Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “auto contract” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  30 W (pat) 12/09

Datum:
18.2.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 010 894.0
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. Februar 2010 durch die Richterin Winter als Vorsitzende, die Richterin Hartlieb und den Richter Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden ist die Bezeichnung
2
auto contract.
3
Das Waren-Dienstleistungsverzeichnis lautet:
4
„Elektronische Datenträger mit juristischen Informationen, Software, insbesondere individuell programmierte Software und Standardsoftware
5
Recherche, Nachforschung über Vermögensverhältnisse für Inkassogeschäfte; Inkassogeschäfte
6
Bereitstellung des Zugriffs auf juristische Informationsangebote zum Abruf aus dem Internet, Bereitstellen des Zugriffs auf elektronische Zeitungen, Zeitschriften, juristische Dokumenten mit juristischem Inhalt im Internet; Übermittlung von Forderungsdaten für Inkassoaufträge über das Internet
7
Entwicklung und Programmierung von Software und Standardsoftware, insbesondere Individualprogrammierung, Softwarepflege, -wartung und Homepageprogrammierung
8
Juristische Dienstleistungen, nämlich Rechtsberatung und -vertretung“.
9
Die Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet: Die Marke sei ein beschreibender Hinweis auf Verträge, die unter Verwendung entsprechender Programme selbst erstellt werden könnten. Nachdem eine Stellungnahme der Anmelderin nicht einging, erfolgte die Zurückweisung der Anmeldung aus den Gründen des Beanstandungsbescheids.
10
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass es sich um einen neuen, sprachregelwidrigen Gesamtbegriff handele, der nicht beschreibend sei. Sie weist auf die Eintragung einer Marke „auto-contract“ hin.
11
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
12
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 aufzuheben.
13
Der Senat hat durch Zwischenbescheid darauf hingewiesen, dass das Wort „auto“ sowohl im Englischen wie auch im Deutschen als Kurzform für das Wort „Automobil“ verwendet wird und dieser Bereich in großem Umfang Gegenstand juristischer Dienstleistungen, insbesondere auch im Internet sei, ebenso wie der Themenbereich „Vertrag“ (contract).
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
15
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet. Die angemeldete Wortmarke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; ihr fehlt hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. genannten Vorschrift. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
16
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229, 230 [Nr. 27 ff.] – BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 [Nr. 18] – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2008, 710 [Nr. 12] – VISAGE; GRUR 2009, 411 [Nr. 8] – STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 [Nr. 11] – Willkommen im Leben; GRUR 2009, 952 [Nr. 9] – DeutschlandCard). Keine Unterscheidungskraft kommt zunächst Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2009, 952, 953 [Nr. 10] – DeutschlandCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu der betreffenden Ware oder Dienstleistung hergestellt wird (BGH GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 411 [Nr. 9] – STREETBALL). Ein solcher enger beschreibender Bezug kann sich insbesondere daraus ergeben, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen in engem sachlichen Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen stehen, für die die zur Beurteilung stehende Bezeichnung einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweist (BGH GRUR 2009, 949, 951 [Nr. 20] – My World). Die Eignung, Produkte ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 [Nr. 10] – DeutschlandCard). Nach diesen Grundsätzen muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.
17
Die angemeldete Marke setzt sich aus den Wortbestandteilen „auto“ und „contract” zusammen. „Auto“ ist in erster Linie als Kurzform des Wortes „Automobil, Kraftfahrzeug“ (wörtlich: „selbstbeweglich“) im Gebrauch; daneben wird „auto“ in Wortzusammensetzungen wie etwa „Autobiografie“, „Autodidakt”, „Autofokus“, „Automat“, „automatisch”, „Autopilot” oder eben auch „Automobil“ entsprechend seiner aus dem Griechischen stammenden Bedeutung „selbst, eigen” zur Bezeichnung für Eigenschaften verwendet, die auf ein selbsttätiges, selbstständiges bzw. eigenes Tätigwerden hinweisen (vgl. Duden, Fremdwörterbuch, 8. Aufl. S. 109 ff.; Langenscheidts Muret-Sanders, Großwörterbuch Englisch S. 97, 98; BPatG 33 W (pat) 101/06 – AUTOMEDIATHEK, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts unter http://www.bpatg.de).
18
Das englische Wort „contract“ bedeutet im Deutschen „Abkommen, Vertrag“, ebenso als Fremdwort der deutschen Sprache in der Schreibweise „Kontrakt“ (vgl. Duden a. a. O. S. 561; Langenscheidt a. a. O. S. 258).
19
In der Gesamtheit kann die angemeldete Bezeichnung damit als Hinweis auf einen Vertrag sowohl mit inhaltlichem Schwerpunkt im Bereich des Automobilwesens, als auch im Sinn eines anhand von Mustervordrucken automatisch (selbst) zu erstellenden Vertrages verstanden werden.
20
Darauf, dass im Bereich der Gestaltung, Erstellung und Überwachung sowie Abwicklung von Verträgen juristische Dienstleistungen in Verbindung mit Informationstechnologie eine wesentliche Rolle spielen, ist die Anmelderin mit dem Beanstandungsbescheid sowie durch Zwischenbescheid des Senats hingewiesen worden; beispielhaft wird hierzu auf das der Anmelderin von der Markenstelle übersandte Angebot der Firma o. software AG hingewiesen, die unter anderem eine spezielle Software für Vertragsmanagement anbietet (vgl. http://www.otris.de/cms/Vertragsmanagement_LCM_otris.html;jsessionid=01FFB9B04DBFCC91D2E4B7FF5A77F6D8).
21
Die Bezeichnung auto contract kann damit nach Art oder Bestimmung auf die hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen bezogen sein. Deshalb ist die Schlussfolgerung der Markenstelle nicht zu beanstanden, der angemeldeten Bezeichnung werde für Waren und Dienstleistungen auf dem hier maßgeblichen Sektor kein Hinweis auf eine individuelle betriebliche Herkunft entnommen.
22
Die Anmelderin kann aus der Eintragung anderer Marken keinen Anspruch auf Eintragung der vorliegenden Anmeldung herleiten. Der Senat hat diese Ausführungen berücksichtigt, sieht sich aber nicht veranlasst, in gleichem Sinn zu entscheiden und die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG unberücksichtigt zu lassen. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar (EuGH GRUR 2004, 674 Nr. 43, 44 – Postkantoor; GRUR 2004, 428 Nr. 63 – Henkel; GRUR 2009, 667 Nr. 19 – Schwabenpost u. a.; MarkenR 2009, 478, 484 Nr. 57 – American Clothing; BGH GRUR 1997, 527, 529 – Autofelge; GRUR 2008, 1093, 1095 Nr. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis; BPatG GRUR 2007, 333, 335 ff. – Papaya; BPatG 24 W (pat) 142/05 – VOLKSFLAT, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts unter http://www.bpatg.de).


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