Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “RETROLYMPICS (Wort-Bild-Marke)” – kein sonstiges gesetzliches Benutzungsverbot – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  27 W (pat) 547/13

Datum:
17.6.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 9 MarkenG
§ 1 OlympSchG
§ 3 OlympSchG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 015 602.9
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Hermann und den Richter k.A. Schmid
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juni 2013 aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Wort-/Bildmarke 30 2012 015 602
2
ist am 18. Februar 2012 für die Waren und Dienstleistungen
3
28: Spiele und Sportartikel
4
35: Werbung
5
41: sportliche und kulturelle Aktivitäten
6
angemeldet worden.
7
Nach vorangegangener Beanstandung vom 22. Juni 2012 hat die Markenstelle für Klasse 41 diese Anmeldung mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Sie hat hierzu ausgeführt, dass die angemeldete Bezeichnung nach § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen sei, da deren Benutzung nach dem Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (OlympSchG) vom 31. März 2004, untersagt sei. Danach sei ausdrücklich die Verwendung von Wörtern wie “Olympiade”, “Olympia”, “olympisch” allein oder in Zusammensetzung sowie die Verwendung entsprechender Wörter oder Wortgruppen in einer anderen Sprache anderen als dem Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland oder dem Internationalen Olympischen Komitee verwehrt. Auch sei es Dritten untersagt, ohne Zustimmung der Inhaber des Schutzrechts im geschäftlichen Verkehr die olympischen Bezeichnungen zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen zu verwenden, wenn hierdurch die Gefahr von Verwechslungen bestehe, einschließlich der Gefahr, dass die Bezeichnung mit den Olympischen Spielen oder der Olympischen Bewegung gedanklich in Verbindung gebracht würde.
8
Die angemeldete Wort-/Bildmarke bestehe aus dem Wortbildungselement “Retro”, das in vielen Bereichen an ältere Traditionen oder Merkmale anknüpfende Erscheinungen kennzeichnen würde, dem englischen Begriff “(o)lympics”, die Olympiade, und einer farbig gestalteten, stilisierten Darstellung des olympischen Feuers. Bei dem in der Marke enthaltenen englischsprachigen Begriff “olympics” handele es sich um eine olympische Bezeichnung im Sinne des Olympiaschutzgesetz. Außerdem sei die angemeldete Marke in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen dazu geeignet, mit den olympischen Spielen gedanklich in Verbindung gebracht zu werden und als werbemäßiger Qualitätshinweis, der auf eine olympiareife Güte oder Leistung aufmerksam macht, verstanden zu werden. Der Sachzusammenhang mit den Olympischen Spielen würde durch die graphische Gestaltung in Form eines stilisierten olympischen Feuers noch verstärkt. Letztendlich lege das Einverständnis des Inhabers des Schutzrechts zur Verwendung der Bezeichnung nicht vor.
9
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 24. Juli 2013, mit der er beantragt,
10
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
11
Der Anmelder meint, die Benutzung des Zeichens könne selbst bei Heranziehung des seiner Ansicht nach verfassungswidrigen OlympSchG nicht untersagt werden, da durch den eindeutigen Zuweisungsgehalt zur Geschichte des Olympischen Sports sowie der Verwendung eines komplett von Olympischen Ringen verschiedenen Bildzeichens die Öffentlichkeit eindeutig davon in Kenntnis gesetzt werde, dass es sich nicht um die offizielle Olympische Bewegung handelt, sondern eine davon verschiedene Vereinigung, die sich mit der Geschichte befasst und die das Image der Olympischen Spiele nicht in unlauterer Weise ausnutzte.
II.
12
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 Nr. 9 oder Nrn. 1 und 2 MarkenG entgegen.
13
Entgegen der Auffassung des angefochtenen Beschlusses besteht vorliegend keine Gefahr von Verwechslungen, auch nicht die Gefahr, dass die Bezeichnung mit den Olympischen Spielen oder der Olympischen Bewegung gedanklich in Verbindung gebracht wird oder durch das angemeldete Zeichen die Wertschätzung der Olympischen Spiele oder der Olympischen Bewegung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt wird. Denn der Wortbestandteil des Zeichens enthält zwar als Endung “-lympics” und kann als Hinweis auf olympics gelesen werden. Mit der eindeutigen Aussage “Retro-” im Anfang allerdings ist klargestellt, dass es sich nicht um Bezüge zu aktuellen sportlichen Wettkämpfen oder den Olympischen Spielen der Schutzrechtsinhaber handeln kann. Hierauf weist der Anmelder in seiner Beschwerdebegründung vom 24. Juni 2013 zutreffend hin. Der graphische Bestandteil des Zeichens, das stilisierte olympische Feuer in schwarz-rot-goldener Farbgestaltung, ist kein olympisches Zeichen im Sinne des OlympSchG.
14
Auch fehlt es an der Ersichtlichkeit einer verbotenen Benutzung, da das Olympiaschutzgesetz rechtfertigende Tatbestände enthält und eine umfangreiche Lizenzierungspraxis bekannt ist.
15
Die angemeldete Marke entbehrt in ihrer Gesamtheit auch nicht jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
16
Bei Marken, die aus Wort- und Bildbestandteilen kombiniert sind, hat sich die Prüfung der Schutzfähigkeit darauf zu erstrecken, ob die Marke in ihrer Gesamtheit den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (vgl. BGH BlPMZ 2000, 397 – antiKALK). Der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit kann nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
17
Die von den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen angesprochenen inländischen breiten Verkehrskreise werden zwar bei “RETROLYMPICS” einen Zusammenhang mit sportlichen Wettkämpfen historischer Sportarten herstellen; der Hinweis auf frühere oder antike olympische Disziplinen drängt sich allerdings nicht ohne Weiteres auf.
18
Letztlich kann die Frage, ob der angemeldete Wortbestandteil für sich betrachtet unterscheidungskräftig ist, jedoch dahingestellt bleiben, da die Marke aufgrund ihrer graphischen Ausgestaltung unterscheidungskräftig ist. An die Graphik sind vorliegend keine besonders hohe Anforderungen zu stellen, da die zu überwindende Kennzeichnungsschwäche aller Wortbestandteile in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht so ausgeprägt ist (BPatG GRUR 1996, 410 – Color COLLECTION). Unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter Merkmale der in graphischer Gestaltung beanspruchten Marke ist dieser nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen. Die konkrete Gestaltung mit dem stilisierten, in Signalfarben gestalteten Feuer in der Schale ist hinreichend eigentümlich, um sich dem angesprochenen Publikum als betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen.
19
Zwar mögen die Gestaltungsmittel je für sich genommen werbeüblich sein. Dies gilt jedoch nicht für die graphischen Gestaltungen in ihrer Gesamtheit, die der Senat für ausreichend komplex hält.
20
Damit kann der verfahrensgegenständlichen Marke ein – wenngleich möglicherweise eher geringer – Schutz letztlich nicht abgesprochen werden. Dem stehen Belange der Allgemeinheit und Wettbewerber nicht entgegen, weil der Schutz der Marke auf die ganz konkrete Ausgestaltung beschränkt ist, also insbesondere nicht gegenüber Kennzeichnungen oder sonstigen Angaben besteht, welche zwar ebenfalls die Wortbestandteile “RETRO” und “OLYMPICS” enthalten, aber nicht die konkrete graphische Ausgestaltung der Marke aufweisen. Vielmehr steht eine Verwendung in veränderter Gestaltungsform der Markenelemente der Allgemeinheit weiterhin offen.
21
Die konkrete graphische Gestaltung ist auch nicht freihaltungsbedürftig (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
22
Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG besteht kein Anlass, da die Wertung durch die Markenstelle nicht willkürlich erscheint.


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