Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “INNOVA® technics (Wort-Bild-Marke)/Innova” – Dienstleistungsidentität – Prägung durch Markenbestandteil – klangliche Verwechslungsgefahr

Aktenzeichen  24 W (pat) 84/08

Datum:
30.3.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
24. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 304 04 362
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. März 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Viereck und Eisenrauch
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2008 aufgehoben.
2. Die Löschung der Marke 304 04 362 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 52 610 angeordnet.

Gründe

I.
1
Die Wort-/Bildmarke
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2
ist am 25. Juli 2007 unter der Nummer 304 04 362 für
3
„Dienstleistungen eines Ingenieurs insbesondere für Forschung und Entwicklung von elektrischen, elektronischen und frequenztechnischen Komponenten, Bauteilen und Baugruppen sowie Aggregaten und Anlagen“
4
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen und am 24. August 2007 veröffentlicht worden.
5
Gegen die Eintragung der vorgenannten Marke hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Dienstleistungen
6
„Vermittlung von Erfindungen, Schutzrechten und Lizenzen; Erstellung von Patentrecherchen; technische Forschung und Entwicklung; Werbung“
7
eingetragenen Wortmarke Nummer 395 52 610
8
Innova
9
Widerspruch erhoben.
10
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 42 des DPMA hat mit Beschluss vom 30. Juli 2008 eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneint und gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG den Widerspruch zurückgewiesen.
11
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass die mit der angegriffenen Marke beanspruchten „Dienstleistungen eines Ingenieurs“ zwar im engeren Ähnlichkeitsbereich der Dienstleistungen der Widerspruchsmarke lägen oder mit diesen sogar teilidentisch seien, da die mit der Widerspruchsmarke geschützten Dienstleistungen „Erstellung von Patentrecherchen“ und „technische Forschung und Entwicklung“ typischerweise auch von Ingenieuren erbracht würden. Dennoch müsse eine Verwechslungsgefahr verneint werden, da das Widerspruchszeichen „Innova“ erkennbar an den beschreibenden Begriff „Innovation“ angelehnt sei und daher nur über eine eingeschränkte Kennzeichnungskraft verfüge. Das Wort „Innova“ sei zudem ein beliebtes, vielgebrauchtes Markenbildungselement, was eine Internet-Recherche unter Google ® gezeigt habe. Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde nicht durch den Bestandteil „ INNOVA “ geprägt, da es sich sowohl bei „ INNOVA “ als auch bei dem Bestandteil „technics“ um gleichermaßen kennzeichnungsschwache Elemente handele. Schließlich gebe auch das Symbol „®“ in seiner konkreten Anbringung keinen Anhalt dafür, dass nur der Bestandteil „ INNNOVA “ geschützt sein solle und im Vordergrund stehe.
12
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, dass die Markenstelle eine Verwechslungsgefahr zu Unrecht verneint habe. Dem Bestandteil „ INNOVA “ komme innerhalb der angegriffenen Marke sehr wohl eine den Gesamteindruck der Marke prägende Stellung zu. Der Wortbestandteil „ INNOVA “ sei in Versalien geschrieben und deutlich größer gestaltet als der Bestandteil „technics“. Zusätzlich werde der Bestandteil „ INNOVA “ im Gesamteindruck der angegriffenen Marke noch durch das genau hinter diesem Bestandteil platzierte „®“ betont. Vor diesem Hintergrund könne der Wortbestandteil „technics“ der angegriffenen Marke, der ebenfalls kennzeichnungsschwach sei, eine Verwechslungsgefahr nicht verhindern.
13
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß),
14
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2008 aufzuheben und die Löschung der Marke 304 04 362 anzuordnen.
15
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren weder zur Sache geäußert noch Anträge gestellt.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
17
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht in klanglicher Hinsicht eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die angegriffene Marke ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zu löschen.
18
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. u. a. EuGH GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) „Marca/Adidas“; GRUR 2005, 1042, 1044 (Nr. 27) „ THOMSON LIFE “; GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) „ PICASSO “; BGH GRUR 2008, 258, 260 (Nr. 20) „INTERCONNECT/T-InterConnect“; GRUR 2009, 484, 486 (Nr. 23) „Metrobus”; GRUR 2010, 235 (Nr. 15) „ AIDA/AIDU “).
19
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat die nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MarkenG mögliche Einrede der mangelnden Benutzung nicht erhoben, weshalb dem Widerspruch gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG sämtliche Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke im Register eingetragen ist, zugrunde gelegt werden können.
20
Die Markenstelle hat zutreffend festgestellt, dass die Dienstleistungen „Erstellung von Patentrecherchen“ und „technische Forschung und Entwicklung“, die die Widerspruchsmarke beansprucht, typischerweise von Ingenieuren erbracht werden und diese daher ebenfalls unter den Oberbegriff „Dienstleistungen eines Ingenieurs“, für den die angegriffene Marke eingetragen ist, subsumiert werden können. Zu beachten ist ferner, dass das Dienstleitungsverzeichnis der angegriffenen Marke durch den Zusatz „insbesondere für Forschung und Entwicklung von elektrischen, elektronischen und frequenztechnischen Komponenten, Bauteilen und Baugruppen sowie Aggregaten und Anlagen“ keine rechtlich relevante Einschränkung aufweist (Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 32 Rdn. 95). Damit stehen sich vorliegend identische Dienstleistungen gegenüber.
21
Gefolgt werden kann der Markenstelle auch darin, dass das Wort „Innova“ ersichtlich eine Anlehnung an den Begriff „Innovation“ darstellt, der „Einführung von etwas Neuem“, „Erneuerung“ oder schlicht „Neuerung“ bedeuten kann (vgl. DUDEN – Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl., [CD-ROM] Mannheim 2007). Wegen seines beschreibenden Anklangs handelt es sich beim Wort „Innova“, wie die Markenstelle ebenfalls zutreffend festgestellt hat, um ein durchaus beliebtes, vielgebrauchtes Markenbildungselement, das insbesondere im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen aus dem Bereich der Technik zu Recht als mit einer gewissen Kennzeichnungsschwäche behaftet beurteilt wird (vgl. BPatG PAVIS PROMA, 32 W (pat) 23/00 vom 29.11.2000 – „Clima Innova/ INNOVA “); allerdings kann dem Wort „Innova“ nicht jegliche Kennzeichnungskraft abgesprochen werden (vgl. BPatG PAVIS PROMA, 29 W (pat) 204/00 vom 12.06.2002 – „T INNOVA / INNOVA “). Im vorliegenden Fall wird der Widerspruchsmarke „Innova“ bezogen auf die hier in erster Linie interessierenden Dienstleistungen „Erstellung von Patentrecherchen“ und „technische Forschung und Entwicklung“ immerhin noch eine Kennzeichnungskraft im unteren Bereich des Durchschnitts bescheinigt werden müssen.
22
Der vorliegenden Fall weist jedoch – von der Markenstelle nicht zutreffend gewürdigte – Besonderheiten auf, die im Zusammenhang mit den bereits genannten Faktoren zur Einschätzung führen, dass bei den Vergleichsmarken durchaus noch eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen zu besorgen ist.
23
Der Bestandteil „ INNOVA “ tritt innerhalb der angegriffenen Marke gegenüber den anderen Bestandteilen durch seine Farbigkeit und größenmäßige Aufmachung deutlich hervor. Weitere Bedeutung für den Gesamteindruck der angegriffenen Marke erhält der Wortbestandteil „ INNOVA “ noch dadurch, dass ausschließlich ihm das auf eine registrierte Marke hinweisende Symbol „®“ – unübersehbar wegen der Art seiner Positionierung und wegen der gleichen farblichen Gestaltung – zugeordnet ist. Der in der angegriffenen Marke enthaltene, zweite Wortbestandteil „technics“ trägt dagegen zum Gesamteindruck dieser Marke wesentlich weniger bei. Er tritt innerhalb der angegriffenen Marke nicht nur wegen seiner unauffälligen, in schwarzen Kleinbuchstaben gehaltenen Gestaltung zurück, sondern auch deshalb, weil er in noch höherem Maße beschreibend ist und damit über noch weniger Kennzeichnungskraft als der Bestandteil „ INNOVA “ verfügt. Damit liegt eine blickfangartige Herausstellung des Bestandteils „ INNOVA “ vor, der auf diese Weise – trotz einer gewissen Kennzeichnungsschwäche – geeignet ist, den Gesamteindruck der angegriffenen Marke zu prägen (vgl. BGH GRUR 1998, 930, 931 – „Fläminger“). Dies führt vorliegend zur Feststellung, dass die angegriffene Marke im Bereich identischer Dienstleistungen den notwendigen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht mehr einhält und jedenfalls in klanglicher Hinsicht – was bereits für eine Löschung der angegriffenen Marke ausreicht (vgl. BGH GRUR 2008, 714, 717 (Nr. 37) – „idw“) – die Gefahr von Verwechslungen entstehen lässt.
24
Die angegriffene Marke ist hierbei in vollem Umfang zu löschen, obwohl die Voraussetzungen für eine Gefahr von Verwechslungen möglicherweise nur hinsichtlich eines Teils der unter den Oberbegriff „Dienstleistungen eines Ingenieurs“ fallenden Dienstleistungen, für die die angegriffene Marke Schutz beansprucht, gegeben sind. Das Bundespatentgericht ist nämlich nicht berechtigt, von Amts wegen etwaige Dienstleistungen, die zwar unter den Oberbegriff „Dienstleistungen eines Ingenieurs“ fallen, aber nicht die Gefahr von Verwechslungen begründen, von der Löschung auszunehmen (vgl. BGH GRUR 2005, 326, 327 – „il Padrone/ Il Portone“).


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