Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – „SENNER NATÜRLICH. ALLGÄU. SEIT 1862. (Wort-Bildmarke)“ – keine Zurückverweisung an das DPMA – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  28 W (pat) 525/17

Datum:
19.7.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:190718B28Wpat525.17.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
§ 32 Abs 2 Nr 2 MarkenG
§ 33 Abs 1 Nr 1 MarkenG
§ 70 Abs 3 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 039 487.4
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kortbein, den Richter Schmid und den Richter Dr. Söchtig am 19. Juli 2018
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. September 2016 wird aufgehoben.

Gründe

I.
1
Das farbige Wort-/Bildzeichen (weiß, braun)
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
2
ist am 20. Mai 2015 mit Telefax in schwarz-weißer Darstellung für die folgenden Waren zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister angemeldet worden:
3
Klasse 29:
4
Milch und Milchprodukte, insbesondere Käse und Käseprodukte.
5
Am 16. Juni 2015 ist das Zeichen farbig eingereicht worden. Mit Beschluss vom 19. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung nach vorausgegangener Beanstandung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen.
6
Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen erschöpfe sich in einer Aneinanderreihung produktbezogener Angaben und werbeüblicher Gestaltungsmerkmale, die im Gesamteindruck nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werde.
7
Den Wortbestandteilen des Zeichens „SENNER NATÜRLICH. ALLGÄU. SEIT 1862.“ sei zu entnehmen, dass die beanspruchten Milchprodukte in natürlicher Weise hergestellt seien und aus einer bereits seit 1862 betriebenen Sennerei stammten. Diese Angaben seien geeignet, Merkmale der beanspruchten Waren „Milch und Milchprodukte“ zu beschreiben. Jedenfalls bestehe ein enger beschreibender Bezug. Auch die Gestaltung des Zeichens halte sich im Rahmen üblicher Werbegrafik. Der Darstellung eines Hochgebirges verstärke visuell lediglich das Arbeitsumfeld eines Senners. Die grafische Gestaltung des Innenbereichs der Buchstaben in Form eines an Ornamente erinnernden Musters trete in der Gesamtmarke nur unzureichend hervor.
8
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt,
9
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. September 2016 aufzuheben.
10
Hilfsweise hat sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
11
Sie trägt vor, bereits der Wortbestandteil „Senner“ begründe die Schutzfähigkeit des Zeichens. Eine Bezeichnung, die einen Herstellungsbetrieb benenne, beschreibe nicht zwangsläufig die durch den Betrieb hergestellten Produkte. Auch die Angabe „NATÜRLICH“ weise für Milch und Milchprodukte keine rein beschreibende Bedeutung auf. Jedenfalls begründe die grafische Gestaltung die Schutzfähigkeit des Zeichens. Ihre weitgehend rechteckige Grundform erzeuge einen geschlossenen Gesamteindruck, der als Herkunftshinweis wahrgenommen werde. Das Anmeldezeichen werde durch den Schriftzug „SENNER“ dominiert, der nicht nur in einem unüblichen Schriftbild dargestellt, sondern großflächig und auffällig mit Mustern versehen sei, die an abstrakte Kunst erinnerten. Eintragungshindernisse seien daher nicht gegeben. Insbesondere verfüge das Zeichen über das ausreichende Mindestmaß an Unterscheidungskraft.
12
Zum weiteren Vorbringen wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
13
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
14
1. Es besteht kein Anlass, die Sache gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG an das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) zurückzuverweisen. Es hat zwar keine ausdrückliche Entscheidung darüber getroffen, ob die ursprünglich eingereichte Markenwiedergabe für die Begründung des Anmeldetags 20. Mai 2015 ausreicht. Dies setzt voraus, dass die farbige Wiedergabe der Marke und die Angabe vorliegen, dass die Marke in bestimmten Farben eingetragen werden soll (vgl. BGH GRUR 2002, 683, 684 – Farbige Arzneimittelkapsel). Am 20. Mai 2015 wurde lediglich eine Schwarz-Weiß-Wiedergabe der Marke beim DPMA eingereicht. Allerdings wird es bei Telefax-Anmeldungen farbiger Marken als ausreichend angesehen, wenn das farbige Original der Markenwiedergabe nachgereicht wird und auf der schwarz-weißen Markendarstellung im Fax die Verteilung der angegebenen Farben in Übereinstimmung mit dem Original hinreichend klar und eindeutig erkennbar ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 32, Rdnr. 26). Dies ist vorliegend der Fall. Die Farbdarstellung des gegenständlichen Zeichens wurde nach Aufforderung durch das DPMA am 16. Juni 2015 nachträglich vorgelegt. Auch lässt sich der am 20. Mai 2015 eingereichten Schwarz-Weiß-Wiedergabe noch ausreichend klar entnehmen, wo die im Anmeldeformular beanspruchten Farben „weiß, braun“ erscheinen sollen. Es ist erkennbar, dass in Weiß alle Bereiche gehalten sein sollen, die nicht in schwarzer Farbe in dem Anmeldezeichen erscheinen. Schwarz ist wiederum in dem Originalzeichen durch Braun zu ersetzen. Da nur zwei Farben beansprucht werden, wovon eine nur Füll- oder Hintergrundfarbe ist, lässt sich ihre Verteilung auch in der Schwarz-Weiß-Wiedergabe hinreichend bestimmen. Damit reichen die ursprünglich eingereichten Angaben aus, um gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG den 20. Mai 2015 als Anmeldetag begründen zu können.
15
2. Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, da der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens keine Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen. Insbesondere fehlt dem Anmeldezeichen weder jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch stellt es eine freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar.
16
a) Unterscheidungskraft ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister; GRUR 2014, 1204, Rdnr. 9 – DüsseldorfCongress; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
17
Einem Zeichen fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft, wenn ihm die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2014, 1204, Rdnr. 12 – DüsseldorfCongress; GRUR 2013, 731, Rdnr. 22 – Kaleido). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rdnr. 23 – TOOOR!; GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 – FUSSBALL WM 2006).
18
Ein Wort-/Bildzeichen kann – unbeschadet der gegebenenfalls fehlenden Unterscheidungskraft der Wortelemente – als Gesamtheit über Unterscheidungskraft verfügen, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 – antiKALK; GRUR 2014, 872, Rdnr. 33 – Gute Laune Drops). An die Gestaltung sind umso größere Anforderungen zu stellen, je kennzeichnungsschwächer die fragliche Angabe ist (vgl. BGH GRUR 2008, Rdnr. 20 – VISAGE; GRUR 2009, 954, Rdnr. 17 – Kinder III). Dabei vermögen insbesondere einfache geometrische Formen oder bloße Verzierungen des Schriftbildes, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, die fehlende Unterscheidungskraft der Wörter nicht aufzuwiegen (BGH, a. a. O. – antiKALK; a. a. O., Rdnr. 18 – grill meister; a. a. O., Rdnr. 20 – DüsseldorfCongress).
19
Nach diesen Grundsätzen kann dem Anmeldezeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
20
Die Markenstelle hat zu Recht angenommen, dass die Wortelemente des Kombinationszeichens weder für sich noch in ihrer Kombination als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden. Insbesondere wird die im Gesamteindruck des Zeichens im Vordergrund stehende Angabe „SENNER“ lediglich als Tätigkeitsbezeichnung verstanden, die gattungsmäßig einen Hersteller der beanspruchten Milchprodukte bezeichnet. Ein Senner ist jedenfalls nach süddeutschem Sprachgebrauch zuständig für das Zusammentreiben und Melken von Almkühen wie gegebenenfalls auch für die Herstellung von Milchprodukten (vgl. Wiktionary, Suchbegriff „Senner“). In Bezug auf die beanspruchten Waren gibt das Wort an, dass Bergmilch verarbeitet wird und die Produkte ohne umfangreiche technische Unterstützung auf einer Alm zubereitet werden. In diesem Sinne ist auch der eingeführte Ausdruck „Sennerkäse“ zu verstehen. Der Ausdruck „SENNER“ weist daher einen eng beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren auf, weil ihm die originäre Eignung, diese Waren von denen anderer Senner kennzeichenmäßig abzugrenzen, fehlt (vgl. ähnlich BPatG, Beschluss vom 22. Juni 2010, 24 W (pat) 57/09 – webadvocat; Beschluss vom 24. März 2011, 30 W (pat) 523/10 – Aktive Optiker; Beschluss vom 28. Juli 2015, 25 W (pat) 518/14 – Steuerkaufmann).
21
Die weiteren Angaben „NATÜRLICH. ALLGÄU. SEIT 1862.“ benennen ebenfalls objektive Eigenschaften eines Senners („ALLGÄU. SEIT 1862.“) oder der beanspruchten Waren („NATÜRLICH.“). Selbst wenn nur die Anmelderin seit 1862 auf Allgäuer Almen Milchprodukte produzieren sollte, so wäre dieser Umstand nur dann beachtlich, wenn er dem Publikum bekannt wäre und seine Wahrnehmung des Zeichens beeinflussen würde. Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor.
22
Den sachbezogenen Bedeutungsgehalt der Wortbestandteile überlagert aber die grafische Darstellung des Zeichens hinreichend. Es ist nicht erkennbar, dass sie nicht als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen wird. Die Schriftgestaltung des im Vordergrund stehenden Wortbestandteils „SENNER“ ist weder einfach noch naheliegend. Seine einzelnen Buchstaben weisen Kronen, (Halb-) Kreise, Punkte und verschiedene Strichmuster auf. Die Gestaltung erinnert bei unbefangener Betrachtung an Ausdrucksmittel abstrakter oder primitiver Kunst, die nicht nur keinen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Wortelement „SENNER“ aufweisen, sondern in diesem Kontext sogar als Fremdkörper erscheinen. Hierdurch kommt dem Zeichen eine gewisse Charakteristik zu, die von einem rein beschreibenden Verständnis des Wortes „SENNER“ wegführt. Die Grafik tritt in Anbetracht ihrer Größe und des Farbkontrasts im Gesamteindruck des Zeichens genügend deutlich hervor.
23
Da es auf die Gesamtbetrachtung und nicht auf eine Analyse der Einzelelemente ankommt, ist das Zeichen damit geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis für die beanspruchten Waren zu dienen.
24
b) Aus den genannten Gründen steht der Eintragung der angemeldeten Wortfolge in ihrer konkreten grafischen Ausgestaltung auch ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen.
25
Deshalb war der angegriffene Beschluss antragsgemäß aufzuheben.


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