015, 159).
160
Die Argumentation der Beklagten ist nicht überzeugend.
161
Sie geht bereits deswegen fehl, weil aus der o. g. Textstelle der Entscheidung T 1779/09 ja gerade hervorgeht, dass sich nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht nur die als Suchbegriffe verwendeten, sondern auch die identifizierbaren Begriffe auf Namen und/oder Adressen beschränken. Entsprechendes ergibt sich unmittelbar aus Abschnitt 8.2.11 der Entscheidung T 1779/09 („The fact that these identified items (which are then used as search terms) are now limited to only a name and/or address, excluding the possibility of additionally identifying other items to be used as search terms, does not change the solution of identifying common strings corresponding to search terms.”). Außerdem mag zwar aus den Figuren 1 und 2 sowie Absatz [0049] der Streitpatentschrift hervorgehen, dass entweder „nur Namen“ oder „nur Adressen“ als Suchbegriffe verwendet werden, nicht aber „nur Namen und nur Adressen“. In Anlehnung an die Entscheidung T 1779/09 hält der Senat entsprechend dem Wortlaut der Merkmale M1.3.1 und M1.3.2 nach wie vor die Auslegung für angemessen, wonach ausschließlich Namen und/oder Adressen (und nichts Anderes) identifiziert werden – und zwar im Rahmen der Analyse dessen, was der Benutzer in das Dokument geschrieben hat und nicht etwa davor oder danach. Zwar mögen damit die technische Lehre der Beschreibung und die technische Lehre des erteilten Patentanspruchs miteinander nicht in Einklang stehen, dennoch ist ein solches Verständnis durch die Rechtsprechung gestützt. So wird in der Entscheidung „Okklusionsvorrichtung“ Folgendes ausgeführt: „Kann … der Wortlaut des Patentanspruchs mit einer Beschreibungsstelle nicht in Einklang gebracht werden, kann die Beschreibung nicht zur „Korrektur“ des Patentanspruchs herangezogen werden; andernfalls würde gegen den Grundsatz des Vorrangs des Patentanspruchs verstoßen.“ (BGH GRUR 2011, 701, Abschnitt IV, Rdn. 23, 24).
III.
162
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 geht zwar nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (Art II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ i. V. m. Art. 123 Abs. 2 EPÜ).
163
Nach ständiger Rechtsprechung gehört zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen in der Gesamtheit ihrer Offenbarung unmittelbar und eindeutig als zu der zum Patent angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen ist. Danach ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Fachmann die im Patentanspruch bezeichnete Lehre den Ursprungsunterlagen unmittelbar und eindeutig als Ausgestaltung der Erfindung bzw. als mögliche Ausführungsform entnehmen kann (BGH GRUR 2015, 249 – Schleifprodukt; BGH GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal). Dabei ist eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Anmeldung zu vermeiden (BGH GRUR 2015, 976 – Einspritzventil, Abschnitt IV. 1a). Der erteilte Patentanspruch 1 genügt diesen Anforderungen. Im Einzelnen:
164
1. Der Einwand der Klägerin zu 1, bei dem in Merkmal M1.3 des erteilten Patentanspruchs 1 genannten Benutzer müsse es sich nicht unbedingt um denjenigen Benutzer handeln, der das Funktionselement aktiviert habe, was jedoch in der ursprünglichen Anmeldung (WO 00/14655 A2, Anlage dfmp6) nirgends offenbart sei, überzeugt nicht.
165
Zwar ist in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen lediglich von einem oder dem Benutzer die Rede, der mit der beschriebenen Computeranwendung interagiert. Der Fachmann erkennt aber, dass es für die Lehre der Anmeldung (Anlage dfmp6) in technischer Hinsicht nicht darauf ankommt, ob Texteingabe und Betätigung des Funktionselements durch dieselbe Person oder verschiedene Personen erfolgen. Wichtig ist nur, dass bei Ausführung des Verfahrens überhaupt eine Benutzerinteraktion stattfindet und eine Texteingabe vorliegt. Für die Computeranwendung selbst spielt es keine Rolle, durch wen, auf welche Weise oder wann diese Eingabe erfolgt ist. Alles in allem ist den ursprünglichen Anmeldeunterlagen aus fachmännischer Sicht auch eine Ausführungsform zu entnehmen, bei der Texteingabe und Betätigung des Funktionselements durch unterschiedliche Personen ausgeführt werden. Merkmal M1.3 ist somit als ursprünglich offenbart anzusehen.
166
2. In Hinblick auf Merkmal M1.3.1 verweisen sowohl die Klägerin zu 1 als auch die Beklagte auf die Entscheidung T 1779/09 (Anlage dfmp1) der technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, in der diese die Auffassung vertrat, dass das Merkmal M1.3.1 mit der Einschränkung „only“ zwar nicht ursprünglich offenbart sei, das Merkmal aber dennoch für zulässig angesehen werden könne, weil es den Schutzbereich lediglich einschränke und keinen technischen Beitrag zum beanspruchten Gegenstand leiste (vgl. Anlage dfmp1, Seiten 15, 16, Abs. 8.2.9 bis 8.2.11). Das Merkmal „zur Identifizierung von nur eines Namens und/oder einer Adresse“ beeinflusse nicht die Lösung des zugrundeliegenden technischen Problems und liefere demnach keinen technischen Beitrag zur beanspruchten Erfindung (vgl. Anlage dfmp1, Seite 16, Abs. 8.2.11, unten).
167
Der Senat schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen der technischen Beschwerdekammer in der o. g. Entscheidung an. Zusammenfassend lässt sich in Hinblick auf Merkmal M1.3.1 demnach Folgendes feststellen:
168
2.1 Eine Lehre, bei der das Identifizieren von Inhalten lediglich auf das Erkennen von Namen und/oder Adressen gerichtet ist, ist in der ursprünglichen Anmeldung nirgends unmittelbar und eindeutig offenbart. Insbesondere gilt dies für alle drei in Merkmal M1.3.1 beanspruchten Alternativen (s.o. Abschnitt II. 5e): M1.3.1 A1, A2, A3).
169
2.2 Merkmal M1.3.1 ist nicht als Aliud einzuordnen, weil damit kein neuer technischer Aspekt eingeführt wird. Vielmehr handelt es sich im vorliegenden Fall um eine bloße Beschränkung, weswegen Merkmal M1.3.1 im Patentanspruch 1 des Streitpatents verbleiben kann.
170
2.3 Merkmal M1.3.1 leistet keinen technischen Beitrag und ist bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
171
3. Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich unter Heranziehung der Entscheidung „Wundbehandlungsvorrichtung“ (BGH GRUR 2015, 573), die wiederum auf die Entscheidungen „Winkelmesseinrichtung“ (BGH GRUR 2011, 40) und „Integrationselement“ (BGH GRUR 2011, 1003) Bezug nimmt. So führt der Bundesgerichtshof bereits im Leitsatz der Entscheidung „Wundbehandlungsvorrichtung“ aus: „Ein mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes europäisches Patent ist nicht deshalb für nichtig zu erklären, weil der Patentanspruch ein Merkmal enthält, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, sofern dieses Merkmal zu einer Beschränkung des Schutzgegenstands und nicht zu einem Aliud führt. Bei der Prüfung der Patentfähigkeit ist das nicht-ursprungsoffenbarte Merkmal insoweit außer Betracht zu lassen, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf.“
172
In Hinblick auf die Analyse nach Merkmal M1.3 ist das Identifizieren von Suchbegriffen in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen eindeutig als zur Erfindung gehörend offenbart (vgl. dfmp6, Seite 2, Zeilen 20 bis 30; Seite 4, Zeilen 12 bis 24; Seite 5, Zeile 38 bis Seite 6, Zeile 19; Fig. 1, 2). Durch das nicht ursprungsoffenbarte Merkmal M1.3.1 wird das Identifizieren der Suchbegriffe und damit die Analyse dahingehend präzisiert, dass nur noch Namen und/oder Adressen erkannt werden sollen, aber z. B. keine unternehmensrelevanten Informationen, Telefonnummern oder dergleichen. Demnach ist Merkmal M1.3.1 nicht als Aliud einzuordnen, da hiermit kein neuer technischer Aspekt eingeführt wird, sondern vielmehr eine bloße Beschränkung vorliegt, weswegen das geänderte Merkmal M1.3.1 im Patentanspruch 1 des Streitpatents verbleiben kann.
173
4. Der klägerseitigen Auffassung kann nicht gefolgt werden, dass die in der ursprünglichen Anmeldung offenbarte Anweisung zum technischen Handeln gerade davon ausgehe, dass in dem eingetippten Text möglichst viele unterschiedliche Angaben identifiziert werden sollen, weswegen die Einschränkung auf die Identifizierung nur einer Adresse oder eines Namens dieser Anweisung zum technischen Handeln widerspreche und infolgedessen keine Konkretisierung derselben darstelle. Weder mit der von der Klägerin zu 1 genannten (Seite 5, Zeilen 9 bis 12 der Anlage dfmp6) noch irgendeiner anderen Textstelle der ursprünglichen Anmeldung kann belegt werden, dass bei der Analyse des eingetippten Textes möglichst viele unterschiedliche Inhalte bzw. Suchbegriffe erkannt werden sollen. Nach dem Verständnis des Senats betrifft die von der Klägerin angeführte Textstelle das Abrufen weiterer Informationen aus der Datenbank auf Grundlage der identifizierten Inhalte und nicht das Identifizieren der Inhalte selbst.
174
5. Weiterhin greift auch der klägerseitige Einwand nicht durch, der ursprünglichen Anmeldung sei nicht zu entnehmen, dass ein Name und/oder eine Adresse als Suchbegriffe verwendet würden (Merkmal M1.3.2). So geht aus der Textstelle Seite 2, Zeilen 20 bis 30 der ursprünglichen Anmeldung (Anlage dfmp6) direkt hervor, dass ganz allgemein mit Namen und/oder Adressen verknüpfte Informationen aus einer Datenbank abgerufen werden. Der Fachmann erkennt unmittelbar, dass – um dies zu bewerkstelligen – Namen und/oder Adressen als Suchbegriffe bzw. Suchkriterien in die Datenbank eingegeben werden müssen. Weiterhin geht aus der Textstelle Seite 14, Zeilen 27 bis 34 der ursprünglichen Anmeldung (Anlage dfmp6) hervor, dass anstelle eines Namens genauso gut eine Adresse identifiziert und als Suchbegriff verwendet werden kann.
175
6. Insgesamt genügt der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 daher den Anforderungen des Art. 123 Abs. 2 EPÜ.
IV.
176
Das Streitpatent ist jedoch in der erteilten Fassung nicht rechtsbeständig, weil die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 und der nebengeordneten Patentansprüche 14 und 15 nicht patentfähig sind.
177
1. Mit Rücksicht auf den aus der Druckschrift HLNK8 bekannten Stand der Technik beruht die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Da die Druckschrift HLNK8 vor dem jeweiligen Prioritätsdatum beider Prioritätsanmeldungen veröffentlicht worden ist, kommt es auf die Frage, ob das Streitpatent deren jeweilige Priorität gemäß Art. 87 EPÜ wirksam in Anspruch nehmen kann, nicht mehr an.
178
1.1 Die Druckschrift HLNK8 zeigt alle Merkmale mit Ausnahme von Merkmal M1.3.1.
179
So offenbart die Druckschrift HLNK8 ein computerimplementiertes Verfahren zum Eingeben von Text in einem Textverarbeitungssystem – also einem Wortprozessor – mit dem eine Nachricht, z. B. ein Fax, ein Brief oder ein Memo etc., in einem vorgegebenen Format erzeugt werden kann (Abstract; Spalte 1, Zeilen 8 bis 11; Spalte 2, Zeilen 27 bis 32). Im bekannten Verfahren wird ein Text durch einen Benutzer an einem Computersystem eingegeben. Dies geschieht mittels eines elektronischen Eingabestiftes im Eingabebereich 31 auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm. Alternativ kann die Texteingabe auch mittels einer Computertastatur oder anderer Eingabemittel vorgenommen werden (Fig. 3A; Fig. 3B; Spalte 2, Zeilen 33 bis 38). Durch Betätigung einer oder mehrerer Funktionstasten 23 (input buttons) wird für den Text explizit ein Format (z. B. Telefax, Brief, Kurzmitteilung etc.) bestimmt, wobei die Funktionstasten 23 als reale Tasten (permanent, hard-wired input buttons) oder aber als virtuelle Schaltflächen (soft buttons) vorgesehen sein können (Fig. 3A; Spalte 2, Zeilen 33 bis 45; Spalte 5, Zeilen 4 bis 10; Spalte 5, Zeilen 22 bis 28; Spalte 6, Zeilen 17 bis 31). Der Fachmann wird in einer solchen Funktionstaste 23 das anspruchsgemäße Funktionselement erkennen, das mit einer Benutzeroperation im Textverarbeitungssystem bzw. Wortprozessor verknüpft ist (Merkmale M1.1, M1.1.1).
180
Nach Festlegung eines Formats stellt das Computersystem eine passende Vorlage (template) bereit, die gewisse Informationselemente (information items) erfordert. Jedes Informationselement entspricht einer Abfrageinformation (query information), nach der der vom Benutzer eingegebene Text durchsucht wird. Wird eine Abfrageinformation, z. B. ein Name oder eine Adresse gefunden, wird diese an der passenden Stelle in die Vorlage eingefügt. Falls jedoch die Abfrageinformation im Text nicht ermittelt werden kann, gibt das Computersystem eine Fehlanzeige aus. In beiden Fällen wird danach das nächste Informationselement verarbeitet (Abstract, vgl. „The computer system then prepares the body of the communication, including identification of people, geographical locations, events, times and dates referred to in the object.“; Spalte 2, Zeilen 46 bis 59). In einer den Wortprozessor ergänzenden Datenbank (supplemental database) kann nach weiteren Informationen zu den im Text ermittelten Abfrageinformationen gesucht werden (Abstract, vgl. „A supplemental database connected to the computer system may be used to provides additional identifying information on these people, locations, …“). Werden im Text z. B. Abkürzungen entdeckt, so können aus der Datenbank deren vollständige Bezeichnungen abgefragt und in die Vorlage eingefügt werden (Spalte 2, Zeilen 60 bis 64, siehe „… if the required information is present, possibly in abbreviated form, the computer system consults a database and provides a full entry …“). Damit geht eine Ermittlung zusätzlicher Informationen „von einer Stelle außerhalb“ des Wortprozessors im Sinne des Merkmals M1.1.2 aus der Druckschrift HLNK8 hervor.
181
Durch eine einzige Betätigung einer der Funktionstasten 23 (Spalte 5, Zeilen 13 bis 15; Spalte 6, Zeilen 23 bis 25 – Merkmal M1.2) wird zunächst ein Nachrichtenformat festgelegt, um danach eine Analyse des vom Benutzer zuvor im Eingabebereich 31 per Eingabestift 32 handschriftlich oder über die Tastatur 25 eingegebenen Textes einzuleiten (Spalte 4, Zeilen 42 bis 46; Fig. 1). Dabei führt eine Zeichenerkennungssoftware (character recognition software), die den handschriftlichen Text in ein Ausgabeformat codiert (Spalte 5, Zeilen 60 bis 67), ebenso wie die Texteingabe via Tastatur zu einem „maschinengeschriebenen“ Text in einem Dokument. Die eigentliche Analyse des Textes, die automatisiert abläuft, besteht im Wesentlichen darin, im Text nach Abfrageinformationen zu suchen, die sich aus dem jeweils ausgewählten Format ergeben (Spalte 3, Zeilen 5 bis 20, siehe „The computer system performs these tasks automatically …“). Demnach ist auch eine Analyse dessen, was der Benutzer zuvor in ein Dokument „maschinengeschrieben“ hat, in der Druckschrift HLNK8 offenbart (Merkmal M1.3).
182
Als Abfrageinformationen können im bekannten Verfahren u. a. Namen und Adressen im eingegebenen Text erkannt werden. So lehrt die Druckschrift HLNK8, dass der Text schrittweise in Hinblick auf verschiedene Abfrageinformationen analysiert wird, wobei u. a. nach Personennamen und/oder geografischen Orten (die bekanntlich zumindest Bestandteil einer Adresse bilden können) gesucht wird (Abstract, vgl. „… including identification of people, geographical locations …“; Spalte 8, Zeilen 26 bis 37 „… the computer system, optionally, identifies five classes of information items within the object: persons, (geographic) locations, …“). Im Übrigen sei auf die Liste der möglichen Nachrichtenformate (Spalte 7, Zeile 50 bis Spalte 8, Zeile 16) mit den jeweils ihnen zugeordneten Abfrageinformationen hingewiesen, für die u. a. Postanschriften, also Adressen vorgesehen sind (Spalte 8, Zeile 1 „Addressee mailing address“ u. a.) (teilweise Merkmal M1.3.1). Der Druckschrift HLNK8 ist allerdings nicht unmittelbar zu entnehmen, die Identifizierung von Abfrageinformationen nur bzw. ausschließlich auf Namen und/oder Adressen zu beschränken (restlicher Teil von Merkmal M1.3.1).
183
Die Druckschrift HLNK8 offenbart weiterhin, dass nach der Analyse des eingegebenen Textes in einer Datenbank nach den erkannten Begriffen gesucht wird, um zusätzliche Informationen zu gewinnen, z. B. den vollständigen Namen des Adressaten der Nachricht, dessen Postanschrift und/oder Telefonnummer, den Namen des Absenders (Abstract; Spalte 2, Zeile 60 bis Spalte 3, Zeile 4; Spalte 6, Zeile 64 bis Spalte 7, Zeile 18). Wird z. B. im Text der Name eines Adressaten in abgekürzter Schreibweise entdeckt, so kann aus der Datenbank dessen vollständiger Name zusammen mit Postanschrift, Telefon- und Faxnummer ermittelt werden, wobei der abgekürzte Name als Suchkriterium dient (Fig. 3A; Spalte 7, Zeilen 12 bis 18 „… using each of the addressee names shown in Fig. 3A as an initial identifier.“). Merkmal M1.3.2 ist somit in der Lehre der HLNK8 verwirklicht.
184
Wird in der Lehre der Druckschrift HLNK8 kein Name und/oder kein Ort bzw. keine Adresse gefunden, d. h. die Analyse durch das Computersystem ergibt, dass der untersuchte Text keinen Namen und/oder keinen Ort bzw. keine Adresse beinhaltet, wird dies durch eine Fehlanzeige kenntlich gemacht (Spalte 2, Zeilen 56 bis 59 – Merkmal M1.3.3).
185
Die Analyse stützt sich u. a. auf eine Verwendung von Listen, Algorithmen und heuristischen Methoden, die nach fachmännischem Verständnis als Computerprogramm implementiert sind, das auf dem Computersystem abgearbeitet wird (vgl. Spalte 8, Zeilen 26 bis 48 „… the computer system searches for location words, from a list of cities, towns and other relevant locations …“; Spalte 8, Zeilen 49ff, „The computer system can rely on algorithms or heuristic reasoning …“ – Merkmal M1.3.4).
186
Wie bereits oben ausgeführt, führt das aus der Druckschrift HLNK8 bekannte Verfahren nach Betätigung einer Funktionstaste 23 zu einer Analyse eines Textes, auf die wiederum eine Suche nach weiteren Informationen in einer (ergänzenden) Datenbank folgt, wobei die identifizierten Abfrageinformationen als Suchbegriffe dienen (Abstract, vgl. „A supplemental database connected to the computer system may be used to provides additional identifying information …“; Spalte 7, Zeilen 4 bis 18 „…using each of the addressee names shown in Fig.3A as an initial identifier.“ – Merkmal M1.4).
187
Die ergänzende Datenbank (supplemental database) umfasst z. B. vollständige Personennamen, Postanschriften, Telefon- und Faxnummern sowie andere wichtige Informationen (Spalte 7, Zeilen 12 bis 18). Auf die Datenbank kann durch das Computersystem zugegriffen werden, d. h. die Datenbank ist über das Computersystem verfügbar (Spalte 7, Zeilen 8 bis 11). Somit geht Merkmal M1.4.1 aus der Druckschrift HLNK8 hervor.
188
Konnten alle Abfrageinformationen aus dem eingegebenen Text ermittelt werden, wird die formatierte Textnachricht (Fax, Brief, Memo etc.) zusammen mit den Abfrageinformationen und den zusätzlichen, aus der Datenbank ermittelten Angaben angezeigt (Fig. 4, Schritt 121; Fig. 6, Schritt 121; Spalte 2, Zeilen 60 bis 64; Spalte 7, Zeilen 33 bis 37 – Merkmal M1.5).
189
Von der Lehre der Druckschrift HLNK8 unterscheidet sich die Lehre nach dem erteilten Patentanspruch 1 allenfalls noch dadurch, dass in dem vom Benutzer eingegebenen Text nicht wie in der Druckschrift HLNK8 nach den fünf Klassen von Informationselementen (persons, (geographic) locations, events, times and dates) gesucht wird (vgl. HLNK8, Spalte 8, Zeilen 26 bis 29) sondern die Suche ausschließlich auf Personennamen und/oder Orte bzw. Adressen beschränkt sein soll („ … to identify only a name and/or address …“) (restlicher Teil von Merkmal M1.3.1).
190
1.2 Das Unterschiedsmerkmal „only“ kann keine Patentfähigkeit begründen.
191
1.2.1 Das verbleibende Unterschiedsmerkmal erschöpft sich demnach darin, eine Menge an Informationselementen speziell auf Personenamen und/oder Adressen zu begrenzen bzw. eine Auswahl von Daten(objekten) vorzunehmen, die sich am Bedeutungsinhalt der zu verarbeitenden Daten (hier: Personennamen, Adressen) orientiert. Das Unterschiedsmerkmal beinhaltet aber keinen Teilaspekt, der ein technisches Problem bewältigt und leistet somit auch keinen technischen Beitrag. Ein solches Merkmal kann nach der Rechtsprechung weder die Neuheit begründen noch ist es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. EPA T 0717/04 v 28.02.07 – Space game; BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen; BGH GRUR 2013, 275 – Routenplanung).
192
1.2.2 Unabhängig davon ergibt sich die fehlende Patentfähigkeit der Lehre nach dem erteilten Patentanspruch 1 aus dem Umstand, dass das nicht ursprungsoffenbarte Teilmerkmal „only“ den beanspruchten Gegenstand konkretisiert und deshalb zwar im Patentanspruch verbleiben darf, jedoch nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf (BGH GRUR 2015, 573 – Wundbehandlungsvorrichtung).
193
2. Die Argumentation der Beklagten vermag demgegenüber nicht zu überzeugen.
194
2.1 Die Beklagte macht geltend, dass die Druckschrift HLNK8 kein Funktionselement innerhalb eines Wortprozessors offenbare. Die „input buttons 23“ seien gerade nicht innerhalb eines Programmfensters oder innerhalb einer grafischen Benutzeroberfläche eines Anwendungsprogramms angeordnet. Sie seien vielmehr außerhalb eines Programmfensters eines Wortprozessors angeordnet, würden jederzeit angezeigt und könnten von einem Nutzer des Geräts auch jederzeit betätigt werden, unabhängig davon ob das Anwendungsprogramm in Form eines Wortprozessors ausgeführt werde oder nicht.
195
Der Einwand geht bereits deswegen fehl, da es sich bei dem anspruchsgemäßen Funktionselement in Hinblick auf Patentanspruch 4 des Streitpatents nicht bloß um ein virtuelles Steuerelement sondern ebenso um eine reale Taste einer Computertastatur oder eine Computermaus handeln kann. Demnach ist mit der Eigenschaft innerhalb eines Wortprozessors gemeint, dass ein Funktionselement für eine Funktion im Wortprozessor vorgesehen ist. In diesem Sinne sind die „input buttons 23“ der Druckschrift HLNK8 als die streitpatentgemäßen Funktionselemente aufzufassen (s.o. Abschnitt II. 5b)).
196
2.2 Die Beklagte argumentiert weiterhin, in Hinblick auf Merkmal M1.1.1 sei in der Lehre der Druckschrift HLNK8 keine Verknüpfung der „input buttons 23“ mit einer Benutzeroperation im Wortprozessor vorgesehen.
197
Auch dieser Einwand greift nicht durch.
198
So geht aus der Druckschrift HLNK8 unmissverständlich hervor, dass nach einer Auswahl des Nachrichtenformats durch den Benutzer – was durch eine Betätigung eines oder mehrerer „input buttons 23“ erreicht wird (Spalte 6, Zeilen 20 bis 25) – die Analyse eines Textes im Wortprozessor eingeleitet wird, und zwar entsprechend den in Spalte 3, Zeilen 5 bis 20 und Fig. 6 aufgeführten Schritten. Bei der Auswahl, welche die Analyse einleitet, handelt es sich nach fachmännischem Verständnis zweifelsohne um eine Benutzeroperation.
199
2.3 Außerdem führt die Beklagte aus, dass die Druckschrift HLNK8 keine Suche in einer Datenbank von einer Stelle außerhalb des Wortprozessors offenbare, wie von Merkmal M1.1.2 gefordert. Vielmehr bilde die Liste bzw. Datenbank der Druckschrift HLNK8 einen Teil des Wortprozessors.
200
Der Einwand überzeugt nicht.
201
Aus Spalte 11, Zeilen 29 bis 38 der Druckschrift HLNK8 geht hervor, dass die Datenbank separat vom Textdokument und damit separat vom Wortprozessor bereitgestellt wird. Außerdem wird bereits in der Zusammenfassung der Druckschrift HLNK8 darauf hingewiesen, dass es sich bei der an das Computersystem angeschlossenen Datenbank um eine ergänzende Datenbank („supplemental database“) handelt, was auf eine Programmergänzung oder eine eigenständige Applikation schließen lässt. Demnach findet in der Lehre der Druckschrift HLNK8 die Datenbanksuche in einer separaten Datenbank „außerhalb“ des Wortprozessors statt.
202
2.4 Den Ausführungen der Beklagten in Hinblick auf die Merkmalsgruppen M1.3 und M1.4, die Druckschrift HLNK8 offenbare keine selektive Suche in einer Datenbank auf der Grundlage von ausgewählten Suchbegriffen, die mittels einer vorangeschalteten Analyse identifiziert wurden, kann nicht gefolgt werden. Im Einzelnen:
203
2.4.1 Nach Auffassung der Beklagten zeige das in Figur 6 der Druckschrift HLNK8 dargestellte Flussdiagramm lediglich ein „generisches Verfahren“, das bewusst abstrakt und wenig konkret gehalten sei. Es gebe dem Fachmann keinerlei Anleitung an die Hand, wie genau das Vorgehen umgesetzt werden kann, um die einzelnen unterschiedlichen Abfragen zu beantworten. Auch die damit einhergehende Beschreibung gebe hierzu nicht mehr Aufschluss.
204
Auch dieser Einwand hält einer Überprüfung nicht stand.
205
Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass das Flussdiagramm der Figur 6 nicht erkennen lässt, wie das in der Druckschrift HLNK8 beschriebene Verfahren technisch umgesetzt werden kann. Um die Lehre der Druckschrift HLNK8 auszuführen, wird sich der Fachmann allerdings nicht nur auf eine Betrachtung der Figur 6 beschränken, sondern wird die gesamte Offenbarung der Druckschrift HLNK8 berücksichtigen. Insbesondere der der Figur 6 zugeordneten Textstelle (Spalte 6, Zeile 58 bis Spalte 7, Zeile 43) ist zu entnehmen, dass die in Schritt 105 des Diagramms im Textobjekt gefundene Abfrageinformation in Schritt 107 mit zusätzlichen aus einer angegliederten Datenbank abgerufenen Informationen angereichert werden kann (vgl. Spalte 7, Zeilen 4 bis 11 „If this query information is found in the object, the system determines whether the query information appears in a user database in a Step 106. … Optionally, in a Step 107, the computer system can attempt to expand this query information to a full template entry by consulting an associated database, using this query information as an identifier.“). So können in einem ersten Schritt erkannte Personennamen in einem weiteren Schritt durch deren Anschrift, Telefon- und/oder Faxnummer erweitert werden (Spalte 7, Zeilen 12 bis 18). Auf gleiche Weise können die in einem ersten Schritt ermittelten geografischen Orte (die bekanntlich Bestandteil von Adressen bilden können) über die Datenbankabfrage um weitere Informationen ergänzt werden.
206
2.4.2 Die Beklagte beruft sich in ihrer Einschätzung zunächst auf den in Spalte 7, Zeilen 12 bis 18 der Druckschrift HLNK8 beschriebenen Fall, in dem die Eingabe eines Benutzers Instruktionen zum Versenden eines Faxes an zwei Personen enthält. Hierbei sei nicht klar, ob mittels des beschriebenen Vorgehens beide Namen als Empfänger identifiziert oder ob bereits die nächste Abfrage beantwortet werde, sobald ein Name identifiziert wird. Auch wenn beide Namen als Empfänger identifiziert würden, stelle sich die Frage, ob ein Fax nur an eine oder zwei Faxnummern zu versenden ist. Das Beispiel belege, dass das Diagramm der Figur 6 nicht als konkrete Anleitung zur Umsetzung der unterschiedlichen Abfragen gesehen werden könne.
207
Das Argument der Beklagten, die Lehre der Figur 6 der Druckschrift HLNK8 sei im Fall von zwei Fax-Empfängernamen im eingegebenen Text nicht klar und unausführbar, trifft nicht zu. So geht aus der Druckschrift HLNK8 unmittelbar hervor, dass zum Versenden eines Dokuments nicht nur ein einziger, sondern mehrere Empfängernamen innerhalb des Textobjekts ermittelt werden können (Spalte 7, Zeilen 12 bis 18). Die dazu erforderliche Analyse beruht ersichtlich auf dem Auffinden von „Formatwörtern“ (z. B. „facsimile“, „fax“, „send“, „mail“, „letter“, „memorandum“ oder „memo“) und dem Erkennen von Signalwörtern (z. B. „for“ oder „to“) in deren unmittelbarer Umgebung (Spalte 8, Zeilen 17 bis 25). Dies versteht der Fachmann dahingehend, dass sich das Verfahren der Druckschrift HLNK8 weiterer sprachanalytischer Methoden bedient, um eine möglichst differenzierte Bestimmung von Empfängernamen zu erzielen, um etwa herauszufinden, ob ein Dokument nur einem oder mehreren Empfängern gleichzeitig zugesandt werden soll. Dem Einwand der Beklagten, dass das in der Druckschrift HLNK8 offenbarte Verfahren in einzelnen Fällen möglicherweise kein zufriedenstellendes Ergebnis liefert, kommt für den Ablauf des bekannten Verfahrens und die darin enthaltenen Schritte keine Bedeutung zu. Denn die Güte des jeweils erzielten Ergebnisses kann keine Aussage darüber treffen, ob in der Druckschrift HLNK8 der Identifizierung von Personennamen grundsätzlich eine Datenbanksuche nachgeschaltet ist oder nicht.
208
2.4.3 Weiterhin argumentiert die Beklagte, dass beim Identifizieren eines Datums oder einer Uhrzeit gemäß Spalte 8, Zeile 48 bis Spalte 10, Zeile 67 der Druckschrift HLNK8 keine darauffolgende Suche in einer Datenbank nach der im Textobjekt aufgefundenen Uhrzeit oder dem aufgefundenen Datum stattfinde. Eine solche Suche sei auch nirgendwo sonst in der Druckschrift HLNK8 beschrieben. Aus diesem Grund stünde zu vermuten, dass auch für die im Textobjekt aufgefundenen Personennamen und/oder geografischen Orte bzw. Adressen keine nachgeschaltete Suche in einer Datenbank vorgesehen sei.
209
Eine solche Argumentation kann aber nicht herangezogen werden, weil die Lehre der Druckschrift HLNK8 nicht ausschließt, dass Personennamen und/oder geografische Orte bzw. Adressen auf andere Weise behandelt werden als Datums- und Zeitangaben.
210
Im Übrigen kommt in Spalte 3, Zeilen 5 bis 20 der Druckschrift HLNK8 zum Ausdruck, dass die im Textobjekt erkannten Datums- und Zeitangaben auf besondere Weise in der zu kommunizierenden Nachricht verarbeitet werden sollen („… recognizes the presence of times and dates in the object information, for possible special treatment in the message to be communicated.“). Damit ist aber eine Datenbanksuche zum Vervollständigen eines Eintrags nicht ausgeschlossen.
211
2.4.4 Die Beklagte macht außerdem geltend, dass in der Druckschrift HLNK8 auch bei Identifizieren eines Orts- oder Personennamens keine anschließende Datenbanksuche durchgeführt werde, weil eine solche Abfrage bereits zuvor im Rahmen von Schritt 105 der Figur 6 erfolgt sei. Wenn z. B. als Mitteilungsformat „Telefax“ ausgewählt worden sei, vergleiche das Computersystem alle verbleibenden Wörter in dem Textobjekt mit Einträgen in einer entsprechenden Liste oder Datenbank, um zu bestimmen, ob es sich bei den Wörtern um einen Personennamen handle. Wenn ein Personenname gefunden worden sei, könne das Computersystem die Abfrageinformation erweitern, indem es in den übereinstimmenden Eintrag in der Liste bzw. Datenbank schaue, der bereits zum Identifizieren des Wortes als Name gefunden worden sei.
212
Die Beklagte sieht sich in ihrer Auffassung nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass in Spalte 7, Zeilen 8 bis 18 der Druckschrift HLNK8 nicht von einer Suche in einer Datenbank gesprochen werde, sondern stattdessen der Ausdruck „consulting an associated database“ verwendet werde (auf Deutsch „konsultieren einer entsprechenden Datenbank“). Dies liege daran, dass in dem bezeichneten Schritt keine neue Suche erfolge, sondern die mit dem durch die vorangehende Suche identifizierten Eintrag verknüpften Informationen aus der Datenbank herausgelesen würden.
213
Im Übrigen werde in der Druckschrift HLNK8 die identifizierte Abfrageinformation als „Identifier“ bezeichnet und verwendet, was aber nicht dem anspruchsgemäßen Begriff „search term“, d. h. einem Suchbegriff entspreche. Vielmehr verstehe der Fachmann unter einem „search term“ ein Wort oder einen Ausdruck, nach dem z. B. in einer Liste oder einer Datenbank gesucht werde. Demgegenüber bezeichne der Begriff „identifier“ ein zugewiesenes Merkmal zur eindeutigen Identifizierung eines Objektes.
214
Die Einschätzung der Beklagten, dass in der Druckschrift HLNK8 keine anschließende Datenbanksuche durchgeführt werde, weil eine solche Abfrage bereits zum Identifizieren des Namens und/oder der Adresse erfolgt sei, geht schon deswegen fehl, weil Personennamen dort keineswegs anhand einer Datenbanksuche bestimmt werden, sondern u. a. anhand der bei Eigennamen üblichen Großschreibung erkannt werden (Spalte 8, Zeilen 26 bis 33 „With reference to the first class, persons, the computer system looks for proper names (usually capitalized) within the object, …“). Darüber hinaus offenbart die Druckschrift HLNK8, dass die optionale Datenbanksuche gemäß Schritt 106 der Figur 6 z. B. dann ausgeführt wird, wenn die erforderliche Abfrageinformation nur in abgekürzter Form vorliegt und dann erst per Datenbankabfrage zu einem vollständigen Eintrag ergänzt werden kann (Spalte 2, Zeilen 60 -64; Spalte 7, Zeilen 12 bis 18).
215
In diesem Zusammenhang wird der Fachmann den Ausdruck „consulting an appropriate database“ derart verstehen, dass eine Datenabfrage an eine geeignete Datenbank gerichtet wird, wobei ein „identifier“ als Suchkriterium bzw. „search term“ für eine Suche nach zusätzlichen Informationen in der Datenbank verwendet wird. Würde – wie die Beklagte behauptet – zur Identifizierung eines Personennamens in Schritt 105 der Figur 6 eine Datenbanksuche durchgeführt, so dass die zu ergänzenden Informationen im nachfolgenden Schritt 106 bereits vorliegen, erwiese sich in der Folge die Anwendung eines solchen „identifiers“ wohl eher als sinnlos, da die ergänzenden Informationen nicht mehr herausgesucht werden müssten, sondern z. B. in einem zwischengespeicherten Datensatz schon zur Verfügung stünden.
216
Weiterhin sei darauf hingewiesen, dass die unter Spalte 7, Zeilen 4 bis 18 der Druckschrift HLNK8 aufgeführten Abkürzungen von Personennamen nur dann als „identifier“ (für eine Datenbanksuche) verwendet werden können, wenn sie zuvor mittels der unter Spalte 8, Zeilen 17 bis 32 der Druckschrift HLNK8 angesprochenen sprachanalytischen Methoden tatsächlich bestimmt worden sind.
217
2.4.5 Schließlich ist noch festzuhalten:
218
Selbst wenn man dem Verständnis der Lehre der Druckschrift HLNK8 durch die Beklagte teilweise folgen wollte, könnte damit allenfalls die Neuheit der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents begründet werden. Deutlich lehrt die HLNK8 aber eine Analyse dessen, was ein Benutzer zuvor in ein Dokument eingegeben hat, zur Identifizierung eines Namens bzw. einer Adresse, die darauf folgend als Suchbegriffe in einer Datenbank oder Datei verwendet werden, welche entsprechende Information enthält und auf oder durch den Computer verfügbar ist. Unterschiedlich könnte allenfalls die programmgesteuerte Art der Datenverarbeitung sein, die im gegebenen Zusammenhang aber in das Belieben des Fachmanns gestellt ist und keinesfalls das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit begründen könnte.
219
3. Damit ist der Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 ausgehend von der Druckschrift HLNK8 nicht neu, zumindest aber nahegelegt. Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag fehlt es daher zumindest an der für die Patentfähigkeit erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
220
4. Die auf ein „Computerprogramm mit Codemitteln“ und ein „Computerlesbares Medium“ gerichteten, nebengeordneten Patentansprüche 14 und 15 sind nicht günstiger als Patentanspruch 1 zu beurteilen, da sie inhaltlich nicht über diesen hinausgehen und somit nichts enthalten, was eine Patentfähigkeit rechtfertigen würde.
221
5. Weder der erteilte Verfahrensanspruch 1 noch die nebengeordneten Vorrichtungsansprüche 14 und 15 des Streitpatents haben daher Bestand. In seiner erteilten Fassung ist das Streitpatent, dessen abhängige Unteransprüche die Beklagte nicht gesondert verteidigt hat, insgesamt für nichtig zu erklären.
222
6. Da dem Streitpatent in seiner erteilten Fassung der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit entgegensteht, kann dahin gestellt bleiben, ob die weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit und der Erweiterung des Schutzbereichs gegeben sind.
V.
223
Auch die Hilfsanträge bleiben ohne Erfolg.
224
Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit besteht in den Fassungen der Hilfsanträge 6 und 7 unverändert fort.
225
Die Anspruchsfassungen der Hilfsanträge 1 und 5 sind unzulässig, weil der Gegenstand ihres jeweiligen Patentanspruchs 1 unzulässig erweitert ist.
226
Die Anspruchsfassungen der Hilfsanträge 2, 3 und 4 sind aus vorgenanntem Grund ebenfalls unzulässig und zudem auch deshalb, weil ihr jeweiliger Patentanspruch 1 einer deutlichen (klaren) Anspruchsfassung nicht genügt.
227
1. Hilfsantrag 1 ist unzulässig, weil der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 nicht ursprünglich offenbart ist und daher eine unzulässige Erweiterung gemäß Art. 123 Abs. 2 EPÜ vorliegt.
228
1.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag in der eingereichten englischsprachigen Fassung durch Merkmal M1.4.1´, das Merkmal M1.4.1 ersetzen soll (Änderungen gegenüber Hauptantrag unterstrichen):
229
M1.4.1´ “in a database or file containing the name, address and/or other person or company related information available on or through the computer via a network,”
230
In Hilfsantrag 1 wird dem erteilten Patentanspruch 1 demnach das Merkmal hinzugefügt, wonach die Datenbank oder Datei durch den Computer über ein Netzwerk verfügbar sein soll. Außerdem ist das Merkmal, dass die Datenbank oder Datei auf demselben Computer verfügbar ist, gestrichen.
231
1.2 Die Änderung des Hilfsantrags 1 ist der ursprünglichen Anmeldung (Anlage dfmp6) nicht entnehmbar.
232
Weder den von der Beklagten angegebenen Textstellen (Anlage dfmp6, siehe ursprünglicher Anspruch 1; Seite 13, dritter Absatz) noch irgendeiner anderen Textstelle in der ursprünglichen Anmeldung ist zu entnehmen, dass die Datenbank oder Datei durch den Computer über ein Netzwerk verfügbar ist. So nimmt der ursprüngliche Patentanspruch 1 an keiner Stelle Bezug auf ein Netzwerk, geschweige denn auf eine durch ein Netzwerk angebundene Datenbank. Weiterhin offenbart die zitierte Textstelle auf Seite 13 der Anlage dfmp6 allenfalls, dass die Erfindung durch die Bereitstellung anwendungsspezifischer integrierter Schaltungen oder durch das Zusammenschalten eines Netzes aus Schaltungen herkömmlicher Komponenten umgesetzt werden kann. Die zitierte Textstelle hat aber nichts mit der Anbindung einer Datenbank über ein Netzwerk zu tun.
233
1.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher als unzulässig erweitert anzusehen. Das hat die Unzulässigkeit aller Ansprüche des Hilfsantrags 1 zur Folge.
234
Die Beklagte versteht die von ihr vorgelegten Hilfsanträge grundsätzlich im Sinne geschlossener Anspruchssätze, die sie jeweils in ihrer Gesamtheit beansprucht. Dies schließt für alle Hilfsanträge eine separate Betrachtung einzelner Patentansprüche aus, wenn sich ein Patentanspruch des betroffenen Anspruchssatzes, wie hier, als nicht patentfähig erweist.
235
2. Den Hilfsanträgen 2, 3 und 4 kann nicht stattgegeben werden, weil ihr jeweiliger Patentanspruch 1 nicht dem Gebot der Deutlichkeit (Klarheit) gemäß Art. 84 EPÜ genügt. Darüber hinaus ist der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 in allen drei Fassungen gegenüber der ursprünglichen Anmeldung gemäß Art. 123 Abs. 2 EPÜ unzulässig erweitert.
236
2.1 Gemäß der Entscheidung „Verdickerpolymer I“ (BGH GRUR 2015, 1091, Rdn. 38) können gegen die Zulässigkeit der Hilfsanträge unter dem Gesichtspunkt des Klarheitsgebots Bedenken bestehen. Ein europäisches Patent kann im Nichtigkeitsverfahren nicht mit Patentansprüchen verteidigt werden, die dem Erfordernis einer deutlichen (klaren) Anspruchsfassung nicht genügen (Art. 84 EPÜ). Das schließt ein, dass die beschränkten Ansprüche in sich widerspruchsfrei sind.
237
2.2 Mit Hilfsantrag 2 kann die Beklagte das Streitpatent nicht in zulässiger Weise verteidigen.
238
2.2.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag in der eingereichten englischsprachigen Fassung durch Merkmal M1.3.3a, das zwischen den Merkmalen M1.3.3 und M1.3.4 eingefügt werden soll. Weiterhin wird Merkmal M1.4 durch Merkmal M1.4´ ersetzt und Merkmal M1.6 nach Merkmal M1.5 angefügt:
239
M1.3.3a “and whether the analyzed text represents an e-mail address or a telephone number,”
240
M1.4´ “after the analysis, if the analysis finds a name and/or address to a search, using said search terms,”
241
M1.6 “and wherein if the analysis finds an e-mail address or a telephone number an appropriate action is performed by the computer program.”
242
Hilfsantrag 2 beruht auf dem Hauptantrag und ergänzt diesen im Wesentlichen um die zusätzlichen Merkmale, wonach die Analyse ferner bestimmt, ob der analysierte Text eine elektronische Mail-Adresse oder eine Telefonnummer darstellt (Merkmal
) und dass, wenn die Analyse eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer findet, eine entsprechende Handlung von dem Computerprogramm durchgeführt wird (Merkmal
).
243
2.2.2 Die Merkmale M1.6 und M1.3.3a führen dazu, dass der mit Hilfsantrag 2 verteidigte Patentanspruch 1 dem Gebot der Deutlichkeit (Klarheit) nicht genügt.
244
In Hinblick auf Merkmal M1.6 bleibt unklar, was eine entsprechende Handlung sein soll, und ob diese Handlung je nach E-Mail-Adresse oder Telefonnummer verschieden ist, und ob sich diese Handlung von einer Handlung für einen Namen und/oder einer Adresse unterscheidet.
245
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist aber auch unklar, weil er in sich widersprüchlich ist. So steht Merkmal M1.3.3a, wonach auch eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer erkannt wird, in Widerspruch zur klaren Beschränkung auf das Identifizieren von nur einem Namen und/oder einer Adresse in Merkmal M1.3.1.
246
2.2.3 Die Änderungen des Hilfsantrags 2 sind darüber hinaus der ursprünglichen Anmeldung (Anlage dfmp6) nicht entnehmbar.
247
So wird in der von der Beklagten angegebenen ersten Textstelle der Anlage dfmp6 (Seite 5, Zeilen 9 bis 15) allenfalls die Fähigkeit der Datenbank angesprochen, auch Telefonnummern und Adressen speichern zu können, nicht jedoch eine Analyse, mit der der eingetippte Text hinsichtlich einer E-Mail-Adresse oder Telefonnummer analysiert wird. Die zweite von der Beklagten angegebene Textstelle (Seite 5, Zeile 38 bis Seite 6, Zeile 2) bezieht sich auf das Auffinden einer Mailingliste („e-mail address mailing list/category name telephone number or other information“) und nicht auf eine E-Mail-Adresse.
248
Außerdem ist die gemäß den Merkmalen M1.3.3 und M1.3.3a beanspruchte Fallunterscheidung zwischen Namen/Adressen einerseits und E-Mail-Adresse/Telefonnummer andererseits ursprünglich nicht offenbart. Offenbart ist lediglich die in den Figuren 1 und 2 dargestellte Vierfach-Fallunterscheidung mit vier exklusiven Pfaden („name and address“, „name only“, „Email address mailing list“ und „nothing or not interpretable“).
249
2.3 Die Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag 3 kann nicht günstiger beurteilt werden.
250
2.3.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 in der eingereichten englischsprachigen Fassung durch Merkmal M1.7, das auf Merkmal M1.6 folgen soll:
251
M1.7 “and wherein the appropriate action is different from the action performed by the computer program if the analysis finds a name and/or address.”
252
Hilfsantrag 3 basiert auf der Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag 2, wobei ergänzt wird, dass sich die ausgeführte Handlung, wenn eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer identifiziert wurde, von der Handlung unterscheidet, wenn ein Name und/oder eine Adresse identifiziert wurde (Merkmal M1.7).
253
2.3.2 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist nicht hinreichend deutlich und klar gefasst. Insbesondere ist er nicht in sich widerspruchsfrei.
254
Das zusätzliche Merkmal M1.7 ist unklar, weil es nicht positiv definiert, worin die ausgeführte passende Handlung konkret bestehen soll. Merkmal M1.7 bestimmt lediglich, dass sich die Handlung von der Handlung bei Identifizierung eines Namens und/oder einer Adresse unterscheiden soll.
255
Weiterhin ist Hilfsantrag 3 unklar, weil der zugehörige Patentanspruch 1 in sich widersprüchlich ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen zu Hilfsantrag 2 verwiesen.
256
2.3.3 Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
257
So ist Merkmal M1.7 nicht ursprünglich offenbart. Weder den von der Beklagten angegebenen Textstellen (Seite 5, Zeilen 9 bis 15; Seite 5, Zeile 38 bis Seite 6, Zeile 2) und Figuren (Fig. 1, 2) noch irgendeiner anderen Textstelle der ursprünglichen Anmeldung (Anlage dfmp6) ist zu entnehmen, dass sich die Handlungen bei der Identifizierung einer E-Mail-Adresse oder einer Telefonnummer von der Handlung in Reaktion auf die Identifizierung eines Namens und/oder einer Adresse unterscheiden. Im Übrigen wird auf die entsprechenden Ausführungen zu Hilfsantrag 2 verwiesen.
258
2.4 Auch Hilfsantrag 4 kann nicht in zulässiger Weise verteidigt werden.
259
2.4.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 in der eingereichten englischsprachigen Fassung durch die Merkmale M1.8 und M1.9, die an die Stelle der Merkmale M1.6 und M1.7 treten sollen:
260
M1.8 “wherein if the analysis finds an e-mail address a step of composing an e-mail is initiated,”
261
M1.9 “and wherein if the analysis finds a telephone number a step of performing a phone call using the found telephone number is initiated.”
262
Hilfsantrag 4 beruht auf der Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag 2 und konkretisiert, welche Handlungen in Erwiderung auf das Erkennen einer elektronischen Mail-Adresse oder einer Telefonnummer ausgeführt werden: Wird in der Analyse eine E-Mail-Adresse gefunden, wird das Verfassen einer E-Mail ermöglicht. Wird eine Telefonnummer gefunden, kann damit ein Telefonanruf getätigt werden.
263
2.4.2 Wie die Hilfsanträge 2 und 3 ist auch Hilfsantrag 4 unklar, da dessen Patentanspruch 1 in sich widersprüchlich ist.
264
2.4.3 Die Merkmale M1.8 und M1.9 sind nicht ursprungsoffenbart.
265
Als Stütze für die neuen Merkmale M1.8 und M1.9 gibt die Beklagte wie bei den Hilfsanträgen 2 und 3 die Seite 5, Zeilen 9 bis 15 und Seite 5, Zeile 38 bis Seite 6, Zeile 2 sowie die Figuren 1 und 2 der ursprünglichen Anmeldung (Anlage dfmp6) an. Weder den zitierten noch irgendwelchen anderen Textstellen und Figuren der ursprünglichen Anmeldung ist jedoch unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass bei einer identifizierten E-Mail-Adresse ermöglicht wird, eine E-Mail zu verfassen und zu versenden, und dass bei einer identifizierten Telefonnummer ein Telefonanruf anhand der identifizierten Telefonnummer getätigt werden kann.
266
3. Hilfsantrag 5 hat keinen Erfolg, weil der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert ist, so dass das Streitpatent in dieser Fassung nicht in zulässiger Weise verteidigt werden kann.
267
3.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag in der eingereichten englischsprachigen Fassung durch Merkmal M1.10, das auf Merkmal M1.5 folgen soll:
268
M1.10 “wherein said analysis comprises interpretation of said document where the interpretation includes at least one of the set of: looking for abbreviations or phrases of character combinations; syntactic interpretation; looking for specific formatting features; analyzing paragraph and/or line separations and/or formatting; analyzing street, avenue, drive, lane, boulevard, city, state, zip code or country designators and abbreviations; and analyzing Mr., Mrs., Sir, Frau, Herr, Madam, Madame, Jr. or Sr. designators and abbreviations.”
269
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 ist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 dahingehend geändert, dass die Analyse zum Identifizieren von Namen und/oder Adressen konkretisiert wird.
270
3.2 Die Änderungen des Hilfsantrags 5 sind in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart.
271
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass das neue Merkmal M1.10 seine Stütze in Patentanspruch 13 des Streitpatents sowie in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 5, Zeilen 29 bis 37 findet, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Weder kann sich der erteilte Patentanspruch 13 des Streitpatents auf einen der ursprünglichen Patentansprüche stützen, noch ist in irgendeiner Textstelle der ursprünglichen Anmeldung das Teilmerkmal aus Merkmal M1.10 konkret offenbart, wonach die Interpretation zumindest einen Bestandteil aufweist aus der Gruppe: Suchen nach Abkürzungen oder Ausdrücken mit Zeichenkombinationen; eine syntaktische Interpretation; Suchen nach speziellen Formatierungsmerkmalen („wherein said analysis comprises interpretation of said document where the interpretation includes at least one of the set of: looking for abbreviations or phrases of character combinations; syntactic interpretation; looking for specific formatting features“).
272
4. Hilfsantrag 6 kann keinen Erfolg haben, da der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 nicht patentfähig ist.
273
4.1 In Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 sind gegenüber Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag die Merkmale M1.1.2, M1.3.1, M1.3.3 und M1.4.1 gegen die Merkmale M1.1.2´, M1.3.1´, M1.3.3´ und M1.4.1´ ausgetauscht worden:
274
M1.1.2´ “said user operation initiating retrieval of a name,
an address and/or other person or company related information from outside said word processor,”
275
M1.3.1´ “to identify only an
name and/or address”
276
M1.3.3´ “wherein said analysis determines whether the analyzed text represents a name and/or
an address or not,”
277
M1.4.1´ “in a database or file containing the name, address and/or other person or company related information available on or through the computer,”
278
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 beruht auf dem erteilten Patentanspruch 1 und beschränkt dessen Gegenstand darauf, dass nur noch Adressen identifiziert und als Suchbegriffe verwendet werden. Die im erteilten Patentanspruch 1 definierten Alternativen, dass nur Namen oder nur Namen und Adressen identifiziert und als Suchbegriffe verwendet werden, sind gestrichen.
279
4.2 Diese Änderungen können jedoch eine Patentfähigkeit nicht begründen.
280
Der Fachmann entnimmt Spalte 8, Zeilen 25 ff der Druckschrift HLNK8, dass das dort offenbarte Computersystem nach Festlegung eines Nachrichtenformats fünf Objektklassen identifiziert, darunter auch Ortsnamen (Spalte 8, Zeilen 33 bis 37), die bekanntlich einen Bestandteil von Adressangaben bilden können. Außerdem sei auf die Liste der möglichen Nachrichtenformate (Spalte 7, Zeile 50 bis Spalte 8, Zeile 16) mit den jeweils ihnen zugeordneten Abfrageinformationen hingewiesen, für die u. a. Postanschriften, also Adressen vorgesehen sind (Spalte 8, Zeile 1, siehe „Addressee mailing address“ zu Spalte 7 Zeile 66 „Format: letter“; u. a.) (teilweise Merkmal M1.3.1´).
281
Die Beschränkung auf das Ermitteln von Adressen durch das Adverb „only“ in Merkmal M1.3.1´
(to identify only an address) leistet genauso wie die Beschränkung auf das Ermitteln von Namen und/oder Adressen in Merkmal M1.3.1
(to identify only a name and/or address) keinen technischen Beitrag und ist nicht ursprungsoffenbart, sie ist daher bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (restlicher Teil von Merkmal M1.3.1´). Zur Vermeidung von Wiederholungen sei an dieser Stelle lediglich auf die entsprechenden Ausführungen unter Abschnitt IV. 1.2 verwiesen.
282
4.3 Mit Rücksicht auf die Ausführungen zum Hauptantrag ist auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6 nicht patentfähig, da er nicht neu ist, zumindest aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch alle übrigen Ansprüche des Hilfsantrags 6.
283
5. Hilfsantrag 7 ist nicht günstiger zu beurteilen.
284
5.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 geht aus von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, wobei die Merkmale M1.1 und M1.3.4 durch die Merkmale M1.1´ und M1.3.4´ ersetzt worden sind:
285
M1.1´ “Method of providing a function item within a computer program in the form of a word processor,”
286
M1.3.4´ “wherein said analysis is performed by a
the computer program, and,”
287
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 wird gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 dahingehend eingeschränkt, dass es sich bei dem Computerprogramm, das die Analyse durchführt (Merkmal M1.3.4´), um denjenigen Wortprozessor handelt, in dem das Funktionselement bereitgestellt wird (Merkmal M1.1´).
288
5.2 Die vorgenommenen Änderungen können eine Patentfähigkeit der beanspruchten Lehre nicht begründen.
289
Unter einem Wortprozessor versteht das Streitpatent ganz allgemein ein Computerprogramm, das zur Handhabung, beispielsweise zum Darstellen und/oder Editieren von Texten eingerichtet ist (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0002], [0012], [0045]). Hiervon ausgehend weist das Computersystem der Druckschrift HLNK8 beide Funktionen, Wortprozessor und Analyse des geschriebenen Textes, in ein und demselben Gerät auf. Dies geht u. a. aus Spalte 3, Zeilen 5 bis 20 oder Spalte 5, Zeilen 22 bis 34 der Druckschrift HLNK8 unmittelbar hervor.
290
Demnach verfügt das Computersystem der Druckschrift HLNK8 nicht nur über ein Programm zur Analyse von Textobjekten sondern auch über die Fähigkeit, eingetippten Text darzustellen und zu editieren (teilweise Merkmale M1.1´, M1.3.4´). Dass es sich bei dem Wortprozessor der Druckschrift HLNK8 und dem dort offenbarten Programm zur Analyse von Textobjekten um ein und dasselbe Computerprogramm handelt und nicht etwa um verschiedene Programme, geht aus der Druckschrift HLNK8 allerdings nicht unmittelbar und eindeutig hervor (restlicher Teil der Merkmale M1.1´, M1.3.4´).
291
Das verbliebene Unterschiedsmerkmal ist jedoch kein technisches. Beim System gemäß Druckschrift HLNK8 sind in technischer Hinsicht bereits alle erforderlichen Informationen (Daten, Datenstrukturen), Interaktionsmittel (Benutzerschnittstelle, Wiedergabesystem) und Anwendungen vorhanden, und ihre Verwendung zur Analyse von Textobjekten ist beschrieben. Die Frage, ob das dort beschriebene Programm zur Analyse von Textobjekten einen integralen Bestandteil des Wortprozessors bilden oder ob es sich dabei um ein eigenständiges, vom Wortprozessor separiertes Softwaremodul handeln soll, richtet sich aber nicht an den Entwicklungsingenieur. Die Frage betrifft vielmehr die Programmiertechnik als solche unabhängig von technischen Zusammenhängen, die dem technischen Entwickler im Rahmen einer Spezifikation von einem Systemdesigner vorgegeben wird. Dass dem Problem der Entscheidung, ob und welche Softwaremodule zu einer einzigen funktionalen Einheit zusammengeschlossen bzw. in einem einzigen Computerprogramm integriert werden sollen, irgendwelche technischen Überlegungen oder Erkenntnisse zugrunde liegen könnten, ist weder ersichtlich, noch wurden konkrete technische Aspekte vorgetragen. Weil das verbliebene Unterschiedsmerkmal somit zu einer technischen Problemlösung nichts beiträgt, ist es bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (vgl. EPA T 0717/04 v. 28.02.07 – Space game; BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen; BGH GRUR 2013, 275 – Routenplanung) (restlicher Teil der Merkmale M1.1´, M1.3.4´).
292
5.3 Unter Berücksichtigung der Ausführungen zum Hauptantrag ist somit auch der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 7 nicht patentfähig. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die übrigen Ansprüche des Hilfsantrags 7.
293
6. Aus diesen Gründen war das Streitpatent, das somit in keiner seiner durch die Beklagte verteidigten Fassungen bestandsfähig ist, insgesamt für nichtig zu erklären.
VI.
294
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 ZPO. Zu den von der Beklagten danach zu tragenden Kosten gehören auch diejenigen der Nebenintervenientinnen. Im Patentnichtigkeitsverfahren gilt der Streithelfer des Klägers entsprechend § 69 ZPO als dessen Streitgenosse (vgl. BGH GRUR 2008, 60, Rdn. 60 – Sammelhefter II). Sind dem Gegner der unterstützten Partei die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, umfassen sie wegen der Fiktion des § 69 ZPO auch die Kosten des Nebenintervenienten (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl., § 101 Rdn. 9).
295
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


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