Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “see it – feel it – live it” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  27 W (pat) 537/14

Datum:
20.1.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 054 006.9
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Hermann und Richterin Werner am 20. Januar 2015
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.  
1
Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Wortmarke
2
See it – feel it – live it
3
nach vorangegangener Beanstandung mit Beschluss vom 14. Juli 2014 teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Dienstleistungen
4
Klasse 41:
5
Durchführung von Live-Veranstaltungen, Durchführung von Tanz-Veranstaltung
6
Klasse 43:
7
Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Catering.
8
Dies ist damit begründet, dass dem Zeichen – anders als bei Dienstleistungen der Klassen 35 und 45 – für die zurückgewiesenen Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle.
9
Die angemeldete Wortfolge sei aus einfachen, zum Grundwortschatz gehörigen englischen Begriffen zusammengesetzt und werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres in ihrem Bedeutungsgehalt von „Sieh‘ es, Fühl‘ es, Leb‘ es” verstanden, auch weil der Grundwortschatz der englischen Sprache im alltäglichen Leben ständig dadurch gefestigt und erweitert werde, dass zahlreich englische Ausdrücke, Begriffe, Bezeichnungen, Redewendungen und Sätze nicht nur in den Medien sowie der Umgangs- und Werbesprache, sondern auch fachsprachlich in nahezu allen Bereichen eingesetzt würden. Die angemeldete Wortfolge sei zudem sprachüblich im Stil schlagwortartige Wendungen gebildet.
10
Die angemeldete Wortfolge beinhalte die Aufforderung, die im Tenor genannten Dienstleistungen mit den verschiedenen Sinnen wahrzunehmen und das Gesehene/Gefühlte als Philosophie, Veränderung oder neuen Impuls im eigenen Leben zu integrieren. Alle zurückzuweisenden Dienstleistungen könnten den Verbraucher mit den verschiedensten Sinnen ansprechen und Emotionen wecken. So könne es sich bei den oberbegriffsartig beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 41 und 43 um spezielle Angebote aus dem Bereich der Event- und Erlebnisgastronomie handeln, bei denen die angemeldete Wortfolge schlagwortartig auf ein denkbares Motto hinweise. „See it – feel it – live it” vermittele mit seiner Aussage für die zurückgewiesenen Dienstleistungen lediglich eine im Vordergrund stehende rein beschreibende und werblich anpreisende Sachaussage und sei nicht als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet.
11
Der Beschluss ist der Anmelderin am 18. Juli 2014 zugestellt worden.
12
Mit ihrer Beschwerde vom 11. August 2014 wendet sie sich gegen die Wertungen der Markenstelle und verfolgt ihren Eintragungsantrag weiter.
13
Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin die Auffassung, der angemeldete Slogan verfüge über eine gewisse Originalität, verlange vom Publikum einen Interpretationsaufwand und löse Denkprozesse aus. Die Markenstelle übersehe, dass – auch in der deutschen Übersetzung – „sieh’ es, fühl’ es, leb’ es” ein Bruch in der Aufzählung der Sinneswahrnehmungen zu verzeichnen sei, es wäre nach den Worten „sieh’ es, fühl’ es” folgerichtig gewesen, eine weitere Sinneswahrnehmungen wie „höre es” oder „rieche es” anzuführen, anstatt mit „lebe es” aus der Reihe der Sinneswahrnehmungen auszubrechen.
14
Die entsprechende Wahrnehmung werde auch nicht dadurch verhindert, dass es sich um einen fremdsprachlichen, nämlich englischen Slogan handelt, da Englisch eine mittlerweile von vielen ohne weiteres beherrschte Fremdsprache sei.
15
Die Anmelderin weist ferner erneut auf vergleichbare Voreintragungen hin.
16
Die Beschwerdeführerin beantragt,
17
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 2014 aufzuheben.
II.
18
Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil der angemeldeten Bezeichnung für die streitigen Dienstleistung jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr. EuGH Int. 2005, 2012, Nr. 27 ff. – BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 – Fußball WM 2006). Die Schutzfähigkeit als Marke ist dabei stets anhand der angemeldeten Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 24). Enthält eine Bezeichnung danach einen beschreibenden Begriffsinhalt, ist der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass das Publikum sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; GRUR 2005, 417- BerlinCard).
19
Ist – wie hier – die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen gegenüber anderen Wortmarken. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden Marke ist auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit abzustellen (BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Wortfolgen sind dann nicht unterscheidungskräftig, wenn es sich um beschreibende Angaben oder um Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art handelt (BGH BlPMZ 2000, 161 – Radio von hier).
20
Das von den zurückgewiesenen Dienstleistungen angesprochene breite inländische Publikum wird die aus den zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörenden Wörtern „see it – feel it – live it“ zusammengesetzte Wortfolge auch nach Ansicht der Anmelderin ohne weiteres mit „sehe es – fühle es – lebe es“ übersetzen. In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 41 und 43 wird das Publikum die angemeldete Bezeichnung lediglich in dem von der Markenstelle aufgezeigten Sinn als emotionsansprechende Werbeaussage verstehen, nämlich dass die Dienstleistungen positiv sinnliche Erlebnisse bieten, die sich erleben lassen, bei denen man sich ausleben kann, die man in sein Leben integrieren kann.
21
Im Übrigen wird zur Begründung der Schutzversagung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Markenstelle in dem angegriffenen Beschluss verwiesen.
22
Da der Marke bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft der Schutz für die beanspruchte Dienstleistung zu versagen war, kann die Frage, ob einer Schutzgewährung auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, dahingestellt bleiben.
23
Aus den nach Ansicht der Anmelderin vergleichbaren Voreintragungen kann sie keinen Anspruch auf Eintragung ihres Zeichens ableiten. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rn. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit).


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